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Um jeden Preis -  Maximilian Ferreira Cress,  Bernd Blaschke

Um jeden Preis (eBook)

Politthriller
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
Atrium Verlag AG Zürich
978-3-03792-242-2 (ISBN)
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Es ist ein erschreckender Verdacht, mit dem sich ein Kollege an die junge Journalistin Michelle wendet: Seine Recherchen zu einem Todesfall deuten darauf hin, dass es in der Hamburger Polizei ein rechtsextremes Netzwerk gibt. Er bittet Michelle um Mithilfe, doch sie ist skeptisch und hat zudem anderes im Kopf: Sie ist frisch verlobt und soll ein Buch über die einflussreichsten Frauen Deutschlands schreiben - ein Traumprojekt. Dann wird Hamza niedergeschossen, und Michelle ist erschüttert. Was, wenn er recht hatte? Sie beginnt zu recherchieren und stößt schon bald auf Hinweise, die alles hinterfragen, worauf sie ihr makelloses Leben aufgebaut hat ...

Maximilian Ferreira Cress ist Autor, Regisseur und Journalist. Das wiederkehrende Thema seiner Arbeiten sind Strukturen, wie die Beschaffenheit der Polizei in Deutschland, dem Kosovo als von außen erzwungenem Staat oder dem Leben der Kurden im Irak.

Maximilian Ferreira Cress ist Autor, Regisseur und Journalist. Das wiederkehrende Thema seiner Arbeiten sind Strukturen, wie die Beschaffenheit der Polizei in Deutschland, dem Kosovo als von außen erzwungenem Staat oder dem Leben der Kurden im Irak. Bernd Blaschke arbeitete nach einer Ausbildung als Theaterregisseur mehrere Jahre bei Film und Fernsehen, bevor er Drehbuchautor und Headwriter wurde. Er lehrt an verschiedenen Hochschulen als Dozent für Dramaturgie, Creative Writing und Storytelling für Video-Games. 

Der Blick durch die große Glasfront des Konferenzsaals der Reederei Doorben auf das Hafengelände ist gigantisch. Auf die geschmackvolle Renovierung des alten Backsteingebäudes ist Ursula Doorben sehr stolz, was sie gern erzählt. Dass die alten Holzdielen auf die jahrhundertealte Tradition der Reederei Doorben verweisen, während die neuen, großen Glasfronten ihre Weitsicht und einen klaren Blick in die Zukunft repräsentieren. Abgerundet wird alles durch die Einrichtung, die den Besuchern den Erfolg des Unternehmens deutlich macht. Teuer, aber mit der Hamburger Zurückhaltung, die die Familie Doorben und ihre Reederei seit 1840 mit geprägt hat.

Michelle friert und schwitzt zugleich, während sie die Journalisten beobachtet, die sich nach und nach im Raum versammeln, denn auch wenn Ursula Doorben dort vorne am Rednerpult steht, ist es Michelles Arbeit, die sie vorstellen wird.

 

Vor knapp einem Jahr hatte Michelle einen außergewöhnlichen Anruf erhalten. Ursula Doorben hatte sie von ihrem Assistenten anrufen lassen, und das allein hatte Michelle zum Schmunzeln gebracht. In jedem öffentlichen Auftritt betonte die Reederin, dass sie keine Feministin sei. Sie benahm sich auch tatsächlich wie die weibliche Variante des alten weißen Mannes. Konsequenterweise hatte sie ihre Sekretariatsstelle dementsprechend mit einem jungen, gut aussehenden Mann besetzt. Michelle musste sich auf die Zunge beißen bei der Vorstellung, wie die Matriarchin ihrem Sekretär eine Kleidungsvorschrift erteilte.

Der Assistent hatte ihr dann drei Terminvorschläge gemacht, wollte sich jedoch nicht zu dem Grund des Treffens äußern.

Als Michelle an der genannten Adresse ankam, war sie beeindruckt. Es war die Adresse der Privatvilla von Ursula Doorben und keine Geschäftsadresse. Von der Straße aus war die Villa nicht zu sehen. Hinter dem mehrere Meter hohen Zaun aus spitzen Stahllanzen lag ein weitläufiger Park. An dem imposanten Tor gab es eine unscheinbare Klingel. Kein Namensschild.

Auf Michelles Klingeln ging das große Tor langsam auf. Michelle ging vorbei an dem Häuschen des Sicherheitsdienstes, den weiß gekiesten Weg entlang, hoch zur mächtigen weißen Villa. Das Gefühl von Minderwertigkeit stieg in Michelle auf. Dieser Weg war für große Limousinen gemacht und nicht für kleine linke Journalistinnen, die nicht einmal ein Auto besaßen.

Obwohl es abzusehen war, irritierte es Michelle, dass ihr ein Mann in Anzug die Tür öffnete und nicht Ursula Doorben selbst. Mit dem Klassiker »Sie werden schon erwartet« führte sie der Butler durch das große, leere und laut hallende Foyer und einen Gang entlang.

Michelle hatte ein wenig im Internet recherchiert. Das Gebäude war 1870 von der Familie Doorben gebaut worden. So leben also Dynastien. Überraschenderweise gefiel die Einrichtung Michelle. Keine Kronleuchter, sondern ein zurückhaltendes, modernes Design.

Sie gelangten in einen großen, hellen Raum mit schwarzen Thonet-Sesseln und einem Marmortisch. Es war ein Empfangszimmer, ohne persönliche Gegenstände. Ursula Doorben, Ende fünfzig, schlank, in einem dunkelgrauen Hosenanzug und mit perfekt geföhnten, schulterlangen blonden Haaren, kam auf Michelle zu und begrüßte sie mit einem präzisen Händedruck. Sie verzichtete auf den obligatorischen Small Talk und bat Michelle, Platz zu nehmen. Sie bot ihr Kaffee an und schob ihr als Erstes eine Verschwiegenheitserklärung zu.

Michelle ärgerte sich, etwas unterschreiben zu sollen, ohne dass man ihr sagte, worum es ging, und sie äußerte auch ihren Unmut, doch Ursula Doorben reagierte nicht darauf. Sie wartete einfach, bis Michelle unterschrieben hatte, lehnte sich dann zurück und begann ihre Ausführungen sachlich lächelnd.

»Unangenehme Dinge erledigt man als Erstes. Deshalb möchte ich auch gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich weiß nicht, wie firm Sie mit den sozialen Netzwerken sind … Meine Tochter jedenfalls nutzt sie recht exzessiv, und es scheint dann doch eine erhebliche Zahl an Menschen zu geben, die ihr dabei zusehen. Ich habe dem nie größere Bedeutung zugemessen, auch wenn wir als Familie eigentlich eher ein zurückgezogenes Leben führen. Nun aber hat Bella, Annabelle, mich dazu gezwungen, ihren Tätigkeiten mehr Aufmerksamkeit zu schenken …«

»Die Nazi-Geschichte.«

Schon während sie das sagte, wurde Michelle klar, dass man Ursula Doorben nicht unterbricht, selbst wenn es das Gespräch deutlich abgekürzt hätte. Sie machte also eine entschuldigende Handbewegung und ließ Ursula Doorben die gesamte Geschichte erzählen. Die Kurzfassung war, dass Annabelle Doorben behauptet hatte, dass ihr Urgroßvater kein Nazi gewesen sei, woraufhin es einen Aufschrei im Netz gab und es zu Diskussionen über die Vergangenheit der Doorbens kam.

Das alles wäre Ursula Doorben völlig egal gewesen, wenn nicht dadurch einige wenige, aber doch sehr wichtige Kunden angefangen hätten, anderen Reedereien ihre Aufträge zu geben. Ursula entging durch Bellas Schnitzer viel Geld, und das ärgerte sie maßlos. Deshalb war sie auf die Idee gekommen, das Thema offensiv anzugehen. Sie wollte eine Chronik der Reederei, die selbstverständlich auch eine Chronik der Familie bedeutete. Eine ehrliche und radikale Aufklärung der Vergangenheit der Reederei Doorben. Und diese sollte Michelle schreiben.

Das war dann doch eine überraschende Wendung für Michelle, so überraschend, dass sie laut lachen musste.

»Warum ich?«

»Weil Sie eine integre Journalistin sind.«

»Das ehrt mich sehr, auch wenn ich nicht weiß, wie Sie zu Ihrem Urteil kommen. Doch um ehrlich zu sein: Ich habe keine Ahnung von Reedereien. Ich habe keine Ahnung von Chroniken, und ich arbeite für Zeitungen, nicht für Unternehmen.«

»Das ist genau der Punkt. Sie machen so was nicht. Sie sind objektiv unabhängig. Nur so hat die Chronik einen Wert.«

Zum Ende ihres Gesprächs verabschiedete sich Michelle mit einem klaren Nein, doch Ursula Doorben reichte ihr nur die Hand und sagte, dass sie mit einer verbindlichen Aussage innerhalb einer Woche rechnete.

Tatsächlich musste Michelle mit jedem Tag, der verging, mehr an die feste Vergütung denken. Sie war eine gute Journalistin, doch es fiel ihr schwer, ihre Themen bei den Zeitungen unterzubringen. Eine linke, unternehmenskritische Journalistin mit Haltung wollten wenige Zeitungen, und sie wollte auch nicht einfach nur für Gleichgesinnte schreiben, sondern Menschen überzeugen. Ein Arbeitsethos, das viel Kraft kostet. Zudem hatte sie sich viel mit ihren engsten Kollegen beraten, und alle waren der Meinung, dass man die Chance nutzen musste, so nah an eine derart verschwiegene Milliardärsfamilie zu kommen. Zu guter Letzt nahm sie den Auftrag an.

 

Michelle musste sich nun mit Schiffsrouten, Schiffsladungen und Zahlungsbedingungen rumschlagen. Natürlich hatten die Doorbens am Zweiten Weltkrieg profitiert. So wie fast alle großen deutschen Unternehmen. Es gab Bilder der Doorbens mit Hitler, mit Goebbels, mit all den Nazi-Größen. Ein Vermögen, das auf Zwangsarbeit und dem Transport von Kriegsgerät fußt. Michelle hatte das nicht sonderlich gewundert, auch wenn es natürlich widerlich war.

Schließlich recherchierte Michelle auch zur Firmengründung. Dabei fiel ihr auf, dass am Tag nach der Gründung Zahlungen eingegangen waren, Zahlungen für Transporte, die zeitlich vor der Gründung lagen. Da hatte Michelle noch etwas weiter gegraben, war noch weiter in die Vergangenheit vorgedrungen.

 

Ein kurzes Klopfen von Ursula auf das Mikrofon reißt Michelle aus ihren Gedanken. Ursula lächelt breit, dann beginnt sie zu sprechen.

»Vielen Dank, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Was wir Ihnen heute vorstellen wollen, klingt erst einmal nach nicht viel. Es ist die Chronik der Reederei Doorben, die gleichzeitig auch die Chronik meiner Familie ist. Sie erinnern sich bestimmt alle an die von meiner Tochter ausgelöste Debatte über unsere Position im Dritten Reich. Als diese aufkam, wollte ich nicht mit Halbwissen glänzen, wie so viele heutzutage, sondern habe mich dazu entschlossen, diese Chronik schreiben zu lassen. Eine wirkliche Aufarbeitung der Geschichte meiner Familie. Wir konnten die großartige und vor allem unbestechliche Michelle van der Maur für dieses Projekt gewinnen, die sich akribisch mit jedem noch so kleinen Detail auseinandergesetzt hat.«

Ein Teil des Publikums klatscht. Michelle sieht sich um. Es sind Mitarbeiter der Reederei. Es fühlt sich falsch an. Inszeniert. Niemand applaudiert auf Pressekonferenzen.

»Sie konnte einen Teil unserer Firmengeschichte rekonstruieren, der mich ebenso beschämt wie der Profit unseres Unternehmens während der NS-Zeit. Die erste Handelsfirma unter Leitung der Familie Doorben, die Deutsch-Westafrika Transportgesellschaft, hat große Gewinne gemacht bei der Niederschlagung der Aufstände der Herero und Nama. Einem militärischen Akt, den man heute als Völkermord bezeichnen könnte. Als deutsches Traditionsunternehmen sind wir uns bewusst, dass wir die Verantwortung haben, uns mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wie Sie alle wissen, engagiert sich das Unternehmen Doorben schon seit langer Zeit auf dem afrikanischen Kontinent. Nach den Erkenntnissen durch Frau van der Maur sind wir zu...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Deutsche Kolonialgeschichte • Hamburg • Journalismus • Machtstruktur • Politthriller • Polizeigewalt • Radikalisierung • Rechte Netzwerke • Reederei • Verschwörungsthriller
ISBN-10 3-03792-242-7 / 3037922427
ISBN-13 978-3-03792-242-2 / 9783037922422
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