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Mordscoach (eBook)

Kriminalroman | Manche Leute kann man therapieren - andere muss man leider umbringen.

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3271-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mordscoach -  Lilli Pabst
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Manche nennen es tot, ich nenne es austherapiert Sophie Stach, Coachin und Psychoanalytische Supervisorin, führt mit ihrem Ehemann Jakob seit Jahren eine scheinbar harmonische Ehe. Sie nehmen sich Zeit für Paargespräche und Achtsamkeitsrituale, gemeinsames Wachstum steht für beide an erster Stelle. Bis Sophie überrascht herausfindet, dass Jakob nebenher mit einer anderen Frau ins Bett geht. Was sie noch mehr überrascht: dass sie im Affekt imstande ist, Jakobs Affäre zu ermorden. Leider löst das nicht ihr Problem, sondern führt zu einigen neuen. Dabei ist Sophie gar keine Serienmörderin. Oder doch?

Lilli Pabst kommt aus Berlin, hat zwei Kinder und keinerlei Mordfantasien. Wirklich nicht. Da sie aber als Psychotherapeutin arbeitet und ihre Patienten sich bei ihr weiterhin wohl und sicher fühlen sollen, hat sie ein Pseudonym gewählt. Dabei ist Lilli Pabst von beinahe zen-buddhistischer Ruhe und Zurückhaltung, selbst wenn die Kita streikt, man ihr den Parkplatz und/oder den letzten Schokoriegel klaut. Ehrlich.

Lilli Pabst kommt aus Berlin, hat zwei Kinder und keinerlei Mordfantasien. Wirklich nicht. Da sie aber als Psychotherapeutin arbeitet und ihre Patienten sich bei ihr weiterhin wohl und sicher fühlen sollen, hat sie ein Pseudonym gewählt. Dabei ist Lilli Pabst von beinahe zen-buddhistischer Ruhe und Zurückhaltung, selbst wenn die Kita streikt, man ihr den Parkplatz und/oder den letzten Schokoriegel klaut. Ehrlich.

Kapitel 1


Nils Bergmann ist eine fette Qualle.

Es ist natürlich vollkommen unangemessen, so etwas zu denken. Aber ich kann gerade nicht anders. Nils Bergmann sitzt mir gegenüber und lässt mir keine andere Wahl. Seine Haut ist teigig, seine Finger, die das feuchte Taschentuch umklammern, mit dem er sich immer wieder die Tränchen aus den Augen wischt, sind kleine, dicke Würste. Wie Nürnberger. Nur blasser. In einem ungesunden Gelbton genauer gesagt, so wie sein Gesicht, das mit einem glänzenden Schweißfilm bedeckt ist.

Wenn ich Nils Bergmann ansehe, empfinde ich Ekel.

Auch das ist ungerecht von mir. Mir steht es überhaupt nicht zu, mich über ihn zu erheben. Und das ist auch sonst gar nicht meine Art, nie! Ich achte und res­pektiere Menschen mit all ihren Fehlern und Makeln. Ich wertschätze sie in all ihrer Komplexität und versuche, sie wohlwollend zu unterstützen und ihnen auf ihrem Weg eine Stütze zu sein, eine helfende Hand.

Aber ich kann Nils Bergmann partout nicht ausstehen.

Inadäquat, Sophie! Normalerweise würde ich sagen, dass ich solche Gedanken und Emotionen einfach wahrnehmen sollte, ohne darüber zu richten oder zu urteilen. Jetzt habe ich sogar den Drang, ihm das ins Gesicht zu schreien. Ich lasse es. Das wäre das Gegenteil von gewaltfreier Kommunikation, und auf die lege ich grundsätzlich Wert.

Zumindest habe ich das bis letzte Woche getan. Aber seitdem ist alles anders. Ich bin ein Wrack, ein widerliches, hasserfülltes, unglückliches, hämisches, negatives, die Welt und die Menschen verachtendes Wrack.

»Frau Stach, Sie sind so wundervoll, danke«, sagt Nils Bergmann und schaut mich gerührt an. »Danke. Danke. Danke«, wiederholt er mantraartig. »Sie wissen gar nicht, was mir das hier … was Sie mir bedeuten.«

Dann schnaubt er vor Rührung in sein Taschentuch. Als er seine Hand sinken lässt, hängt ihm ein schleimiger Popel in seinem linken Nasenloch, der einen Faden zieht bis hin zu seinen spärlichen Barthaaren auf der wulstigen Oberlippe.

Am liebsten würde ich den Wecker nehmen, der neben mir auf dem Beistelltischchen steht, und ihn Nils Bergmann in seine Popelfresse schlagen.

Ich bin entsetzt über mich, spüre sofort tiefe Schuld. Und Scham. Ich habe mich und meine Emotionen überhaupt nicht unter Kontrolle. Aber glücklicherweise zeigt der Wecker an, dass die Sitzung nur noch fünf Minuten dauert. Und die Chance, dass ich diese gerade noch so überstehe, bevor ich in Tränen ausbreche, liegt bei fünfzig Prozent. Und außerdem ist Nils Bergmann mein Patient, und ich bin seine Psychotherapeutin.

Ein Schlag mit einem Wecker ins Gesicht wäre nicht zuträglich für unsere Kommunikationssituation, schätze ich, schließlich beruhen diese und der Erfolg jeder Therapie doch auf vertrauensvollem Verständnis und einer sicheren Bindung.

Vertrauensvolles Verständnis und sichere Bindung für den Arsch, denke ich, weil mir plötzlich Jakob einfällt. Wobei »plötzlich« eigentlich gelogen ist, denn seitdem ich das von Jakob weiß, seit letzter Woche nämlich, kann ich an nichts anderes mehr denken. Genauer gesagt, läuft in mir eine Gedankenspule, ein Karussell ab, aus dem ich kein Entkommen finde.

Meinen Klienten, wenn ihnen Ähnliches passiert, rate ich, auch ihre physischen Routinen und Abläufe zu durchbrechen, also einfach mal etwas anderes, etwas Neues zu machen, sich einer anderen Situation auszusetzen – dann bricht meist die Spirale.

Deswegen habe ich mich heute aus dem Bett gequält, habe keinen Schluck getrunken, und die Zigaretten habe ich auch weggelassen, bis auf die zwei, die ich auf dem Weg zwischen Wohnung und Praxis geraucht habe. Aber gut, immerhin.

Wieder in Klientengespräche zu gehen erscheint mir, als ich Nils Bergmann ansehe, keine gute Idee zu sein. Ich bin völlig überfordert.

Ich bin die Psychotherapeutin von Nils Bergmann. Ich mache Verhaltenstherapie und bin ausgebildete systemische Therapeutin, habe Fortbildungen in Gestalttherapie und systemischer Therapie absolviert, bin psychoanalytische Supervisorin und ausgebildet in manueller Therapie. Kurzum: Ich bin die eierlegende Wollmilchsau.

Nur dass ich keine Kassenzulassung habe. Um einen Kassensitz hier in Köln bewerben sich manchmal bis zu hundert Kollegen. Dafür müsste ich dann auch noch 60.000 bis 100.000 Euro bezahlen, und allein, wenn ich da schon daran denke, dreht sich mir der Magen um. Da bleibe ich lieber eigenbestimmt und kann machen, was ich will.

Monetäres Interesse habe ich nie wirklich gehabt, was auch dazu geführt hat, dass unsere Eigentumswohnung auf Jakobs Namen läuft. Was jetzt irgendwie ein Problem darstellt.

Aber damals schien das nur gerecht.

Schließlich hat er sie auch gekauft.

Ich hatte immer wenig Geld. Es war und ist mir einfach nicht wichtig. Durch meine Entscheidung, nicht der Kasse beizutreten, sondern auf Selbstzahler zu setzen, habe ich eine entsprechende, halbwegs solvente Klientel. Die hundertzwanzig Euro die Stunde machen über den Monat einen ganz schönen Betrag für die Patienten aus, aber zum Glück können sie die Therapie von der Steuer absetzen, wenn ich sie als Coaching deklariere. Vor allem aber habe ich Patienten, die oft eher leichtere Probleme haben – Anpassungsstörungen, Depressionen, Lebenskrisen und so weiter. Schwerst traumatisierte Misshandlungsopfer tauchen in meiner Praxis eher selten auf, und wenn, dann schicke ich sie weiter zu einem Psychotherapeuten.

Ich muss selber zu meiner Supervisorin. Dringend. Aber … ich kann mit ihr nicht über mein Problem reden. Dabei kann ich eigentlich über alles mit ihr reden. Wir kennen uns seit zehn Jahren. Hanna Birnbaum weiß alles über mich. Sie kennt meine Glaubenssätze, meine Denkstrukturen und meine widerspenstigen Anteile, die mir früher Beziehungen etwas kompliziert gemacht haben, bis ich das Glück hatte, Jakob zu treffen. Sie weiß von meiner komplizierten Familiengeschichte und natürlich (und vor allem) von meinem Trauma. Sie weiß alles. Ich würde fast sagen, niemand kennt mich so gut wie sie.

Aber über mein Problem jetzt kann ich nicht mit ihr reden. Es darf niemand erfahren. Niemals! Und weil mich das so ohnmächtig und verzweifelt macht, reagiere ich, wie könnte es auch anders sein, mit dem typischen Abwehrmechanismus: Wut.

Wut auf mich selbst, auf mein Leben, auf Jakob, auf das, was passiert ist, und, Entschuldigung, ich bin wirklich unfassbar ungerecht, Wut auf Nils Bergmann.

Auf ihn, der mich jetzt anlächelt und versucht, herzerwärmende und süße Hundeaugen zu machen. Es klappt natürlich nicht. Ich finde, seine Augen sind klein, und er guckt verschlagen. Mit einem Wort: Schweinsäuglein.

Ich übertreibe in allem, was ich sage und denke, habe mich überhaupt nicht unter Kontrolle. Es ist furchterregend.

»Vielen Dank, aber es liegt nicht an mir. Sie machen gute Fortschritte«, versichere ich ihm.

Noch drei Minuten. Uff!

»Wir haben nur noch drei Minuten«, sage ich.

Nils Bergmann schaut erschrocken drein, was er immer tut, wenn ich das Ende einläute.

»Ist das wahr? Ist das schon so weit? Ich bin doch noch gar nicht …«

Ich weiß, dass diese Sitzungen ihm viel bedeuten, weil er sonst nur mit wenigen Menschen redet. Nils Bergmann fühlt sich permanent angegriffen und unangemessen behandelt, und er reagiert mit subtiler Aggression, die sich bei ihm in passiver Sabotage äußert. Seine Freundlichkeit überdeckt seinen Hochmut und seine Ignoranz. Und das sind Schutzmechanismen, um sein geringes Selbstwertgefühl zu überdecken. Da fühle ich sofort mit ihm mit. Eigentlich nutzt Nils Bergmann klassische passiv-aggressive Strukturen und Muster: Er ist unglücklich mit sich selbst, macht aber alle anderen dafür verantwortlich. Ergo hat er dem Außen eine kritische, feindselige Einstellung gegenüber, wertet alle anderen ab. Und indem er alles Negative auf andere projiziert, muss er sich nicht dem einzig Verantwortlichen stellen: nämlich sich selbst.

Das sollte ich auch dringend tun.

Mit seinen Gaming-Kollegen kommuniziert Nils Bergmann anders. In der Anonymität des Internets lässt er die Sau raus. Auch wenn ich mittlerweile weiß, dass sein größter Gegner dort ein zwölfjähriger Junge ist, mit dem Nils Bergmann eine Privatfehde hat. In der er beständig unterliegt. Was ihn noch mehr wurmt, anstatt sich einmal zu hinterfragen, warum er sich nicht gegen ein Kind durchsetzen kann. Ein Kind!

Ich will Nils Bergmann an den Schultern packen, ihn durchschütteln und ihn anschreien: Krieg deinen Scheiß zusammen und hör auf, rumzumemmen!

Verdammt! Ich bin so widerlich, so ungerecht.

Ich schäme mich. Und schaffe es deswegen endlich, in meine eigene Rolle zurückzufinden. Ich setze ein warmes Therapeutinnenlächeln auf, bin verbindlich, freundlich und erkläre entschieden: »Wir sehen uns ja nächste Woche wieder.«

Nils Bergmann seufzt, dann steht er auf wie ein geprügelter Hund und sagt sehnsüchtig: »Ich freue mich da­rauf.«

»Das ist doch schön«, erwidere ich.

Womit ich endlich wieder in dem distanziert-zugewandten Psychologinnen-Modus...

Erscheint lt. Verlag 31.10.2024
Reihe/Serie Mordscoach-Serie
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Achtsamkeit • Achtsam morden • Coaching • Geschenk • Humor • Ingrid Noll • Karsten Dusse • Kriminalroman • lustiger Krimi • Netflix • Psychotherapie • Satire • Serie • taschenbuch 2024 • Tom Schilling
ISBN-10 3-8437-3271-X / 384373271X
ISBN-13 978-3-8437-3271-0 / 9783843732710
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