Sie sind Zwillingsbrüder, die vorbildlicher nicht sein könnten: gut aussehend, klug, beliebt. Bis einer von ihnen kaltblütig die Eltern ermordet. Der andere hat ein wasserdichtes Alibi. Welcher der Zwillinge hat sich in der schwülen Sommernacht wirklich am Tatort aufgehalten und welcher nicht? Ist es möglich, dass sie gemeinsam den perfekten Mord geplant haben? Jahre später beschuldigen beide sich gegenseitig. Denn mittlerweile haben sie selbst Familien gegründet - und einiges zu verlieren. Laurie Moran soll in ihrer Sendung »Unter Verdacht« den Cold Case lösen. Mit ihren Recherchen holt sie eine Gefahr, die lange in der Vergangenheit begraben war, wieder ans Tageslicht.
Mary Higgins Clark (1927-2020), geboren in New York, lebte und arbeitete in Saddle River, New Jersey. Sie zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautoren weltweit. Ihre große Stärke waren ausgefeilte und raffinierte Plots und die stimmige Psychologie ihrer Heldinnen. Mit ihren Büchern führte Mary Higgins Clark regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten an. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den begehrten Edgar Award. Zuletzt bei Heyne erschienen: »Denn du gehörst mir«.
Prolog
Zehn Jahre zuvor
Das Mondlicht malte seinen glitzernden Pfad auf die Gewässer am Yachtclub von Harbor Bay. Die vierundfünfzigjährige Sarah Harrington ließ ihren Blick über die Terrasse und das Fest schweifen, ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen. Es war Ende Mai, der Beginn des Memorial-Day-Wochenendes, und sie freute sich, die Familie für einen weiteren Sommer bei sich zu haben. Die ungewöhnliche Kühle in der Luft war vielleicht der einzige Hinweis darauf, dass der so heitere Abend eine tödliche Wendung nehmen könnte, aber Sarah war in Gedanken ganz bei ihren Kindern und wie schnell das Leben verging.
Wie war es möglich, dass ihre kleinen Jungs – die Zwillinge Simon und Ethan – schon ihren Collegeabschluss hinter sich hatten? Mit Staunen sah sie zu, wie Simon mit seiner Freundin Michelle gekonnt über die Tanzfläche wirbelte. Einige Meter weiter tanzten Ethan und seine Freundin Annabeth Hand in Hand mit Sarahs drittem Kind, der zwölfjährigen Frankie.
Eine Erinnerung blitzte auf und versetzte sie in eine lang zurückliegende Zeit, in der es ihr wie ein ferner Traum erschienen war, dass sie jemals Kinder haben sollte. Sie und Richard hatten jung geheiratet, gleich nachdem er sein Jurastudium abgeschlossen hatte. Er war damals sechsundzwanzig gewesen, sie vierundzwanzig. Sie wussten beide, dass sie Kinder wollten, hatten es aber nicht eilig damit. Er war noch ganz auf seine Karriere in Boston konzentriert, sie war angehende Künstlerin. Ihre Familie würde Zuwachs bekommen, wenn es so weit sein sollte. Sieben Jahre später war er der erfolgreiche Partner einer Kanzlei, und sie gehörte zum festen Künstlerstamm einer Galerie in Manhattan.
Sie waren mehr als bereit für Kinder. So sehr, dass sie nicht mehr warten wollten. Als die erste In-vitro-Befruchtung scheiterte, war sie so am Boden zerstört, dass Richard schon alles abbrechen wollte, um ihr weiteren Kummer zu ersparen. Pater Hogan von Saint Cecilia brachte eine Adoptionsberatung ins Gespräch, die bereits ein anderes Paar seiner Gemeinde in Anspruch genommen hatte.
Aber der zweite Versuch in der Klinik verlief erfolgreich, mehr als erfolgreich. Auf den ersten Ultraschallaufnahmen waren zwei Embryos in einer Plazenta zu erkennen. Eineiige Zwillinge. Sie kamen nicht so häufig vor wie zweieiige Zwillinge, aber die Wahrscheinlichkeit dafür wurde durch eine künstliche Befruchtung erhöht. So hatten sie mit einem Mal gleich zwei Babys. Zehn Jahre später folgte als freudige Überraschung die kleine Frances nach. Damit waren die Harringtons zu fünft, genau so, wie Sarah es sich immer gewünscht hatte.
Die Zwillinge, die stolzen und völlig vernarrten älteren Brüder, beschlossen schnell, dass ihre geliebte kleine Schwester lieber Frankie genannt werden wollte. Sarah war sich nicht sicher, ob sie das zulassen sollte. Sie argwöhnte, die Jungs verwendeten den Namen nur, weil sie sich eigentlich einen kleinen Bruder gewünscht hätten. Der Name blieb jedoch, auch wenn Frankie nie zu dem Wildfang wurde, den sich ihre Brüder vielleicht erhofft hatten. Heute trug sie ein Kleid, das sie sich selbst ausgesucht hatte, nachdem Sarah ihr erklärt hatte, dass das Fest unter dem Thema Weiß stehen würde, sprich: Alle würden in Weiß gekleidet sein. Außer auf Hochzeiten hatte Sarah noch nie ein Kleid mit so viel Tüll und Satin gesehen. Frankie jedenfalls war hin und weg.
Oh, wie glücklich Sarah über das großartige Fest war, mit dem sie Simons und Ethans Erfolg feiern wollten. Die Jungs waren äußerst attraktiv, ihre dunklen Haare, der gebräunte Teint standen in wunderbarem Kontrast zum weißen Outfit – Kragenhemden, Leinenblazer, Röhrenjeans. Die Wolken, die schon hatten befürchten lassen, dass sie die Feier nach drinnen verlegen mussten, hatten sich verzogen. Und obwohl Simon und Ethan nicht unbedingt die große Bruderliebe ausstrahlten, gab es auch kein sichtbares Zeichen für Unstimmigkeiten, die sie in den vergangenen Tagen wegen der hässliche Sache mit Annabeth gehabt hatten. Ethans lächelnder Blick verriet Sarah, dass die junge Frau die Beziehung nicht auflösen würde. Vielleicht würde Richard es ja auch einsehen und einlenken. Vielleicht würde er seine Meinung ändern, wenn er sah, wie nett sie sich heute Abend um Frankie kümmerte.
»Na, was strudelt dir durch den Kopf?«
Sarah war so in ihre Gedanken versunken, dass sie Betsy, ihre beste Freundin, gar nicht bemerkt hatte. Sie hatten sich in der neunten Klasse auf einem Kunst-Workshop kennengelernt und sich sofort angefreundet. Mittlerweile kannten sie sich schon so lange, dass sie gar nicht mehr wussten, wer von ihnen beiden darauf gekommen war, dass einem Gedanken nicht einfach durch den Kopf gingen oder schwirrten, nein, sie mussten schon strudeln.
Obwohl keine Zwillinge, war es ihnen doch tatsächlich gelungen, den gleichen weißen Hosenanzug zu kaufen. Statt eine Münze zu werfen, um zu entscheiden, wer den Einkauf wieder zurückbringen musste, kamen sie zu dem Schluss, dass sie beide offensichtlich einen tadellosen Geschmack hatten.
Trotz des gleichen Outfits hätte man die beiden Freundinnen kaum verwechseln können. Betsy, ein Meter fünfundsiebzig groß und von sportlicher Statur, bezeichnete die gut zehn Zentimeter kleinere und sehr viel zierlichere Sarah oft als ihre »Westentaschen-Freundin«. Wie üblich hatte sich Sarah für einen dezenten, aber exklusiven Look entschieden: Sie hatte ihren Hosenanzug mit einem weißen Seiden-Top und klassischen Perlen kombiniert. Ihre kastanienbraunen Haare waren im Nacken zu einem losen Knoten gebunden, nur einige verspielte Strähnen rahmten das herzförmige Gesicht.
Betsy, schon immer die Wagemutigere der beiden, hatte statt einer Bluse eine weiße Smokingweste gewählt. Ihre goldene Halskette, ein Statement für sich, verletzte eindeutig den weißen Dresscode, aber Betsy hatte auch früher schon gewusst, an welche Regeln sie sich zu halten hatte und welche sie großzügig zu ihren Gunsten auslegen durfte. Ihre blonden, mit silbernen Strähnen durchzogenen Haare fielen ihr in sanften Wellen auf die Schultern.
Auch wenn ihre Söhne äußerlich nahezu identisch aussahen, waren sie im Grunde ganz unterschiedliche Charaktere, dachte sich Sarah. Simon würde nach seinem Harvard-Abschluss ab dem kommenden Herbst an der Columbia University Jura studieren.
Solange sie sich zurückerinnern konnte, hatte er sein Leben immer vorausgeplant. Schon in der sechsten Klasse hatte er verkündet, dass er wie sein Vater Anwalt werden wolle. Als Sarah und Betsy halb im Spaß angeregt hatten, dass einer der Zwillinge Betsys Tochter Michelle zum Schulball in der neunten Klasse ausführen solle, war Simon dem Vorschlag nachgekommen. Seitdem waren die beiden zusammen.
Ethan hingegen war mehr der Freigeist – und glich darin Sarah. Oder wie ich jedenfalls mal gewesen bin, dachte sie sich. Er hatte das Studium in Amherst abgeschlossen, aber dafür war das eine oder andere strenge Wort nötig gewesen, nachdem er kurz davor gestanden hatte, alles hinschmeißen zu wollen. Er war ein talentierter Gitarrist und träumte davon, nur von der Musik zu leben. Genauso gut, hatte Richard ihn angeherrscht, könne er zur Sicherung seines Lebensunterhalts Lotterielose kaufen.
Freundinnen, vermutete Sarah, hatte Ethan viele gehabt, auch wenn sie diese nie kennengelernt hatte – bis er im vergangenen Juni in Harbor Bay Annabeth über den Weg gelaufen war. Sie und Richard waren von einer kurzlebigen Cape-Cod-Flirtgeschichte ausgegangen, die mit Ethans Abschlussjahr am College ihr Ende haben sollte. Stattdessen hatte er der jungen Frau ein Interesse entgegengebracht, wie er es bislang nur für die Musik gehabt hatte. Es wird sich alles zum Besten für sie beide regeln, sagte sich Sarah. Für uns alle. Natürlich.
Wie sollte sie all diese ihr durch den Kopf strudelnden Gedanken für Betsy in Worte fassen?
»Schau sie dir an, Betsy. Ich weiß, ich bin voreingenommen, aber sind sie nicht einfach vollkommen? Wenn ich daran denke, wie sehr ich meine Kinder liebe und wie schnell sie erwachsen geworden sind, zerspringt mir schier das Herz.«
»Na, hoffen wir mal, du meinst das nicht wörtlich. Das wäre zum einen schlecht für deine Gesundheit und würde zum anderen eine ganz schöne Sauerei hinterlassen.«
»Vielleicht hab ich mich etwas zu plastisch ausgedrückt«, räumte Sarah ein.
Betsy legte Sarah einen Arm um die Schulter und drückte sie. »Ich weiß ganz genau, was du meinst. Alles geht so schnell. Dennis ist für mich immer noch mein kleiner Junge, aber heute hat er uns erzählt, dass er Jura studieren möchte. Er hat bereits mit den Vorbereitungen für die Eignungsprüfungen begonnen. Wir haben dann also beide eine neue Anwaltsgeneration in der Familie.«
»Apropos, wo steckt Dennis überhaupt?«
»Bei meinem berüchtigten Frühaufsteher von Mann. Nimm es ihnen nicht übel, Walter ist schon am Tisch fast eingeschlafen, ich hab mich einverstanden erklärt, dass er schon nach Hause fährt. Dennis wäre sicherlich noch geblieben, wenn die Barkeeper ihn nicht nach einem Altersnachweis gefragt hätten. Im Oktober wird er einundzwanzig. Er zählt jetzt schon die Tage, das kann ich dir sagen.«
»Hoffentlich macht er um den Tag dann weniger Tamtam als die Zwillinge damals.« Simon und Ethan hatten ihre Eltern darum gebeten, ihren Geburtstag mit zwei Freunden im Strandhaus zu feiern. Sarah und Richard erfuhren von der wüsten Party, an der fast hundert College-Studierende teilnahmen, erst, als ihr Nachbar sie anrief, nachdem sich einige Jugendliche bei ihm in den Garten geschlichen hatten...
Erscheint lt. Verlag | 6.11.2024 |
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Reihe/Serie | Laurie-Moran-Serie |
Übersetzer | Karl-Heinz Ebnet |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | It Had To Be You |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2024 • Cold Case • eBooks • Elternmord • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Laurie Moran • Neuerscheinung • neue thriller 2024 • Spannung • Thriller • unlösbarer Fall • Zwillinge |
ISBN-10 | 3-641-32328-2 / 3641323282 |
ISBN-13 | 978-3-641-32328-8 / 9783641323288 |
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