Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Ein Haus und seine Hüter (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
372 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3660-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Haus und seine Hüter - Ivy Compton-Burnett
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
(CHF 16,60)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

»Wahnsinnig lustig und erschütternd ... wie Jane Austen auf Droge.« Harper's Magazine.

Ein Weihnachtstag im Haus der viktorianischen Familie Edgeworth 1885. Der Patriarch Duncan lässt keinen Zweifel daran, dass er der Herr im Haus ist, gegenüber seiner Familie verhält er sich anmaßend und tyrannisch. Als seine Frau stirbt, wird sie kurzerhand durch eine andere ersetzt, kaum älter als seine Töchter. Von dem Moment an, in dem die erste Teetasse umgestoßen wird, braut sich ein Sturm zusammen.

Ivy Compton-Burnett entwirft eine Welt, in der unablässig die Tugend beschworen und bewundert und im selben Moment verhöhnt wird. Stets trägt das Laster den Sieg davon. Dabei liest sich dieser schräge Roman unterhaltsam-komisch und tragisch zugleich.

Mit einem Vorwort von Hilary Mantel.



Ivy Compton-Burnett (1884-1969) behauptete, sie hätte ein so ereignisarmes Leben gehabt, dass es darüber kaum etwas zu sagen gäbe. Sie wuchs als siebtes von dreizehn Kindern in Richmond/London und Hove (West-Sussex) auf. Ihr Lieblingsbruder ist früh gestorben, und zwei jüngere Schwestern nahmen sich mit einem verabredeten Doppelselbstmord das Leben. Keine ihrer Schwestern sollte jemals heiraten. Sie selbst lebte ab 1919 mit der Decorative-Arts-Expertin Margaret Jourdain zusammen. Nach deren Tod wurde Madge Garland ihre Lebensgefährtin. Im Laufe ihres Lebens verfasste Ivy Compton-Burnett zwanzig Romane und gilt heute als eine der originellsten und am meisten bewunderten englischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.

Vorwort


von Hilary Mantel

Dies ist die heiterste Geschichte über menschliche Verderbtheit, die Sie je lesen werden. Sie setzt am Weihnachtstag des Jahres 1885 ein: Es ist Zeit für das Frühstück, und der Patriarch, der bereits die Geschenke für seine Kinder vorbereitet hat, wetzt seine Messer. Als seine Frau feststellt, dass die Kinder zu spät herunterkommen, antwortet Duncan Edgeworth nicht. Auch weitere unverfängliche Konversationsversuche nimmt er nur schweigend zur Kenntnis. Stattdessen »steckte er den Finger in den Kragen und rückte seinen Hals zurecht«.

Oh, Ellen, möchte man rufen, wirf eine Teetasse nach ihm! Das kann sie natürlich nicht. Wie schon Thukydides sagte: Die Starken tun, was sie können, die Schwachen ertragen, was sie müssen. Zum Ende des Frühstücks hat Grant, der Neffe des Hauses, sein bestes Geschenk schon wieder verloren – ein Buch, das sein Onkel in den Kamin geworfen hat.

Vermutlich handelt es sich um Darwins Über die Entstehung der Arten oder ein anderes Werk derselben Schule: Nicht neu, aber Grant kennt es nicht. Dabei könnte es erhellend für ihn sein. Ivy Compton-Burnett erkundet mit Vorliebe die langsamen Prozesse der Vererbung – wie familiäre Besonderheiten in Physiognomie und Körperbau wiederkehren, vor allem auch, wie Eigenarten und Zerwürfnisse von den dominanten alten an die jugendlichen, schwächeren Mitglieder einer Familie weitergereicht werden, die dann selbst entweder zu Märtyrern oder zu Tyrannen werden. Der Schein des Äußeren trügt nicht. Grants »lebhafte mandelförmige Augen«, sein »glattes schwarzes Haar« zeichnen ihn als Charmeur aus, der sich mit den Dienstmädchen einlässt. Die hübsche, aber farblose Sibyl ist ein Wohnzimmer-Machiavelli. Ihre größere und schlankere ältere Schwester Nance, deren Züge »ein wenig schief im Gesicht standen«, ist die – dringend benötigte – moralische Instanz der Familie. Hinter Duncans polterndem Auftreten verbirgt sich, wie Grant selbst bemerkt, ein schwacher Mensch, eher gehässig als souverän. Aber über das grundlegende Verhältnis von Eltern und Kindern bestehen keine Zweifel. Eltern stehen, wie Duncan sagt, schlicht »über ihnen«, und in diesem pfennigfuchsenden Haushalt – der, wie Ivy bemerkt, ausschließlich von »weiblichem Personal« geführt wird – ist es der Vater, der die alleinige wirtschaftliche Macht hat. Duncan, der keinen direkten Erben hat, ist bereit, die Besitztümer an Grant zu übergeben – aber wie so viele von Ivys Protagonisten sabotiert sich Grant selbst, er tut alles, um seine Aussichten zu trüben.

Ivy Compton-Burnett, geboren 1884, verortete ihre Geschichten in der Welt ihrer eigenen Kindheit. Da es ihr um zeitlose Leidenschaften ging – Habgier, Wollust, Machthunger –, hielt sie es für unnötig, ihre Leser mit wechselnden Moden in Kleidung und Inneneinrichtung zu plagen. Sie stammte, anders als ihre Figuren, aus dem bürgerlichen Mittelstand, ihr Vater war ein Arzt, der zweimal geheiratet und zwei Familien mit insgesamt zwölf Kindern gegründet hatte. Der Erste Weltkrieg »zerschlug« diese Familien, wie sie sagte. Zwei ihrer Brüder starben früh, einer fiel in der Schlacht an der Somme. Zwei Schwestern vergifteten sich bei einem bizarren Doppelsuizid. Ivy selbst wurde Opfer der Spanischen Grippe und zog sich eine Lungenentzündung zu. Da es noch keine Antibiotika gab, »rang man etwa einen Monat lang um Atem«, wie sie schrieb. Auch danach blieb sie schwach und litt unter Depressionen. Nach einem Erstlingswerk, Dolores, von dem sie sich später distanzierte, schrieb sie lange nichts, bis sie 1925 den Roman Pastors and Masters veröffentlichte, der im New Statesman als »völlig neu und völlig anders« gelobt wurde.

Dieses schmale, scharfsinnige, lustige Buch war das erste in einer ununterbrochenen Reihe von neunzehn Romanen, die immer stimmiger und kraftvoller wurden, zugleich aber »den Gefahren einer allzu großen Leserschaft nicht ausgesetzt« waren, wie ihre Freunde sagten. Ihr britischer Verleger schien ihre Arbeit nicht zu verstehen oder zu schätzen und unternahm nur wenig, um sie zu fördern. Trotzdem kann es sein, dass sie unter ihren Zeitgenossen diejenige ist, die am längsten gelesen werden wird, und zwar genau deshalb, weil sie den Datumsstempel derart fest aufgedrückt hat, dass jegliche Kritik, ihre Romane könnten schnell veralten, von vornherein ins Leere laufen muss. Sie wird immer eine Außenseiterin bleiben, eine wunderliche Figur, die ihrer Leserschaft nur wenige der Verständnishilfen anbietet, die sie üblicherweise erwartet. Wer aber bereit ist, sich auf ihren eigenwilligen Klangraum einzulassen, wird ihre Stimme als erfrischend und überzeugend empfinden. Manchmal liest man, schüttelt sich und fragt: Kann das sein? Sagt sie das gerade wirklich? In seinem Buch The Novels of I. Compton-Burnett von 1955 beschreibt Robert Liddell den Unmut des Lesers, der die Autorin neu entdeckt: »Bei meiner ersten Begegnung mit Miss Compton-Burnetts Werk, als ich Ein Haus und seine Hüter las, fragte ich mich einige Seiten lang besorgt, ob sie überhaupt schreiben könne, bis mir klar wurde, dass sie besser schrieb als jede andere lebende Autorin.«

Ivys Lebensgeschichte wird in einer zweibändigen Biographie von Hilary Spurling erzählt: Auf Ivy When Young folgt Secrets of a Woman’s Heart, das die Zeit von 1920 bis zu ihrem Tod im Jahr 1969 abdeckt. Ihre frühen Jahre waren von Leid geprägt. Die Ereignisse ihres weiteren Lebens waren eher intellektueller Natur, auch wenn sie die meisten bedeutenden Autoren und Autorinnen ihrer Zeit kannte und mit kühlem Blick las. Sie lebte in bescheidenem Wohlstand in London, wo sie viele Jahre lang mit der Antiquarin Margaret Jourdain zusammenwohnte. Sie schrieb mit der Hand in linierte Schulhefte und schuf, unbeirrt von der Kritik und unberührt von äußeren Anlässen, ein singuläres, in Art, Stil und Thematik zusammenhängendes Werk. Es ist, als hätte sie ihrer eigenen inneren Musik gelauscht. Möglicherweise war ihr genug widerfahren, dass sie überzeugt war, die menschliche Natur zu kennen und zu wissen, wozu der Mensch fähig ist. Es gab keinen Anlass, ihr Leben aufregender zu machen, als es war. Der Weg, den sie als Schriftstellerin ging, war der einer Zeugin.

Ihre Romane spielen in abgeschlossenen Gesellschaften – in Internaten oder den Kinderstuben, Wohn- und Esszimmern verwitterter Landsitze, in denen mehrere Generationen einer Familie, belauscht von den Nachbarn und bedient von einer ganzen Horde von Köchen, Butlern, Stiefelputzern und Gärtnern, Urdramen auf‌führen und erleben. Boshaftigkeit wird in diesen vornehmen Familien nur selten bestraft – meist wird sie nicht einmal benannt. Die Schuldigen gedeihen, um weitere, schwerere Sünden zu begehen. Wenn jemand eine Schreibtischschublade abschließt, kann man davon ausgehen, dass sie später aufgebrochen wird. Ein einfaches Gesellschaftsspiel enthüllt das Unaussprechliche, das auf einen Zettel gekritzelt ist. Gehässigkeit und Geldknappheit führen dazu, dass das Leben schwer und unbehaglich ist. Wenn eine Person nach Hause kommt und im Kamin ein wärmendes Feuer vorfindet, dann nur, weil jemand gerade ein Testament verbrennt.

Fasst man die Handlung zusammen, wirkt Ein Haus und seine Hüter unplausibel und melodramatisch, ein Vorwurf, der alle Romane dieser Autorin auf gleiche Weise treffen könnte. Doch Ivy sah es nicht so. Der Journalistin Kay Dick gegenüber äußerte sie sich folgendermaßen: »Ich glaube, dass wesentlich mehr Übeltaten begangen werden, als den meisten Menschen bekannt ist.« An anderer Stelle im selben Interview sagt sie: »Die Menschen neigen dazu, sich nicht von der besten Seite zu zeigen, wenn sie in Versuchung geraten. Meistens verhalten sie sich so schlecht, wie sie nur können, nicht wahr?« Und sie fügte hinzu: »Immerhin nicht schlechter, als ich erwarten würde.«

Im vierten Kapitel des Romans ist es Ellen, die nicht zum Frühstück erscheint, ein Umstand, den ihr Ehemann kaum zu entschuldigen bereit ist, obwohl sie, wie sich bald herausstellen wird, im Sterben liegt. Der Arzt des Ortes hat zwar erwähnt, dass sich ihr Zustand verschlechtert hat, doch Duncan, der alles hasst, was mit Krankheit zu tun hat, hat dem keine größere Bedeutung beigemessen. Seine Trauer ist kompliziert und zersetzend. Wenn Tyrannen Reue zeigen, sorgen sie dafür, nicht allein zu leiden. Es vergehen nur wenige Monate, bis Duncan, zur Entrüstung der gesamten...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2024
Reihe/Serie Die Andere Bibliothek
Mitarbeit Designer: Léon Giogoli
Übersetzer Gregor Hens
Vorwort Hilary Mantel
Sprache deutsch
Original-Titel A House And Its Head
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Dialogroman • Die Andere Bibliothek • Experimentell • Familiendrama • Hilary Mantel • Jane Austen • John Waters • Kultautorin • LGBTQ • Susan Sontag • viktorianisch • Weltliteratur
ISBN-10 3-8412-3660-X / 384123660X
ISBN-13 978-3-8412-3660-9 / 9783841236609
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 715 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Iris Wolff

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
CHF 18,55