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Wintersturm (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
288 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-28537-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wintersturm -  Ragnar Jónasson
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Der neue Thriller des isländischen Superstars und SPIEGEL-Nr. 1-Bestseller-Autors Ragnar Jónasson - erstmals auf Deutsch
Ein gnadenloser Schneesturm, ein mysteriöser Todesfall und eine Wahrheit, die einen düsteren Schatten auf die nördlichste Stadt Islands wirft. Ari Arason, Polizeiinspektor im beschaulichen Siglufjörður, freut sich auf seinen dreijährigen Sohn, der die meiste Zeit bei Aris Exfreundin in Schweden wohnt. Obwohl sich ein Unwetter ankündigt, wollen sie die Ostertage als Familie zu dritt verbringen. Doch ein rätselhafter Todesfall nimmt Ari unerwartet in Anspruch: Ein neunzehnjähriges Mädchen ist von einem Dach gestürzt, der letzte Eintrag in ihrem Tagebuch deutet darauf hin, dass es kein Unfall war. Ari ist hin- und hergerissen zwischen beruflicher Pflicht und dem Wunsch, bei seinem Sohn zu sein. Er unterschätzt dabei, die sich immer mehr zuspitzende Gefahr durch Schneeverwehungen. Der eisige Wintersturm schneidet Siglufjörður von der Außenwelt ab. Die Aufklärung des Falls wird für Ari lebensbedrohlich.

Ragnar Jónasson, 1976 in Reykjavík geboren, ist Mitglied der britischen Crime Writers' Association und Mitbegründer des »Iceland Noir«, dem internationalen isländischen Krimifestival. Seine Bücher, darunter die preisgekrönte »Hulda-Serie« sowie die »Dark-Iceland-Serie« werden in 21 Sprachen in über 30 Ländern veröffentlicht und weltweit gefeiert. Er lebt und arbeitet als Schriftsteller und Investmentbanker in der isländischen Hauptstadt und unterrichtet an der Universität außerdem Rechtswissenschaften.

2


Manchmal ging Ari nachts spazieren, im Sommer wie im Winter, und fühlte sich wie in eine Zauberwelt versetzt, wenn das Dorf in diese friedliche Stille getaucht war. Auch jetzt spürte er diese Stimmung. Aber nur für einen kurzen Moment, dann holte ihn die Realität wieder ein.

Die Anwesenden schienen darauf zu warten, dass er etwas sagte oder tat, nur die Ärztin vom örtlichen Krankenhaus hatte schon losgelegt und beugte sich über das Mädchen. Außerdem waren noch zwei Sanitäter vor Ort, und etwas abseits stand ein Mann zwischen dreißig und vierzig, in einer Daunenjacke, mit Vollbart und Mütze auf dem Kopf. Das musste besagter Guðjón sein.

Ari stand regungslos da, in dem unangenehmen Bewusstsein, dass nun er die Verantwortung trug. Seine Zeit als Polizeikommissar von Siglufjörður war bisher ruhig verlaufen, Gott sei Dank war er vor Derartigem verschont geblieben. Die Tage auf der Wache plätscherten meist entspannt dahin. Wenn es hoch kam, musste er sich um einen Betrunkenen kümmern, um ein Verkehrsdelikt oder kleinere Drogengeschichten. Und jetzt lag dieses junge Mädchen tot auf der Straße. Er sah sie an, dann wanderte sein Blick zu dem Haus, vor dem er stand.

Es handelte sich um ein dreistöckiges Haus mit Spitzdach. Im Erdgeschoss war ein Geschäft, und in der ersten und zweiten Etage befanden sich vermutlich Büros oder Wohnungen. Das Dach hatte eine Gaube, und es gab eine Dachterrasse. Sehr wahrscheinlich war das Mädchen von dieser Dachterrasse gestürzt, so furchtbar diese Vorstellung auch sein mochte.

Die Ärztin stand auf, eine junge Frau namens Baldvina, die seit dem Jahreswechsel am Krankenhaus von Siglufjörður arbeitete. Dort gab es einen regen Wechsel in der Ärzteschaft. Die meisten blieben nur kurz und bewarben sich dann an größeren Krankenhäusern oder gingen – wie Kristín – zurück an die Uni, um sich weiterzubilden. Baldvina war ein paar Jahre jünger als Ari, aber wie er sie bisher erlebt hatte, kam sie ihm sehr professionell und versiert vor.

»Tja, sie ist definitiv tot. Wahrscheinlich haben wir es mit einem Sturz aus beträchtlicher Höhe zu tun.« Sie sah in Richtung des Hauses und sprach aus, was Ari dachte: »Möglicherweise von dieser Dachterrasse. Aber das herauszufinden, überlasse ich natürlich Ihnen. Dürfen wir die Leiche bewegen?« Ari hatte ein beklommenes Gefühl im Bauch. Das war der erste tragische Todesfall in seiner Zeit als Leiter der Polizeiwache.

»Ähm, ja, lassen Sie mich nur …ähm, nur noch kurz ein paar Fotos machen und … Wir müssen den Bereich hier absperren, damit die Kollegen von der Spurensicherung ihre Arbeit machen können, wenn sie kommen …« Sie hatten gar keine andere Wahl, als die Leiche schnellstmöglich von der Straße zu entfernen. Dies war die Hauptgeschäftsstraße des Ortes, und bald brach der Morgen an. Außerdem konnten jederzeit neugierige Nachtschwärmer aufkreuzen, denen der Aufruhr sicher nicht entgangen war.

Ari machte ein paar Fotos mit seinem Handy und rief gleich danach Ögmundur an.

»Könntest du bitte in die Aðalgata kommen, jetzt sofort?«

Natürlich hatte Ari ihn geweckt. »Ja, ja, sicher«, stammelte er. Ögmundur war ein positiver Typ, vielleicht manchmal ein bisschen zu entspannt, aber die Arbeit hatte ihn bisher auch nicht wirklich gefordert. Der Winter war ausgenommen ruhig verlaufen, und Ari hatte seinen neuen Mitarbeiter geschont, damit er die Stadt kennenlernen und sich in seinem Tempo an die Kleinstadtstimmung gewöhnen konnte. Trotzdem hatte Ögmundur in der kurzen Zeit schon mehr Freunde in Siglufjörður gefunden als Ari in all den Jahren. Ögmundur gewann einfach schnell das Vertrauen anderer, was in ihrem Beruf natürlich half. Er war ein ehemaliger Fußballnationalspieler, oder wenigstens Junioren-Fußballnationalspieler, was für Ari kaum einen Unterschied machte. Jedenfalls kam Ögmundur über das Thema Fußball mit jedem ins Gespräch.

Ari schilderte ihm kurz die Ereignisse und ergänzte seine erste Einschätzung: »Wahrscheinlich ist das arme Mädchen von der Dachterrasse gestürzt. Die Frage ist, ob es ein Unfall war oder – tja, Selbstmord. Das müssen wir so schnell wie möglich herausfinden.«

Die Sanitäter hoben den Körper auf eine Trage und schoben ihn in den Krankenwagen. Zurück blieb die schaurige Blutlache auf dem Gehweg, das unangenehme Zeugnis dieser Tragödie. Der Schein einer Straßenlaterne fiel auf einen Teil des Schauplatzes und ließ das Rot heller leuchten, als man im nächtlichen Dunkel erwarten würde. Fast kam es Ari wie die Momentaufnahme einer Theaterbühne vor.

Er drehte sich zu dem Mann um, der die ganze Zeit still und mit gesenktem Blick im Hintergrund gewartet hatte.

»Hallo, sind Sie Guðjón?«

Der Mann nickte und nuschelte ein leises Ja.

»Ari ist mein Name, Polizeikommissar von Siglufjörður. Können Sie mir kurz schildern, was passiert ist? Sie waren es doch, der die Polizei informiert hat, oder?«

»Ja, ich … ich habe den Notruf gewählt, aber ich weiß nicht, was hier los ist. Echt keine Ahnung«, antwortete er ein wenig atemlos. Dabei strich er sich durch den Bart und blickte in alle Richtungen, nur nicht in Aris Augen.

Ari hielt es für am klügsten, keine weiteren Fragen zu stellen, sondern einfach abzuwarten. Seiner Erfahrung nach hatten Menschen, die unter Schock standen, das Bedürfnis, die Stille auszufüllen, indem sie redeten, erzählten. Was offenbar auch auf Guðjón zutraf.

»Also ich, ähm, ich habe sie da liegen sehen. Zuerst dachte ich, sie wäre vielleicht nur gestürzt, Sie wissen schon, gestolpert, und ich wollte ihr aufhelfen, aber dann habe ich … dann habe ich gesehen, dass sie tot ist. Da habe ich sofort den Notruf gewählt.«

»Haben Sie sie angefasst?«, fragte Ari nach einem kurzen Schweigen.

»Ich … ich weiß es nicht. Möglicherweise habe ich sie angestupst, aber es war ganz klar, dass sie tot ist.«

Ari nickte.

»Und haben Sie irgendjemanden gesehen?«

»Nein, überhaupt niemanden, ich war ganz allein. Ich war zu Tode erschrocken, als ich sie gefunden habe. Glauben Sie, sie ist da runtergesprungen …?«

»Darüber kann ich noch nichts sagen«, entgegnete Ari. Er sah den Mann an. »Es ist jetzt vier Uhr. Das heißt also, Sie waren hier um halb vier unterwegs. Ist das korrekt?«

»Ja, doch, das stimmt.«

»Warum?«

»Na, ich habe einen Spaziergang gemacht.«

»Mitten in der Nacht?« Ari klang nun schärfer.

»Ähm, ja, das Wetter war so schön … ist so schön, so klar, windstill, wissen Sie, die frische Meeresluft. Es gibt kaum etwas Schöneres als einen Spaziergang durch den Ort bei solchem Wetter.«

Ari war nicht überzeugt, obwohl er insgeheim zugeben musste, dass er genauso tickte, dass auch er gern nachts spazieren ging, um der Stille zu lauschen. Aber die verdammte Stille war so gerissen, dass sie sich nie wirklich packen ließ.

»Sie gehen also nicht nur am Tag, sondern auch nachts spazieren?«

»Ja, im Grunde bin ich nachts sogar lieber draußen, dann ist es noch ruhiger und friedlicher.«

»Wohnen Sie hier im Ort, Guðjón?«

Der Mann zögerte.

»Im Moment schon. Ich wohne in einer Künstlerwohnung, noch zwei Monate.«

»Hier in der Nähe?«

»Ja, am Meer, beim Schwimmbad.«

»Und sind Sie schon lange hier?«

»Seit dem Jahreswechsel«, antwortete Guðjón. Er schien sich in der nächtlichen Kälte zunehmend unwohl zu fühlen.

»Ah ja.« Ari wartete ab. »Welche Kunst denn?«

»Wie bitte?«

»Ich meine, mit welcher Kunst befassen Sie sich? Malerei? Musik?«

»Malerei, ja. Ich male, zeichne … Vielleicht haben Sie kürzlich meine Ausstellung gesehen, mit Zeichnungen von Siglufjörður.« Dann fügte er hinzu: »Eine Verkaufsausstellung.«

»Nein, die habe ich wohl verpasst. Kannten Sie sie?«

»Wen?«

»Das tote Mädchen.«

Guðjón erschrak. »Bitte? Nein, natürlich nicht. Ich habe keine Ahnung, wer sie ist … wer sie war. Warum glauben Sie, dass ich sie kannte? Ich bin doch gar nicht von hier.«

»Aber Sie sind sich sicher, dass sie von hier war?«

»Ich … ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun, keine Ahnung, was Sie da andeuten, ich habe einfach nur die Polizei gerufen. Ich habe dieses Mädchen noch nie zuvor gesehen.«

»Sie müssen doch zugeben, Guðjón, dass Ihr nächtliches Herumschleichen Fragen aufwirft.«

»Ich bin Künstler, verdammt«, sagte er, als könnte er damit alles Erklärungsbedürftige entschuldigen. Dabei atmete er so hektisch, dass seinen Worten jegliche Überzeugungskraft fehlte. »Ich laufe nachts durch die Stadt, um Inspiration zu finden. Dann kehre ich zurück und zeichne, und ich schlafe tagsüber. Sie können … Sie können gern mitkommen und sich meine Zeichnungen anschauen. Dann sehen Sie, dass ich die Wahrheit sage.«

»Vielleicht später, ich muss ohnehin im Laufe der Ermittlungen noch einmal mit Ihnen sprechen. Könnten Sie morgen auf die Wache kommen, oder vielmehr nachher? Wir müssen Ihre Aussage zu Protokoll nehmen.«

Guðjón zögerte.

»Ist das denn nötig? Ich habe nichts getan. Wenn ich ehrlich bin, gefällt es mir nicht, so herbeizitiert zu werden.« Dann fügte er atemlos hinzu: »Wo ich doch bloß meine bürgerliche Pflicht erfüllt und die Polizei informiert habe.«

»Hier ist ein junges Mädchen gestorben, womöglich noch ein Teenager. Wir werden nicht umhinkommen, Ihre Aussage zu protokollieren. Bei solchen Ermittlungen muss alles korrekt...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2024
Reihe/Serie Dark-Iceland-Reihe
Übersetzer Anika Wolff
Sprache deutsch
Original-Titel WINTERKILL (VETRARMEIN)
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • dark-iceland-reihe • eBooks • Hulda-Trilogie • Island • Islandkrimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Neuerscheinung • Spiegel-Bestseller-Autor • Thriller • Weltbestseller
ISBN-10 3-641-28537-2 / 3641285372
ISBN-13 978-3-641-28537-1 / 9783641285371
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