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Wüstenstern (eBook)

Ein Fall für Renée Ballard und Harry Bosch
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70527-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wüstenstern -  Michael Connelly
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Ein Jahr ist vergangen, seit Detective Renée Ballard den Dienst quittiert und die Late Show verlassen hat. Nun holt niemand Geringerer als der Polizeichef persönlich sie zurück zum LAPD - als Leiterin der neuen Einheit Offen­Ungelöst. Der Druck auf Ballard ist groß: Der Stadtrat, dem sie die Finanzierung der Abteilung zu verdanken hat, will Ergebnisse sehen. Seine Schwester wurde ermordet, der Fall nie geklärt. In Ballards Team aus Reservisten und Ehrenamtlichen darf einer nicht fehlen: Harry Bosch. Viel ist es nicht, womit Ballard ihren einstigen Kollegen locken kann: keine Waffe, keine Dienstmarke, aber ein eigener Schreibtisch - und stapelweise Akten. Doch Bosch verfolgt ohnehin seine eigenen Ziele. Zwar hat er in seiner dreißigjährigen Karriere mehr Morde aufgeklärt als die meisten anderen, aber ein cold case lässt ihn auch nach seiner Pensionierung nicht los: Finbar McShane hat eine vierköpfige Familie ausgelöscht und die Leichen in der Mojave-­Wüste verscharrt - was Bosch ihm aber nie beweisen konnte. Als Mitglied der neuen Abteilung für ungelöste Fälle, mit den Ressourcen des LAPD im Rücken und Renée Ballard an seiner Seite, will Bosch den Mörder endlich überführen.

Michael Connelly ist mit über 85 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene?e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.

Michael Connelly ist mit über 85 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Renée Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.

Teil 1 Die Bibliothek der verlorenen Seelen


1


Bosch hatte die Pillen auf dem Tisch aufgereiht, um sieeinzunehmen, und goss gerade Wasser in ein Glas, als die Türglocke ertönte. Er blieb sitzen und überlegte, ob er sie einfach ignorieren sollte. Er erwartete niemanden, und seine Tochter hatte einen Schlüssel und klingelte nie. Es konnte nur ein Vertreter oder ein Nachbar sein, und von den Nachbarn kannte er keinen mehr. Die Bewohner der Häuser in der Gegend schienen alle paar Jahre komplett ausgetauscht zu werden, und nachdem er schon über dreißig Jahre hier wohnte, hatte er aufgehört, bei den Neuen vorbeizuschauen und sie zu begrüßen. Lieber war er der übellaunige alte Ex-Cop, den die Leute in Ruhe ließen.

Das zweite Läuten wurde von einer Stimme begleitet, die seinen Namen rief. Einer Stimme, die er kannte.

»Harry, ich weiß, dass du da bist. Dein Wagen steht vor dem Haus.«

Er zog die Schublade unter der Tischplatte heraus. Sie enthielt Plastikbesteck, Servietten und Essstäbchen vom Lieferdienst. Er wischte die Pillen mit der Hand in die Schublade und schob sie wieder zu. Dann stand er auf und ging öffnen.

Renée Ballard stand vor der Tür. Bosch hatte sie fast ein Jahr nicht mehr gesehen. Sie wirkte schmaler, als er sie in Erinnerung hatte. Er konnte sehen, wo sich ihr Blazer über der Dienstwaffe an ihrer Hüfte wölbte.

»Harry«, sagte sie.

»Hast du dir die Haare geschnitten?«, fragte er.

»Ja, schon vor einer Weile.«

»Was willst du hier, Renée?«

Sie runzelte die Stirn, als ob sie mit einer herzlicheren Begrüßung gerechnet hätte. Doch so, wie letztes Jahr alles geendet hatte, konnte sich Bosch nicht vorstellen, warum das so sein sollte.

»Finbar«, sagte sie.

»Was?«, sagte er.

»Du weißt genau, wen ich meine. Finbar McShane.«

»Was ist mit ihm?«

»Er treibt sich immer noch da draußen rum. Irgendwo. Willst du mir helfen, ihn zu fassen, oder willst du weiter die beleidigte Leberwurst spielen?«

»Kannst du mir das vielleicht genauer erklären?«

»Wenn du mich mal reinlassen würdest, erzähle ich es dir.«

Nach kurzem Zögern machte Bosch einen Schritt zurück und hob widerstrebend den Arm, um sie nach drinnen zu winken.

Ballard betrat das Haus und stellte sich an den Tisch, an dem Bosch eben noch gesessen hatte.

»Keine Musik?«, fragte sie.

»Heute nicht«, sagte Bosch. »Und was ist jetzt mit McShane?«

Zum Zeichen, dass sie verstand, dass sie zur Sache kommen sollte, nickte sie.

»Sie haben mir die Leitung von Offen-Ungelöst übertragen, Harry.«

»Soviel ich mitbekommen habe, ist die Einheit längst aufgelöst. Weil sie es wichtiger fanden, mehr Uniformen durch die Stadt laufen zu lassen.«

»Da hast du durchaus richtig gehört, aber manchmal ändern sich die Dinge auch. Die Polizei gerät immer mehr unter Druck, kalte Fälle aufzuarbeiten. Du weißt doch, wer Jake Pearlman ist?«

»Der Stadtrat.«

»Er ist sogar dein Stadtrat. Seine kleine Schwester wurde ermordet. Ist schon lange her, aber die Sache wurde nie aufgeklärt. Er wurde in den Stadtrat gewählt und fand heraus, dass Offen-Ungelöst stillschweigend aufgelöst worden war und sich niemand mehr um die kalten Fälle kümmerte.«

»Und?«

»Ich habe Wind von der Sache bekommen und dem Captain einen Vorschlag gemacht: Ich höre bei der RHD auf und baue Offen-Ungelöst wieder auf – kalte Fälle aufarbeiten.«

»Ganz allein?«

»Nein. Deshalb bin ich hier. Im zehnten Stock sind sie einverstanden: ein vereidigter Officer – ich –, und der Rest der Einheit setzt sich aus Reservisten, Freiwilligen und Freiberuflern zusammen. Die Idee ist nicht von mir. Andere Abteilungen machen das schon einige Jahre so und fahren ziemlich gut damit. Ein bewährtes System. Drauf gebracht hat mich übrigens, was du in San Fernando gemacht hast.«

»Und jetzt möchtest du, dass ich bei dieser Truppe – oder wie du es nennen willst – einsteige. Als Reservisten nehmen sie mich nicht. Dafür fehlt es mir an den körperlichen Voraussetzungen. Eine Meile in unter zehn Minuten laufen? Kannst du vergessen.«

»Genau, deshalb müsstest du dich als Ehrenamtlicher melden, oder wir beschäftigen dich auf Honorarbasis. Ich habe alle Mordbücher zum Gallagher-Fall rausgesucht. Sechs Bücher für vier Morde – bestimmt mehr Material, als du mitgenommen hast. Du könntest dir McShane wieder vorknöpfen. Offiziell.«

Bosch dachte kurz nach. McShane hatte 2013 die gesamte Familie Gallagher ausgelöscht und alle in der Wüste verscharrt. Bosch hatte es aber nie beweisen können. Und dann war er in Pension gegangen. Er hatte nicht jeden Fall gelöst, den er in seinen fast dreißig Jahren bei verschiedenen Morddezernaten zugeteilt bekommen hatte. Das war bisher keinem Mordermittler gelungen. Aber hier ging es um eine ganze Familie. Es war der Fall, den er am allerwenigsten unaufgeklärt lassen wollte.

»Du weißt, ich bin beim LAPD nicht im Guten ausgeschieden«, sagte er. »Ich bin von selbst gegangen – bevor sie mich rausgeworfen haben. Und dann habe ich sie verklagt. Die nehmen mich garantiert nicht mehr.«

»Wenn du willst, kannst du sofort anfangen«, sagte Ballard. »Ich habe bereits alles geregelt, bevor ich hergekommen bin. Wir haben jetzt einen neuen Captain und neue Leute. Um ganz ehrlich zu sein, Harry, kaum jemand von uns kennt dich überhaupt. Du bist jetzt bereits – wie lange? – fünf Jahre nicht mehr dabei. Oder sind es schon sechs? Jedenfalls sind wir eine völlig andere Truppe.«

»Oben im zehnten Stock erinnern sie sich bestimmt noch an mich.«

Im zehnten Stock des Police Administration Building befanden sich die Büros des Polizeichefs und der meisten Commander des LAPD.

»Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber wir sind gar nicht im PAB untergebracht«, sagte Ballard. »Wir sind im neuen Mordfälle-Archiv draußen in Westchester. Das hält uns die Politik und neugierige Blicke vom Hals.«

Das ließ Bosch aufhorchen.

»Sechs Bücher?« Er dachte laut nach.

»Auf einem leeren Schreibtisch mit deinem Namensschild drauf«, sagte Ballard.

Als Bosch in Pension gegangen war, hatte er Kopien zahlreicher Dokumente mitgenommen. Die Chronologien und alle Protokolle, die er für besonders wichtig hielt. Er hatte seit seinem Ausscheiden bei der Polizei mit Unterbrechungen immer wieder am Gallagher-Fall gearbeitet, musste aber zugeben, dass er keinen Schritt weitergekommen war und Finbar McShane immer noch auf freiem Fuß war und vielleicht weiterhin sein Unwesen treiben konnte. Bosch hatte nie irgendwelche konkreten Beweise für seine Schuld gefunden, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er es gewesen sein musste. Ballards Angebot war verlockend.

»Ich komme also zurück und arbeite am Fall der Gallagher-Familie?«, fragte er.

»Ja, du arbeitest daran, das schon«, sagte Ballard. »Aber du musst auch andere Fälle übernehmen.«

»Einen Haken gibt es immer.«

»Ich muss Ergebnisse vorweisen. Ihnen zeigen, dass es falsch war, die Einheit aufzulösen. Der Gallagher-Fall ist natürlich mit einigem Aufwand verbunden – sechs Bücher, die durchgearbeitet werden müssen, keinerlei DNA-Spuren oder Fingerabdrücke, von denen wir wissen. Es ist ein Fall, der viel Klinkenputzen erfordert, was völlig okay ist, aber ich muss auch einige Fälle lösen, um die Wiedereinsetzung der Einheit zu rechtfertigen und ihren Fortbestand zu gewährleisten, damit du an einem Sechs-Bücher-Fall arbeiten kannst. Wäre das ein Problem für dich?«

Zuerst antwortete Bosch nicht. Er dachte daran, wie ihm Ballard vor einem Jahr in den Rücken gefallen war. Sie hatte aus Frust über Politik und Bürokratie, Frauenfeindlichkeit und alles mögliche andere bei der Polizei gekündigt, worauf sie beschlossen, gemeinsam als Privatermittler weiterzumachen. Doch dann hatte sie der Polizeichef mit dem Angebot geködert, sich ihre neue Stelle selbst aussuchen zu dürfen, und sie hatte ihre Entscheidung rückgängig gemacht und sich für die Robbery-Homicide Division in Downtown entschieden. Und damit hatte es sich gehabt mit ihrer geplanten Partnerschaft.

»Du weißt aber, dass ich mich bereits nach einem Büro umgesehen hatte«, sagte er. »Und ich hatte ein schönes in einem Haus hinter dem Hollywood Athletic Club in Aussicht.«

»Jetzt komm schon, Harry«, sagte Ballard. »Ich habe mich dafür entschuldigt, wie ich das damals geregelt habe, aber ganz unschuldig warst du daran auch nicht.«

»Ich? Jetzt hör aber mal.«

»Doch, du. Du warst derjenige, der mir gesagt hat, dass man eine Organisation von innen heraus besser verändern kann als von außen. Und dafür habe ich mich entschieden. Du kannst also gern weiter beleidigt sein, wenn du dich dann besser fühlst, aber ich habe nichts anderes gemacht, als das zu tun, wozu du mir geraten hast.«

Bosch schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht erinnern, ihr diesen Rat gegeben zu haben, aber er wusste, dass er grundsätzlich dahinterstand. Dasselbe hatte er auch seiner Tochter gesagt, als sie nach den jüngsten Protesten und dem...

Erscheint lt. Verlag 30.8.2024
Reihe/Serie Ein Fall für Renée Ballard
Übersetzer Sepp Leeb
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amerika • detective • Kalifornien • L. A. • LAPD • Los Angeles • Mojave-Wüste • Polizei • USA • Vierfachmord • Wüste
ISBN-10 3-311-70527-0 / 3311705270
ISBN-13 978-3-311-70527-7 / 9783311705277
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