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Glücksmomente für Menschen mit Demenz (eBook)

Wie Fachkräfte unterstützen können
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
102 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61544-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Glücksmomente für Menschen mit Demenz -  Stefanie Helsper,  Harriet Heier
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Glück ist facettenreich und individuell. Mal zeigt es sich laut oder leise, aber immer verbunden mit Wohlbefinden und Zufriedenheit. Menschen mit Demenz empfinden Glück wie jeder andere, manchmal sogar noch intensiver. In fortgeschrittenem Stadium fällt es ihnen aber schwer, sich diese Glücksmomente selbst zu ermöglichen. Eine gute und sinnvolle Unterstützung zum Glücklichsein gelingt, wenn Fachkräfte typische Verhaltensweisen bei Demenz positiv umlenken können. Ein kompakter Überblick der Demenzformen als Einstieg frischt das Fachwissen auf. Neben neurophysiologischen Zusammenhängen liefern die Autorinnen konkrete Anregungen, wie das Wohlbefinden in den Alltag der Betroffenen integriert werden kann. Das Konzept der 'Hand der Glücksmomente' versinnbildlicht dabei mit jedem Finger wichtige Bereiche.

Stefanie Helsper ist Ergotherapeutin mit Demenz-Schwerpunkt und leitet seit 2020 das Institut "Fortbildung mit Herz" in Herborn, das Fortbildungen für MitarbeiterInnen aus der Geriatrie und Gerontopsychiatrie anbietet. Dr. Harriet Heier, Dipl.-Psych., ist Psychologische Psychotherapeutin mit eigener Praxis in Minden / Westfalen. Sie ist Vorsitzende des Vereins "Leben mit Demenz - Alzheimergesellschaft Kreis Minden-Lübbecke e. V".

Stefanie Helsper ist Ergotherapeutin mit Demenz-Schwerpunkt und leitet seit 2020 das Institut "Fortbildung mit Herz" in Herborn, das Fortbildungen für MitarbeiterInnen aus der Geriatrie und Gerontopsychiatrie anbietet. Dr. Harriet Heier, Dipl.-Psych., ist Psychologische Psychotherapeutin mit eigener Praxis in Minden / Westfalen. Sie ist Vorsitzende des Vereins "Leben mit Demenz - Alzheimergesellschaft Kreis Minden-Lübbecke e. V".

1 Was ist eine Demenz?

Bevor wir Ihnen das Konzept der „Hand voller Glücksmomente“ vorstellen, wollen wir Ihnen einige Informationen zum neurobiologischen und medizinischen Hintergrund von Demenzerkrankungen vermitteln. Dies soll Sie befähigen, Symptome und Verlauf bei den Menschen, die Sie betreuen besser einordnen zu können.

BEISPIEL

Frau I. ist 85 Jahre alt und lebt seit zwei Jahren in einem Pflegeheim. Bereits vor neun Jahren zeigten sich erste Gedächtniseinbußen. Der Familie fiel auf, dass sie immer wieder das Gleiche erzählte und mehrfach die gleichen Fragen stellte. Sie vergaß häufig Verabredungen oder ging am falschen Tag zum Arzt. Bald fielen immer öfter Wortfindungsstörungen auf. Den Haushalt, den Frau I. früher immer perfekt im Griff hatte, vernachlässigte sie zusehends. Im Kühlschrank fanden sich abgelaufene Lebensmittel und Töpfe wurden schmutzig in den Schrank gestellt. Nachdem ihr Mann verstorben war, schien sich die Symptomatik noch zu verschlimmern. Immer häufiger vergaß sie ihre Medikamente einzunehmen, sie vernachlässigte die Körperpflege und nahm ab, weil sie schlichtweg Mahlzeiten vergaß. Irgendwann konnte sie nicht mehr allein zuhause leben, sodass die Familie ihr einen Umzug in ein Pflegeheim nahelegte.

Herr G. ist 63 Jahre alt und lebt noch Zuhause. In den letzten zwei Jahren bemerkte seine Ehefrau eine Wesensveränderung. Er war plötzlich sehr aufbrausend, ließ sich nichts mehr sagen. Am Arbeitsplatz als Automechaniker hatte er zunehmend Probleme, da er immer wieder mit Kollegen aneinandergeriet. Außerdem fiel auf, dass er mit komplexen Reparaturen überfordert war. Zuhause hatte er Schwierigkeiten, das Online-Banking zu erledigen, was früher kein Problem darstellte. Seit einigen Monaten hat er die Angewohnheit, alles zu essen, was ihm in die Finger kommt. Er hat Probleme mit der Konzentration, die Merkfähigkeit hat leicht, jedoch nicht wesentlich nachgelassen. Die räumliche und zeitliche Orientierung ist nicht beeinträchtigt.

Beide oben beschriebenen Personen leiden an einer Demenz. Bei beiden stehen unterschiedliche Symptome im Vordergrund und die Verläufe unterscheiden sich. Anhand der Beispiele wird deutlich, dass Demenzen ein sehr unterschiedliches Gesicht haben können. Demenz ist nicht gleich Demenz.

Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene Demenzformen, mittlerweile sind um die 50 verschiedenen Formen bekannt. Gemeinsam ist allen Demenzformen, dass sie:

eine Störung kognitiver Leistungen (Fähigkeiten, die mit Wahrnehmung, Erkennen, Gedächtnis, Sprache, Planen, räumlicher Wahrnehmung in Verbindung stehen) zur Folge haben,

die Alltagsfähigkeiten beeinträchtigen und

zu einer Störung des Sozialverhaltens, der emotionalen Kontrolle, des Antriebs oder der Motivation führen (Wallesch/Förstl 2017).

Die Demenz ist also keine reine Gedächtnisstörung, da neben der Fähigkeit zur Speicherung und zum Abruf von Informationen noch weitere kognitive Leistungen beeinträchtigt sein können. Die genannten Symptome müssen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vorhanden sind, es darf sich also um keinen vorübergehenden Zustand handeln. Sonst handelt es sich nicht um eine Demenz! Gemeinsam ist allen Demenzformen außerdem, dass es zu einer fortschreitenden Zerstörung von Nervenzellen kommt (Wallesch/Förstl 2017).

Welche Ursache diese Zerstörung hat und in welchen Hirnarealen der Verlust der Nervenzellen beginnt, ist je nach Demenzform unterschiedlich. Auch wie sich der Verlauf gestaltet, kann je nach Demenzform sehr verschieden sein. Zunächst einmal unterscheidet man zwischen primären und sekundären Demenzformen.

Primäre Demenzen machen 90 % aller Demenzformen aus (Maier et al. 2010). Bei den Demenzen, die zu dieser Kategorie gehören, kommt es zu einem fortschreitenden Abbauprozess der Nervenzellen, der durch fehlerhafte Mechanismen im Gehirn selbst verursacht wird. Der Prozess kann zwar durch Medikamente und Therapien verlangsamt, aber nicht vollkommen gestoppt werden. Bei Sekundären Demenzen liegt eine Erkrankung vor, die im Verlauf auch eine Schädigung der Nervenzellen im Gehirn verursacht. Dies kann durch Vergiftungen, langjährigen Alkohol- und Drogenmissbrauch oder Infektionen geschehen. Diese Demenzen können teilweise gestoppt werden, wenn die Ursache frühzeitig behoben werden kann (Maier et al. 2010).

Die häufigsten primären Demenzformen werden in den folgenden Kapiteln genauer betrachtet.

1.1 Alzheimer-Demenz

Alzheimer-Demenzen machen neuesten Studien zufolge etwa 55 % aller Demenzen aus (DGPPN/DGN 2016). In Deutschland sind etwa 1,3 Millionen Menschen an einer Alzheimer-Demenz erkrankt (Kurz et al. 2019). Das Risiko, an dieser Form der Demenz zu erkranken, steigt mit dem Alter exponentiell an. Während 1,9 % der 65- bis 69-Jährigen erkrankt sind, liegt der Anteil bei über 90-Jährigen bereits bei ca. 30 % (DGPPN/DGN 2016).

Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es, vereinfacht beschrieben, im Gehirn zur Bildung von Eiweiß-Verklumpungen, die nicht mehr abtransportiert werden können. Diese Bildung von sogenannten Amyloid-Plaques zwischen den Nervenzellen sowie von Tau-Fibrillen innerhalb der Nervenzellen im Gehirn führt dazu, dass die Signalweiterleitung gestört ist. Diese Vorgänge führen nach und nach zu einem Absterben von immer mehr Nervenzellen. Durch die allmähliche Zerstörung von Nervenzellen stehen wichtige Botenstoffe, die für Lernvorgänge und für das Gedächtnis von Bedeutung sind, nicht mehr ausreichend im Gehirn zur Verfügung. Bis zu 15 Jahre bevor die Ausprägung der klinischen Symptome (z. B. Gedächtnisstörungen, Wortfindungsstörungen, Einbußen in der Orientierung) so stark geworden ist, dass die Diagnose Demenz gestellt wird, kommt es schon zu ersten Alzheimer-spezifischen Veränderungen im Gehirn (Maier et al. 2010).

Die in der Einleitung beschriebene Frau I. ist ein typisches Fallbeispiel für eine Person mit einer Alzheimer-Demenz. Im frühen Stadium der Erkrankung stehen Gedächtnisstörungen im Vordergrund. Insbesondere das „Neugedächtnis“ ist beeinträchtigt, d. h. Informationen, die neu aufgenommen werden, können nicht oder nur fehlerhaft abgespeichert werden. Dagegen kann auf Sachverhalte oder Daten, die bereits vor längerer Zeit im Gedächtnis verankert wurden, zugegriffen werden. So kommt es, dass eine Person mit einer Alzheimer-Demenz im Anfangsstadium noch weiß, wie ihre Mitschüler in der neunten Klasse hießen, aber nicht mehr sagen kann, was sie heute zum Mittag gegessen hat. Neben den Gedächtnisstörungen sind am Anfang außerdem Beeinträchtigungen der Handlungsplanung und -durchführung zu beobachten: Die Tätigung einer Überweisung gelingt nicht mehr oder die Abläufe beim Kochen geraten durcheinander. Auch machen sich oft erste zeitliche und räumliche Orientierungsschwierigkeiten bemerkbar. Erkrankte verwechseln die Wochentage, können das aktuelle Datum nicht benennen und finden sich in weniger vertrauten Umgebungen nicht mehr zurecht. Es kommt häufig zu Wortfindungsstörungen. Im Durchschnitt umfasst das beginnende Stadium drei bis vier Jahre.

Im Verlauf der Erkrankung nehmen die Symptome zu und beeinträchtigen den Alltag zunehmend. Im mittelgradigen Stadium braucht die erkrankte Person mehr Aufsicht und Hilfestellung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens wie Körperpflege, Zubereitung von Mahlzeiten und Haushaltstätigkeiten. Häufig kommt es zu „herausforderndem Verhalten“: Menschen mit Demenz entwickeln eine innere und körperliche Unruhe, die sich oft in einem Laufbedürfnis äußert. Manchmal reagieren Personen mit Demenz sehr reizbar und aggressiv. Oder Erkrankte ziehen sich stark zurück und sind sehr antriebsgemindert. Gelegentlich entwickeln Menschen im mittleren Stadium eine Inkontinenz. Diese mittlere Phase der Alzheimer-Demenz umfasst ebenfalls etwa drei bis vier Jahre, wobei es auch deutliche Abweichungen geben kann von ein bis zu zehn Jahren.

Im späten Stadium weitet sich der kognitive Abbau immer mehr aus. Die Sprache wird unzusammenhängender, beschränkt sich auf nur noch wenige Worte oder versiegt komplett. Die Motorik ist nun auch betroffen, Erkrankte verlieren die Fähigkeit zu gehen, bei manchen stellen sich Schluckstörungen ein.

Der Verlauf von Alzheimer-Demenzen kann sehr unterschiedlich sein, im Durchschnitt vergehen zehn Jahre von der Diagnosestellung bis zum Tod. Generell verläuft die Erkrankung schneller, je früher im Leben sie auftritt (Stechl et al. 2012). Grundsätzlich versterben Menschen nicht an einer Demenz, sondern mit einer Demenz. Die Todesursachen ergeben sich oft aus den Komplikationen, die mit einer Demenz im schweren Stadium einhergehen. Durch die reduzierte Mobilität kommt es oft zu einer erhöhten Infektanfälligkeit, zudem begünstigen Schluckstörungen häufig Lungenentzündungen, die dann zum Tode führen. Außerdem sterben viele Menschen mit einer Demenz, genauso wie Menschen ohne Demenz, an Krebs, einem Schlaganfall oder Herzinfarkt (Maier et al. 2010).

Tabelle 1.1 liefert einen Überblick über die Stadien der Alzheimer-Demenz.

Seit den 1990er Jahren stehen Medikamente zu Verfügung, die bei Alzheimer-Demenzen das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Sie wirken auf die Botenstoffe ein, die für die Signalübertragung von Nervenzelle zu Nervenzelle gebraucht werden, aber nicht mehr in ausreichender Menge vorhanden sind. Bei der Alzheimer-Demenz sind es vor allem die Botenstoffe Acetylcholin und Glutamat, die aufgrund des Absterbens von Nervenzellen nicht mehr ausreichend produziert werden. Medikamente, die zur Gruppe...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2021
Reihe/Serie Reinhardts Gerontologische Reihe
Reinhardts Gerontologische Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte Alltag • Demenz • Demenzformen • Demenz verstehen • Fachkraft • Fachwissen • Geriatrie • Gerontologie • Gerontopsychiatrie • GLÜCKSMOMENTE FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ • HAND DER GLÜCKSMOMENTE • Menschen mit Demenz • Pflege • Quality Time • Verhaltensweisen • Wohlbefinden • Zufriedenheit
ISBN-10 3-497-61544-7 / 3497615447
ISBN-13 978-3-497-61544-5 / 9783497615445
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