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Berliner Schuld (eBook)

1947: Kommissar Adlers zweiter Fall
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
288 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70531-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Berliner Schuld -  Jürgen Tietz
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1947 sitzt der Krieg den Berlinern noch tief in den Knochen. Als eine junge Frau auf der Suche nach essbarem Giersch in der Ruine der Orangerie im Schlosspark Schönhausen eine Leiche findet, ist Hans Adler erschüttert: Muss das Sterben für diese jungen Menschen, die nichts als Tod kennen­ gelernt haben, immer noch weitergehen? Die mit großer Brutalität begangene Tat gibt dem Kom­missar Rätsel auf: Wer war die Tote? Kannte sie ihren Mörder, oder hat er sie zufällig gewählt? Weil der Tatort in der sowjetischen Zone liegt, wird Adler ein Leutnant von der Roten Armee zur Seite gestellt. Oder wurde dieser Raskow eingesetzt, um Adlers Ermittlungen zu torpedieren? Der Mann sei hochgefährlich, warnt der amerikanische Major Wilkinson, als er Adler in seiner Laube in Wilmersdorf aufsucht, wo der Kommissar behelfsmäßig wohnt, seit er ohne seinen linken Arm von der Front zurückgekehrt ist. Im Konfliktfeld der Besatzungsmächte muss Adler versuchen, seine Integrität als Polizist zu bewahren und die Wahrheit herauszufinden.

Jürgen Tietz, geboren 1964 in Berlin, hat eine Ausbildung zum Buchhändler gemacht und anschließend Kunstgeschichte studiert. Seit vielen Jahren schreibt er als freier Journalist über Architektur und Baudenkmale. Die Literatur kam daneben nie zu kurz. Leidenschaftlich gern liest Jürgen Tietz die Klassiker der Kriminalliteratur: »spannungsreiche Spiegelbilder der Gesellschaft, ihrer Abgründe und ihrer Leidenschaften«, findet er. Seine Sylt-Krimis erscheinen unter dem Pseudonym Max Ziegler.

Jürgen Tietz, geboren 1964 in Berlin, hat eine Ausbildung zum Buchhändler gemacht und anschließend Kunstgeschichte studiert. Seit vielen Jahren schreibt er als freier Journalist über Architektur und Baudenkmale. Die Literatur kam daneben nie zu kurz. Leidenschaftlich gern liest Jürgen Tietz die Klassiker der Kriminalliteratur: »spannungsreiche Spiegelbilder der Gesellschaft, ihrer Abgründe und ihrer Leidenschaften«, findet er. Seine Sylt-Krimis erscheinen unter dem Pseudonym Max Ziegler.

1


Binnen weniger Augenblicke war alles vorbei. Mit hoher Geschwindigkeit näherte sich der streng bewachte Konvoi, der am Flughafen der britischen Besatzer in Berlin-Gatow gestartet war. Rasant bogen die Wagen um die Ecke zur roten Backsteinburg. In der Mitte fuhr ein Bus, die Fenster schwarz gestrichen. Niemand konnte hinein- oder heraussehen. Kaum war der Konvoi durch das eben erst geöffnete Tor des Gefängnisses gerollt, wurde es bereits wieder geschlossen. Schon war alles vorbei.

»So schnell geht das«, sagte Raade.

Seiner Stimme war die Enttäuschung anzuhören. Erwartungsvoll blickte er zu seinem Vorgesetzten. Doch Hans Adler blieb stumm. Die Überführung der Gefangenen war spornstreichs vonstattengegangen, doch jetzt lagen endlos lange Jahre vor den sieben Männern, je nachdem, welche Strafe ihnen auferlegt worden war. Sicher war allerdings, dass keines dieser Jahre schnell für sie verstreichen würde. Jede Minute würde sich ausdehnen. Vor allem nachts, wenn in der Dunkelheit die Geister der Erinnerung ihren Tribut forderten. Diesen Geistern konnte man nicht entgehen. Man konnte sie nicht belügen. Sie wussten, welche Schuld auf den Schultern dieser Männer lastete.

Hitlers Nachfolger Dönitz war bei dem Prozess in Nürnberg im vergangenen Herbst mit zehn Jahren Gefängnis noch am billigsten weggekommen. Von Neurath, Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, hatte fünfzehn Jahre erhalten. Hitlers Architekt und Rüstungsminister Speer und der Reichsjugendführer von Schirach würden das Gefängnis nach zwanzig Jahren als alte Männer verlassen, sofern sie nicht vorher starben. Vereinsamt, isoliert, gebrochen. Die anderen drei Kriegsverbrecher hatten durch ihre Taten ihre Freiheit für den Rest des Lebens eingebüßt. Sie würden das düstere Backsteingebäude erst im Sarg verlassen. Immerhin war ihnen der Tod durch den Strang erspart geblieben. Anders als zwölf weiteren Nazischergen. Nur Hermann Göring hatte sich in letzter Minute seiner Strafe durch Selbstmord feige entzogen.

»Lassen Sie uns zurück ins Polizeipräsidium fahren, Raade«, verkündete Adler. »Hier gibt es für uns nichts mehr zu sehen.«

Doch Adler blieb auch jetzt noch aufmerksam. Er musterte die kleine Schar von Fotoreportern vor dem Tor des Gefängnisses. Auf ungeklärten Wegen hatten sie von Ort und Zeitpunkt der »Lieferung« aus Nürnberg erfahren. Wer da wohl nicht dichtgehalten hatte? Unter den kritischen Blicken von Militärpolizisten und alliierten Soldaten packten sie schwatzend ihre Kameras ein, um sich auf den Rückweg in die Stadt zu begeben. Etwas Spektakuläres hatten sie nicht einfangen können, im Gegenteil: Ein Bus fährt in ein Gefängnis. Das war alles. Hatte das bereits das Zeug für einen historischen Moment? Nur wenn man wusste, wer im Bus gesessen hatte. Ein Teil der braunen Elite des »Dritten Reichs«.

Adler verwarf seinen Gedanken. Die letzten Jahre waren übervoll gewesen von solch geschichtsträchtigen Momenten. Von wirklichen und von vermeintlichen. Zu welcher Gruppe dieser Vormittag zählte, würde sich erst in der Zukunft erweisen. Adler war jedenfalls froh um jeden Tag, der sich alltäglich gebärdete. Doch was war schon alltäglich in einer Stadt, die seit über zwei Jahren um das nackte Überleben rang? In der noch immer Zerstörung und Ruinen das Bild bestimmten? In der Hunger herrschte und die erst ganz langsam wieder begann, so etwas wie Normalität zu atmen?

Vergebens hatte Adler vor dem Gefängnis nach Erich Wellhausen Ausschau gehalten. Der Redakteur des Tagesspiegels hatte drauf verzichtet, nach Spandau zu kommen. Richtig so. Was hatte Adler hier überhaupt erwartet? Einen opulenten Empfang für jene einstigen Nazigrößen, die für den Rest ihres Lebens nun nur noch verurteilte Kriegsverbrecher waren? Dennoch war es Adler wichtig gewesen, den Moment mitzuerleben. Polizeivizepräsident Stumm hatte das verstanden. Er erhob keinen Einwand, als Adler ihn bat, nach Spandau fahren zu dürfen.

»Kleine Spritztour?«, hatte Stumm gescherzt. »Meinetwegen.«

Nachdenklich begab sich Adler zusammen mit Inspektorenanwärter Harry Raade zu dem Wagen, der sie zurück in die Innenstadt bringen würde. Eigentlich hätten sie jetzt nur zügig über die Heerstraße fahren müssen, um zum Präsidium in Mitte zu gelangen. Vor dem Krieg verband sie in gerader Linie das Berliner Schloss mit den Kasernen der Wehrmacht in der Döberitzer Heide, wo auch das Athletendorf für die Olympischen Spiele 1936 entstanden war. Nach den Wettkämpfen hatte Hitler das Dorf umgehend als Kaserne für die Wehrmacht genutzt. Inzwischen saßen dort die Rotarmisten. Die Brücken über die Havel waren beim Kampf um Berlin gesprengt worden. Ihr Wiederaufbau würde dauern. Daher mussten sie in weitem Bogen über Spandau zurück nach Mitte fahren.

 

Die Hitze der letzten Tage hatte sich in den Räumen des Polizeipräsidiums eingenistet. Adler schwitzte. Die Luft war stickig, dem eisigen Hungerwinter war ein Hitzesommer gefolgt.

Adler ließ die Tür zu seinem Büro weit offen stehen und platzierte einen Stuhl davor, damit sie nicht zuschlug. Dann warf er sein Sakko über den Schreibtisch und riss das Fenster auf. Vielleicht brachte der Durchzug etwas Erfrischung.

»Querlüften«, hatte Charlotte immer gesagt, sobald die Hundstage kamen. »Das ist das Einzige, was hilft.«

Adler hatte gelacht und seine Arme zärtlich um ihre schlanke Taille geschlungen.

»Und mit dem Wind segeln wir dann übern Wannsee.«

Ein Stich fuhr ihm durchs Herz. Es würde nie mehr eine Segelpartie mit Charlotte auf dem Wannsee geben. Bei einem der Bombardements von Berlin hatten die Trümmer ihres Wohnhauses sie unter sich begraben.

Rita, die seinen wilden Auftritt vom Vorzimmer aus beobachtet hatte, klopfte am Türrahmen.

»Was gibt es?«, fragte Adler.

»Der Polizeivizepräsident hat nach Ihnen gefragt. Sie möchten bitte gleich in sein Büro kommen.«

Adler nickte. Er hätte gerne noch einen Moment seinen Gedanken nachgehangen. Hätte im Geist seinen Kopf auf Charlottes Schulter gelegt. Aber vielleicht war es auch besser so. Lieber nicht zu tief in die Vergangenheit eintauchen, das war einfach zu schmerzvoll.

»Etwas Wichtiges?«, fragte er seine Sekretärin.

»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich fürchte ja.« Rita stockte. »Eine Frauenleiche wurde gefunden. In Pankow. Vermutlich möchte er deshalb mit Ihnen sprechen.«

Schwungvoll griff sich Adler sein Sakko, schlüpfte mit seinem rechten Arm hinein und legte es sich über die andere Schulter. Nutzlos baumelte der linke Ärmel umher.

Er lächelte seiner Sekretärin zu. »Na dann, Rita. Hoffentlich wird es nicht zu schlimm.«

Doch Rita blickte ihn ernst an. »Was ich gehört habe … Doch, ich fürchte, es ist ziemlich schlimm.«

 

Stumm erwartete Adler bereits im Büro.

»Zurück aus Spandau? Gab es etwas zu sehen? Kommen Sie, Adler, kommen Sie«, rief er »Sie müssen gleich weiter.«

»Pankow?«

»Richtig. Hat Ihnen Fräulein Rita schon etwas erzählt?«

»Sie hat lediglich erwähnt, dass es eine Frauenleiche gibt«, antwortete Adler zurückhaltend. Ihm war es wichtig, dass er möglichst präzise direkt von Stumm auf den Stand der Dinge gebracht wurde, sonst bestand die Gefahr, dass sich falsche Untertöne oder Fehlinformationen einschlichen.

»Ja, eine Tote. Ganz fürchterlich.« Stumm wirkte erschüttert. »Es handelt sich um die Leiche einer jungen Frau. Sie wurde zufällig gefunden. Die Tote war wohl nur notdürftig in einer Ruine versteckt worden.«

»Weiß man schon etwas zur Todesursache?«

Stumm stockte kurz, ehe er antwortete. »Nicht schön. Ihr Bauch sei aufgeschlitzt worden, hat Hoffmann gesagt. Ihm sei ganz anders geworden, als man ihm davon berichtete.«

Adler kannte den Wachtmeister gut. Er neigte nicht zur Übertreibung.

»Wo ist es denn in Pankow?«

»Das ist das nächste Problem. Der Tatort liegt unmittelbar hinter dem Schloss Schönhausen im Schlosspark.«

»Und Sie vermuten deshalb …«, begann Adler, ohne den Satz zu vollenden.

»Ich vermute überhaupt nichts, Adler. Und das sollten Sie auch nicht. Nur weil das Schloss gleich neben dem Städtchen der Russen liegt, muss das noch kein Hinweis auf einen Täter sein. Im Gegenteil. Ich wäre sehr froh, wenn Sie dieses Mal beweisen könnten, dass kein Russe beteiligt war.«

Adler schaute Stumm ernst an. »Ich suche den Täter. Wer er ist und woher er kommt, ist mir egal.«

»Das ist ja auch sehr richtig, Adler.« Stumm erhob sich und ging zum Fenster, vor dem sich die Trümmerwüste der Berliner Innenstadt ausbreitete. »Trotzdem. Markgraf ist angesichts des Tatortes aufs Äußerste angespannt. Ich verstehe ihn sogar. Es ist entscheidend für den Polizeipräsidenten, dass die Sowjets nichts damit zu tun haben. Denn sonst würde die Stimmung der Berliner gegen die Russen noch mehr kippen. Vor allem in der sowjetischen Besatzungszone.« Stumm machte eine Pause und musterte Adler eindringlich. »Es muss daher gelten, den Täter so schnell wie möglich zu überführen. Noch ehe irgendwelche Gerüchte ins Kraut schießen.«

Adler verzog den Mund. »Leichter gesagt …«, setzte er erneut an.

»… als getan. Herr Gott, das weiß ich selbst, Adler«, brauste Stumm ungeduldig auf. »Aber vielleicht haben wir ja dieses Mal Glück. Es gibt wohl Zeugen, die etwas gesehen haben wollen. Hat zumindest Wachtmeister Hoffmann erzählt.«

»Obwohl die Leiche nur per Zufall gefunden wurde?«

»Was weiß denn ich«, antwortete Stumm unwirsch, »also los jetzt. Man wartet bereits auf Sie.«

»Soll ich Ihnen eine Packung Garbáty...

Erscheint lt. Verlag 17.9.2024
Reihe/Serie Ein Fall für Kommissar Adler
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Alliierten • Berlin • Besatzung • Besatzungsmächte • Deutsche Geschichte • geteilt • Mauer • Mord • Nachkrieg • Polizei • Schloss Schönhausen • sowjetisch • Zerstörung • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-311-70531-9 / 3311705319
ISBN-13 978-3-311-70531-4 / 9783311705314
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