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Läsionen peripherer Nerven und radikuläre Syndrome (eBook)

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2020 | 11. Auflage
568 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-241616-1 (ISBN)

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Läsionen peripherer Nerven und radikuläre Syndrome -
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<p><strong>Das Standardwerk – maximal praxisnah: Hier erfahren Sie alles von den anatomischen und physiologischen Grundlagen über die klinische Untersuchung und Diagnosestellung bis hin zur Therapie:</strong></p> <p>Die pathogenetischen Mechanismen und die Ätiologie von Nervenläsionen werden einprägsam und verständlich beschrieben. Dazu gibt es eine ausführliche und reich bebilderte Klinik der unterschiedlichen Krankheitsbilder. Der Schwerpunkt liegt auf der Diagnostik anhand der klinischen Befunde – ergänzt durch die elektrophysiologischen und bildgebenden Befunde. So bekommen Sie klare Indikationen für eine konservative bzw. operative Therapie.</p> <p>Dieses Werk bietet für jeden etwas: Erfahrenen Neurologen, Orthopäden und Unfallchirurgen aktuelles und hochkarätiges Wissen, dem Arzt in Weiterbildung eine fundierte Basis für die Facharztprüfung und den klinischen Alltag sowie Studierenden einen optimalen Einstieg in die Thematik.</p> <p>Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.</p>

1 Allgemeine Grundlagen


1.1 Kurze Geschichte der Betrachtung peripherer Nerven


Heiner Fangerau

Die Medizin hat aus der Perspektive von Patienten oft einen janusköpfigen Charakter. Auf der einen Seite verspricht sie Heilung oder Linderung von Leiden; auf der anderen Seite ist sie oft mit ärztlichen Handlungen verbunden, die als unangenehm empfunden werden. Da aber gerade die praktischen klinischen Anwendungen den Zielpunkt medizinischen Denkens und Handelns bilden, unterliegt die Medizin als Disziplin einem besonderen Theorie- und Rechtfertigungsbedürfnis: Um ihre Handlungen zu erklären und zu legitimieren, fragen Ärzte nach dem „Wesen“ und den Quellen von Krankheit. Sie versuchen, Erfahrungsmaterial zu ordnen, Krankheitserscheinungen zu erklären und auf dieser Basis Therapien anzubieten ▶ [8] ▶ [27]. Ordnung, Erklärung und Therapie bilden dabei meistens ein geschlossenes Theoriegebäude, ein Konzept, das wiederum historischen Kontingenzen unterworfen ist und dessen Ausprägung jeweils von den zeitlich gebundenen Möglichkeiten und Traditionen des Beobachtens, Sammelns und Erklärens abhängig ist.

Dies gilt selbstverständlich auch für die Krankheiten des peripheren Nervensystems, denen seit den ersten medizinischen Aufzeichnungen meistens im Kontext anatomischer und funktioneller Betrachtungen immer wieder Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Umfassendere historische Übersichten bieten u.a. die Monografie von Sydney Ochs ▶ [21], die umfassende Übersicht über die Geschichte der Neurowissenschaften von Stanley Finger ▶ [9], die Arbeit von John Spillane ▶ [34] oder die kommentierte Quellensammlung von Edwin Clarke und C. D. O’Malley ▶ [4].

1.1.1 Nerven


Schon Galenos von Pergamon (ca. 129 bis ca. 216) hatte versucht, anatomisch „harte“ von „weichen“ Nerven zu unterscheiden und ihre Struktur und motorische sowie sensible Funktion zu verstehen und zu beschreiben. Dabei ging er in seinem von der sog. Vier-Säfte-Lehre und der Idee des sog. Pneumas geprägten Konzept davon aus, dass es sich bei den peripheren Nerven um hohle Röhren handelte, durch die das Pneuma im Körper verteilt werde. Unter „Pneuma“ verstanden er und seine Zeitgenossen die aus der Luft aufgenommene Lebenskraft bzw. den Lebensgeist, der durch das Fließen durch die Nerven die einzelnen Körperpartien in Beziehung zueinander setzte ▶ [4] ▶ [33].

Im 16. Jahrhundert widmete Andreas Vesalius (1514–1564) in seinem Hauptwerk „De humani corporis fabrica“ das 4. Buch dem Nervensystem ( ▶ Abb. 1.1). Darin beginnt er seine noch unter Galens Einfluss stehenden Ausführungen mit der Klarstellung, dass er unter dem Begriff der „Nerven“ (nur) die Strukturen verstehe, die vom Schädel oder den Wirbeln ausgehend den Lebensgeist vom Hirn aus in den Körper verteilten. Damit grenzt er sich von Autoren ab, die bisher Bänder, Sehnen und „universas musculorum enervationes“ (Aponeurosen) als 3 Arten von Nerven beschrieben hatten. Auch weist er (wie vor ihm auch Galen) auf der Basis von Sektionen den von Aristoteles vorgebrachten Gedanken zurück, dass Nerven ihren Ursprung im Herzen hätten. Nach Vesals Auffassung erfüllen die Nerven im Wesentlichen 3 Aufgaben: Sie vermittelten sensorische, motorische und Schmerzsignale im Körper und in den Organen. Während er nach wie vor der Idee folgt, dass die Nervenfunktionen auf das Wirken des Pneumas zurückgeführt werden könnten, so bezweifelt er doch nach eigenen Experimenten in warmem Wasser, dass es sich bei den Nerven um Hohlkörper handeln soll. In der darin aufscheinenden Neuorientierung der anatomischen Betrachtung von der Pflege antiker Texte hin zur Integration eigener Beobachtungen und Experimente liegt eine der wesentlichen Einflussgrößen, die Vesals Werk im Folgenden entfaltete ▶ [6] ▶ [15] ▶ [22].

Historische Abbildung der peripheren Nerven (Holzschnitt).

Abb. 1.1 Aus „De humani corporis fabrica libri septem“ von Andreas Vesalius (Buch IV, S. 332), Basel 1543.

1.1.2 Krankheiten peripherer Nerven


Wie der britische Neurologe Alastair Compston im Jahr 2010 in einem Editorial zu einem Sonderheft der Zeitschrift „Brain“ zu Recht feststellt, haben Krankheiten peripherer Nerven erst relativ spät Aufmerksamkeit als eine mehr oder weniger eigenständige Gruppe von Erkrankungen erfahren ▶ [5], obwohl in der Geschichte der Medizin das Nervensystem immer wieder ein zentrales Thema war. Zwar vertraten im 18. Jahrhundert u.a. die britischen Ärzte Robert Whytt (1714–1766), William Cullen (1710–1790) oder Samuel Musgrave (1732–1780) die Position „… dass alle Krankheiten fürnehmlich in den Nerven ihren Sitz haben“ ▶ [20] ▶ [34]. Jedoch ging es ihnen vor dem Hintergrund ihres in weiten Teilen humoralpathologisch durchdrungenen Medizinkonzepts dabei nicht um eine eigene Nosologie der peripheren Nerven.

Erst im 19. Jahrhundert begannen mehrere Ärzte, sich dezidiert auch in eigenständigen umfassenden Werken mit den „Krankheiten der peripheren-cerebrospinalen Nerven“ auseinanderzusetzen. Zu diesen gehörte Moritz Heinrich Romberg (1795–1873), der 1840 ein sehr klinisch orientiertes „Lehrbuch der Nervenkrankheiten“ veröffentlichte. In diesem legte er symptomorientiert das damalige Wissen um „Hyperästhesien“, „Neuralgien“, „Lähmungen“ und „Krämpfe“ dar. Ihm folgte eine Reihe Autoren, sodass vor allem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach ersten speziellen Atlanten (z.B. dem von Rüdinger 1861 ▶ [28]) gar eine Vielzahl von Hand- und Lehrbüchern publiziert wurde, die sich eigens den peripheren Nerven zuwandten. Beispiele dafür bieten Wilhelm Erbs (1840–1921) Handbuch von 1874 ▶ [7], Emil Leon Poincarés (1828–1892) Lehrbuch von 1876 ▶ [24], Kamil Hellers „Specielle Pathologie und Therapie“ von 1879 ▶ [14] sowie Adolph Seeligmüllers Lehrbuch von 1882 ▶ [29].

Einen der Ausgangspunkte für diese Flut von Spezialwerken bildete sicherlich die unter Ärzten und Verlegern erkannte zunehmende Spezialisierung innerhalb der Medizin. Diese verlangte danach, wie der Verleger Friedrich Wreden sich ausdrückte, kurzgefasste Lehrbücher herauszubringen, die das Wichtigste zum aktuellen Stand der Medizin aus der Menge der „massenhaften Tagesliteratur“ herausgriffen (Seeligmüller 1882: Verlagsannotation). In diesem Zusammenhang rechtfertigte Wilhelm Erb auch die spezielle Literatur zu Erkrankungen peripherer Nerven, da der „allgemeine Aufschwung, welchen die Neuropathologie in den letzten Decennien genommen hat […], nicht ohne Einfluss auf die Pathologie der peripheren Nerven geblieben“ sei ( ▶ [7], S. 3).

Periphere Nerven konnten zu einem eigenen Gegenstand der Spezialisierung werden, weil im 19. Jahrhundert zum einen im nosologischen Bereich spezielle, auf periphere Nerven bezogene Erkrankungen detailliert beschrieben wurden. Zum anderen wurden im Umfeld der Physiologie „die Nerven“ und ihre elektrische Erregbarkeit zum paradigmatischen Sinnbild für eine neue, sich an den Naturwissenschaften orientierende Medizin. Ihre Beschreibung taugte dazu, die im Fin de Siècle herrschende Begeisterung für Technik, Elektrizität und mechanische Prozesse auf den menschlichen Körper zu übertragen. Dabei wurden die Nerven mit Telegrafendrähten verglichen, die „Innervationsrapporte“ zwischen Zentralorgan und „Endapparat“ vermittelten ▶ [29]. Die Begeisterung für die Reduktion nervöser Leistungen auf kleinste technische Einheiten ging so weit, dass Charles Sherrington (1857–1952) sich genötigt sah, in seiner die Neurologie bis heute prägenden Schrift „The integrative action of the nervous system“ ▶ [3] mehrfach darauf hinzuweisen, dass das Nervensystem immer noch in seiner Gesamtheit und integrativen Wirkung zu betrachten sei. In dieser Vorlesungssammlung, die eigentlich seine Reflextheorie behandelt, betonte er darüber hinaus in diesem Sinne, dass Reflexe eigentlich eine abstrakte „wahrscheinliche Fiktion“ seien ▶ [30].

Im klinischen Bereich war es zunächst der irische Arzt Robert James Graves (1796–1853), der die Idee äußerte, dass „neuritische“ Erscheinungen in den Extremitäten wie Lähmungen, Schmerzen und sensible Störungen nicht die Folge einer Erkrankung des Gehirns oder Rückenmarks seien, sondern einen Sitz in den „Nervenenden“ selbst haben könnten. Graves hatte 1828 in Paris eine Epidemie von „Neuritis“ beobachtet, die vorher schon ausführlich von Auguste-Francois Chomel (1788–1858) beschrieben, jedoch noch nicht den peripheren Nerven zugeordnet worden war. Der 1848 in seinen „Clinical lectures“ von Graves publizierte Gedanke blieb jedoch zunächst von mehreren Zeitgenossen wie Magnus Huss (1807–1890), der vor allem Folgen des Alkohols untersucht hatte, oder Octave Landry (1826–1856), der detailliert die Klinik aufsteigender Lähmungen beschrieben hatte, unbeachtet. Im Jahr 1864 publizierte dann Louis Duménil (1823–1890) den mikroskopisch-pathologischen Nachweis, dass die „periphere Paralyse“ ihre Ursache in einer Veränderung der peripheren Nervenendigungen habe ▶ [23] ▶ [36].

1.1.3 Von der Physiologie zur Diagnostik und Therapie


Diese nosologischen und vor allem histopathologischen Untersuchungen...

Erscheint lt. Verlag 7.10.2020
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Neurologie
Schlagworte Ätiologie • Differenzialdiagnose • Elektrophysiologie • Facharztprüfung Neurologie • Nervenschäden • Nervensystem • Nervenwurzeln • Neurografie • Neurographie • Parasympathicus • Pathophysiologie • Peripheres Nervensystem • Physiologie • Sonografie • Sonographie • Spinalnervenwurzeln • Sympathicus
ISBN-10 3-13-241616-9 / 3132416169
ISBN-13 978-3-13-241616-1 / 9783132416161
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