Kein Land in Sicht (eBook)
304 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01820-2 (ISBN)
Christina Pertl hat Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert, war als Journalistin tätig und arbeitet derzeit als freie Autorin an Romanen und Drehbüchern. Kein Land in Sicht ist ihr Debüt. Sie wurde 1982 in Graz (Österreich) geboren. Das Studium führte sie nach Wien und Schweden, die Arbeit als Sportjournalistin in Fußballstadien oder an Rennstrecken. Seit 2015 lebt sie mit ihrer Familie in Bayern.
Christina Pertl hat Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert, war als Journalistin tätig und arbeitet derzeit als freie Autorin an Romanen und Drehbüchern. Kein Land in Sicht ist ihr Debüt. Sie wurde 1982 in Graz (Österreich) geboren. Das Studium führte sie nach Wien und Schweden, die Arbeit als Sportjournalistin in Fußballstadien oder an Rennstrecken. Seit 2015 lebt sie mit ihrer Familie in Bayern.
Cover
Titelseite
Widmung
PROLOG
DONNERSTAG
FREITAG
SAMSTAG
SONNTAG
MONTAG
DIENSTAG
VIER WOCHEN SPÄTER
DANK
Über Christina Pertl
Impressum
----- SPÄTER AM NACHMITTAG -----
Nein.
Nein.
Und nochmals: Nein!
Erinnerungsverlust hin, Katerstimmung her, aber in einer Sache war sie sich sicher. Zu einhundert Prozent.
SIE HASSTE KREUZFAHRTEN.
Angewidert starrte sie auf den Prospekt, den sie auf dem kleinen Schreibtisch in der Kabine entdeckt hatte. »Willkommen auf Ihrer Traumreise 2023« lautete der Titel der Broschüre, die über das Schiff informierte: 16 Decks, 5000 Passagiere, 3000 Quadratmeter Wellness-Bereich, 15 Restaurants, Fitness, Casino, Kids Club, Kreativwerkstatt, Tattoo-Studio – sogar einen verdammten Streichelzoo gab es an Bord der Freedom of Spirit, auf der sie sich offensichtlich befand. Davon hatten die Meerschweine bestimmt ihr Leben lang geträumt – endlich einmal dem eigenen Namen gerecht werden. Sie warf die Broschüre wütend in den Müll. Die Abneigung gegen diesen Ort schien tief verwurzelt. Wenn sie bloß wüsste, warum.
Das Karussell aus Wut und Panik begann sich schneller zu drehen. Für einen kurzen Moment wurde ihr schwarz vor Augen. Ein lautes Rauschen in den Ohren. Grüß Gott, der Kreislauf! Lieber hinsetzen.
Das Bild eines leblosen Mädchenkörpers im Wasser tauchte auf, ein diffuser Erinnerungsfetzen, der ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Sie hatte sie gekannt. Gut gekannt. Mehr wusste sie nicht.
Hilflosigkeit und blanke Angst.
Sie schnappte nach Luft, fühlte noch einmal in sich hinein. Kam da noch etwas? Eine weitere Erinnerung? Irgendwas? Fehlanzeige. Sie sah sich um, suchte vergeblich nach einem Fenster. Dort an der Wand, wo man eines vermuten würde, hing zumindest ein Poster von einem Fenster mit Sonnenuntergang. Sehr witzig. Stephanie setzte sich auf das untere Bett und sackte in sich zusammen. Dabei hatte sie es gerade sogar geschafft zu duschen, ohne sich dabei zu übergeben. Nach der Begegnung mit Mayumi und der Erkenntnis, dass der Boden unter ihren Füßen nicht ohne Grund schwankte, musste sie die Kontrolle über sich selbst wiedererlangen. Oder es zumindest versuchen. Nun war sie zwar optisch ein neuer Mensch, die Fragen in ihrem Kopf blieben aber die alten.
Wer war sie?
Was machte sie hier?
Und – verdammt noch mal – wie war sie hier gelandet?
Sie fühlte sich wie in diesem Weltraumfilm gefangen, in dem Sandra Bullock allein und hoffnungslos durch das Universum kreiste. Komisch, dass sie sich gerade daran erinnerte.
Sandra Bullock: Ja, klar! Schauspielerin, Ende fünfzig, deutsche Wurzeln, Kumpeltyp.
Eigenes Spiegelbild: Frau mit Kater und widerspenstigem Haar. Weitere Infos: Fehlanzeige.
Ein leises Klopfen riss sie aus den trüben Gedanken.
Sie blickte fragend Richtung Tür, als hätte sie nicht damit gerechnet, dass dieses rechteckige Loch in der Wand tatsächlich irgendwo hinführte.
Noch einmal klopfte es.
Stephanie räusperte sich.
»Ja?« Ihre Stimme krächzte, machte aber schon besser mit als vorhin. »Wer ist da?«
»Ich bin’s. Komm, lass mich endlich rein. Hab die Karte vergessen.«
Langsam ging sie Richtung Tür. Die weibliche Stimme klang nicht bedrohlich. Ungeduldig ja, aber weniger nach Axtmörderin, als nach einer nervigen Schwester.
Ungeduldiges Pochen.
»Beeil dich! Sonst sieht mich noch jemand!«
Ihr Herz schlug schneller. Wer auch immer da vor ihrer Zimmertür stand, die Person schien sie zu kennen. Vielleicht konnte die Frau ihr sagen, was das hier alles sollte und wer genau sie eigentlich war.
Vorsichtig drückte sie die Klinke hinunter und konnte sich gerade noch rechtzeitig vor der Tür retten, die ruckartig aufgestoßen wurde.
»Na, endlich!«
Eine Blondine, Mitte zwanzig, drängte sich herein, und ihre Erscheinung warf neue Fragen auf.
Sie trug ein weiß-blaues Dirndl, geflochtene Zöpfe und gestrickte Strümpfe zu knallroten Lackpumps. Das Auffälligste war aber nicht das zünftige Outfit auf hoher See, sondern die Prosciutto-Haxe, die sie wie eine Trophäe mit beiden Händen über ihrem Kopf in die Luft stemmte.
»Da ist das Ding! Damit hast du nicht gerechnet, was?«
»Nein. Wirklich nicht.«
Eine Erinnerung formte sich in Stephanie Mayrhofers Bewusstsein: ein großes Bierzelt. Bunte Bänder, die von der Decke hängen. Gedränge und laute Musik. Klirrende Bierkrüge. Hüte, Lederhosen und wehende Dirndlschürzen. Zu viele große Menschen, die ihr Angst machten. Und dann endlich zwei starke Arme, die sie hochhoben.
Stephanie Mayrhofer versuchte ihren Gedanken weiter nachzuspüren, aber da kam nichts mehr.
Nun konnte sie nicht aufhören, auf den Schinken zu starren. Was zum Teufel war das hier für ein Theater? Und warum fing ihr Magen zu knurren an? Und wie sollten sie das Ding anschneiden ohne den passenden Säbel? Oder hatte sie den auch dabei? Sie lehnte sich zur Seite, um zu sehen, ob sich hinter dem Rücken der euphorischen Dame ein Messer befand, das am Dirndl baumelte. Es war keines zu sehen.
»Hättest du nicht gedacht, dass ich das wirklich mache, oder? Aber ich hab’s dir ja gesagt: Vor mir ist nichts sicher!«
Stephanie grub die Hände tief in die Taschen ihres Bademantels und zog die Schultern hoch. Sie war vollkommen ratlos und wusste nicht, welche Frage sie zuerst beantworten beziehungsweise stellen sollte. Immerhin hatte sie für einen Moment vergessen, dass sie sich auf einem Schiff befand.
»Was ist denn mit dir los?«
Der Blick der Schinken-Prinzessin wirkte verärgert. Es war offensichtlich, dass sie sich eine andere Reaktion erwartet hatte. Sie legte die Stirn in Falten und musterte ihr Gegenüber.
»Geht’s dir nicht gut? Siehst scheiße aus.«
»Danke.«
»War ein bisschen viel gestern. Aber es hat ja keiner gesagt, dass du den ganzen Schnaps allein trinken musst, du alte Rockerbraut!« Sie lachte lauthals über ihren Scherz. Als sie bemerkte, dass sie allein lachte, runzelte sie wieder die Stirn. »Spaßbremse. Betrunken hast du mir besser gefallen. Wenn ich das gewusst hätte …«
Sie sah sich suchend im beengten Zimmer nach einem Platz um, wo sie ihr Diebesgut ablegen konnte. Ohne Erfolg.
»Mensch, das war doch alles deine Idee: ›Lass uns etwas aus der Küche mopsen, etwas ganz Großes!‹« Sie äffte eine betrunkene Frauenstimme nach, während sie mit der Haxe in der Kabine herumwanderte.
Resigniert legte sie das große fettige Schweinebein auf das schmale Lack-Sideboard unter dem kleinen Flachbildschirm. Unzufrieden sah sie auf ihre Hände, die sie schließlich seufzend an ihrem Rock abwischte, bevor sie wieder kehrtmachte. Auf dem Weg Richtung Tür drehte sie sich noch mal um.
»Solltest dich beeilen! Tisch sieben wartet auf dich. Und vergiss nicht dein Düüürndl. Hollereidüliööööö!« Mit einem kleinen Knicks war sie aus der Kabine verschwunden. Ein lautes »Yeah« ertönte auf dem Flur, gefolgt von Gelächter. Die Dame war offenbar beliebt bei ihren Nachbarn.
»Aber …« Stephanie machte einen schnellen Schritt nach vorne. Nicht schnell genug. Die Tür fiel vor ihrer Nase ins Schloss. »… der Prosciutto …«
Der Geruch des Rohschinkens verursachte eine Kombination aus Hunger und Brechreiz. Lieber einen anderen Platz für die Delikatesse suchen.
Sie öffnete die Tür des Kleiderschranks, da müsste das Ding doch reinpassen. Sieh an! Da hing tatsächlich ein Dirndl. Das gleiche Modell, das ihre fröhliche Freundin getragen hatte. Partnerlook, wirklich? Sie wollte gerade nach dem karierten Rock greifen, als eine schwarze Lederjacke ihren Blick festhielt. Die würde ihr schon eher gefallen. Aus der rechten Tasche baumelte ein Schlüsselband mit einem Ausweis daran. Das Foto darauf war das Gleiche wie auf ihrem Personalausweis.
Darunter stand:
Stephanie Mayrhofer.
Team Animation.
Your Fun is my Job!
Ihr wurde wieder übel.
Nein!
Ganz bestimmt nicht!
Auf keinen Fall!
Irgendetwas musste in ihrem bisherigen Leben grob schiefgelaufen sein, sonst wäre sie nicht in dieser Situation. Offensichtlich wartete außerdem ein ganzer Tisch auf ihr Erscheinen, ein sehr unbehagliches Gefühl.
Zwanzig Minuten später stand ihr der Schock immer noch ins Gesicht geschrieben, als sie vor dem Spiegel mit der Schleife der Dirndlschürze kämpfte. Sie meinte sich zu erinnern, dass diese auf der rechten Seite getragen werden sollte, wenn man nicht angesprochen werden wollte. Und angesprochen werden wollte sie um keinen Preis.
Linke Seite gesprächsbereit, rechts vergiss es – sie war sich sicher. Warum kam ihr dieses ganze Trachten-Outfit bloß so vertraut vor?
Aber eigentlich sah sie gar nicht schlecht aus, musste sie nach einem prüfenden Blick in den Spiegel zugeben. Die überschminkten Augenringe und das Rouge auf den blassen Wangen erweckten glatt den Eindruck, als hätte sie sich im Griff. Ha!
Ob sie sich oft so kleidete? Auf ihrem Ausweis stand, dass sie in München wohnte, der Hauptstadt der Dirndl und Lederhosen. Trotzdem fühlte sie sich kostümiert. Viel lieber wäre sie in die ausgewaschenen...
Erscheint lt. Verlag | 7.10.2024 |
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Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Ermittlerin • Gedächtnisverlust • Geheimnis • Kreuzfahrt • Krimi • Krimi Reihe • Sarah Peters • Schiff • Spannung |
ISBN-10 | 3-455-01820-3 / 3455018203 |
ISBN-13 | 978-3-455-01820-2 / 9783455018202 |
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