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Mord macht keinen Weihnachtsurlaub (eBook)

Ein Weihnachtskrimi
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-6120-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord macht keinen Weihnachtsurlaub -  Christian Humberg
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Tödlicher die Glocken nie klingen ...

Ein Urlaub in der Weihnachtszeit? Eigentlich kann Chief Inspector Timothy Smart sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen. Doch als seine geliebte Gattin Mildred beim Radio einen Aufenthalt in einem Wellnesshotel im Lake District gewinnt, kann er ihr den Wunsch nicht abschlagen. Im Hotel erwartet sie Trubel statt Feiertagsruhe, denn dort findet gerade ein Treffen von Hörspielfans statt. Und damit nicht genug: Der Autor ebendieser Hörspiele liegt bald nach Beginn der Convention tot in seiner Suite. Als die örtliche Polizei den ebenfalls anwesenden Robin Chandler der Tat verdächtigt, bleibt Smart nichts anderes übrig, als selbst zu ermitteln, um die Unschuld seines Freundes zu beweisen ...



<p><strong>Christian Humberg</strong> wurde 1976 in Gerolstein geboren und studierte in Mainz Buch- und Literaturwissenschaft. Er arbeitet als freier Autor von Büchern und Theaterstücken, als Comicszenarist, Literaturübersetzer und Lektor. Seine Werke erreichen Leser:innen auf der ganzen Welt und wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Humberg lebt in der Eifel.</p>

Prolog


Die Suite lag im Obergeschoss des Hotels, keine fünf Schritte vom Durchgang zur Dachterrasse entfernt. Das Licht des großen Weihnachtsbaumes, der auf der Terrasse errichtet worden war, erhellte den Hausflur. Ein eisig-scharfer Wind ließ den Baum leicht schwanken und pfiff durch gefühlt sämtliche Mauerritzen des Gebäudes. Es klang unheimlich.

Timothy Smart schenkte den Geräuschen kaum Beachtung. Fragend sah er zu dem Mann, der ihn zu nachtschlafender Zeit herbestellt hatte. »Mr Middleditch, was ist los? Wie kann ich helfen?«

Simon Middleditch – faltig, groß und noch schlechter gelaunt als sonst – streckte die Hand nach der Tür der Suite aus und stieß sanft dagegen. Sie glitt sofort auf.

»Hierbei, Chief Inspector Smart«, sagte er grimmig. »Das ist doch Ihr Metier, oder etwa nicht?«

Im ersten Moment sah Smart nicht, was der Hotelbesitzer meinte. Erst als er die Lider enger zusammenkniff, erkannte er die Umrisse im Dunkel jenseits der Türschwelle. Umrisse eines reglosen – und aller Wahrscheinlichkeit nach leblosen – Menschen.

»Ist das …?« Smart keuchte. »Mr Wellington-Smythe?«

»Wir haben nur eine Suite, Inspector«, antwortete Middleditch. Es klang beinahe tadelnd. »Wem sonst sollten wir sie gegeben haben?«

Smart trat in die Suite. Seit Jahrzehnten stand er nun schon im Dienste von Scotland Yard und hatte mehr als genug Tatorte gesehen. Deshalb wusste er auch sehr genau, welch ganz besondere, entsetzliche Atmosphäre ihnen anhaftete. Es mochte Einbildung sein, aber seiner Erfahrung nach fühlten sich Orte, an denen Menschen ermordet wurden, anders an als alle anderen. Man merkte es sofort, wenn man dort ankam. Eine Art Decke schien über solchen Orten zu liegen, die jedes Licht, jede Freude und jeden Ton verschluckte.

Die Hotelsuite von Michael Wellington-Smythe stellte da keine Ausnahme dar.

Durch einen ebenso kleinen wie offenen Vorraum, in dem sich die Garderobe und ein Einbauschrank befanden, erreichte man das Hauptzimmer. Es bestand aus einer großen Sitzecke mit Polstermöbeln, Couchtisch und Flachbildschirm, einem kleinen Sekretär nebst Stuhl und dem durch zwei nach oben führenden Stufen erreichbaren Bett. Wellington-Smythe lag in Letzterem.

Der Autor hatte die Augen weit geöffnet, und sein Blick ging ins Leere. Blankes Erstaunen stand auf seinen leichenblassen Zügen. Sein dünner Bart war ungestutzt und sein spärliches graues Haar vom Kopfkissen zerzaust. Der schlanke Leib steckte in einem dunkelblauen Pyjama, dessen Oberteil auf Brusthöhe von einem äußerst unschönen Fleck verunziert wurde – Blut, ganz ohne Zweifel. Weiteres Blut hatte sich auf der Matratze gesammelt, wo es einen rechten See um den Toten bildete.

»Ich habe ihn so gefunden, Inspector«, sagte Middleditch. »Vor vielleicht fünfzehn Minuten. Ich sollte ihm einen Nachttrunk bringen, so hatte er es bei seiner Ankunft bestellt. Jede Nacht einen kleinen Nachttrunk. Und als ich geklopft, aufgeschlossen und die Suite betreten habe … Nun, da lag er. Ich habe selbstverständlich nichts angefasst, falls das wichtig ist.«

Smart hörte nur mit halbem Ohr hin, konnte den Blick kaum von dem Toten nehmen. Vor Kurzem erst hatten er und Wellington-Smythe zusammengesessen und geredet, unten an der Hotelbar. Und jetzt?

»Hören Sie mir zu?«, fragte Middleditch lauter. Er stand noch immer im offenen Türrahmen, so als wagte er nicht, das Zimmer ein zweites Mal zu betreten. »Ich habe nichts angefasst. Das soll man doch nicht, oder? Um keine Spuren zu verwischen, falls es ein Mord war?«

Oh, dachte der Chief Inspector. Sein Blick haftete an dem Fleck auf Wellington-Smythes Pyjama. Das ist es. Und ob es das ist.

Sofort kamen ihm Namen in den Sinn, Gesichter. Er konnte sie gar nicht aufhalten. Als geschulter Ermittler achtete er auf alle Details und suchte automatisch nach versteckten Verbindungen, nach Hinweisen und Antworten. Irgendjemand hatte Michael Wellington-Smythe auf dem Gewissen. Irgendjemand war hier oben in der Suite gewesen, vor noch gar nicht langer Zeit, und hatte gewaltsam ein Leben beendet – ausgerechnet an Weihnachten.

Dafür musste es einen triftigen Grund geben. Wenn er es schaffte, diesen Grund herauszufinden, dann konnte er vielleicht auch den Täter identifizieren. Wie üblich.

Und die Zahl der möglichen Kandidaten ist nicht gerade klein, seufzte er innerlich.

Dann riss er sich zusammen und drehte sich um. »Sie haben völlig richtig gehandelt, Mr Middleditch. Hier liegt höchstwahrscheinlich ein Verbrechen vor, und das muss aufgeklärt werden.«

Middleditchs grimmige Miene verfinsterte sich noch mehr. »Verbrechen, eh? Dachte ich es mir doch. Ausgerechnet bei uns im Haus … Sind Sie sich wirklich sicher, dass es kein Unfall war? Oder, Sie wissen schon …«

Der Chief Inspector ging ächzend in die Hocke, was bei seiner Statur mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden war, und spähte unter das Bett des Verstorbenen. »Wären Sie so gut, das Deckenlicht einzuschalten, Mr Middleditch? Ich glaube, der Schalter befindet sich direkt neben Ihnen.«

Einen halben Herzschlag später wurde es hell in der Suite, und Smart konnte noch deutlicher erkennen, was sich unter und auch neben dem Bett befand: nichts. Nur die Hausschuhe des Toten.

Ächzend stand er wieder auf. »Wie ich es mir dachte. Wäre das hier ein Unfall oder ein Suizid, müssten wir den Verursacher dieser Wunde in der Nähe des Verstorbenen finden. Irgendeinen Gegenstand, der Wellington-Smythe diese grässliche Verletzung zugefügt haben könnte. Doch alles, was ich in der Nähe des Bettes sehe, sind seine Filzpantoffeln, die auf dem Nachttisch abgelegte Lesebrille und der unangetastete Hot Toddy, den zweifellos Sie ihm gebracht haben. All das können wir als Todesursache wohl ausschließen.«

Der Hotelbesitzer schwieg bestätigend und strich sich mit zwei Fingern über den buschigen Schnauzbart. Es wirkte frustriert.

»Es bleibt also nur eine Schlussfolgerung übrig«, fuhr Smart fort. Trotz des Mitleids, das er für den Toten empfand, blieb er sachlich und logisch. Anders kam man in derartigen Situationen nicht weiter. »Mr Wellington-Smythe wurde von oder mit einem Gegenstand getötet, der sich nicht länger im Umfeld des Bettes befindet. Und von allein wird sich dieses Objekt sehr wahrscheinlich nicht entfernt haben. Jemand hat es mitgenommen – nach vollbrachter Tat, wie ich vermuten möchte. Womit wir tatsächlich bei Mord wären, Sir. Dieser Mann wurde ermordet.«

»Mhm«, brummte der Hotelier. Dabei sah er zu Boden, als suchte er Staubflusen auf dem Teppich.

»Sie haben richtig gehandelt, als Sie mich riefen«, sagte Smart erneut. »Und es war gut, dass Sie den Toten nicht berührt haben. Jede Information, die die Behörden hier im Raum finden können, mag sich später als relevant erweisen. Und es wäre äußerst bedauerlich, wenn Sie die Fuß- oder anderen Spuren des Täters mit Ihren eigenen ›überschrieben‹ hätten.«

»Ja, ja«, murmelte Middleditch. »Weiß ich doch. Aus dem Fernsehen.«

Smart nickte. Kriminalfilme hatten auch ihr Gutes, das wusste er. Zumindest zeigten sie der Öffentlichkeit, was man nicht tun sollte.

Er griff in die Tasche seines Morgenmantels und entnahm ihr zwei Plastikhandschuhe. Man hatte ihn aus süßen Träumen gerissen und dabei so dringend geklungen, dass Smart sich erst gar nicht mit Ankleiden aufgehalten hatte. Doch ein erfahrener Ermittler hatte stets Handschuhe griffbereit, auch mitten in der Nacht.

»Wir tun jetzt Folgendes«, sagte er, während er sich die Handschuhe überzog. »Ich sehe mir den Leichnam genauer an und auch das Zimmer als solches. Sie gehen bitte runter zur Rezeption und alarmieren die örtliche Polizeiwache. Ich meine mich zu erinnern, bei unserer Ankunft eine Dienststelle unten im Dorf gesehen zu haben.«

»Shepard«, sagte Middleditch nickend. »Barton Shepard. Das ist der Constable bei uns. Um die Zeit ist der aber sicher nicht im Büro, sondern zu Hause.«

Smart blieb unbeirrt. »Sie werden ihn schon ausfindig machen, mein Lieber. Und wenn Sie ihn erreichen, lassen Sie ihn bitte wissen, was vorgefallen ist. Sagen Sie ihm, er müsse schnellstmöglich kommen. Und sagen Sie ihm auch, dass ich bereits vor Ort bin und ihm zuarbeite, so gut ich nur kann. Einverstanden?«

Middleditch nickte nur und verschwand in Richtung Treppenhaus, aus dem Smart eben erst gekommen war. Der Chief Inspector sah ihm nach, dann widmete er sich wieder dem Toten.

Die ersten Momente in einer Mordermittlung konnten die wichtigsten sein, das war ihm klar. Es gab keine zweite Chance für einen ersten Eindruck, und ein geschulter Detektiv nahm oft Details wahr, die anderen Menschen entgehen mochten. Details, die nicht länger deutlich erkennbar sein konnten, wenn erst unzählige Polizeibeamte, Sanitäter, Angehörige und andere Personen an einem Leichnam vorbeispaziert waren. Die ersten Augenblicke entschieden mitunter über Erfolg und Misserfolg der gesamten Ermittlung.

Also konzentrierte er sich. »Was ist hier passiert?«, murmelte er und näherte sich abermals dem Bett. »Was können Sie mir sagen?«

Wellington-Smythe tat ihm leid. Er hatte den Mann kaum gekannt, das schon. Aber er war ihm irgendwie sympathisch gewesen. Er hatte Besseres verdient, als allein in einem Hotelzimmer zu sterben, noch dazu gewaltsam.

»Sie haben gar nicht hier sein wollen, oder?«, murmelte Smart weiter, als könnte der Tote es hören. »Das alles war nicht Ihr Fall. Und doch...

Erscheint lt. Verlag 27.9.2024
Reihe/Serie Ein Fall für Timothy Smart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agatha Christie • Cosy Crime • Cosy Mystery • Cozy Crime • Cozy Mystery • Cyril Hare • detektivroman • Dorothy Sayers • England • Hotel • Inspector Smart • Krimis • Lake District • Landhaus • Landhauskrimi • Scotland Yard • Urlaub • Weihnachten
ISBN-10 3-7517-6120-9 / 3751761209
ISBN-13 978-3-7517-6120-8 / 9783751761208
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