Warum ist eigentlich nie ein Auftragskiller zur Hand, wenn man ihn braucht? (eBook)
200 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-0204-3 (ISBN)
Die Autorin, geboren an einem Dienstag im 20. Jahrhundert, lebt und arbeitet im Ruhrgebiet. Für »Warum ist eigentlich nie ein Auftragskiller zur Hand, wenn man ihn braucht?« hat sie das erste Mal Geschichten verfasst.
Das Leuchten der Stulle
Es hat Vor- und Nachteile einen guten Freund zu haben, der zu jeder Tages- und Nachtzeit über Backwaren verfügt. Einerseits kann ein Stück Käsekuchen um vier Uhr morgens das ein oder andere dringliche Problem lösen. Andererseits würde ich gerne vermeiden, dass meine Schwimmgruppe nach einer meiner legendären Arschbomben ohne Wasser dasteht.
Als unser Freund Udo beschloss, einen Backshop zu eröffnen, war ich also hin- und hergerissen zwischen der zuckersüßen Aussicht auf unbegrenzten Windbeutelkonsum und der Sorge, völlig aus dem Leim zu gehen.
Udos Idee, mir die Werbung für den Laden zu überlassen, lenkte meine Aufmerksamkeit jedoch in eine kreative Richtung. Hier lag eine ideale Kombination aus seinem nicht vorhandenen Marketingbudget und meinen künstlerischen Ambitionen vor. Was für eine Gelegenheit! Ich war begeistert!
Ich wollte mir etwas jenseits der üblichen Brötchen- Propaganda einfallen lassen. Abstrakt sollte es sein, losgelöst von Eiern, Mehl und Puderzucker, inspiriert von Kandinsky, Klee und Pollock. Ich würde mich in die Fluten der Avantgarde stürzen, minimalistisch, ohne Schnickschnack, ohne Kompromisse. Nuss ohne Ecke, Frankfurt ohne Kranz, Welle ohne Donau … Ich plante, die Kunst im Mehrkornbrot hervorzubringen. Ich war fest entschlossen, die Welt der Plunderteilchen fotografisch zu revolutionieren.
Nach einem ausführlichen zweiminütigen Brainstorming war meine Idee geboren, die sympathische industriekulturelle Verkommenheit meiner Heimatstadt Dortmund mit dem Duft von frisch Gebackenem zu vereinen. Dass Geruch auf Fotos nicht zu erfassen ist, war ein unbedeutendes Detail, das meine überbordende Schaffenskraft nicht stoppen konnte.
Die vergammelten Ruinen der alten Ziegelei, die in einem verwilderten Waldstück nahe des Dortmund- Ems-Kanals stehen, konnte ich schnell als geeigneten Ort zur Inszenierung des Gebäcks ausmachen. Als Lokalkolorit im Hintergrund sollten die rostigen Kanalbrücken dienen.
Werbeslogan:
Rostfreier Blechkuchen, 100 % witte rungs be ständig.
Kross und lecker!
Großartig! Ich hatte zweifellos ein Gespür für verkaufsfördernde Manipulationen. Ich würde vermutlich in naher Zukunft eine Werbeagentur eröffnen. Ich brauchte Angestellte.
Mit der Aussicht auf sein Lieblingsgericht – Gulasch mit Knödeln & Gurkensalat – stimmte der Komiker zu, mich als Assistent und gleichzeitig als inspirierende Muse bei meinem Jahrhundertprojekt zu unterstützen. Kurz nach seiner Zusage hörte ich ihn mit seinem Kumpel Benno vor dem Haus über unsere Vereinbarung debattieren.
Benno: »Hab ich ’nen Knick in der Ohrmuschel oder hast du gerade gesagt, die will ’nen Streifen Butterkuchen mitten in der Botanik auf ’nem Haufen Industriemüll ablichten? Und das soll dann bei Udo über der Tortentheke hängen? Alter, ich habe selten so einen apokalyptischen Scheiß gehört!«
Er: »Natürlich wird das nix! Aber du kennst sie ja! Wenn ich’s nicht mache, geht sie mir damit wieder wochenlang auf die Eier! Außerdem habe ich Bock auf Gulasch.«
Benno: »Alter, das ist Erpressung!«
Er: »Klar, wenn nicht sogar Nötigung. Aber so läuft das bei uns. Ich renn mit Quarktörtchen durch den Wald und sie steht in der Küche und raspelt Gurken. Ist am Ende aber ein guter Deal für mich. Das muss man als Gesamtkalkulation sehen. Ich weiß nicht genau warum, aber Knödel wirken bei ihr wie ein Aphrodisiakum. Für das Bonusprogramm muss man Kompromisse machen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Benno: »Alter, die führt dich am Schwanz spazieren wie an ’ner Hundeleine.«
Er: »Ja und? Fass dich mal an deine eigene Flöte! Du bist doch der Meister der Tricksereien. Ich darf dich mal kurz an die Sache mit der Gartensauna erinnern. Das waren harte Verhandlungen zwischen dir und Tanja und letztendlich ist für dich dabei die BVB-Dauerkarte rausgesprungen.«
Hier übersehen die beiden Verhandlungsstrategen, dass Bennos Frau Tanja eine Sauna im Garten wollte, aber überhaupt nichts gegen die Dauerkarte einzuwenden hatte. Im Gegenteil! Die hat in Schallgeschwindigkeit den Spielplan der Bundesliga ge-googelt und sämtliche Heimspieltermine des BVB mit einem lachenden »Daumen hoch-Smiley« im Kalender markiert. Gleichzeitig hat sie jedes Mal, wenn Benno das Thema Dauerkarte zur Sprache brachte, ein ausgesprochen unglückliches Gesicht gemacht. Die weibliche Gemeinde sei an dieser Stelle eingeladen, von der Weltmeisterin in der Disziplin »Schippchen ziehen« zu lernen. Die aufgeworfene Unterlippe und das zitternde Kinn kann Tanja unfassbar realistisch simulieren. Selbst ich war bisweilen davon überzeugt, dass ihr Gesicht sich gleich in ein Wasserwerk verwandelt. Ein trauriges: »Dann können wir ja an den Heimspielwochenenden gar nichts zusammen unternehmen!« rundete die Vorstellung optimal ab. Danach war das erste Heimspiel schon gelaufen, bevor die Bundesligasaison überhaupt begonnen hatte.
Jetzt hat Tanja einen Wellnesstempel im Garten und jede Menge Samstage, an denen sie ganz in Ruhe entspannen kann. Zwei zu null für Tanja. Und die Tabellenführung. Das gleiche Prinzip wende ich übrigens in Sachen »Bonusprogramm« an.
Mannomann, ihr Typen seid manchmal aber auch dermaßen unintelligent! Mal darüber nachgedacht, dass es tatsächlich auch Frauen gibt, die sich für Sex interessieren und dass Verhandlungen sich erübrigen, wenn beide Parteien dasselbe wollen? Selber schuld, ihr Armleuchter!
Wenig später fahre ich mit dem Armleuchter zu den Trümmern der industriellen Vergangenheit des Ruhrgebiets. Während der Fahrt versuche ich, ihm mein Konzept noch einmal genauer zu erklären. Er tut so, als lausche er meinen Worten aufmerksam und sagt dann: »Klingt interessant!«
Weil ich meinen Angestellten schon recht lange kenne, fällt mir die Übersetzung dieser Aussage nicht besonders schwer: »Die Alte hat den Verstand verloren! Hoffentlich ist noch genug Grips unterm Dach, um Knödel zu rollen.«
Artig antworte ich: »Danke, finde ich toll, dass du mich so unterstützt. Und heute Abend offenbare ich dann meine extrem positive Meinung von dir.«
Er grinst. Hat er gefressen. Funktioniert immer wieder.
Nach der Ankunft in Nähe der Ziegeleiruinen bepacke ich meinen Assistenten mit tonnenweise Backwerk und behänge ihn mit der Kamera.
Um den Schauplatz der Inszenierung zu erreichen, müssen wir noch einen längeren Fußmarsch vorbei an der alten Zechensiedlung, diversen Halden und dem Kohlehafen absolvieren. Die Trümmer liegen versteckt in einem nasskalten, durchweichten Waldstück. Während wir uns durch das Unterholz schlagen, keucht der Packesel unter der Last der Ausrüstung. Was ist los, Armleuchter? Energiesparlampen in der Fassung?
Endlich stehen wir vor den gesuchten Mauerresten. Er setzt sich auf die Überbleibsel eines alten Schiffswracks und pumpt wie ein Marathonläufer nach dem Zieleinlauf. Kaum wieder zu Atem gekommen, packt er eine Thermoskanne mit Kaffee aus und schiebt sich gleich mal ein Mandelhörnchen zwischen die Kiemen. Na toll! Es ist noch nicht ein einziges Foto im Kasten und der fängt schon an, die Models zu vernaschen.
Ich bereite die Fotomotive auf ihren Auftritt vor und platziere eine Auswahl Zuckerkringel und einige Körnerbrötchen auf einem Stück vermoderter Mauer. Dann schneide ich ein paar dicke Scheiben von einem rustikalen Roggenbrot und bestreiche sie kunstvoll mit Butter. Ganz meinem Marketingkonzept folgend: erlesen und schnörkellos. Ich lege die mondänen Kniften dekorativ auf den feuchten Waldboden und drapiere ein wenig Laub drumherum. Nicht zu viel Firlefanz. Nichts soll von der schlichten Eleganz der Butterstullen ablenken.
Nicht alle Tortenstücke haben den Transport unbeschadet überstanden. Die Käsesahne sieht ein bisschen aus wie die zerfließenden Uhren von Salvador Dalí. Modern und hipp, genau mein Shit! Ich fange an zu fotografieren.
Meine Muse beobachtet das Geschehen, stopft sich beide Wangen mit Biskuitrollen voll, gießt Kaffee nach und kommentiert wie ein Starfotograf: »Ja, Baby, gut Baby, du bist der Star des Ziegelhaufens, zeig mir deine Schokoflocken, du siehst super aus … Mach mir die Donauwelle, du musst die Hefe fühlen, Baby. Und jetzt bieg dich wie eine Brezel …«, um wenig später wie Heidi Klum zu fiepen: »Für dich habe ich heute leider kein Foto, Knäckebrot. Aber du, Pumpernickel, bist auf dem Weg zu einer ganz großen Karriere als Amuse-Gueule. Aus dir machen wir ein ganz besonderes Appetithäppchen.«
Herrgott nochmal, kann der nicht einmal ernst bleiben? Ich versuche hier gerade etwas Bleibendes für die Nachwelt zu erschaffen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, Gulasch auf den Verhandlungstisch zu legen.
Dass dem Armleuchter jegliches Verständnis für das Projekt fehlt, bestätigt sich, als er mich zu allem Überfluss auch noch fragt, ob ich Servietten...
Erscheint lt. Verlag | 2.9.2024 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga |
ISBN-10 | 3-7597-0204-X / 375970204X |
ISBN-13 | 978-3-7597-0204-3 / 9783759702043 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 260 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich