SIEBEN STUNDEN. Wen würdest du retten? (eBook)

317 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-31528-3 (ISBN)
10 Jahre ist es her, dass in Tennessee zwei Schulbusse in eine Schlucht stürzten. Nur neun Jugendliche konnten sich retten. Als sich eine von ihnen wenig später das Leben nimmt, schließen die übrigen einen Pakt: Jedes Jahr wollen sie sich treffen, um jener schrecklichen Nacht zu gedenken.
Um einander zu schützen.
Um sich gegenseitig in Schach zu halten.
Nun, am zehnten Jahrestag, der Schock: Ein weiterer Überlebender ist tot - seine Leiche wurde in eben dem Strandhaus in den Outer Banks gefunden, das ihnen bei ihren Treffen zum Zufluchtsort geworden ist. Der Rückhalt in der Gruppe bröckelt. Dann droht ein aufkommender Sturm, das Haus von der Außenwelt abzuschneiden. Können sie noch darauf vertrauen, dass sie einander schützen werden?
Ein atemberaubend spannender, beunruhigender Thriller voller unerwarteter Wendungen, die das Markenzeichen der Autorin sind. SIEBEN STUNDEN ist der bisher beste Roman der New-York-Times-Bestsellerautorin Megan Miranda.
Megan Miranda zählt in ihrem Heimatland USA zu den erfolgreichsten Thriller-Autorinnen. Auch in Deutschland erobert sie regelmäßig die Top Ten der SPIEGEL-Bestsellerliste, zuletzt mit »Der Pfad«. Megan Mirandas Markenzeichen sind clevere Plottwists, die selbst ihre größten Fans nicht kommen sehen - bis zur letzten Seite. So garantiert auch ihr neuer großer Thriller »Sieben Stunden« atemlose Spannung mit Gänsehautfaktor. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in North Carolina.
Kapitel 1
Das Haus hatten wir, wie es so oft der Fall war, einer Reihe von glücklichen Zufällen zu verdanken.
Dem glücklichen Zufall, dass es in den letzten zehn Jahren zwei Hurrikans standgehalten hatte, obwohl es auf Pfählen am Rande der Dünen erbaut worden war, geschützt nur durch Sturmfensterläden aus Aluminium und Zedernholzschindeln, die im Laufe der Zeit zu einem verwitterten Grau verblasst waren.
Dem glücklichen Zufall, dass die fünf Schlafzimmer mit Balkonen, die durch eine umlaufende Holzkonstruktion und wacklige Treppen über drei Stockwerke miteinander verbunden waren, ausreichend Platz für uns alle boten.
Dem glücklichen Zufall, dass das Haus am Strand Olivers Familie gehörte und Oliver in jenem ersten Jahr nach Claras Beerdigung, als wir panisch und verzweifelt waren und jenen Pakt schlossen, gesagt hatte: Ich kenne einen Ort.
Das Haus lag abseits vom Trubel der Stadt, am Ende einer Sackgasse. Man konnte das Nachbarhaus sehen – vor allem im Dunkeln, wenn die Fenster wie Leuchtfeuer in der Nacht schimmerten –, und doch war es so abgelegen, dass man sich der Welt entrückt fühlte. Es führte zu Seelenfrieden in doppelter Hinsicht.
Es war für uns der perfekte Zufluchtsort. Für uns, die glücklichen Überlebenden des Unfalls, des reißenden Flusses, des unerbittlichen Unwetters.
Oliver hatte gesagt, dass es The Shallows hieß, die Untiefen. Ein Name wie ein Versprechen. Ein sicheres Refugium, vom Rest der Welt isoliert und zu allen Seiten von den unendlichen Tiefen des Meeres umgeben.
Unser erster Aufenthalt war einfach nur der Bequemlichkeit geschuldet, und dann kamen wir jedes Jahr wieder, weil es uns auf diese Weise erspart blieb, weitere Entscheidungen treffen und andere Pläne machen zu müssen. Außerdem lag das Haus Hunderte von Kilometern von der Unfallstelle entfernt, geschützt vor dem Sog der Vergangenheit.
Ich fuhr fünf Stunden bis zur Küste und anschließend über eine Reihe von Brücken zum südlichen Teil der Inselkette. Dabei war ich in einem Zustand anhaltenden Grauens, von dem ich mich mit einer Reihe von Podcasts abzulenken versuchte. Doch da ich mich nicht konzentrieren konnte, ergab ich mich schließlich der Stille.
Die Abzweigung tauchte auf, bevor ich darauf vorbereitet war, eine Ansammlung von Briefkästen vor einem verblassten Straßenschild, das vom Wind verbogen und von der Sonne ausgebleicht war. Das Haus lag am Ende der unbefestigten Straße, der Parkplatz davor war ein Halbkreis aus Steinen und Unkraut und von einer feinen Sandschicht bedeckt, die ich schon auf den letzten fünfzehn Kilometern unter den Rädern gespürt hatte.
Das Land zwischen dem Meer und der Lagune war auf der Fahrt hierher immer schmaler geworden. Die Dünen rückten näher an die Straße heran, der Sand wirbelte in böigen Spiralen über die Fahrbahn, was von Weitem wie ein Dunstschleier aussah, wie Nebel, der in der Atmosphäre schwebte und sich von der Meerseite her ausbreitete. Ohne regelmäßiges Eingreifen, so stellte ich mir vor, würde all dies hinweggefegt, jeglicher Hinweis auf die Menschheit durch den ständigen Angriff der Natur ausgelöscht werden.
Die Geografie hier draußen unterlag steter Veränderung. Im Marschland schwappte Wasser aus den Sümpfen auf die grasbewachsenen Straßenränder. Nach einem Sturm waren aus manchen Inseln Halbinseln geworden oder umgekehrt. Und auch die Dünen waren immer in Bewegung und wuchsen, als würde alles in Sichtweite nur darauf warten, von ihnen verschlungen zu werden. Aber aus irgendeinem Grund hatte dieses Haus standgehalten.
Vor dem Gebäude parkten vier Autos in einer Reihe, das letzte war Amayas rostrote Limousine, deren Heckscheibe eine Sammlung von Aufklebern zierte. Es war bereits später Nachmittag, und ich nahm an, dass ich die Letzte war. Nicht alle wohnten so nah, dass sie mit dem Wagen anreisen konnten.
Ich hielt neben einem vertrauten dunklen Honda. Der Anblick des Kindersitzes auf der Rückbank erschütterte mich, denn mir wurde dabei bewusst, wie viel sich in einem Jahr verändert hatte.
Ich stieg aus. Die Luft schmeckte salzig, wie in meinen Albträumen. Manchmal, wenn ich nachts alleine war, schreckte ich hoch und hatte noch den Geschmack des Flusses im Mund, von Wasser bei Unwetter, von sandiger Erde tief in meiner Kehle. In anderen Nächten hatte ich stattdessen den Geruch von Salzwasser in der Nase, als wäre ich mir nicht sicher, ob es wirklich ein Albtraum war oder doch Realität.
Mit tiefen, kontrollierten Atemzügen ließ ich den Blick am Haus hinaufwandern. Zur erhöhten Veranda, entlang der vielen Giebel und Fenster, in denen sich die Sonne und der Himmel spiegelten. Das Gebäude war in die Jahre gekommen, aber es war schön, wie es sich unaufdringlich aus der Landschaft erhob wie Treibholz am Strand, sorgfältig auf eine Weise platziert, die die Kräfte der Natur willkommen hieß, anstatt gegen sie anzukämpfen.
Eine breite Holztreppe führte zur Eingangstür hinauf, wo wir in unserem ersten Jahr ein Foto aufgenommen hatten, wie wir acht dicht zusammengedrängt dasaßen, Schulter an Schulter, die Knie an den Körper vor uns gedrückt, wie zum Beweis: Wir sind immer noch da.
Ich drückte den Rücken durch und wappnete mich. Hätte ich eine Liste mit Dingen anlegen sollen, die an meinen Nerven zerrten – diese Situation hätte darauf ganz weit oben gestanden. Nicht ganz so weit oben wie das Erlebnis, auf einer kurvigen dunklen Straße zu fahren oder sich zu verirren. Aber verspätet hier anzukommen, bei diesen Leuten: definitiv weit oben.
Sie waren keine schlechten Menschen. Sie taten mir nur nicht gut.
Als ein Schatten am Wohnzimmerfenster vorbeihuschte, stellte ich mir vor, wie sie auf der taupefarbenen Couchgarnitur saßen und auf mich warteten. Und dann, bevor ich das Bild zurückdrängen konnte, sah ich sie rennen, aus der Haustür drängen, während sich hinter dem Haus eine riesige Welle erhob, den Himmel verdunkelte, einen Schatten warf, der sich beständig ausdehnte. Das Chaos, die Panik und mein Gedanke, wen ich als Erstes retten würde …
Es war eine Gewohnheit, die ich nicht ablegen konnte, eine Frage, die mich immer wieder beschäftigte. In einem Raum voller Menschen, einem Bus voller Fremder: Wen würdest du retten? Ein Gedankenexperiment, das in Echtzeit ablief. Ein Horrorintermezzo in der Monotonie meines Alltags.
Ich schnappte mir mein Gepäck und knallte den Kofferraum zu.
Der erste Tag war immer der schwerste.
Die Haustür quietschte, als ich sie aufstieß, die Scharniere waren im Lauf der Zeit wegen der salzigen Luft verrostet. Ein Schritt hinein, und meine Erinnerung wurde wach: weiß getünchte, holzgetäfelte Wände, ein offener Grundriss, sodass ich vom Eingang aus das gesamte Erdgeschoss überblicken konnte, dessen Bereiche nur durch Möbelstücke voneinander abgegrenzt waren. Zuerst kam der Wohnraum, dahinter der lange Esszimmertisch und die Küche und schließlich die hintere Fensterfront mit einer Schiebetür zum Holzdeck. Doch als ich die Haustür laut genug hinter mir schloss, um Aufmerksamkeit zu erregen und sicherzustellen, dass sie meine Anwesenheit bemerkten, sah ich außer Brody niemanden.
»Da ist sie ja – Cassidy Bent«, sagte er, als befände sich außer uns noch jemand in der Nähe. Während er auf mich zukam, öffnete er sein Bier, das er sich aus dem Kühlschrank genommen hatte. Auf seiner Wange erschien beim Lächeln ein Grübchen. Er hatte die gleiche zerzauste Frisur wie immer, einen braunen Haarschopf, den er sich ständig aus dem Gesicht schob. Brody war der Sportler in unserer Gruppe gewesen, die eine Hälfte des Pärchens Brody und Hollis, und er strahlte noch immer das Selbstvertrauen von jemandem aus, der es gewohnt war, dass ihn jeder in der Schule kannte.
»Anwesend«, sagte ich, als wäre ich eine Schülerin, die sich zum Unterricht meldet, und er lachte. Seine Begrüßung hatte geklungen, als hätten sie auf mich gewartet. Anders als Brody wurde ich häufig übersehen, also hatte ich mir angewöhnt, meine Anwesenheit lautstark kundzutun.
Ich stellte mein Gepäck neben der Couch ab und umarmte ihn. Unsere Begrüßung war wie jedes Jahr vertraut und erschütternd zugleich. Er trug sein übliches Outfit – Sport-Shorts, T-Shirt und Schlappen –, doch auf der Rückbank seines Wagens stand ein Kindersitz. Er war Vater. Seine ganze Identität hatte sich verändert.
»Wie war die Fahrt?« Brody schien sich niemals unwohl in seiner Haut zu fühlen, egal, wo oder in wessen Gegenwart er sich befand. Er nahm das Gespräch mit mir auf, als wäre seit unserem letzten Wiedersehen kaum Zeit vergangen.
»Gut. Tut mir leid, dass ich zu spät komme.«
Er nahm einen tiefen Schluck aus der Bierflasche, schüttelte den Kopf, strich sich eine hartnäckige Strähne aus den Augen. »Dabei bist du nicht mal die Letzte.« Er nickte in Richtung Küche. »Wir sitzen draußen.«
»Ich komme gleich zu euch«, erwiderte ich, dankbar für die Möglichkeit, mich kurz zu orientieren.
Gründe, Brody zu retten: Er war frischgebackener Vater. Es gab Menschen, die ihn vermissen würden.
Er musterte mich lächelnd von der Terrassentür aus. Ich hatte Jeans und ein T-Shirt angezogen, das mir beim Durchwühlen meiner Kommode als Erstes in die Hände gefallen war, und aus meinem Pferdeschwanz hatten sich während der Fahrt einzelne dunkelblonde Strähnen gelöst. Ich war verlegen, fühlte mich entblößt.
»Gut siehst du aus, Cass«, bemerkte er, als könne er meine Unsicherheit...
Erscheint lt. Verlag | 19.2.2025 |
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Übersetzer | Melike Karamustafa |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Only Survivors |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Autounfall • Bestsellerautorin • Booktok • Claire Douglas • du kannst niemanden trauen • eBooks • Freida McFadden • Julie Clark • locked room mystery • Lucy Foley • megan miranda bücher • megan miranda bücher reihenfolge • megan miranda thriller • New York Times Bestseller • Outer Banks • PlotTwist • Psychospannung • Psychothriller • Sturm • summer mystery • Tennessee • Thriller • Tick Tack • TikTok • Wem kannst du trauen? |
ISBN-10 | 3-641-31528-X / 364131528X |
ISBN-13 | 978-3-641-31528-3 / 9783641315283 |
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