Eine Leiche im Keller (eBook)
148 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-8038-3 (ISBN)
Arina Mey wurde in Sankt Petersburg, in Russland, geboren und lebte zehn Jahre in der Hansestadt Nowgorod, wo die skurrilen Kusinen, als Figuren ihrer Romanreihe entstanden. Seit zwanzig Jahren lebt sie in Niedersachsen.
Arina Mey wurde in Sankt Petersburg, in Russland, geboren und lebte zehn Jahre in der Hansestadt Nowgorod, wo die skurrilen Kusinen, als Figuren ihrer Romanreihe entstanden. Seit zwanzig Jahren lebt sie in Niedersachsen.
Kapitel 1. Der Schatz
Irina klappte ihren Tablet-PC zusammen und griff nach ihrem Handy:
„Hallo, ich bin es. Ich brauche eine Leiche. Kannst du mir eine bis Montag besorgen?“ Im rechten Augenwinkel merkte sie eine schnelle Bewegung, sprach aber weiter. „Ja, du weißt wofür. Es muss aber keine frische, sondern eine etwas ältere sein. Hast du welche? Bitte, nur keine Wasserleichen! Die vertrage ich nicht!“
Jetzt fiel es Irina auf, dass es im Waggon des Zuges, in dem sie gerade saß, verdächtig still wurde. Ihr Nachbar, der gegenüber im Gang saß, starrte sie an und war anscheinend bereit zu einem Sprung, um sie zu überwältigen.
„Ich rufe dich später an“, sie unterbrach ihr Telefonat, schaltete das Handy aus und drehte sich zu dem Mann im Gang gegenüber. „Haben Sie keine Sorge, ich schreibe an meinem Krimi und fragte gerade einen bekannten Kriminalkommissar, ob er mir einen passenden Toten für die Handlung meines Romans, empfehlen kann. An was haben Sie denn gedacht?“
Irina klappte wieder ihren Tablet-PC auf, den ihr ihre Kusine Ludmilla zur Erscheinung ihres ersten Buches geschenkt hatte, und zeigte dem Mann die Titelseite des Romans. Es sah so aus, als ob er ihr geglaubt hatte, denn er atmete aus und seine Muskeln entspannten sich.
„Irina Petrowskaja. Ein Skelett im Schrank. Kriminalroman“, las er laut und die Spannung im Waggon des Zuges löste sich auf.
Sofort wurde es wieder lauter. Die zwei Frauen, die vor Irina saßen, vertieften sich wieder in ihr Gespräch über ein krankes Kind ihren Bruder und seine Frau. Das Mädchen auf der anderen Seite des Waggons, zwei Sitzreihen von Irina entfernt, nahm ihr Gejammer über ihr kaputtes Spielzeug wieder auf, und eine alte Frau vertiefte sich wie zuvor in das Lesen ihres Frauenmagazins mit Schönheitstipps.
Irina versuchte sich erneut, auf ihren Roman zu konzentrieren. Sie saß jetzt im Zug, der nach Norden fuhr, weil sie sich ein kleines Häuschen in einem sehr kleinen Dorf gekauft hatte, wo sie ihr neues Buch fertigstellen wollte. In Ruhe und Abgeschiedenheit.
Ihr erster Roman erschien vor einem halben Jahr und handelte von einem Schriftstellermord nach einer wahren Geschichte, in welche sie und ihre Kusine Ludmilla wider Willen verwickelt worden waren. Sie hatte den Krimi um die Wette mit Alexej, ebenfalls einem Autor, geschrieben, wurde früher als er fertig und hat die Wette gewonnen. Alexej wurde zu sehr abgelenkt durch sein Studium, durch andere Aktivitäten an der Uni und durch seine Frauengeschichten.
Zurzeit versuchte sich Irina an einer komplett fiktiven Geschichte. Na, vielleicht nicht ganz: Man benutzt ja immer die eigenen Erfahrungen. Als nächstes benötigte sie dringend eine passende Leiche für die Handlung.
Der Schaffner kam vorbei und teilte Irina mit, dass sie nach zwei Haltestellen aussteigen müsse. Sie beeilte sich, weil sie wusste: Der Zug hält dort nur drei Minuten. Es ist keine Bahnstation, nicht mal ein Bahnsteig: Der Zug hält einfach kurz an, die Menschen steigen ein oder aus, und der Zug fährt weiter.
Als Irina aus dem stickigen Waggon des Zuges raus war, wurde es schon dunkel und sie beeilte sich. ‚Jetzt will ich nur noch schlafen!‘, dachte die müde Frau, als sie sich Lisas Haus näherte, wo sie vorübergehend wohnen durfte. ‚Morgen habe ich viel zu tun‘.
Irina nahm einen ordentlichen Atemzug von der frischen Morgenluft ein und drehte sich zum Haus um. Sie winkte dem Baggerfahrer und der schmiss den Motor an. Oder hieß diese Baumaschine Laderaupe? Da war sich Irina nicht sicher. Heute wurde endlich ihr altes Häuschen angehoben und auf die neuen größeren Ecksteine aufgesetzt.
Der Bagger hob die Südseite des Hauses hoch, und zwei Arbeiter klopften rasch die Holzklötze unter den dicksten Stamm einer Wand. Jetzt war die nördliche Seite dran. Der Mann am Steuer des Baggers verschätzte sich und das morsche Holz der unteren Reihe brach in der Mitte durch. Das ganze Haus hing einen kurzen Moment schief in der Luft, dann fiel es auseinander. Die schwarzen Holzstämme rollten den Hang hinunter, an den weglaufenden Männern vorbei.
„Ich war wohl von Sinnen, als ich diese Ruine gekauft habe“, murmelte Irina und schüttelte den Kopf.
Ihr Traum-Sommerhaus existierte nicht mehr.
Michalitsch, ihr Bauleiter und jetzt wohl ihr Abrissleiter, tröstete sie: „Halb so schlimm! Die oberen Reihen kannst du behalten.“
„Was soll ich mit einem halben Haus?!“
„Ich rede mit dem Oberförster, du bekommst ein Stück Wald zum Abholzen, das reicht für den Rest. Wird nicht teuer.“
„Und wer holzt ab?!“
„Ich kenne da einen … Wir schieben das alles jetzt zur Seite.“
Irina nickte zu.
„Okay. Dann fahre ich jetzt nachhause und regle das mit dem Geld und auch mit meinem Chef wegen des Urlaubs… Es wird wohl doch ein neues Haus werden!“
In dem Dorf Flaschino, das etwa einen Kilometer von dem größeren Nachbardorf Marjino entfernt lag, wurde seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut. Zu viele Männer kamen aus dem letzten Krieg nicht mehr zurück. Nachdem auch die letzten jungen Leute in größere Dörfer, oder gar in die Stadt weggezogen waren, blieben die Häuser einem langsamen Zerfall ausgesetzt. Irinas Haus war eines der noch verbliebenen Häuser. Vor einem Jahr starb dann die Hausbesitzerin und ihre Tochter, die in der Stadt wohnte, verkaufte das Haus ganz günstig. So, dass auch Irina es sich leisten konnte.
Heute bestand das Dorf nur noch aus neun Häusern. In fünf lebten noch die Dörfler, vier die übrigen wurden an Stadtmenschen verkauft, die zur Sommerfrische hierher kamen.
Nach drei Wochen kam Irina wieder ins Dorf. Die alten dunklen Holzstämme, die früher als die Wände vom Haus dienten, lagen zusammen an dem provisorischen Zaun. Dahinter – frischentrindete Tannenstämme, nicht so dick wie die alten, dafür neuer. Die Reste vom kaputten Dach und die morschen Bodendielen wurden entsorgt. Daneben stapelten sich frischgeschnittene Bretter für den Dachboden und die Dielen.
„Heute werden wir den Keller ausheben“, erklärte Michalitsch. „Der war nicht mal einen Meter tief, deswegen sind auch die unteren Teile der Wand und der Boden verfault. Willst du vielleicht deine Seni breiter haben?“
„Ein kalter Vorraum zum Haus, ganz ohne Fenster? Nein, ich möchte lieber eine Veranda mit viel Licht, es ist ja für den Sommer, das Haus. Aber für den Umbau habe ich mein altes Klavier verkauft. So viel hat es nicht gebracht.“
„Wird nicht viel teurer. Also, Männer, fangt an!“
Die drei kräftigen Helfer sprangen in die Bodenvertiefung, in der das Haus früher stand, und fingen an, rasch zu buddeln.
‚Gut, dass es die letzten Wochen nicht geregnet hat, sonst hätte ich heute einen Teich‘, dachte Irina für sich. ‚So ein großer Sandkasten! Ich hatte als Kind immer etwas im Sand gefunden: Knöpfe, kaputte Schaufelchen und verlorene Sandförmchen. Vielleicht wäre ich lieber Archäologin geworden?‘
Das Loch in der Mitte wuchs wie mit Lichtgeschwindigkeit.
‚Wie schaffen sie das?‘
Die kratzenden Geräusche der Schaufeln über Steine und harten Sand verstummten plötzlich.
„Was ist?“
„Spring mal runter! Wir haben was gefunden!“
In der Mitte des Loches, halbausgebuddelt, lag eine lange Kiste aus verrostetem Metall.
„Eine Schatztruhe?“
„Eher ein Werkzeugschrank oder so…“
Die Männer befreiten den Deckel vom restlichen Sand und sahen Irina fragend an.
„Macht auf!“
Sie ließen nicht lange auf sich einreden. Die Truhe war zwar verschlossen, aber der Deckel wurde kurzerhand mit Hilfe einer Brechstange aufgebrochen, und alle Köpfe hingen mit Neugier über der Öffnung.
Aber nicht lange:
„Ach du,…!“
Die robuste Landbevölkerung hat für alle Situationen im Leben ein kräftiges passendes Wort. Kaum literarisch, aber sehr ausdrucksvoll.
In der Schatztruhe oder dem Werkschrank lag ein menschlicher Körper. Eher das, was von ihm übrig geblieben war. Die Fetzen der Kleidung sahen noch älter aus als der Rest. Die Leiche strömte einen so widerlichen Geruch aus, dass die Männer rasch, ganz ohne Leiter, aus dem Loch heraussprangen und Irina mitzogen.
Nach dem Telefonat mit der Polizei und zwei Gläsern Wodka - für die Nerven - fing Irina an nachzudenken.
Ihr erster klarer Gedanke war: ‚Wer war der Mensch und was macht er in meinem Keller?! ‘
Der zweite wurde schon etwas logischer: wie lange liegt er da und wer hat alles in diesem Haus in letzten Jahren gelebt?
Die Polizei kam im dienstlichen Pickup nach einer Stunde mit Sirene, worüber sich Irina ein wenig wunderte: ’Haben die Angst, dass die Leiche ihnen wegläuft?!‘
Vor dem Auto fuhr auf seinem Motorrad ein Polizist in Uniform.
‚Ich sollte lieber Wadim anrufen‘, entschied sich Irina.
Aber zuerst musste sie sich der örtlichen Polizei in Form des Sergeant Denis Popkin widmen.
Der Sergeant war jung, hatte keine Ahnung, aber viel Ehrgeiz. Außer einem Fahrer im Dienstauto brachte er sogar einen Fotografen mit. Die Leiche wurde zusammen mit dem provisorischen Sarg in Form einer Metalltruhe oder eines Werkzeugschranks auf den Polizei-Pickup geladen und weggefahren. Der Sergeant blieb. Er wollte unbedingt wissen, warum das Haus von seinem alten Platz weggeschoben und angefangen wurde, im Sand zu graben. Vor einem Glas Wodka, das ihm von Michalitsch vom Herzen angeboten wurde, schreckte er zurück.
„Das junge Gemüse! Man sollte lieber mit Petrowitsch darüber...
Erscheint lt. Verlag | 24.9.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Buch • humorvoll • Krimi • Rätsel • Roman • spannend • Unterhaltsam |
ISBN-10 | 3-7598-8038-X / 375988038X |
ISBN-13 | 978-3-7598-8038-3 / 9783759880383 |
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