Morden ist sein Hobby (eBook)
240 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-9132-9 (ISBN)
Geboren 1940 in Wien, studierte Karl Plepelits Klassische Philologie, Alte Geschichte und Anglistik, plagte Schüler mit Latein, Griechisch und Englisch, vertrat die Österreichische Akademie der Wissenschaften als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thesaurus linguae Latinae in München, veröffentlichte wissenschaftliche Artikel auf dem Gebiet der Latinistik, Gräzistik und Byzantinistik und übersetzte griechische Romane der Antike und des Mittelalters (erschienen im Hiersemann Verlag, Stuttgart).
Geboren 1940 in Wien, studierte Karl Plepelits Klassische Philologie, Alte Geschichte und Anglistik, plagte Schüler mit Latein, Griechisch und Englisch, vertrat die Österreichische Akademie der Wissenschaften als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thesaurus linguae Latinae in München, veröffentlichte wissenschaftliche Artikel auf dem Gebiet der Latinistik, Gräzistik und Byzantinistik und übersetzte griechische Romane der Antike und des Mittelalters (erschienen im Hiersemann Verlag, Stuttgart).
5
Enttäuscht, verbittert, deprimiert und zu allem Überfluss, obwohl es noch nicht einmal Mittag war, schon wieder schrecklich hungrig und durstig, erreichten sie die erste slowenische Stadt. Laut Ortsschild hieß sie Metlika. Wo könnten sie sich hier etwas Genießbares erbetteln? In einem Gasthaus vielleicht?
Und da tauchte auch schon ein solches vor ihnen auf. Sie zögerten. Dann betraten sie es zaghaft. Im Gastraum saßen mehrere Männer vor ihrem Krügel Bier, und hinter der Theke stand der Wirt und blickte den Kindern misstrauisch entgegen. Dadurch zusätzlich eingeschüchtert, brachten sie zunächst kein Wort heraus. Schließlich gab sich Resul einen Ruck und fragte den Wirt mit leiser, zitternder Stimme, ob er ihnen vielleicht ein Glas Wasser und ein Stück Brot oder Ähnliches spendieren könnte. Verstand der überhaupt Bosnisch? O doch, er verstand es bestens. Das bewies er nämlich auf der Stelle. Denn seine misstrauische Miene verwandelte sich in Blitzesschnelle in eine purpurfarbene Teufelsfratze. Gleich dem Engel mit dem lodernden Flammenschwert vor dem Eingang zum Paradies streckte er seinen Arm in Richtung Eingangstür aus und begann zu brüllen wie ein Berserker. Von dem, was er brüllte, verstanden sie zwar nichts außer Bosanec (Bosnier) und Bosanka (Bosnierin) und Musliman und Muslimanka. Aber der Sinn seiner schönen Rede war auch für sie nicht misszuverstehen. Sie bedeutete: Vertreibung aus dem Paradies.
Also bedankten sie sich höflich für diese freundliche Lektion in Slowenisch. Nein, ganz falsch. Sie ließen den Kopf hängen und zogen sich unter den neugierigen Blicken und hämischen Kommentaren der Biertrinker schweigend auf die Straße zurück.
Nur, Hunger und Durst waren deshalb ja nicht geringer geworden. Schweren Herzens probierten sie es im nächsten Gasthaus neuerlich. Und siehe da, hier wurden sie freundlich aufgenommen, nicht nur vom Wirt, sondern insbesondere von einigen der Gäste. Diese betrachteten sie trotz ihres heruntergekommenen Zustandes mit sichtlichem Wohlgefallen, fast so, als wären sie Prinz und Prinzessin, und behandelten sie mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit. Und keiner von ihnen nahm Anstoß daran, dass sie kein Slowenisch sprachen, auch nicht daran, dass sie Bosnier und Muslime waren.
Man komplimentierte sie wie zwei hohe Gäste in ein Extrazimmer und ließ sie an einem Tisch Platz nehmen, und drei Herren leisteten ihnen (unnötigerweise) Gesellschaft und passten auf sie auf, und eine Kellnerin servierte ihnen zunächst Bier und bald darauf ein leckeres Mittagessen, das sie mit so großem Appetit verspeisten, dass ihre „Aufpasser“ wiederholt in entzücktes Lachen ausbrachen. Und sobald alles ratzekahl aufgegessen war und den Kindern vor Müdigkeit (und wohl auch vor Berauschtheit) die Augen zufielen, erklärten die drei Herren, jetzt wäre erstens ein Mittagsschläfchen fällig und zweitens ein kleines Dankeschön. Offenbar waren sie es, die ihnen diese Köstlichkeiten spendiert hatten.
Wie auf Kommando sprangen die Herren auf, stürzten sich auf Fatima und trugen sie zu dritt im Triumphzug davon. Wohin? Etwa zu einem Mittagsschläfchen?
Und Resul? Was war mit ihm? Um ihn kümmerte sich auf einmal keiner? Nein, ihn ließen sie unbeachtet zurück.
Resul blieb aber nicht zurück. Er dachte gar nicht daran, seine kleine Schwester aus den Augen zu lassen und diesen Mannsbildern zu überantworten, und wenn sie noch so liebenswürdig taten. Wer weiß, was die mit ihr vorhaben. Und er musste plötzlich an Onkel Sulejman denken. Konnte es sein, dass die Männer mit Fatima Ähnliches im Sinne hatten?
Resul schlich ihnen nach und fand zu seinem Entsetzen seinen Verdacht sogleich bestätigt. Denn während sie Fatima noch, wer weiß, wohin, wie ein Opferlamm zur Opferstätte trugen, schienen sie sie bereits zu belästigen – wie, konnte er aus der Entfernung und von hinten nicht erkennen. Aber er hörte Fatima kichern, wie man eben kichert, wenn man gekitzelt wird. Und schon im nächsten Augenblick öffneten sie eine Tür, verschwanden hinter ihr und schlossen sie sofort wieder.
Resul zögerte. Doch dann hörte er Fatima nicht mehr kichern, sondern kreischen, als würde sie jetzt tatsächlich abgeschlachtet, allerdings nur einen kurzen Moment. Danach hörte er sie nur noch leise röcheln. Offenbar hielt man ihr den Mund zu.
Nun zögerte Resul nicht länger. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt – die Männer hatten sie zum Glück nicht abgesperrt, genauer, nicht absperren können, weil kein Schlüssel steckte – und sah, wie sie dabei waren, Fatima zu entkleiden und ihre eigenen Hosen runterzulassen. Da wusste er Bescheid. Kurz entschlossen zog er Onkel Sulejmans Pistole aus der Jackentasche, lud sie durch, zielte und schoss, zielte und schoss – doch ehe er ein drittes Mal zielen und schießen konnte, hatte ihm der Dritte im Bunde die Waffe aus der Hand geschlagen und ihn selbst so brutal zu Boden gestoßen, dass er (Resul) augenblicklich das Bewusstsein verlor.
Als er wieder zu sich kam, registrierte er als Erstes einen heftigen Schmerz im Kopf und als Zweites, dass Fatima weinend neben ihm kauerte und seine Hand hielt. Sie war noch immer fast unbekleidet.
„Was ist los?“, murmelte er verständnislos. Aber dann schaltete sich sein Verstand wieder ein, und er erinnerte sich, was geschehen war und was er selbst getan hatte, und sagte: „Was ist mit dir? Haben dich diese Schweine ...?“
„Nein, nein, sei unbesorgt“, schluchzte sie. „Du hast mich ja gerettet. Aber dafür ...“
Sie verstummte mitten im Satz, rüde unterbrochen vom Gebrüll des Dritten im Bunde, der Resul außer Gefecht gesetzt hatte. Und dieses Gebrüll war im Gegensatz zu bisher auf einmal Slowenisch. Resul richtete sich stöhnend auf und sah, dass ihn dieser mit finsterer Miene anblickte und Onkel Sulejmans Glock in der Hand hielt. Und als er (Resul) sich mühsam erhob, sah er auch, was er selbst mit ihr angerichtet hatte: Zwei der Kerle, die sich seine Schwester als Opferlamm auserkoren hatten, lagen in ihrem Blut, und irgendjemand, vielleicht ein Arzt, war über sie gebeugt.
„Sind sie tot?“, stieß er entgeistert hervor, bekam aber keine Antwort. Dafür packte ihn der Mann unnötig grob am Arm und hielt ihn fest.
Bald darauf betrat ein Polizist die Szene, machte ein erschrockenes Gesicht, palaverte ein Weilchen mit jenem Dritten und dem vermeintlichen Arzt, allerdings auf Slowenisch, sodass Resul noch immer nicht erfuhr, ob die zwei tot sind oder nur verletzt, legte ihm ohne viel Federlesens Handschellen an, packte ihn unnötig grob und führte ihn – wohin? Doch wohin er ihn auch führen mochte, Fatima, inzwischen wieder angekleidet, aber nach wie vor in Tränen aufgelöst, folgte den beiden getreulich wie ein wohlerzogenes Hündchen.
Nun, das Ziel ihrer Wanderung zu dritt war natürlich die Polizeiwache. Dort wurden sie von weiteren Polizisten erwartet. Sie konnten offensichtlich alle Serbokroatisch; und wie sich herausstellte, verstand es sogar der eine, der Resul verhaftet und mit den anderen auf Slowenisch palavert hatte.
Was nun folgte, war ein gar strenges Verhör. Aber Resul hatte in Fatima eine unerschrockene Verteidigerin, und gemeinsam erzählten sie ihre ganze traurige Geschichte und erregten das Mitleid ihrer Inquisitoren, sodass diese allmählich milder gestimmt wurden.
Trotzdem oder vielleicht sogar eben deshalb wurden sie zuletzt nicht wieder auf freien Fuß gesetzt und damit sich selbst überlassen. Nein, ihr gemeinsames Domizil war ab sofort das Polizeigefängnis. Aber das war für sie nicht unbedingt eine Strafe. Hier hatten sie endlich Gelegenheit, sich zu waschen und sich von ihren schon so lange andauernden Strapazen und zugleich ein klein wenig von den zu Hause erlebten Schrecknissen zu erholen. Resuls Schmerzen ließen allerdings nur langsam nach. Und mehrere Male bekam er – ob im Traum oder in Wirklichkeit, wusste er nicht – neuerlich nächtlichen Besuch von Onkel Sulejman, ohne dass sich zuvor die Tür geöffnet hätte. Schweigend und mit grimmiger Miene stand er jedes Mal urplötzlich vor ihm, durchbohrte ihn mit seinen Blicken, und Resul fühlte sich vor Angst gelähmt, und seine Gedärme waren nahe daran, sich unwillkürlich zu entleeren. Zuletzt richtete Onkel Sulejman seine Glock auf ihn, drückte ab und löste sich hierauf allmählich quasi in Luft auf, und Resul wusste minutenlang nicht, lebt er oder ist er tot?
Nächtlichen Besuch, ebenfalls ohne dass sich zuvor die Tür geöffnet hätte, erhielt er auch von den zwei Unholden, die er verwundet oder getötet hatte, je nachdem, während sie sich anschickten, Fatima zu missbrauchen. Sie traktierten ihn mit Bierflaschen und mit bloßen Fäusten, ehe auch sie sich schließlich wieder in Luft auflösten. (Woraus er schloss, dass er, das „Wunderkind und Naturtalent im Schießen“, sie tatsächlich vom Leben in den Tod befördert hatte.)
Nach diesen mysteriösen Besuchen brauchte Resul jedes Mal lang, bis er sich von seinem Schrecken erholt hatte, und musste sich an verschiedenen Stellen seines Körpers betasten und zwicken, um sich zu vergewissern, dass dieser noch immer unversehrt war.
Im Übrigen wurden die zwei Kinder von einer Polizistin mit Essen und Trinken wohl versorgt. Außerdem waren sie die einzigen Häftlinge und wurden von niemandem belästigt oder gar missbraucht. Was ihnen nicht so behagte, war erstens der Mangel an Frischluft, gerade nachdem sie seit ihrer Flucht fast ständig im Freien zugebracht hatten, und zweitens die Ungewissheit, was jetzt mit ihnen geschehen sollte, wie lange sie also im Gefängnis schmachten mussten. Immerhin glaubte Resul irgendwann gehört zu haben, dass Minderjährige...
Erscheint lt. Verlag | 19.11.2024 |
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Reihe/Serie | Mordlust |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bosnienkrieg • Hadsch • Horrorkinderheim • Islam • Istanbul • Kindesmissbrauch • Kriegsverbrechen • Landminen • Massenpanik • Mekka |
ISBN-10 | 3-7565-9132-8 / 3756591328 |
ISBN-13 | 978-3-7565-9132-9 / 9783756591329 |
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