Wolfsadel (eBook)
362 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-9264-7 (ISBN)
Stephan Lasser wurde im schönen Bielefeld geboren und studierte Geschichte und Theologie auf Lehramt. Seine Lieblingsautoren sind Rob Mac Gregor und Terry Pratchett.
Stephan Lasser wurde im schönen Bielefeld geboren und studierte Geschichte und Theologie auf Lehramt. Seine Lieblingsautoren sind Rob Mac Gregor und Terry Pratchett.
Prolog
Norfesta.
Das Land glich nur an den nördlichen Grenzen einer bizarren gefrorenen Mondlandschaft. Schimmernde Berge aus Eis, die wie ein Gartenzaun das ewige Grün im Landesinneren von außen zu schützen schienen. Dichte Kiefernwälder, hier und dort einzelne Seenplatten und Flüsse die immer reichlich Forelle und Lachse aufwiesen. Von oben betrachtet wie eine grüne Decke, die es schon immer gegeben hatte und dunkle Geheimnisse verbarg. Der Mensch hatte es sich in kleineren Dörfern gemütlich gemacht – zu wenige, um bedeutsam zu sein. Und sie kannten die Gefahren, die in den Wäldern lauerten. Wölfe.
Und Werwölfe.
Es heißt, es gebe zwei Kategorien von Leuten auf der Welt. Wenn man den einen ein Glas zeigt, das genau halb voll ist, so sagen sie: Dieses Glas ist halb voll. Die anderen hingegen meinen, das Glas sei halb leer.
Allerdings ist die Welt voller Leute, deren Glas zersprungen oder erst gar nicht vorhanden ist. Meistens wurde ihr Glas achtlos umgestoßen von jenen, die gleich mehrere Gläser haben. Menschen in Norfesta gehörten zu den Glaslosen.
Während die Sonne sank, ließ das Mädchen Isa den Blick über die vereiste und felsige Landschaft schweifen, ein Spiegelbild ihrer Seele. Es war ein von Gott verfluchtes und dämonisches Land und Isa gehörte zu den Schutzlosen. Wie dutzende ihrer
Leidensgenossen betete sie um Erlösung, um Errettung, denn die Welt war grausam. Sie war jung, und immer hungrig, zitterte in der Kälte und verspürte wie alle Menschen Hoffnungslosigkeit vor der Gefahr.
Ihrem Herrn.
Er war ein Fürst, der sich die Kraft der Wölfe teilte, geschaffen aus Wut, Zorn und bestialischer Kraft. Seine gelben Augen zeigten kalte Verachtung gegenüber den Schwachen, sein stinkender Atem war durchsetzt von Alkohol und Blutdurst. Er würde niemals aufhören. Das hatte er nicht nötig. Fürst Mattes Lyren gehörte zu den Monstern, die das ganze Land beherrschten. Sie hatten ganze Tische voller Gläser und waren nicht bereit zu teilen. Isa versteckte sich und harrte der Dinge, die noch kommen mochten. Tage und Wochen vergingen, Menschen litten und Monster herrschten.
Und dann…
…war es vorbei.
Einfach so.
Mattes Lyren war verschwunden – doch kam wenig Freude auf. Denn wenn einer ging, kam schon der Nächste. Der nächste Werwolf.
Sie sind alle gleich, dachte sie bekümmert und tat Dinge, die die Glaslosen sonst taten. Arbeiten, irgendwie leben und überleben.
Alle sind gleich.
Sie wusste es nicht, aber in dem Fall irrte sie sich. Es kam kein Mann.
Etwas anderes…
1 - Die jüngste Fürstin
Eine schwarze Kutsche rollte über eine Straße, gezogen von schwarzen Pferden, die den Weg auch ohne den Kutscher kannten. Das Wappen des Hauses Alemont – zwei Hermeline auf blutroten Grund – prangte als Zeichen für alle Bewohner Norfestas sichtbar auf den Wagentüren. Die älteste und wahrscheinlich bekannteste Familie von Werwölfen und bekanntermaßen ein Machtfaktor in der Region, baute ihre Beziehung zu den anderen Regionen aus. Im Innern saßen zwei Personen, so verschieden wie Tag und Nacht: ein Privatlehrer namens Francesco de Palma aus dem Süden und seine Schülerin und die einzige Tochter des Hauses Alemont.
Claudile Alemont wippte unruhig auf ihrem Sitz hin und her, während der Mann sie scharf ansah. Der wache, unruhige Blick, der energische Zug um ihren Mund und die kleinen, zielbewussten Bewegungen; das war alles ein Mädchen, das die Welt bereisen und von ihr lernen wollte.
Ein Werwolf.
„Sitz stehts aufrecht“, mahnte er und schlug zum wiederholten Male ein Buch auf, das den bedeutungsschweren Titel trug: Adelshäuser und ihre Sitten – rund um Norfesta und drüber hinaus. „Wiederhole, was wir heute durchgenommen haben.“ Claudile stöhnte leise und wischte ihre widerspenstigen weißen Locken vor dem Gesicht fort – ein Zeichen, das Francesco nur zu gut kannte. „Auch wenn es Eure Ladyschaft heute an Geduld mangelt.“
„Francesco“, murmelte sie leise quengelnd und ruckte hin und her. „Ich will raus aus diesem Käfig.“
„Das Buch der Etikette ist gewiss sehr anstrengend zu lernen“, sagte der Privatlehrer, und sein Blick fügte lautlos hinzu: Und was zum Teufel geht mich das an?
„Wir sind seit einer Woche auf der Straße“, begann sie nach einer Weile, als Francesco keine Anstalten machte, von sich aus das Gespräch zu eröffnen. „Ich will raus und neben dem Karren laufen. Ein bisschen jagen oder vielleicht schwimmen. Sind wir nicht eben an einem See vorbeigekommen? Lass mich raus!“ Ihre gelben, großen Augen blickten ihn an und aus den Augenwinkeln konnte der Mann sehen, wie sich ihr Nackenfell am Haaransatz sträubte – untrügliche Zeichen, die er auch gelernt hatte zu deuten.
„Was sollen eure Untergebenen denken, wenn Ihr wild und mit Grasflecken auf dem Kleid an eurem neuen Stammsitz ankommt? Die Fürstin von Blaqrhiken, die Herrscherin des Nordens, tollt mit Füchsen und Hasen herum!“ Er suchte einen Moment krampfhaft nach Worten. „Eure Mutter, die ehrwürdige und gewaltige Schattenprinzessin selbst, hatte wirklich das Gefühl, dass Ihr so weit seid. Zum Herrschen!“
Claudile machte eine wegwerfende Handbewegung und lächelte. „Du schuldest mir was, Francesco. Stell dir nur vor, meine Brüder hätten dich statt Meiner erwischt.“
Der Mann erinnerte sich gut an ihre Brüder, Zurric und Pjotr, die ihrem Vater Miquel Alemont an Wildheit und Kraft in nichts nachstanden und daran gewohnt waren, ihre Lehrer einfach aufzufressen, wenn ihnen danach war.
Er stöhnte leise und legte kurz das Buch beiseite. „Darf ich Euch daran erinnern, dass ich euch den Rücken deckte, als Ihr mal … ganz kurz… auf das Fest im Dorf gehen wolltet? Eure Mutter hätte mich fast gehäutet, während Ihr mit einigen Bäuerinnen über die neueste Sommermode geschwatzt habt. Ich konnte mich gerade noch im Schrank verstecken!“
„Sommermode“, wiederholte sie und lächelte schief. „Ich vermisse das bunte Treiben. Ich will raus! Kannst du das nicht verstehen?“ Ihre Finger zupften am engen schwarzen Brokatkleid, dass ihr jeden Bewegungspielraum nahm. „Ich bekomme keine Luft mehr...!“ Sie hechelte leise. Das Tier in ihr windet sich, stellte er kühl fest. Trotzdem war er lieber mit ihr hier drin als mit ihrer Verwandtschaft. Ihre Mutter Cesarel, eine stolze und große Frau, hatte ihn in der Wut gegen das Bett geschleudert. Werwölfe hatten in der Regel wenig Geduld mit Menschen.
Das Königtum Norfesta erstarkte vor 890 Jahren, zerfiel aber unter einem blutigen Kampf um die Krone in kleinere Fürstentümer – einem losen Bund aus kleineren Reichen, die sich fast zweihundert Jahre lang nicht auf einen König einigen konnten. Wenngleich sich noch lange Zeit danach keine „norfestische Identität“ entwickelte, verband alle Menschen eine Abneigung gegen Andersartige – wie Zwerge, Hexen, Elfen und Werwölfe. Nicht überliefert, aber dennoch factum, war, dass Elfen, Zwerge und Hexen systematisch vertrieben wurden. Der letzte Elf starb in der Ersten Republik vor zwei Jahren an Altersschwäche. Seine Werke über die Pogrome zählten bis zu 36 Bänden und gehörten zu den meistgelesenen Werken der Republik. Francesco de Palma hatte sie als Kind lesen müssen. Damals eine anstrengende Pflichtlektüre, heute sein Garant für ein recht bequemes Leben als Privatlehrer am Hofe des Adels von Norfesta, dass in der Regel keine Gefangenen machte.
Seit 600 Jahren teilen sich die Menschen Norfestas mit den
Werwölfen die Wälder, die bis dato in Rudeln oder vereinzelt für Schrecken sorgten. Erst nach der Krönung des ersten Königs Grosny („Grosny, der Pfähler“) begann die Nacht der Blitze, in der Jägerkolonnen gezielt Jagd auf die Wölfe machte. Nach dem Tod des menschlichen Königs verlor das Königtum Norfesta an Macht und Einfluss und die Zeit des Khanats begann. Die Werwölfe unter der Führung des Khans der Blutklauen begannen die Silbermienen und die Depots der Armeen systematisch anzugreifen und zu schließen. Seit 5 Jahren war der ungekrönte Khan, Claudiles Vater, verstorben, doch die Fürsteh der Acht Regionen hielten noch immer das Reich stabil und gehorchten der Kaiserin – Claudiles Mutter. Momentan war das Königtum in einem Wandel: die Werwölfe waren bestrebt die Monarchie weiter auszubauen. Die neuen Herrscher waren offenbar sehr bestrebt, sich mit neuen Wappen zu schmücken und sich für Etikette und Manieren am Hofe zu interessieren. Und im Süden herrschte Krieg – Vampire der Neuen Allianz gegen die Werwölfe des Nordens.
Claudile kratzte sich mit den Hinterpfoten am Nacken. „Bitte nicht wieder!“ ermahnte er sie. „Wir haben bloß noch das eine Kleid. Wollt ihr nackt vor den Dörflern stehen?“
„Diese dumme Kutsche“, maulte sie und fuhr mit einem heftigen Nicken fort: „Habe ich etwa darum gebeten, Fürstin zu sein? Auch noch im Norden. Da ist nichts, Francesco.“
„Stopp“, ermahnte er erneut und hob dabei den Finger. „Was haben wir gestern gelernt?“
„Nein, nicht…“
„Doch. Es muss sein.“
„Ich kann es...
Erscheint lt. Verlag | 18.12.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Adel • Armut • Genie • Herrschaft • Intrige • Mittelalter • Ungerechtigkeit • Vampire • Werwolf • Werwolfsdame |
ISBN-10 | 3-7565-9264-2 / 3756592642 |
ISBN-13 | 978-3-7565-9264-7 / 9783756592647 |
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