Der Krimi Jahresband 2024: 8 Romane im Bundle (eBook)
1000 Seiten
Alfredbooks (Verlag)
978-3-7452-3856-3 (ISBN)
Bount Reiniger und die Mädchenfalle Manhattan
Bount Reiniger und die Mädchenfalle Manhattan
Die Pornogangster lassen sie zuschnappen, doch Bount Reiniger findet den passenden Nachschlüssel
von Earl Warren
1.
Die Oben-ohne-Lady besaß das Gefühlsleben einer Registrierkasse. Doch jedermann im ›Pussycat House‹ glaubte ihr aufs Wort, wenn ihr Hyänenblick einen neuen Gast taxiert und eingeordnet hatte.
»Der Bursche ist ein typisches Landei«, stellt die Barmaid jetzt leidenschaftslos fest.
Dem strohblonden Hünen im zu engen schwarzen Anzug mit den schwieligen Händen war der Farmerjob freilich auch so unschwer anzusehen. Der Bursche begann eben damit, die solide Barverkleidung mit den bloßen Fäusten zu bearbeiten.
»Wo steckt Ivy, verdammt?«, schrie er dabei. »Los, raus mit der Sprache, sonst schlag ich den ganzen Laden zu Klump!«
Sechs Zuhälter quollen aus dem Hinterzimmer, jeder das Stilett stilvoll unter der Jacke verborgen.
Ihnen folgte Hammer Joe, ein abgehalfterter Boxchampion und derzeit Rausschmeißer des Etablissements. »Junge, du bist entschieden zu hitzig«, knurrte er.
Der Farmer stand ohne Deckung da.
Hammer-Joe drosch die Rechte nach ihm. Er traf nur Luft, taumelte nach vorn. Dann trafen zwei echte Hammerschläge den Times-Square-Schläger.
Hammer-Joe ging in die Knie und hielt sich die alkoholgeschädigte Leber. Die Zuhälter staunten.
Der Farmer hatte sich blitzschnell bewegt, er verfügte über Reflexe wie ein Weltmeister.
»Ich will keinen Streit«, sagte er und strich eine blonde Strähne aus der Stirn. »Ich suche nur Ivy Cornfeld.«
Der Geschäftsführer kam. Er ließ sich erst gar nicht auf Diskussionen ein.
Die Bardamen kreischten Zeter und Mord. Sie wollten Blut sehen. Eigentlich hassten sie die Männer, und wenn einer zusammengeschlagen wurde, freute sie das.
»Auf ihn!«, befahl der Geschäftsführer und streifte über jede Faust einen Schlagring.
»Den Lumpenhund richten wir so zu, dass er seine Selbstgedrehten nur noch über eine synthetische Lunge rauchen kann! Brecht ihm die Knochen!«
Die Zuhälter griffen an. In der Überzahl fühlten sie sich stark. Skrupel oder Hemmungen kannte keiner von ihnen. Ein einzelner Gegner war für sie ein gefundenes Fressen.
Doch bei dem Farmer gerieten sie an den Falschen. Er warf ihnen Barhocker entgegen und schlug knallhart zu. Der Geschäftsführer flog durch die halbe Bar bis vor an die Bühne, wo das Mädchen zu strippen aufgehört hatte.
Benommen blieb er liegen. Doch nicht lange: Der Farmer, zerrauft und mit zerrissenen Kleidern, wütend und keineswegs angeschlagen, stemmte ihn einhändig empor.
Er schüttelte den Geschäftsführer.
»Wo ist Ivy, gottverdammter Lump? Ich will Ivy hier rausholen. Sie soll heim zu mir nach Wisconsin kommen. Sag mir, wo Ivy ist!«
»Ich weiß nicht, wen du meinst«, ächzte der Geschäftsführer. »Ich ... kenne keine Ivy Cornfeld.«
»Du lügst!«
Der Farmer schickte sich an, den anderen durch die Mangel zu drehen.
Da hörte er die Stimme: »Halt! Lass ihn los!«
Der Farmer drehte sich um. Hammer-Joe hatte sich einen Revolver geholt. Auch zwei Zuhälter hatten ihre Schießeisen gezogen.
Die Barbesucher hielten sich zurück, die Flittchen sowieso. Von den Bargästen wäre es keinem eingefallen, die Polizei zu rufen. Sie gehörten entweder selbst zum Milieu oder wollten keine Schwierigkeiten.
Der Farmer warf den Bewaffneten ihren Boss entgegen. Doch diesmal hatte er Pech. Hammer-Joe wich aus. Der Geschäftsführer riss einen Tisch und mehrere Stühle um und blieb in den Trümmern liegen.
Das nutzte dem Farmer nichts, der immer noch vor drei Waffenläufen stand. Hammer-Joe hob seinen Colt Python und spannte den Hammer des Schießeisens. Er grinste tückisch.
»Jetzt werde ich dir mal was zeigen, du Kraftprotz!«, knurrte er ihn an.
Der Farmer wusste, dass er keine Chance hatte. Und dass er einem Mörder gegenüberstand, der primitiv genug war, sogar vor Zeugen auf ihn zu schießen. Jahrelange Sauferei hatte Hammer-Joe sein bisschen Verstand geraubt.
»Ivy«, flüsterte der Farmer erneut.
Da krachte ein Schuss. Der schwere Colt wirbelte aus Hammer-Joes Faust. Zwei weitere Schüsse folgten, und auch die beiden Pimps standen entwaffnet da. Sie jammerten und hielten sich wie Hammer-Joe die geprellte Schusshand.
In der Tür der Bar stand ein großer, braungebrannter Mann mit markantem Gesicht. Er war elegant, jedoch nicht auffällig gekleidet.
Lässig senkte er die rauchende Automatic.
»Bount Reiniger, Privatdetektiv«, stellte er sich überaus höflich vor. »Ich mag nicht, wenn in meiner Gegenwart Wehrlose umgebracht werden.«
Er wandte sich an eine Bardame:
»Du rufst sofort das Überfallkommando. Ihr anderen rührt euch nicht von der Stelle.« Er wandte sich an den blonden Hünen. »Da hast du noch mal Glück gehabt, Farmer.«
»Ich suche Ivy«, erklärte der Farmer.
Er hatte den Schock, so knapp dem Tod entronnen zu sein, noch nicht überwunden.
»Die suche ich auch«, sagte Bount Reiniger. »Aber auf dem Friedhof, wo sie dich hingeschickt hätten, hättest du sie kaum gefunden.«
*
Eine halbe Stunde später saßen Bount und der Blonde in Bounts Büro im 14. Stock eines Bürohochhauses in Manhattan Midtown. June March, Bounts ebenso clevere wie hübsche Assistentin, verarztete das blaue Auge des Farmers. Die gesamte Bande vom ›Pussycat House‹ war vom Eingreifkommando des Polizeireviers Manhattan Midtown ausgehoben worden. Bount Reiniger und der Farmer hatten vor Ort ihre Aussage gemacht und waren dann gegangen.
»Ich bin Lloyd Pruitt«, sagte der Farmer. »Meine Eltern und ich haben eine Farm in der Nähe von Wausau, Wisconsin.«
»Himmel!«, rief June. »Gibt's das wirklich?«
»Es ist eine Kleinstadt«, antwortete Pruitt. »Dreißigtausend Einwohner. Lauter nette, sympathische Leute. Der Sheriff hat kaum Arbeit, außer mit ein paar notorischen Trinkern und Hühnerdieben.«
Bount und June schauten sich über Lloyd Pruitts Kopf weg an. Es war, als ob sie von einem anderen Planeten hörten. Wausau lag oberhalb von Chicago im tiefsten Hinterland. Als größte Umweltplage wurde dort wohl noch der Kartoffelkäfer angesehen.
Wenn man in einer Großstadt wie New York lebte, vergaß man mitunter, dass ein Großteil der US-Bürger in ländlichen Gemeinden und Kleinstädten lebte, wo man mit der Großstadtproblematik absolut nichts zu schaffen hatte.
»Nur ein wenig öde ist es bei uns«, fuhr Lloyd Pruitt fort. »Für Ivy war es zu öde.«
Er entwarf ein glanzvolles Bild von dem Kleinstadtmädchen Ivy, wobei seine Augen zu leuchten begannen. Lloyd war 22, Ivy dreieinhalb Jahre jünger als er. Sie war brünett, schlank, das schönste Mädchen von ganz Wisconsin, wenn man Lloyd glauben wollte. June unterdrückte die spöttische Frage, ob sie mal zur Miss Wausau gewählt worden sei.
Die Farmerstochter Ivy und Lloyd waren vier Jahre lang miteinander gegangen, wie man dort landläufig sagte. Ivy hatte immer einen Drang nach Höherem gehabt. Sie hatte das College absolviert und war der Star dessen Laienspielgruppe gewesen.
»Außerdem hat sie heimlich Gesangs- und Tanzunterricht genommen«, berichtete Lloyd Pruitt. »Ihre Eltern durften es nicht wissen. Mir hat sie manchmal in der Scheune vorgetanzt.«
Lloyd Pruitt war dann zur Army gegangen und hatte seinen Dienst bei einem Panzer-Bataillon in Kansas City abgeleistet.
»Da war ich natürlich selten zu Hause. Ivy entfremdete sich, wie ich aber erst im Nachhinein merkte. Als meine Dienstzeit beendet war und ich nach Hause zurückkehrte, folgte der Hammer: Ivy war nicht mehr da. Kurz zuvor hatte sie die Farm verlassen und ihren Eltern schriftlich mitgeteilt, sie würde nach New York gehen, um ein Broadway-Star zu werden. Für mich hatte sie nicht mal ein Abschiedswort übrig.«
Pruitt senkte den Kopf. »Seitdem ist ein Vierteljahr vergangen«, fuhr er fort. »Ivy hat nur einmal geschrieben. Wir fürchten, dass sie in der Großstadt unter die Räder geraten ist. Man hört so allerlei.«
»Zu Recht«, sagte Bount. »Viele hübsche Mädchen glauben, es genüge, ein wenig singen und tanzen zu können, um am Broadway ein Star zu werden. Die meisten schaffen es aber nie. Vielleicht eine unter fünfhundert. Von den anderen fallen viele Zuhältern und zwielichtigen Agenturen in die Hände, die nur auf sie lauern. Diese Gangster machen sich die naiven Mädchen gefügig. Teils mit Gewalt, auch unter Verwendung von Rauschgift. Die Mädchen werden dann für Pornofilmproduktionen gebraucht oder in Bordelle gesteckt. Sie landen auf dem Straßenstrich, werden Callgirls und was es noch alles so gibt. Unverbrauchte Mädchen sind in gewissen Kreisen sehr begehrt. Natürlich bleiben sie nicht lange unverbraucht.«
»Manche bringen sich um«, sagte June, »oder sterben am Rauschgift. Manche werden umgebracht, andere leben zwar weiter, gehen aber innerlich zugrunde. New York ist unbarmherzig. Diese Provinzmädchen sind auch zu naiv. Sie fallen auf Sprüche und Versprechungen herein, die ich als New Yorkerin schon...
Erscheint lt. Verlag | 9.7.2024 |
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Verlagsort | Lengerich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
ISBN-10 | 3-7452-3856-7 / 3745238567 |
ISBN-13 | 978-3-7452-3856-3 / 9783745238563 |
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