Hormonelle Dysbalancen (eBook)
360 Seiten
Haug (Verlag)
978-3-13-243749-4 (ISBN)
1 Hormone und hormonelle Regelkreise
Hormone (von griech. „hormãn“ = anregen, in Bewegung setzen, antreiben) sind Botenstoffe, die – ebenso wie Neurotransmitter – zur Signalübermittlung im Körper dienen. Sie werden in spezialisierten Zellen oder endokrinen Drüsen gebildet und über das Blut zu spezifischen Zielzellen und -organen transportiert, in denen sie metabolische und physiologische Parameter regulieren. Im Gegensatz dazu geben exokrine Drüsen ihre Stoffe nach außen ab, beispielsweise den Schweiß an Schweißdrüsen auf die Oberfläche der Haut. Die Wirkung von Neurotransmittern bezieht sich auf die Übertragung von Informationen zwischen Nervenzellen im Gehirn und im Körper. Beide Botenstoffgruppen sind – neben der elektrischen Signalweitergabe über Nervenzellen – Bestandteile der Signalübertragung im menschlichen Körper und koordinieren zahlreiche lebenswichtige Prozesse.
Dies erfordert eine feine Abstimmung sowohl in Bezug auf die Ausschüttung von Hormonen wie auch auf den Signalempfang durch Rezeptoren in den Zielzellen bzw. -organen. Übergeordnete Regulationsmechanismen und feste Abfolgen innerhalb des Hormonsystems sorgen dafür, dass diese Abstimmung den Erfordernissen des Körpers angepasst ablaufen kann. Gerät dieses Gefüge allerdings (dauerhaft) aus dem Gleichgewicht, entstehen ▶ hormonelle Dysbalancen, die verschiedene Erkrankungen nach sich ziehen können.
Das Fachgebiet der Endokrinologie befasst sich mit den Hormonen und den hormonell gesteuerten Abläufen im Körper, wobei das Wort selbst aus dem Altgriechischen stammt und sich von „endon“ (= innen), „krinein“ (= abscheiden, absondern) und „logos“ (= Lehre) ableitet. Das endokrine System setzt sich in seiner Gesamtheit aus spezialisierten Organen, Geweben und Zellgruppen zusammen und steuert mithilfe der Hormone komplexe Körperfunktionen (z.B. Wachstum, Fortpflanzung). In diesem Buch beschäftigen wir uns also im weitesten Sinne mit der „Lehre der Drüsen“, die zur Regelung der Körpervorgänge ihre Stoffe im Inneren des Körpers ausschütten.
1.1 Aufgaben und Einteilung der Hormone
Im Prinzip ist das Hormonsystem – auf die eine oder andere Art – an den meisten Vorgängen des Körpers beteiligt, z.B. an Wachstum, Fortpflanzung, Energie-, Elektrolyt- und Wasserhaushalt, Stoffwechsel, Verdauung und Immunsystem, aber auch an der Regulation der emotionalen und der psychischen Stabilität oder an nach außen gerichteten Interaktionen mit unserem Umfeld.
Für die Befehlsübermittlung benötigt das Hormonsystem Minuten, manchmal aber auch Stunden, Tage oder Wochen, bis die gewünschte Reaktion vom Körper umgesetzt werden kann: Die endokrinen Drüsen geben ihren produzierten Botenstoff ins Blut ab. Dort zirkuliert das Hormon, bis es in der Zielzelle an dem für genau dieses Hormon passenden Rezeptor andockt. Hormone und Rezeptoren funktionieren mithilfe des ▶ Schlüssel-Schloss-Prinzips. Dies bedeutet, dass sich ein Hormon nur an einen Rezeptor mit einer bestimmten Form binden kann, nicht aber an den Rezeptor eines anderen Hormons.
Manche Botschaften bedürfen allerdings schnellerer Informationswege, die dann über das Nervensystem ablaufen: Einerseits gibt dieses über die Nervenzellen binnen Bruchteilen einer Sekunde Signale an das Zielorgan weiter, andererseits erreichen Informationen im vegetativen Nervensystem innerhalb von Sekunden bis zu wenigen Minuten das Erfolgsorgan. Die Übermittlung über Nervenzellen erfolgt mithilfe elektrischer Impulse und – zum Großteil – über durch den elektrischen Impuls ausgelöste Neurotransmitterausschüttungen.
Neurotransmitter bilden eine Schnittstelle zwischen dem Hormon- und dem Nervensystem. Manche Neurotransmitter sind gleichzeitig als Hormone klassifiziert. Hier wären z.B. Adrenalin, Noradrenalin und Histamin zu nennen. Sie können sowohl als Neurotransmitter eine Nervenzellerregung auslösen als auch als Hormon ein Zielorgan stimulieren.
Während das Nervensystem schnell verfügbare Informationen steuert, ist das Hormonsystem eher für längerfristige Prozesse zuständig. Das Nerven- und das Hormonsystem beeinflussen sich einerseits gegenseitig und ergänzen sich andererseits. Das neuroendokrine System oder Hypothalamus-Hypophysen-System stellt die Schnittstelle beider Systeme dar.
1.1.1 Signalübertragung von Zelle zu Zelle
Um von einer Zelle zur anderen Signale zu übermitteln, sind verschiedene Schritte erforderlich:
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Signalentstehung: Sekretion des Botenstoffs und Transport zur Zielzelle
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Signalaufnahme: Bindung des Botenstoffs an den Rezeptor
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Signalkaskade: Umwandlung des zunächst außerhalb der Zelle befindlichen (extrazellulären) Signals in ein Signal innerhalb der Zelle (intrazelluläres Signal), z.B. durch sekundäre Botenstoffe (sog. „Second Messenger“)
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Signalverarbeitung: Wirkung in der Zielzelle wie Proteinaktivierung, Genexpression u.a.
Es gibt 4 verschiedene Wege der Signalübertragung, die sich darin unterscheiden, wie weit der Weg bis zur Zielzelle ist:
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Endokrine Sekretion: Das Hormon gelangt über den Blutstrom zu seiner Zielzelle (z.B. Schilddrüsenhormone).
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Neuro(endo)krine Sekretion: Das Hormon (Neurohormon) wird aus einer Nervenzelle freigesetzt (z.B. Releasing-Hormone aus dem Hypothalamus).
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Parakrine Sekretion: Ein Botenstoff diffundiert von der sezernierenden zu einer benachbarten Zelle (z.B. Somatostatin).
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Autokrine Sekretion: Der Botenstoff wirkt direkt am Produktionsort auf die sezernierende Zelle selbst oder auf Nachbarzellen des gleichen Typs (z.B. Histamine, Leukotriene, Prostaglandine, Interleukine).
Praxistipp
Die Hormonkonzentrationen bewegen sich im Blut und im Speichel im Mikrogramm- bis Pikogrammbereich.
1.1.2 Einteilung der Hormone
Hormone können anhand ihres Entstehungsorts, ihrer chemischen Struktur und ihrer biochemischen Eigenschaften eingeteilt werden.
1.1.2.1 Einteilung anhand des Entstehungsorts
Je nach ihrem Entstehungsort werden Hormone in glanduläre und aglanduläre Hormone eingeteilt, die verschiedene chemische Strukturen aufweisen. ▶ Zytokine, deren generelle Zuordnung zu den Hormonen durchaus kritisch diskutiert wird, sind kleine Polypeptide, während andere Hormone unterschiedlichen ▶ chemischen Gruppen angehören.
Glanduläre Hormone. Diese werden von den endokrinen Drüsen (lat. „glandulae“) gebildet. Hierzu gehören folgende ( ▶ Abb. 1.1):
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Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse) → u.a. Adrenokortikotropes Hormon (ACTH), Luteinisierendes Hormon (LH), Follikel-stimulierendes Hormon (FSH), Prolaktin, Somatotropin/Somatotropes Hormon (STH), Thyroidea-stimulierendes Hormon (TSH)
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Schilddrüse (Glandula thyroidea) → Schilddrüsenhormone
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Nebenschilddrüse (Glandula parathyroidea) → Parathormon
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Nebennieren (Glandulae suprarenales):
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Nebennierenrinde → Aldosteron, Kortisol, Dehydroepiandrosteron (DHEA)
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Nebennierenmark → Adrenalin, Noradrenalin
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Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) → Insulin, Glukagon, Somatostatin
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Keimdrüsen:
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Eierstöcke (Ovarien) → Östrogene, Progesteron
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Hoden (Testikel) → Testosteron
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Aglanduläre Hormone. Ihre Bildung erfolgt in endokrinen Zellen oder Zellgruppen, die nicht in einer endokrinen Drüse liegen müssen. Folgende Organe bzw. Gewebe können mithilfe dafür spezialisierter Zellen Hormone bilden und ausschütten ( ▶ Abb. 1.1):
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Hypothalamus → Antidiuretisches Hormon (ADH), Oxytocin, Releasing- und Inhibiting-Hormone, Somatostatin
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Zirbeldrüse (Epiphyse, Corpus pineale, Epiphysis cerebri, Glandula pinealis) → Melatonin
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C-Zellen der Schilddrüse → Kalzitonin
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Thymus (bildet sich in der Pubertät zurück) → z.B. Thymopoetin, Thymosin
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Herz → Atriales Natriuretisches Peptid (ANP), Brain Natriuretic Peptide (BNP)
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Lunge (Endothelzellen) → Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)
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Leber → z.B. Angiotensin, Pregnenolon, Angiotensinogen
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Niere...
Erscheint lt. Verlag | 23.3.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Naturheilkunde |
Schlagworte | Bioidentische Hormone • Hormonell bedingte Erkrankungen • hormonelle Erkrankungen • Hormonmangel • Hormonstörungen • Hormonsystem • Östrogendysbalance |
ISBN-10 | 3-13-243749-2 / 3132437492 |
ISBN-13 | 978-3-13-243749-4 / 9783132437494 |
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Größe: 7,3 MB
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