Boja das schöne Räubermädchen (eBook)
293 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-8187-0994-5 (ISBN)
Heinrich August Müller (1766 in Greußen; ? August 1833 in Wolmirsleben) war ein deutscher Schriftsteller, evangelischer Theologe sowie Übersetzer aus dem Französischen und Englischen.
Heinrich August Müller (1766 in Greußen; † August 1833 in Wolmirsleben) war ein deutscher Schriftsteller, evangelischer Theologe sowie Übersetzer aus dem Französischen und Englischen.
Zweiter Theil.
Als der Termin vorüber war, den der große Teufel dem Markgraf Luther gesetzt hatte, an welchem er ihm seinen Sohn unverletzt überliefern wollte, kam, statt dessen, ein Schreiben an, in dem es also lautete:
»Seyd meinetwegen unbesorgt, die Freiheit abgerechnet, auf die ich verzichten muß, hat man mir in meiner Gefangenschaft keine böse Miene gemacht. Noch möchte eine Woche hingehn, ehe ich zu Euch kommen kann; aber daß ich noch hier bleibe, das ist nicht Günzels Schuld, der Allmächtige will es so.
Werner.«
Das Schreiben war von einer fremden Hand abgefaßt, die Unterschrift allein war von dem Sohne, und Godila wollte bemerken, die Züge wären mit zitternder Hand geschrieben. Es entstanden allerlei Fragen, warum sich Werner länger unter den Räubern aufhielt und welches Hinderniß ihm der Allmächtige in den Weg legte, daß er noch nicht erschien.
Der Markgraf fuhr endlich mit der Vermuthung hervor:
»Er lebte in der Einsamkeit, von rohen, gesetzlosen Räubern umgeben; hätte ihm gar die schöne Boja, die uns der Graf von Wettin, wie eine der Feen schilderte, die Fesseln der Liebe angelegt? Wer weiß, wie liebkosend und freundlich sie ihn umgab, um den schönen Jüngling in ihr Netz zu locken! Wenn er aus Neigung und zum Dank sich mit einem Räubermädchen verbinden wollte, da entstünde ja zwischen mir und dem großen Teufel eine ehrenvolle Verwandtschaft!«
»Wie viel Arges und Thörichtes könnt Ihr doch von Eurem Geschlechte denken,« sagte Godila recht unwillig. »Kennst Du Deinen Sohn so wenig, daß er sich so weit vergessen könnte, und, um der schönen Boja willen, seiner Luitgard untreu werden? Fester glaube ich an seine Redlichkeit und Tugend. Er befindet sich in einer Lage, wo die zärtliche Neigung zu seinem Herzen gewiß keinen Zugang finden kann. Wenn er nur nicht hart darnieder liegt und dies das Hinderniß ist, wodurch ihn der Allmächtige länger von uns trennt. Wer weiß, wer diese Zeilen schrieb und ob er nicht gezwungen wurde, seinen Namen zu unterzeichnen. Die Angst, die mich martert, ist groß, ich fürchte allerlei Unglück.« —
»Und was nützt das Fürchten?« sagte der Markgraf. »Harre geduldig aus, wo Du Dir die Noth nicht vom Halse werfen kannst.«
Um seine Gattin zu beruhigen, schickte der Markgraf zwei gerüstete Männer mit einem ansehnlichen Geschenke an Günzel von Kuhberg nach dem Walde und hieß ihn bitten, seinem Sohn, wie er es versprochen hätte, die Freiheit wieder zu schenken, oder ihm gültige Gründe anzuführen, weshalb derselbe nicht käme. Thäte er Wernern Zwang und Gewalt an, so werde er seine ganze gewaffnete Macht aufbieten, seine Rotte zu zerstören, und wehe dann ihm, wenn er in seine Hände fiele.
Nach zwei Tagen kamen die Abgeschickten wieder und meldeten dem Markgraf:
»Als wir etwa zwei Stunden in dem Walde geritten waren und es nicht wußten, welchen Weg wir nehmen sollten, um unsern Auftrag auszurichten, ritten wie querfeldein in das Gebüsch. Auf einmal wurden wir von acht Räubern überfallen. Als wir meldeten, wir wären vom Markgraf abgesandt, um ihrem Oberhaupte eine wichtige Nachricht zu melden, da führten sie uns, indem wir von den Rossen steigen mußten und sie uns die Augen verbunden hatten, auf einen großen Platz, der von mehrern Hütten, aus Laube geflochten, bedeckt war. In eine dieser Hütten wurden wir geführt und scharf bewacht.
Uns reichte man Essen und Trinken in Überfluß und von unsern Rossen sagte man, daß sie in guter Verwahrung wären und reichliches Futter hätten. Es hieß, daß Günzel ausgezogen sey und vor dem andern Morgen nicht wieder kommen werde. Vor Sonnenaufgang entstand ein immer lauter werdendes Getöse auf dem Platze, Waffengelärm und Sprechen von vielen Männerstimmen. Schon einige Stunden war die Sonne am Himmel, als ein großer, riesenmäßiger Mann, noch in gutem Alter, in glänzender Rüstung in die Hütte trat und sagte: Ihr kommt vom Markgraf Luther. Entledigt euch eures Auftrags. Es war der große Teufel selbst. Wir sagten ihm jedes Wort wieder, was ihr uns, ihm zu sagen, befohlen hattet.
Schweigend lächelte er ein Weilchen und sprach dann: ›Der Markgraf muß meine Macht schlecht kennen, wenn er sich einbildet, daß ich mich vor seinen Gewaffneten fürchte. Mit dieser Drohung richtet er nichts aus. Er hüte sich, daß er nicht in meine Gewalt fällt. Aber dem Vaterherzen, das sich nach dem Sohne sehnt, will ich diese Sprache verzeihen. Mein Wort hätt’ ich gehalten und ihm Wernern an dem festgesetzten Tage geschickt, wenn er nicht in eine Krankheit verfallen wäre, die ihm das Reisen unmöglich machte. Er blieb aus freiem Willen länger hier. Jetzt ist er auf dem Wege der Genesung. Sobald ihm der Arzt das Reisen erlaubt, kömmt er in Salzwedel an.‹
Als wir ihm von Euch das Geldgeschenk überreichen wollten, schob er’s mit den Worten zurück: ›Der Markgraf weiß es ja; daß ich kein Lösegeld verlange. Ich nehme nichts von ihm an. Sind ihm aber einige tausend Goldgülden nöthig, so will ich sie ihm auf ein Jahr leihen, dann ist meine Rolle ausgespielt, mein Krieg, den ich mit den reichen Geizhälsen, den Betrügern und den räuberischen Rittern führe, hört auf, und ich lebe dann mit aller Welt in Frieden. Damit der Markgraf nicht zweifelt, daß ich die Wahrheit von seinem Sohn sage, mögt Ihr ihn selber sehen und sprechen. Kommt und folget mir.‹
Wir folgten ihm. Er führte uns nach einer großen, dichtgebauten Laube. Da lag Werner auf einem reinen, weichen Lager, mit erblaßtem Gesicht, neben ihm saßen zwei Frauen, vornehm gekleidet, und eine Jungfrau von wunderbarer Schönheit, die ein junger Ritter in den Armen hielt.
Freundlich und heiter wurde Werners Miene, als er uns erkannte. Er fragte nach Euch, der Markgräfin und nach Luitgard. Von der Letztern konnten wir ihm keinen Bescheid geben.
›Wenn Ihr zurück zu meinem Vater kommt,‹ sprach er, ›so meldet es ihm, daß es mir, während meiner Gefangenschaft, deren Härte mich sehr drückte, so erging, als ob ich unter meinen besten Freunden wäre. Güte und Liebe hat mich in meiner schweren Krankheit gepflegt. Bei meinem Leben beschwör’ ich den Markgraf, daß er nichts Feindliches wider Günzel unternimmt, dem ich Dank schuldig bin. Sobald ich mich stark genug fühle, komme ich, und keine Gewalt hält mich zur. Das sagt den Eltern und verweilt Euch länger nicht.
Ehe die Nacht eintrat, durften wir die Laube nicht verlassen; und ein Führer brachte uns auf den rechten Weg.«
Zur Beruhigung seiner Gemahlin theilte ihr der Markgraf diese sichere Nachricht mit.
Werner hatte die Wahrheit geredet, wenn er durch die Abgesandten seines Vaters ihm diesen Bescheid mittheilen ließ, der für die Behandlung, die er von Günzeln und dessen Gattin und Tochter erfuhr, so rühmlich sprach. Hätte er die Trennung von Luitgard, und daß er gar nichts von ihr erfuhr, ruhiger ertragen können, so würde er sich im dem Räuberstaate, der ihm viel Unterhaltendes und Lehrreiches darbot, so übel nicht gefühlt haben.
Er sah eine muthige Männerschaar, die in jedem Augenblick bereit war, Leben und Freiheit aufzuopfern. Ungehorsam war ein großes Verbrechen. Die Störer der Einigkeit wurden verbannt. Günzel übte strenge Gerechtigkeit, aber er konnte auch großmüthig und gütig seyn. Guten Rath nahm er an, selbst Widerspruch ließ er sich gefallen. Verräther. verschwanden und man wußte nicht, wo sie geblieben waren. Geheime Unternehmungen gegen den Bund, die zu seiner Auflösung führten, wurden mit unerbittlicher Strenge geahndet.
Es herrschte ein munteres, regsames, kräftiges Leben unter der Rotte, und immer war man in der gespanntesten Erwartung. An jedem Tage liefen Nachrichten von den Siegen und Niederlagen, von Gewinn und Verlust ein. Die Bande entschied oft die heftigsten Fehden, die unter den Rittern herrschten. Günzel wurde hoch geachtet, gefürchtet und geliebt, und Niemand sprach von ihm ein beleidigendes Wort.
Er hatte seine Obern, mit denen er zu Rathe saß, seine Klugen, denen er wichtige Geschäfte auftrug. Wo die Gefahr oft am größten war, da stellte er sich an die Spitze. Die größere Zahl der Räuber diente nur zu Werkzeugen, um unter der Anführung Anderer Plane auszuführen. Dreimal hat die Rotte Günzeln, einmal mit Gewalt, zweimal durch Bestechung aus dem Kerker frei gemacht. Die Zahl der Räuber wurde durch Zulauf immer größer, und endlich entstanden Exspectanten. Wo er mit seiner Bande war, da durfte kein Anderer sein Handwerk üben, er ließ ihn aufgreifen und nach dem Gesetz bestrafen. Mehr als einen Ritter sah Werner in Günzels Lager, der mit ihm Verträge abschloß und seine Freundschaft erkaufte.
Wirklich waren es Günzels Gattin und Tochter, zwei Wesen von hoher Liebenswürdigkeit und echt menschlichem Sinne, die einen tiefen Eindruck auf Werners Seele machten. Was die weibliche Güte Sanftes, Weiches, Bescheidenes und Mildes hat, das fand er in ihrem Charakter. Oft zähmten sie Günzels Ungestüm und seine aufbrausende Härte. Sie waren des Umhertreibens seit fünf Jahren müde, und hatten ihn bestimmt, sein gefährliches Geschäft im künftigen Jahre niederzulegen, um von dem Geraubten, das er an geheimen Orten vergraben hatte, in einer Gegend, wo er unbekannt war, in Frieden zu leben.
Wäre Werner mit Luitgard nicht verlobt gewesen, und hätte er’s nicht erfahren, daß Hans von Gerken ihr Geliebter war, sein Herz hätte den vielfachen Reizen der schönen Boja nicht widerstehen können. Wenn ihre Mutter ihm in seiner Krankheit, wie einem Sohne, beistand, so pflegte ihn Boja wie eine Schwester. Nächte saß sie bei seinem Lager, da seinem Leben Todesgefahr drohte. Er lernte auch Hans von Gerken kennen, dem er’s nicht verdachte, daß er das...
Erscheint lt. Verlag | 3.11.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | Abenteuer • Drame • Fiktion • historische Fiktion • Kaiser Otton III • Reich • Roman |
ISBN-10 | 3-8187-0994-7 / 3818709947 |
ISBN-13 | 978-3-8187-0994-5 / 9783818709945 |
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