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Sterben - das Schwierige im Leben -  Werner Schweidtmann

Sterben - das Schwierige im Leben (eBook)

Hilfen und Hinweise für die Begleitung am Lebensende
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
188 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-041799-1 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
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Sterben bedeutet für viele Menschen: eine letzte große Lebenskrise muss bestanden werden. Bei der Begleitung im Sterben stehen üblicherweise medizinische Behandlungsaspekte im Vordergrund. Eine emotionale Begleitung verunsichert oder überfordert die Beteiligten oft, spielt jedoch eine ebenso entscheidende Rolle beim Fortschreiten der Erkrankung. Dieses Buch beleuchtet die unterschiedlichen Verarbeitungsstrategien am Lebensende mit Einblicken aus der Bewältigungsforschung und der Persönlichkeitspsychologie. Anhand von Gesprächsaufzeichnungen mit sterbenden Menschen werden typische Kommunikationshürden identifiziert und Hinweise gegeben, wie eine hilfreiche und professionelle Begleitung ganzheitlich gelingen kann.

Dr. rer. medic. Dr. theol. Werner Schweidtmann ist Medizinwissenschaftler, Heilpraktiker und Psychoonkologe und arbeitet schwerpunktmäßig in der Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen und ihrer Angehörigen im Krankenhaus.

Dr. rer. medic. Dr. theol. Werner Schweidtmann ist Medizinwissenschaftler, Heilpraktiker und Psychoonkologe und arbeitet schwerpunktmäßig in der Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen und ihrer Angehörigen im Krankenhaus.

Einführung


Sterben ist das Schwierige im Leben

Sterben ist das Schwierige im Leben – wie wahr!

Wie damit umgehen – vor allem dann, wenn es ernst wird mit dieser »Wahrheit«, wenn sie mir näherkommt – möglicherweise buchstäblich auf den Leib rückt? Das Ende gehört zum Leben, wie das Geborenwerden am Anfang. Der ist üblicherweise begleitet von freudiger Erwartung, verbunden mit Glücksgefühlen und Begeisterung über einen neuen Erdenbürger.

Ganz anders unsere Wahrnehmung zum Lebensende, sowohl individuell als auch gesellschaftlich. Warum ist das so? Sterben ist das Schwierige, oder sollte man sagen, das Schwierigste im Leben? Und das gilt für beide Seiten: Für die, die als Familie, als Verwandte und Freunde diesen Prozess des Verabschiedens von außen, aber eben doch hautnah erleben, ebenso wie für diejenigen, die es als Person zutiefst persönlich trifft.

»Was meinen Sie, muss ich sterben? Wie lange habe ich noch? Meinen Sie, dass ich wieder gesund werden kann?«

Für alle, die mit Sterbenden zu tun haben – egal ob als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in einem Krankenhaus, Altenheim, in Hospizen oder ambulanten Hospizdiensten, ob als Angehörige oder Freunde1 –, wird diese Frage früher oder später zu einer Herausforderung, nicht selten auch zu einem Albtraum. Immer wieder wurde ich gefragt, in der Klinik und bei vielen Fortbildungsveranstaltungen: »Was soll ich sagen, wenn ...?« In dieser Frage bündelt sich das ganze Ausmaß an Verunsicherung, wie heute mit Sterben und Tod umzugehen sei.

Warum trifft uns eine solche Diagnose auf beiden Seiten bis ins Mark, erschüttert uns zutiefst, wo wir doch alle »wissen«, zumindest vom Kopf her, dass wir sterblich sind – und nicht erst, wenn und seit eine solche Wahrheit in unser Leben eingebrochen ist. Wir sprechen von der tödlichsten Sicherheit – und realisieren doch selten wirklich, was wir da sagen: Dass es keine tödlichere Sicherheit gibt als die, dass wir irgendwann – früher oder später – diese Erde auch wieder verlassen werden.

Wenn es heißt, jeder solle seinen eigenen Tod sterben können und Sterben in Würde sei das Ziel aller Betreuung und Begleitung, so ist das zwar ein hehres Ziel; wie sich das aber in den Niederungen des Alltags realisieren lässt, wie eine passgenaue, auf diesen speziellen Menschen zugeschnittene Begleitung aussehen kann, das bleibt häufig wenig ausdifferenziert. Zugespitzt und möglicherweise etwas holzschnittartig formuliert könnte das bedeuten: Händchenhalten allein reicht in einer qualifizierten Sterbebegleitung nicht aus. Gut gemeint heißt noch lange nicht: Gut gemacht! Was passiert, wenn mitunter von einem Tag auf den anderen nicht nur ein ganzes Leben, sondern auch das innerste Erleben auf den Kopf gestellt wird? Ein Patient hat es mir gegenüber einmal so formuliert: »Gestern hatte ich Gastritis, heute habe ich ein Gallengangskarzinom mit Lebermetastasen.« Wie wird das verarbeitet, wie kann ein solcher Schock bewältigt werden?

Als Hilfe von außen braucht es dazu einerseits eine gute Wahrnehmung für das Gegenüber und gleichzeitig eine professionelle Haltung im besten Sinne des Wortes. Ich kann nie von vornherein wissen, wie mein Gegenüber »tickt«, in welchem Stadium zwischen Offenheit und Widerstand dieser Mensch sich gerade befindet, ob und wie er im Hinblick auf die Akzeptanz seiner »Wahrheit« unterwegs ist, ob eher ein Schritt vor oder zurück dran ist, wieviel »Verdrängung« notwendig, wieviel Offenheit möglich ist.

Immer noch ist Begleitung in schwerer Krankheit und im Sterben primär auf ein medizinisches Behandlungskonzept ausgerichtet, selbst dann, wenn es einem palliativen Ansatz folgt im Sinne von Schmerztherapie und Symptomkontrolle. Das Sterben eines Menschen umfasst aber deutlich mehr: Es ist das Herauslösen aus »seiner Welt«, die für ihn Bedeutung gehabt hat, woran sein oder ihr Herz hängt im Sinne dessen, was emotional bedeutsam war und innerlich als bedeutsam erlebt wird. In diesem Sinne ist Sterbe-Begleitung auch Begleitung durch die verschiedenen Stadien des Bewusstseins und der Emotionen, die dabei erlebt und verarbeitet werden müssen: Die Trauer und der Seelenschmerz genauso wie das Aufbegehren, der Widerstand und der Ärger über das Unabänderliche. Das heißt: Loslassen, Abschied nehmen in vielen Dimensionen, und letztendlich realisieren, was nie mehr sein wird ...

Das gilt für alles, was das Leben ausgemacht hat, vor allem natürlich für die Personen, die den Sterbenden innerlich nahestehen. Dieser innere Weg, dieses emotional prozesshafte Geschehen, dieses Herauslösen aus »meiner Welt«, wie sie mir vertraut war, das alles braucht »Raum«, Zeit, Verständnis und Begleitung.

Eine in diesem Sinne ganzheitliche Behandlung folgt einem bio-psycho-sozialen Verständnis, bleibt in der Versorgungsrealität jedoch oftmals eine leere Versprechung, auch wenn häufig genug von einem würdigen Sterben als Postulat gesprochen wird. An genau diesem Defizit möchte dieses Buch ansetzen und möglichst konkrete Hinweise dazu geben, wie Begleitung von »außen« zum Sterben in Würde beitragen kann.

Ich selbst kenne diese Problematik nur allzu gut, weil ich über mehrere Jahrzehnte Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet habe. Häufig war ich selbst ratlos und »am Ende«. Oftmals war ich aber auch der, der von ihnen an die Hand genommen wurde, mitgenommen bis an die äußerste Grenze des Lebens. Ich habe sehen und erleben dürfen, wie Menschen das machen: Sterben, wie sie es für sich gestalten. Sterbende haben mich teilnehmen lassen, was sie erleben, was sie beschäftigt: An ihren Ängsten, an ihren Sehnsüchten, jedoch auch an ihrer Verzweiflung, ihrem Zerfall und ihrer Hinfälligkeit. Oft war das ein erschütterndes, aber ebenso oft auch ein tröstliches Erleben, besonders dann, wenn Verständigung darüber möglich war, wenn wir uns von Mensch zu Mensch begegnen konnten. Dadurch habe ich lernen können, mit meinen eigenen Ängsten vor dieser Realität umzugehen – zu begreifen, dass Sterben ein Teil des Lebens ist und dass Sterben ein sehr lebendiges Geschehen sein kann. Was das konkret und existenziell bedeutet, möchte ich an der Erfahrung eines Sterbeverlaufes deutlich machen.

Ein Mensch stirbt

Begonnen hatte alles bereits vor sechs Jahren. Er war damals 50 Jahre alt. Wie aus heiterem Himmel kamen die Beschwerden, wie aus heiterem Himmel kam auch die Diagnose: Hypernephrom – bösartiger Nierentumor. Sie wissen, wie das dann geht: Er musste operiert werden – Nachbehandlung – Bestrahlung ... Eine Niere wurde entnommen, aber der Schock saß und blieb. Die Angst hatte sich eingenistet in seinem Innern, festgefressen tief im Inneren seines Bewusstseins. Er wurde sie nie wieder los – bis zum Ende nicht –, sie wurde ihm zum ständigen Begleiter. Besonders zu den halbjährlichen Nachuntersuchungen wurde sie immer wieder hochgeschwemmt. Die Familie erzählte, dass man es schon zwei Wochen vorher merken konnte. Innere Unruhe und Schlaflosigkeit waren die äußeren Symptome dieses inneren Leidens, das Angst hieß – Angst, dass sich doch wieder etwas zeigen könnte. Und gerade in dem Moment, in dem alles gut überstanden schien, nach vier Jahren nämlich, wurde die schlimme Befürchtung zur Gewissheit: Auch die andere Niere ist befallen – auch sie muss zur Hälfte heraus.

Wieder die ganze Prozedur der Nachbehandlung! Aber kaum, dass ein Jahr überstanden ist, zeigen sich Lungenmetastasen. Ich glaube, die innere Panik ist kaum zu benennen und kaum zu beschreiben, die einen vitalen, zupackenden, agilen Mann in den besten Jahren ergreift, wenn er mit einer solchen Wahrheit konfrontiert wird. Die Abgründe der schlaflosen Nächte sind für den kaum nachzuvollziehen, der solches nie erlebt hat. In der Lungenfachklinik in der nordrhein-westfälischen Stadt Hemer wird ein Lungenlappen entfernt. Wider alle Erwartungen erholt er sich schnell und ist bald wieder auf den Beinen. Aber als sei dieser Leidensweg noch nicht ausgeprägt genug – es treten bohrende Kopfschmerzen auf und das, was niemand zu denken wagt, tritt ein. Das CT bringt es an den Tag: Metastasierung im Gehirn. In diesem Stadium erlebe ich ihn zum ersten Mal, als er zur Bestrahlung kommt. Ein wenig geschwächt ist er schon, irgendwie gezeichnet durch den bisherigen Leidensweg, aber er ist doch sehr noch der Alte: Dieser Hüne von Mann, mit breiten Schultern, in seiner freundlichen, entgegenkommenden Art, den warmherzigen Augen ... Er ist mir auf den ersten Blick sympathisch!

Gleich bei der ersten Begegnung bittet er mich um ein persönliches Gespräch. Es wird zu einer regelrechten Lebensbilanz. Er erzählt von dem, was er erreicht hat in seiner wissenschaftlichen Laufbahn, worauf er stolz ist als Professor und was ihm wichtig ist, wofür er gelebt hat, woran sein Herz hängt. Aber er lässt selbstkritisch auch die Stellen nicht aus, wo er meint, gekniffen zu haben, wo er sich ein deutlicheres Wort von sich selbst gewünscht hätte. Eingehend spricht er auch über seine Familie. Er breitet sein Leben wie eine Panoramakarte vor mir aus,...

Erscheint lt. Verlag 28.9.2022
Zusatzinfo 20 Abb., 2 Tab.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Lebensende • Sterbe • Sterbebegleitung • Sterben • Sterbende • Sterbende Patienten
ISBN-10 3-17-041799-1 / 3170417991
ISBN-13 978-3-17-041799-1 / 9783170417991
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