Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Bis in alle Endlichkeit (eBook)

Thriller | Nach »Fünf Winter« das neue Buch des Deutschen-Krimipreis-Trägers

(Autor)

Thomas Wörtche (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
430 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-78082-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bis in alle Endlichkeit -  James Kestrel
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
(CHF 16,60)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

»Was wie ein düsterer und rasanter Detektivroman beginnt, entwickelt sich zu etwas weitaus Unheimlicherem und Fesselnderem.« Peter Swanson

Als eine junge Frau tot aufgefunden wird, in einem feinen Cocktailkleid, auf dem Dach eines Rolls-Royce liegend, im gefährlichsten Viertel von San Francisco, gehen Polizei und Gerichtsmedizin von Selbstmord aus. Doch die Mutter der Toten, die megareiche Olivia Gravesend, glaubt ihnen kein Wort und beauftragt Privatdetektiv Lee Crowe mit den Ermittlungen. Bei seinen Recherchen kommt er einer Verschwörung auf die Spur, bei der die Beteiligten vor nichts zurückschrecken ...



James Kestrel ist ein Pseudonym von Jonathan Moore, Anwalt und Romancier. Bevor er sein Jurastudium in New Orleans abschloss, war er Englischlehrer, Wildwasser-Rafting-F&uuml;hrer auf dem Rio Grande, Besitzer von Taiwans erstem mexikanischen Restaurant, Betreuer in einem texanischen Wildniscamp f&uuml;r jugendliche Straft&auml;ter und Ermittler f&uuml;r einen Strafverteidiger in Washington, D.C. Er lebt mit seiner Familie auf Hawaii. Seine B&uuml;cher wurden in zw&ouml;lf Sprachen &uuml;bersetzt. F&uuml;r <em>F&uuml;nf Winter</em> wurde er mit dem Edgar Award 2022 f&uuml;r den besten Roman des Jahres ausgezeichnet. Im Suhrkamp Verlag erschien zuletzt <em>Poison Artist </em>(2022), das im August 2022 auf der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur stand.

2


Lassen Sie mich kurz ein paar Dinge erklären.

In jenem Sommer hatte ich fünf Wochen lang im Westchester gewohnt, einem schäbigen Hotel im fauligen Herzen des Tenderloin. Ich bin nicht wohlhabend, aber in einem solchen Viertel muss ich zum Glück nicht leben. In dem Hotel war ich aus beruflichen Gründen gelandet. Ich arbeitete an einem Fall, also hatte ich den kompletten Juni zwischen einer Prostituierten in Altersteilzeit und einem überzeugten Junkie gewohnt. Das Bad am Ende des Flurs teilten wir uns. Weil das Gebäude dünne Wände hatte, teilten wir auch alle möglichen Geräusche. Äußerlich betrachtet hatten wir unsere Gemeinsamkeiten: Wir alle hatten unsere Gründe, den Rezeptionisten zu meiden; wir gaben kein unnötiges Geld für die Wäscherei aus; der Nachtschicht-Verkäufer im nahe gelegenen Schnapsladen hätte uns bei jeder Gegenüberstellung herauspicken können. Aber im Gegensatz zu mir hatten meine Nachbarn wohl kaum ihre Bodendielen aufgehebelt, um Mikrofone und winzige Kameras an den Decken der eine Etage tiefer wohnenden Gäste anzubringen. Sie verbrachten die Nächte nicht damit, geflüsterten Gesprächen zu lauschen und Codenamen in ein Notizbuch zu schreiben. Dazu waren meine Nachbarn zu ehrlich.

Der Aufzug im Westchester war außer Betrieb, der Schacht voller Müll: Spritzen und Schnapsflaschen, Windeln für Erwachsene und Kartons von Meals on Wheels. Das Treppenhaus war unbeleuchtet, aber benutzbar. Die Treppe endete vor einer schmiedeeisernen Pforte, die auf die Turk Street hinausführte. Morgens vor Sonnenaufgang ging ich regelmäßig nach unten und spazierte mehrere Blocks weit, um festzustellen, ob ich verfolgt wurde. Wenn ich mich vergewissert hatte, dass ich allein war – Sie würden sich wundern, wie allein man im Tenderloin um diese Uhrzeit sein kann –, ging ich ins Civic Center, wo ich ein aus zwei Räumen bestehendes Büro habe, ganz in der Nähe des Gerichtsgebäudes. Gerichte ziehen die Art Menschen an, die für meine Dienstleistungen zahlen.

Während dieser fünf Wochen hatte ich allerdings nur einen einzigen Klienten gehabt. Ich berechnete ihm vierundzwanzig Stunden am Tag. Frühmorgens ging ich ins Büro und sah die Post durch. Ich hörte meinen Anrufbeantworter ab und bezahlte die Rechnungen, schließlich ging mein Leben weiter. Dann rief ich den Mann an, dem ich meine Rechnungen schickte und der meine Schecks unterschrieb. Bevor es hell wurde, schlich ich mich auf meinen Lauschposten im Westchester zurück.

Genau das hatte ich auch am ersten Dienstag im Juni vor. Ich trat durch die Pforte hinaus und checkte die an der Turk parkenden Autos. Vor allem achtete ich auf Lieferwagen ohne Fenster. Sie sind relativ leicht zu entdecken: Außen ist Joe’s Plumbing aufgemalt, aber drinnen sitzt ein halbes Dutzend Agenten von FBI oder DEA vor irgendwelchen Video-Monitoren und spricht in Funkgeräte. Falls an diesem Morgen welche dort waren, bemerkte ich sie nicht. Ich drehte eine Runde um den Block. Als ich sicher war, dass ich nicht verfolgt wurde, ging ich Richtung Westen, Richtung Van Ness Avenue, wo mein Büro lag.

Auf halber Strecke bemerkte ich das Auto. Es war auf dem Bürgersteig geparkt, direkt vor den Refugio Apartments. Nicht irgendein Auto, sondern ein Rolls-Royce Wraith. Er hatte offenbar kürzlich eine Wandlung von brandneu zu komplett zerstört durchgemacht. Bei einem Unfall, vermutete ich, und überquerte die Straße, um mir den Wagen gründlicher anzusehen. Je näher ich kam, desto deutlicher wurde, dass mein erster Gedanke nicht ganz zutraf. Weder vorn noch an den Seiten waren Spuren einer Kollision zu erkennen.

Der verchromte Kühlergrill und die rauchgraue Motorhaube waren in einwandfreiem Zustand. Das Dach allerdings war bis auf Höhe der vergoldeten Türgriffe eingedrückt. In dieser zerknautschten Delle lag eine makellose Blondine. Sie trug ein schwarzes, hauchdünnes Cocktailkleid, das im Licht der Straßenlaternen glänzte. Blut entdeckte ich nur an ihrem linken Fuß, offenbar war es an der Rückseite ihrer Wade bis auf die Ferse hinuntergelaufen. Ihre Hände waren auf dem Brustkorb gefaltet, die Augen offen. Die Haare fielen wie ein Fächer über das Dach des Wraith. An ihrem rechten Handgelenk hing eine Abendtasche. Ein Fuß war nackt – vielleicht hatte sie beim Aufprall einen Schuh verloren. Ihre Zehennägel waren weiß lackiert wie das Innere einer Muschel.

Ich schaute mich um. Auf der anderen Straßenseite, auf einem Bett aus plattgedrückten Kartons, lag ein Mann in einem wattierten schwarzen Overall. Er schlief oder war bewusstlos. Nach fünf Wochen auf der Turk Street konnte ich den Snowsuit Man je nach Windrichtung zwei Blocks weit riechen. Falls der Knall, mit dem die Frau auf dem Auto gelandet war, ihn geweckt hatte, hatte er ihn jedenfalls nicht daran gehindert, gleich wieder einzuschlafen. Außer ihm und mir war niemand in der Nähe, jedenfalls nicht hier unten auf der Straße. Ob irgendwer die Szene durch eins der dunklen Fenster beobachtete, ließ sich nicht sagen, ich versuchte erst gar nicht, es herauszufinden.

Stattdessen trat ich näher. Die Frau atmete nicht. Vorsichtig streckte ich die Hand aus und legte meine Finger unter ihr Kinn. Behutsam tastete ich nach der Halsschlagader. Die Frau war noch warm, aber ich spürte keinen Puls. Noch einmal schaute ich nach links und rechts, dann drehte ich mich zum Refugio um.

Vierzehn Stockwerke. Hundert Jahre altes Ziegelwerk mit Bögen und Säulen auf den beiden untersten Etagen. Oberhalb des Autos waren keine geöffneten Fenster zu erkennen, aber es gab breite Simse. Sie hätte auf eins hinausklettern und dann das Fenster zuziehen können. Oder sie war vom Dach gesprungen. Aber nichts davon erklärte es wirklich – ihre Lackledertasche, ihr transparentes Kleid und das irrsinnig teure Auto, auf dem sie gelandet war. Auf der Turk Street, direkt vor dem Refugio, ergab nichts davon irgendeinen Sinn. Vierzehn Stockwerke voll Bettwanzen und falschen Feueralarmen. Hier fuhren mitten in der Nacht Polizeiwagen vor, um häusliche Auseinandersetzungen zu schlichten oder Wohnungstüren einzutreten. Es war besser als das Westchester, aber nicht viel.

Ich trat zurück und hockte mich auf den Bürgersteig. Unter meinen Füßen knirschte das Glas der Windschutzscheibe, also kniete ich mich lieber nicht hin. Stattdessen stellte ich den Rucksack ab und öffnete ihn. Beim Verlassen meines Zimmers im Westchester hatte ich nichts herumliegen lassen. Die Überwachungskameras und Mikrofone waren versteckt, ein Teil der Aufnahmegeräte passte unter die Bodendielen. Aber meinen Laptop oder meine Kamera ließ ich grundsätzlich nie zurück. Also nahm ich die Nikon und stellte sie auf Nachtporträt ohne Blitz ein.

Ich hörte eine Sirene, aber das hatte im Tenderloin nichts zu bedeuten.

Ich stand auf und machte fünf Fotos der Selbstmord-Blondine auf ihrem Wraith-Totenbett. Dann trat ich zehn Schritte zurück, um eine Aufnahme von ihr mit dem Gebäude und der Straße zu machen. Fotografieren ist mein Beruf, könnte man sagen. Meistens bekommen nur meine Kunden die Bilder zu sehen. Aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, bin ich mir nicht zu schade, ein Foto an den Chronicle oder jeden anderen zahlenden Abnehmer zu verkaufen. Seit der Scheidung und speziell meiner Rückkehr hierher schlage ich mich so gut wie möglich durch. Ich nehme, was ich kriegen kann. Und mit Fotos verdiene ich einiges, weil ich oft am richtigen Ort bin.

Als ich die Kamera herunternahm, sah ich den Mann. Er hatte sich auf dem Bürgersteig genähert und zog einen schwarzen Karren, auf dem silberne Kisten festgezurrt waren. Aber jetzt war er stehen geblieben, um schockiert und mit offenem Mund auf das Auto zu starren. Mir war nicht klar, ob er die junge Frau sehen konnte oder nicht. Es dauerte eine Weile, bis er mich überhaupt registrierte. Dann blickte er abschätzend zwischen mir, meiner Kamera und dem zerstörten Auto hin und her.

»Wer zum Teufel sind Sie?«

»Niemand«, sagte ich. »Ein Typ, der einen Spaziergang macht. Und Sie?«

Er antwortete nicht, trat aber näher. Unter seinen Laufschuhen knirschte Glas. Er trug eine Segeltuchhose und ein Flanellhemd. Darüber eine Weste mit zahllosen Taschen. Auf seiner Baseballkappe stand der Name einer Produktionsfirma, von der ich nie gehört hatte. Für einen Augenblick glaubte ich, in ein Filmset gestolpert zu sein. Aber es gab keine Scheinwerfer, keine weißen...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2024
Übersetzer Stefan Lux
Sprache deutsch
Original-Titel Blood Relations
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte aktuelles Buch • Barry Award 2022 • Bestsellerautor • Bestseller-Autor • Blood Relations deutsch • Booktok • Boston • Bücher Neuererscheinung • Deutscher Krimipreis 2023 • Doppelgänger • Edgar Award 2022 • Fünf Winter • James Ellroy • Jonathan Moore • Klonen • Klonierung • Krimi • Krimi Neuerscheinungen 2024 • Michael Crichton • Neo Noir • Nervenkitzel • Neuererscheinung • neuer Krimi • neues Buch • Nordamerika (USA und Kanada) • Privatdetektiv • Raymond Chandler • San Francisco • Sebastian Fitzek • Showdown • Spannung • ST 5435 • ST5435 • Stammzellen-Experimente • suhrkamp taschenbuch 5435 • Unsterblichkeit • USA Nordosten • USA Nordosten: Neuengland • USA Nordosten Neuengland Staaten • USA Westen • USA Westen Pazifikstaaten Pacific States • USA Westen: Pazifikstaaten Pacific States • Vereinigte Staaten von Amerika USA
ISBN-10 3-518-78082-4 / 3518780824
ISBN-13 978-3-518-78082-4 / 9783518780824
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
CHF 9,75
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
CHF 9,75
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
CHF 9,75