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Chancen des Pflegeberufegesetzes und Auswirkungen auf die Profession Pflege (eBook)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
100 Seiten
medhochzwei Verlag
978-3-86216-571-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Chancen des Pflegeberufegesetzes und Auswirkungen auf die Profession Pflege -
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Der Pflegenotstand ist kein neues Thema - aber ein Thema, das ständig neue Lösungen fordert und im politischen Tagesgeschehen von großer Relevanz ist. Dieses Buch hilft hier weiter mit Beispielen und Anregungen aus Schweden. Es setzt sich zudem mit dem Bildungsgap auseinander und zeigt an, wie primärqualifiziert-akademisierte Pflegekräfte in die Praxis eingesetzt werden können - hier scheint noch enormes Potential nicht gesehen zu werden. Aber auch was Pflegekammern leisten können - und was nicht, kommt zu Wort. Das Praxisbeispiel aus dem Kuratorium Wohnen im Alter (KWA) zeigt auf, wie ein Kompetenzmanagementmodell, das alle Qualifikationsstufen berücksichtigt, aussehen kann.

1 Pflegenotstand beheben – Anregungen aus Schweden


Prof. Dr. Ursula Engelen-Kefer

1 Ausgangspunkt: Anstieg des Pflegebedarfs

2 Ursachen des Pflegenotstands

3 Pflege – Herausforderungen für die Politik

4 Schweden: Pflegevollversicherung auf kommunaler Ebene

4.1 Aufstockung des Personals

4.2 Stärkung der Tarifverträge

4.3 Aus- und Weiterbildung transparent und durchlässig gestalten

4.4 Bessere Kinderbetreuung

4.5 Integration von Migranten in die Gesundheits- und Pflegeberufe

4.6 Arbeitsbelastung und Zufriedenheit

5 Fazit

Literatur

Abstract:

Der sich seit Jahren abzeichnende Notstand in den Pflegeberufen (Berufsfeld 48 BiBB) nimmt weiter zu. Ausschlaggebend sind sowohl der demographisch bedingte Alterungsprozess der Bevölkerung wie auch die Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen, insbesondere die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen sowie der Trend zu kleinen Familien und Single Haushalten insbesondere im Alter. Für den Mangel an Arbeits- und Fachkräften in der Altenpflege verantwortlich sind vor allem die gravierenden Nachteile bei Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Eine der wesentlichen Ressourcen zur Behebung des Pflegenotstandes wird nicht genutzt – das großes Engagement der Fachkräfte für Pflege- und Sorgearbeit. Erforderlich ist eine grundsätzliche Reform des Pflegesystems wie es insbesondere in skandinavischen Ländern durch eine Pflegevollversicherung und ihre weitgehende Verlagerung auf die kommunale Ebene schon seit Jahren praktiziert wird. Unabdingbare Voraussetzung hierzu sind für Deutschland: Stopp der Privatisierung von stationärer und ambulanter Altenpflege und Rückführung in die öffentliche Verantwortung; Verlagerung von Verantwortung, Kompetenzen, Finanzen und Personal auf die kommunale Ebene, wo die hierfür notwendigen Strukturen vorgesehen werden müssen.

1 Ausgangspunkt: Anstieg des Pflegebedarfs


1

Pflegeberufe in diesem Beitrag sind Tätigkeiten in der Kranken- und Altenpflege unterhalb der Approbation gemäß Berufsfeld 48 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB).1 Der sich seit Jahren abzeichnende Notstand in diesen Pflegeberufen nimmt weiter zu. Ausschlaggebend sind sowohl der demographisch bedingte Alterungsprozess der Bevölkerung wie auch die Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen, insbesondere die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen sowie der Trend zu kleinen Familien und Single-Haushalten insbesondere im Alter.

2

Nach den gesetzlichen Erweiterungen des Begriffs der Pflegebedürftigkeit im SGB XI, insbesondere um die Einbeziehung von Demenzkranken, wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen vom Statistischen Bundesamt zum Jahresende 2017 mit 3,4 Millionen angegeben.2 Für die kommenden Jahre und Jahrzehnte ist ein weiterer erheblicher Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen zu erwarten. Von den bisher bekannten Zahlenangaben wird hier Abstand genommen, da bisherige Prognosen die bereits erfolgten und vorgesehenen Änderungen der gesetzlichen Grundlagen nicht einbeziehen. Die für 2050 vorausgeschätzte Anzahl von 4,5 Millionen Pflegebedürftigen dürfte unter diesen Aspekten erheblich zu niedrig geschätzt sein. Andererseits kann als gegenläufige Entwicklung auf die Veränderung von Medizin und Lebenshaltung in der Bevölkerung und damit das altersmäßige Herausschieben des Pflegebedarfs verwiesen werden. Unstrittig gibt es für die in der Pflege Tätigen eine Problem-Kumulation: Einerseits steigt der Bedarf nach Pflegeleistungen und damit auch Pflegekräften. Andererseits nimmt auch die Altersstruktur der Pflegekräfte selbst weiter erheblich zu. Entsprechend wird auch das Defizit an Pflegekräften weiter steigen. Bei diesbezüglichen Zahlenangaben, die zwischen 200 000 und 500 000 für die kommenden 10 Jahre schwanken, ist Vorsicht geboten.3

3

Die früher selbstverständliche Pflege und Sorge durch die Familie ist aus vielerlei Gründen rückläufig, die Zahl der alleinlebenden Älteren ist besonders hoch. Der weit überwiegende Teil hochaltriger Menschen will auch im Pflegefall in der vertrauten Wohnung bleiben. Nach einer Umfrage der Verbraucherzentralen werden etwa drei Viertel der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt, zumeist durch Angehörige und teilweise mit Hilfe ambulanter Pflegedienste.4 Dies wird zunehmend erschwert durch den alarmierenden Mangel an Pflegefachkräften, vor allem auch in der ambulanten Versorgung. Sowohl das gesetzlich verbriefte Prinzip „ambulant vor stationär“ wie auch der Sicherstellungsauftrag für die Altenpflege werden immer häufiger nicht erfüllt. Die Meldungen abgewiesener Anforderungen nach Pflegeplätzen häufen sich.

4

Dramatisch gestiegen sind die kommerziellen Anbieter in der Altenpflege. Die gemeinnützigen und kirchlichen Träger werden immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Kommunale Einrichtungen für die Altenpflege gibt es kaum noch. Die „Jagd“ internationaler Konzerne und Finanzfonds nach hohen Renditen vor allem bei der stationären Altenpflege wird auf dem Rücken des Pflegepersonals und der Pflegebedürftigen ausgetragen.

2 Ursachen des Pflegenotstands


5

Für den Mangel an Arbeits- und Fachkräften in der Altenpflege verantwortlich sind vor allem die gravierenden Nachteile bei Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Mit einem Jahresgehalt zwischen 20.000 EUR und 35.000 EUR, im Osten flächendeckend geringer, liegen die mittleren Löhne für Altenpflegekräfte in Deutschland um etwa 20 % niedriger als für die Krankenhauspflege und unter dem Durchschnitt in allen anderen OECD-Ländern. Bei Bruttoeinkommen in der Altenpflege teilweise sogar unter 2.000 EUR für Vollzeitarbeit und entsprechend geringer bei Teilzeit – vielfach ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld wie auch Sonn- und Feiertagszuschlägen – muss teilweise sogar der entwürdigende Gang in Hartz IV angetreten werden.

6

Auch in der Studie von Schildmann und Voss zur „Aufwertung von Sozialen Dienstleistungen“ wird auf die gravierenden Nachteile bei der Bezahlung in den Pflegeberufen verwiesen. Bei einem Mittelwert des Stundenlohnes in Deutschland insgesamt von 16,97 EUR, verdienen examinierte Kräfte in der Krankenpflege 16,23 EUR und in der Altenpflege lediglich 14,24 EUR. Für Hilfskräfte in der Kranken- und Altenpflege ist dies noch erheblich weniger.5 Da ein großer Teil der in der Pflege Tätigen, zumeist Frauen, infolge der hohen Arbeitsbelastung und der zusätzlichen familiären Verantwortung nur Teilzeit arbeiten können, kommen selbst Fachkräfte in der Altenpflege verschiedentlich an die Grenze der Armut sowohl bei Arbeit wie dann auch im Alter. Diese Armutsgefährdung besteht selbst bei Vollzeittätigkeit im Helferbereich.

7

Skandalös ist trotz der ständigen Klagen über den Personalnotstand die Zunahme der Armutsfalle Minijobs. Besondere Belastungen für die Beschäftigten in der Altenpflege, mit über 85 % Frauen, sind befristete Beschäftigung sowie vor allem ungünstige und unzuverlässige Arbeits- sowie Schichtzeiten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sowie gesellschaftliche Teilhabe sind vielfach überhaupt nicht möglich. Hohe Krankheitsquoten bis zum Burnout, Teilzeitarbeit mit Armutslöhnen und geringer Verbleib in der Altenpflege sind die bitteren Folgen.

8

Die Alice Salomon Hochschule ist in einem Lehrforschungsprojekt über drei Semester 2010/2011 mit Bachelorstudenteninnen – in Teilzeit tätige examinierte Krankenschwestern – folgenden Fragestellungen nachgegangen: Arbeitszufriedenheit und Unternehmensbindung von Pflegekräften; Alter(n)gerechte Personalarbeit; Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz; Burnout im Pflege- und Gesundheitssektor; Alternsgerechtes Personalmanagement.

9

Hierbei wurden folgende Schwachstellen herausgearbeitet:

  • Fortsetzung von Vorurteilen gegenüber den älter werdenden Beschäftigten mit den uralten Diskursen von Alterslob, Altersschelte und Altersspott und der überwiegenden Defizitorientierung; Personalpolitische Schwachstellen vor allem im Mittleren Management,
  • Konflikte zwischen einzelnen Mitarbeiterinnen und Hierarchieebenen aber auch zwischen Jung und Alt.

10

Als Fazit ist festzuhalten: Eine der wesentlichen Ressourcen zur Behebung des Pflegenotstandes wird nicht genutzt – das großes Engagement der Fachkräfte für Pflege- und Sorgearbeit über alle Generationen hinweg. Daraus ergeben sich einige Anforderungen zur Behebung dieser Schwachstellen:

  • Gerechte Entlohnung und Arbeitsbedingungen, die Physis und Psyche nicht überfordern
  • Gewährleistung zuverlässiger Schichtpläne unter Berücksichtigung der individuellen Erfordernisse der Beschäftigten, ausreichende Pausenregelungen, Konfliktbewältigung
  • Verbesserung des Images dieser Berufe
  • Kultur der Anerkennung der Pflegetätigkeiten über verschiedene Hierarchieebenen, Altersgruppen und Migrationshintergrund
  • Entwicklung eines systematischen und unabhängigen Konfliktmanagements.6

11

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Studie der Hans-Böckler-Stiftung über die Aufwertung von Sozialen Dienstleistungen, wobei der Sozial- und Gesundheitssektor im Mittelpunkt steht.7

3 Pflege –...


Erscheint lt. Verlag 31.7.2019
Reihe/Serie Gesundheitswesen in der Praxis
Verlagsort Heidelberg
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte Fachkräftemangel in der Pflege • Gesundheitswirtschaft • Krankenhausstrukturgesetz • Pflegeberufegesetz • Pflegemanagement • Pflegestärkungsgesetz
ISBN-10 3-86216-571-X / 386216571X
ISBN-13 978-3-86216-571-1 / 9783862165711
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