Dunkle Asche (eBook)
368 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0789-2 (ISBN)
Mord verjährt nie ...
Sommer 1992 an der Ostsee: Eine Partynacht im Badeort Kalifornien endet mit einem brutalen Mord. Eine junge Frau wird in einem Ferienhaus mit zwölf Messerstichen getötet, die Leiche anschließend in Brand gesteckt. Ein Mörder kann nicht ermittelt werden.?
Dreißig Jahre später wird Gudrun Möller mit ihrer neuen Kollegin Judith Engster von der Cold Case Unit der Landeskriminalpolizei in ein Kieler Hospiz gerufen. Ein Zeuge aus Kalifornien möchte eine Aussage machen, um vor seinem bevorstehenden Tod Frieden zu finden. Der ehemalige Besitzer eines Strand-Imbisses beschuldigt seine eigene Tochter - die bis dahin niemals im Visier der Ermittler war. Die Kommissarinnen holen den Fall aus dem Archiv, die Cold Case Unit nimmt ihre gewohnte Arbeit auf, und mit neuen Forschungsmethoden ergibt sich schnell eine neue Spur. Doch der Täter von damals beobachtet die Ermittlungen genau - und er weiß, dass sich das Netz immer enger zieht ...
<p>Jona Thomsen ist das Pseudonym eines erfolgreichen deutschen Autors, der auf einem Bauernhof in Norddeutschland aufwuchs und seit vielen Jahren als freier Autor in Berlin lebt. Unter verschiedenen Pseudonymen schreibt er Unterhaltungsromane, Romanbiografien, historische Romane und Kriminalromane.</p>
2
Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht, und da keine Zeit war, sich die Haare zu waschen, setzte sie kurzerhand ein Basecap auf. Mit dem Blick in den Spiegel fragte sie sich, ob sie so in einem Hospiz auftauchen konnte. Es sah eher aus, als wollte sie joggen gehen, doch wenigstens wirkte ihr Spiegelbild nicht verkatert.
In der Kaffeemaschine plätscherte es verführerisch, aber es half nichts, sie konnte nicht darauf warten, dass der Kaffee durchgelaufen war. Stattdessen zog sie die Turnschuhe unterm Bett hervor, schlüpfte hinein und fummelte an den Schnürbändern herum.
Es klopfte zaghaft, und Jasmin kehrte zurück.
»War das deine Arbeitskollegin?«, fragte sie.
»Genau«, sagte Gudrun, die vom Bett aufstand. »Ich muss jetzt leider los. Keine Zeit mehr für Frühstück.«
»Ist das blöd, dass wir …? Ich mein, kriegst du Ärger, weil du verschlafen hast?«
»Ach was. Und wenn, wäre es nicht deine Schuld.«
In ihrem T-Shirt, das ihr kaum über den Slip reichte, stand Jasmin etwas scheu in der Tür. Sie schlang die Arme um den Oberkörper, als wüsste sie nicht, was sie sonst mit ihnen machen sollte, und lächelte verlegen. Als wäre die stürmische Frau, die sie gestern Nacht gewesen war, eine andere Person. Gudrun erging es ähnlich. Auch sie spürte die Distanz. Wie befangen ein bisschen Tageslicht machte.
»Mach es dir einfach gemütlich«, schlug sie Jasmin vor. »Der Kaffee ist gleich durchgelaufen. Lass dir alle Zeit der Welt. Und wenn du gehst, dann zieh einfach die Tür hinter dir zu.« Gudrun schnappte sich ihr Handy und steckte es ein.
Ohne sie anzusehen, fragte Jasmin: »Sehen wir uns wieder?«
»Ich weiß nicht. In den nächsten Tagen hab ich viel zu tun. Im Job, du weißt schon.«
»Vielleicht ja am Wochenende.«
»Mal sehen, wie’s läuft.«
Gudrun schlüpfte in die Jacke, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Jasmin wäre bis Sonntagabend in Laboe, wo sie Ostseeurlaub mit Freundinnen machte. Sicher würden ihre Mädels schon in der Ferienwohnung auf sie warten und alles über die vergangene Nacht wissen wollen. Kichernd jedes Detail über diese Rocksängerin, mit der Jasmin losgezogen war, aus ihr herausquetschen.
»Ich texte dir«, sagte sie. »Wir sehen uns.«
Sie drückte sich an Jasmin vorbei zur Tür. Die junge Frau schlang plötzlich ihre Arme um Gudrun. Sie roch nach Schlaf und nach Sex, nach Rotwein und dem flatternden Gefühl plötzlicher Verliebtheit. Die Distanz schmolz augenblicklich dahin. Für einen Moment war es wie in der vergangenen Nacht, und Gudrun vergaß die Welt draußen, in der es Arbeitszeiten gab und Mörder und zu befragende Zeugen. Sie küsste Jasmin leidenschaftlich.
Dann löste sie sich aus der Umarmung, lächelte, stieß die Tür auf und sprang auf den Rasen. Die niederländischen Rentner sahen ihr dabei zu, sie winkten, Gudrun wandte sich ab und steuerte den Parkplatz an. Sie sah nicht zurück.
Judith wartete auf dem Kiesweg auf sie, den Blick auf das Meer und die Wolkentürme am Horizont gerichtet. Sie schien tief in Gedanken versunken, stand mit dem Rücken zum Auto, die Arme vor der Brust verschränkt. Gudrun lächelte. Wie ihre Kollegin dort stand, wirkte sie wie eine Galionsfigur am Bug eines Viermasters, das Gesicht unbeirrbar dem Wind und der Gischt entgegengestreckt.
»Da bin ich«, rief sie.
Judith zuckte zusammen, fasste sich schnell und schritt entschlossen zur Fahrertür. »Wird auch Zeit. Können wir dann?«
»Wir können«, erwiderte Gudrun. »Ich brauch nur einen Kaffee unterwegs. Da lasse ich nicht mit mir reden.«
»Ich halte unten an der Bäckerei. Steig ein.«
Judith warf sich hinters Steuer und startete den Motor. Im Grunde wusste Gudrun wenig über die neue Kollegin. Nicht einmal, ob sie ihr sonderlich sympathisch war. Judith hatte in Rostock bei der Kriminalpolizei gearbeitet. Offenbar bei der Sitte. Irgendwas war dort vorgefallen, doch sollte ihr Chef mehr darüber wissen, behielt er es für sich. Wolfgang hasste Tratsch.
Sie nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Kaum hatte sie den Gurt einrasten lassen, schoss das Auto nach hinten, nahm eine verwegene Rückwärtskurve und jagte über den Parkplatz zur Straße. Judith fuhr einen ziemlichen Stiefel, stellte sie überrascht fest. Zum Glück wurde Gudrun nicht schnell seekrank, auch nicht, wenn sie verkatert war.
»Also gut«, begann Judith, den Blick hoch konzentriert auf die Straße vor ihr. »Was weißt du heute noch über den Fall?«
»Du meinst Sanna Hansen? Nun …« Gudrun versuchte, die Sache von damals mit den Augen einer Polizistin zu sehen. »Sie wurde in einer Julinacht ermordet. Eine Abiturientin aus Kiel, achtzehn Jahre alt, allgemein sehr beliebt. Sie war mit Freunden in einer Disko in Holm, das ist eine Ferienanlage unweit vom Strand. Da steht so ein Apartmenthochhaus mit Blick auf die Ostsee. Damals waren da Kneipen und Bars drin und unten im Keller eine Disko. Gegen Mitternacht verabschiedete sich Sanna von ihren Freunden und ging alleine nach Hause. Die wenigen Zeugen, die sie dabei gesehen haben, sagten, sie sei nicht in Begleitung gewesen.«
Zwischen der Disko und dem Strand lagen nur wenige Hundert Meter. Gudrun wusste genau, wo man dort lauschige Ecken zum Knutschen fand. Wie die Salzwiesen in einer Sommernacht dufteten. Wie nah das dunkle Meer und das nächtliche Rauschen der Brandung waren.
»Beim Tatort handelte es sich um das Ferienhaus ihrer Eltern«, fuhr sie fort. »Der Täter hat sie erstochen und das Häuschen anschließend in Brand gesetzt. Dadurch sind viele Spuren vernichtet worden. Die Tatwaffe hat man später zwar am Strand gefunden, aber sie hatte tagelang im Wasser gelegen. Die Kollegen konnten das nicht zurückverfolgen.«
»Zwölf Messerstiche«, warf Judith ein. »In Brust und Bauch. Klingt für mich nach einem sexuellen Motiv.«
»Kann schon sein. Vergewaltigt worden ist sie nicht.«
»Nein, das nicht. Trotzdem.«
»Es gab einen Hauptverdächtigen«, sagte Gudrun. »Manfred Soundso, von allen Manni genannt. Das war ihr fester Freund, mit dem sie an dem Abend Schluss gemacht haben soll.«
»Sie konnten ihn nicht drankriegen«, fügte Judith hinzu.
»Nein. Gegen den Typen gab es eine Menge Indizien, aber für eine Anklage hat es nicht gereicht. Und ein weiterer, konkreter Verdächtiger war während der Ermittlungen nicht aufgetaucht.« Gudrun dachte darüber nach. »Ich fürchte, das war’s«, schloss sie. »Mehr weiß ich nicht. Ich müsste zuerst die Akten sehen.«
»Sie war sehr beliebt, sagst du?«
»Ja. Eher ein stilles Mädchen, sie ist nirgendwo angeeckt. Sehr hübsch war sie. Hat sich einfach mit allen verstanden. Viele in Kalifornien kannten Sanna Hansen persönlich. Du weißt schon, Kalifornien heißt das Strandbad. Ihre Eltern waren häufig dort in ihrem Ferienhaus.«
»Kalifornien«, wiederholte Judith nachdenklich. »Komischer Name, findest du nicht?«
»Man erzählt sich, dass mal ein Schiff vor der Küste gesunken ist, bevor der Ort entstanden ist. Eine Planke wurde angespült, auf der California stand, und so ist der Ort zu seinem Namen gekommen.«
Judith bremste ab, als sie die kleine Ortschaft in der Nähe des Campingplatzes erreichte. Gerade rechtzeitig, um einem Blitzer am Ortseingang zu entgehen.
»Kanntest du das Opfer?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Gudrun reflexhaft und ärgerte sich sofort, gelogen zu haben. »Nur vom Sehen«, fügte sie hinzu.
»Warst du damals oft in Kalifornien?«
»Manchmal. Meistens sind wir zu den verschwiegenen Strandabschnitten gefahren, wenn wir ans Meer wollten. Nicht zu den Touristenorten. Aber so ein Sommer kann sehr lang sein, und in Kalifornien gab es eine Disko.« Gudrun wusste selbst nicht, warum sie zögerte, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Es ergab keinen Sinn. Zögernd fügte sie hinzu: »Ich kannte ihren älteren Bruder.«
»Den von Sanna? Wie hieß er noch? Bernd oder …«
»Björn. Er war in meinem Abi-Jahrgang in Kiel. Aber nahe standen wir uns nicht, wir hatten kaum Kurse zusammen. Außerdem habe ich zu der Zeit eh eine Menge geschwänzt.« Sie lachte, um zu überspielen, dass sie wieder nicht ganz die Wahrheit sagte. »Schule hat mich damals echt nicht interessiert. Ein Wunder, dass ich überhaupt das Abi gepackt habe.«
»Hier ist es«, sagte Judith und bremste hart vor der Bäckerei ab. Gudrun, die erleichtert war, nicht länger über Sanna und Björn befragt zu werden, sprang aus dem Wagen und lief in die Bäckerei. Erst da wurde ihr klar, dass sie ihrer Kollegin die wichtigste Frage noch gar nicht gestellt hatte. Es zeigte nur, dass sie dringend einen Kaffee brauchte. Mit dem heißen Becher und einer Plastikflasche Wasser kehrte sie zurück und nahm wieder auf dem Beifahrersitz Platz.
»Wer ist das, den wir im Hospiz besuchen?«, fragte sie.
Judith zog ihr Smartphone, das sie statt eines Notizblocks benutzte, aus der Anzughose und ging ihre Aufzeichnungen durch.
»Heinz Wullrecht.«
»Onkel Heinz?«
Der Ausruf bescherte ihr einen fragenden Seitenblick.
»So haben ihn die Kinder früher genannt. Heinz Wullrecht hatte einen Kiosk am Strand. Schon als ich noch ein Kind war.«
Bilder...
Erscheint lt. Verlag | 28.1.2025 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | bücher krimi thriller • Cold Case • cold case ermittlung • Dünenmord • Ermittlerduo • Eva Almstädt • Hafenmord • Kalifornien • Karen Sander • Klaus-Peter Wolf • Krimi Roman • Küstenkrimi • Küsten Krimi • Ostsee • Ostseeangst • Ostseegruft • Ostsee Krimi • Spannung |
ISBN-10 | 3-7499-0789-7 / 3749907897 |
ISBN-13 | 978-3-7499-0789-2 / 9783749907892 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |

Größe: 1,7 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich