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Diskriminiert - Niklas Baer, Anna Domingo, Felix Amsler

Diskriminiert

Gespräche mit psychisch kranken Menschen und Angehörigen zur Qualität des Lebens. Darstellung, Auswertung, Konsequenzen
Buch | Softcover
480 Seiten
2004 | 2., Aufl.
Psychiatrie Verlag
978-3-88414-344-5 (ISBN)
CHF 55,85 inkl. MwSt
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Diese qualitative Untersuchung dokumentiert das Erleben von schwer und chronisch psychisch kranken Menschen und deren Angehörigen. Die Tiefeninterviews machen deutlich, welch starke Bedeutung der Krankheitserfahrung der und deren sozialen Folgen zukommt und wie wichtig die Qualität der professionellen Beziehungen und insbesondere die therapeutische Haltung ist.
Die Auswertungen führen zu einer grundsätzlichen Hinterfragung des psychiatrisch-rehabilitativen Systems, das Normalität und Autonomie in einer diskriminierenden Umgebung herstellen will und die psychiatrisch-therapeutischen von den rehabilitativen Zugängen trennt.
Deutlich wird, dass Menschen mit schweren psychischen Krankheiten eines verbindet: Das Leiden an Krankheit, Unverständnis und Diskriminierung. Deutlich wird zudem, wie einheitlich die Erfahrungen der Angehörigen sind, die von der Erschütterung durch die Krankheit in typischer Weise mitbetroffen sind.

Niklas Baer, 1963, Dr. phil. Psychologe. Studium der Psychologie, Psychopathologie und Pädagogischen Psychologie in Zürich. Arbeit an einer psychosozialen Beratungsstelle für Strafentlassene, 1994 bis 1999 Leiter eines Beruflichen Rehabilitationsprogrammes für psychisch kranke Menschen und gesprächspsychotherapeutische Grundausbildung. 2000 bis 2002 Projektmitarbeiter für die Psychiatrieplanung i... mehr Niklas Baer, 1963, Dr. phil. Psychologe. Studium der Psychologie, Psychopathologie und Pädagogischen Psychologie in Zürich. Arbeit an einer psychosozialen Beratungsstelle für Strafentlassene, 1994 bis 1999 Leiter eines Beruflichen Rehabilitationsprogrammes für psychisch kranke Menschen und gesprächspsychotherapeutische Grundausbildung. 2000 bis 2002 Projektmitarbeiter für die Psychiatrieplanung im Kanton Baselland, heute wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kantonalen Psychiatrischen Klinik und der Externen Psychiatrischen Dienste des Kantons Baselland.

1;Inhalt;6
2;Danksagung;12
3;Geleitwort;14
4;1 Einleitung;17
4.1;1.1 Rehabilitation und Lebensqualität;17
4.2;1.2 Das Konzept Lebensqualität: Hinweise aus der Literatur;18
4.3;1.3 Problematische Entwicklungen;22
4.4;1.4 Modelle und Dimensionen von Lebensqualität;27
4.5;1.5 Resultate zur Lebensqualität psychisch kranker Menschen;29
4.6;1.6 Intervenierende psychologische Variabeln;32
4.7;1.7 Zusammenfassung und Konsequenzen für die Untersuchung;35
5;2 Methodisches Vorgehen;39
5.1;2.1 Ziele der Studie;39
5.2;2.2 Umsetzung der Ziele in ein forschungstheoretisches Konstrukt;39
5.3;2.3 Praktisches Vorgehen;40
5.4;2.4 Einige Lesehilfen;47
6;3 Merkmale der Interview-Situation;51
6.1;3.1 Unterschiede der Interviewten;51
6.2;3.2 Die Haltung im Interview;52
6.3;3.3 Gemeinsamkeiten der Interviewten;52
6.4;3.4 Das Erleben der Angehörigen psychisch kranker Menschen;55
7;4 Zwischen Leiden und Stabilität;59
7.1;4.1 Einleitung;59
7.2;4.2 Das Gefühl, alle hören, was ich denke - Schizophrenie;60
7.3;4.3 Angehörige: Die erschwerte Ablösung;68
7.4;4.4 Die Panik, jetzt werde ich ohnmächtig und alle sehen es - Angststörungen;72
7.5;4.5 Das große Ritual dauerte 14 Stunden - Zwangsstörung;77
7.6;4.6 Den Tag durchzuhalten, das ist das Schlimmste - Affektive Störungen;79
7.7;4.7 Ich ging nicht an seine Beerdigung - Gewalttätigkeit und sexueller Missbrauch;83
7.8;4.8 Gekommen, gegangen, abgegeben, wieder gekommen - Persönlichkeitsstörungen;91
7.9;4.9 55,2, 48,3, 47,2, die Zahlen waren entscheidend - Essstörungen;104
7.10;4.10 Miriam und Claudia - Manisch-depressive Störungen;107
7.11;4.11 Angehörige: Die psychische Belastung der Familie;111
7.12;4.12 Zusammenfassung;116
8;5 Zwischen Machtlosigkeit und Kontrollgefühl;119
8.1;5.1 Einleitung;119
8.2;5.2 Ich kann es nicht kontrollieren - Die Erfahrung von Machtlosigkeit;120
8.3;5.3 Das Gefühl, ich hätte einen Kleiderbügel verschluckt - Kontrolle durch Psychopharmaka;125
8.4;5.4 Ich stehe jeden Tag um dieselbe Zeit auf - Weitere Kontrollmöglichkeiten;131
8.5;5.5 Ich bin nicht allein - Hilfe durch religiöse Erfahrung;138
8.6;5.6 Angehörige: Trauer und Bewältigung;140
8.7;5.7 Zusammenfassung;144
9;6 Zwischen Erschütterung und Krankheitsintegration;149
9.1;6.1 Einleitung;149
9.2;6.2 Das andere ist schizophren - Erschütterung;150
9.3;6.3 Es ist schwierig zu erklären - Unverständnis;154
9.4;6.4 Es sind nicht genug Fakten da, um mich zu entlasten - Schuld und Scham;158
9.5;6.5 Angehörige: Die Integrationsaufgabe der Familie;163
9.6;6.6 Das Wort 'akzeptieren' kann ich nicht mehr hören - Hilfen zur Krankheitsintegration;169
9.7;6.7 Eine Spannung zwischen Erleben und Wirklichkeit - Die Erfahrung von Inkongruenz;171
9.8;6.8 Und wie reagieren die Leute? - Die Bedeutung der Umwelt;173
9.9;6.9 Zusammenfassung;176
10;7 Zwische Abhängigkeit und Autonomie;179
10.1;7.1 Einleitung;179
10.2;7.2 Es gibt bei allem irgendwie zwei Seiten - Betreuungsbedürftigkeit als Notwendigkeit;180
10.3;7.3 Ich muss die Behörden bitten - Die Abhängigkeit von Systemen der sozialen Sicherheit;184
10.4;7.4 Mein Mann musste viel Kraft aufwenden für mich - Abhängigkeit in der Familie;191
10.5;7.5 Angehörige: Extrembelastungen;195
10.6;7.6 Ich freue mich auf die nächste Stunde - Die psychotherapeutische Beziehung;202
10.7;7.7 Es ist einfach eine Ausbeutung - Autonomie und Abhängigkeit in der Arbeit;203
10.8;7.8 Man wird nicht zu stark betreut - Autonomie und Betreuungsbedürftigkeit beim Wohnen;206
10.9;7.9 Heute könnte ich mich wehren - Autonomie als Resultat einer persönlichen Entwicklung;211
10.10;7.10 Zusammenfassung;216
11;8 Zwischen Stigmatisierung, Diskriminierung und Zugehörigkeit;219
11.1;8.1 Einleitung;219
11.2;8.2 Ich merke, dass ich an Grenzen stoße - Versteckte Stigmatisierung und Diskriminierung;221
11.3;8.3 Angehörige: Schuldzuweisungen an die Eltern;227
11.4;8.4 Eine Frau, die äfft mich immer nach - Offene Stigmatisieru

10 Zwischen Versagen und Kompetenz (S. 284-285)

10.1 Einleitung

In den Gesprächen tauchte schon zu Beginn ein Thema auf, das sich dann in vielen weiteren Interviews zeigte: Das Bedürfnis, sich selbst kompetent zu fühlen. Wiederum handelt es sich offensichtlich nicht um ein Bedürfnis, welches nur psychisch kranken Menschen eigen ist. Der Wunsch nach Kompetenzerleben erhält aber aufgrund der Lebenssituation der meisten unserer Gesprächspartner/ -innen einen etwas bitteren Geschmack: Dieser Wunsch ist sehr direkt an Ausbildung, Arbeit und Beruf gekoppelt.

Kompetenz- und Versagensgefühle werden fast ausschließlich berichtet im Zusammenhang mit Erlebnissen in Schule, Lehre, Studium, Beruf und – in etwas geringerem Ausmaß – am geschütztem Arbeitsplatz. Fast alle Interviewpartner/- innen sind aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und beziehen eine Rente der Invalidenversicherung. Ihre Krankheit hat dazu geführt, dass sie einem oder mehreren Ansprüchen des Erwerbslebens nicht genügen.

Wo die Krankheit früh ausgebrochen ist, hat sie bei einigen den Lehrabschluss oder die Matura verhindert, wo sie später ausgebrochen ist, hat sie früher oder später zum Verlust der Arbeitsstelle geführt. Keine einzige Person, mit der wir gesprochen haben, arbeitet mehr als nur stundenweise im normalen Arbeitsmarkt. Diese Tatsache wird als von fast allen als persönliches Ungenügen wahrgenommen. Der Leistungsaspekt unserer Gesellschaft wird von psychisch Kranken sehr deutlich erlebt, und zwar in der Hinsicht, dass sie diese Leistungen selbst auch gerne erbringen würden.

In den Gesprächen hat sich klar gezeigt, dass die berufliche Desintegration nicht nur ein persönliches Drama im Einzelfall ist, sondern dass sie für psychisch Kranke speziell destruktiv ist: Berufliche Ausgliederung schädigt das Selbstvertrauen zusätzlich, das schon durch die Krankheit selbst erschüttert worden ist. Arbeit und Berufstätigkeit können zu Kompetenzerlebnissen verhelfen, die kompensierend auf das meist schlechte Selbstbild einwirken.

Da unsere Interviewpartner/ -innen mehrheitlich alleine leben und wenig soziale Kontakte haben und so Beziehungen kaum als Quelle von Selbstvertrauen erlebt werden, bliebe ihnen eigentlich nur die Arbeit oder Ausbildung. Mit zunehmender Dauer der beruflichen Ausgliederung und der Krankheit wird der zweite, geschützte Arbeitsmarkt zur einzigen und wichtigen Alternative. Bei den noch jüngeren Interviewpartner/-innen ist dagegen noch die Hoffnung spürbar, mithilfe einer Ausbildung, Umschulung oder eines Eingliederungsprogramms den Einstieg ins Erwerbsleben zu schaffen.

Reihe/Serie Forschung für die Praxis - Hochschulschriften
Sprache deutsch
Gewicht 775 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete
Schlagworte CD-ROM, DVD-ROM / Medizin/Klinische Fächer • Chronische Krankheit • E-Books • Gesundheitspolitik • HC/Medizin/Klinische Fächer • Lebensqualität • Patient • Psychische Erkrankung • Psychische Störung
ISBN-10 3-88414-344-1 / 3884143441
ISBN-13 978-3-88414-344-5 / 9783884143445
Zustand Neuware
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