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In Staub und Asche -  Anne Holt

In Staub und Asche (eBook)

Ein Fall für Hanne Wilhelmsen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Atrium Verlag AG Zürich
978-3-03792-219-4 (ISBN)
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Jonas Abrahamsen hat zwölf Jahre für den Mord an seiner Frau verbüßt. Doch Kommissar Henrik Holme ist überzeugt, dass er unschuldig ist. Zusammen mit Hanne Wilhelmsen ermittelt er in diesem alten Fall, als eine neue Leiche auftaucht. Es handelt sich um eine prominente Rechtsradikale, die Selbstmord begangen haben soll. Aber die beiden Zweifeln an dieser Theorie und decken schließlich eine Verbindung zu Jonas Abrahamsen auf. Die Zeit drängt, denn der zu Unrecht Verurteilte ist inzwischen auf Rache aus und hat ein kleines Kind entführt ...

Anne Holt ist mit über 12 Millionen verkauften Büchern weltweit eine der erfolgreichsten Krimiautor:innen Skandinaviens. Sie ist ehemalige Justizministerin Norwegens, Anwältin, Journalistin, TV-Nachrichtenredakteurin und Moderatorin. Zu großem Ruhm als Autorin gelangte sie mit den zwei Krimiserien um Inger Johanne Vik (verfilmt als »Modus. Der Mörder in uns«) und Hanne Wilhelmsen. Ihre neueste Serie dreht sich um die Juristin Selma Falck.

Anne Holt ist mit über 12 Millionen verkauften Büchern weltweit eine der erfolgreichsten Krimiautor:innen Skandinaviens. Sie ist ehemalige Justizministerin Norwegens, Anwältin, Journalistin, TV-Nachrichtenredakteurin und Moderatorin. Zu großem Ruhm als Autorin gelangte sie mit den zwei Krimiserien um Inger Johanne Vik (verfilmt als »Modus. Der Mörder in uns«) und Hanne Wilhelmsen. Ihre neueste Serie dreht sich um die Juristin Selma Falck.

Freitag, 8. Januar 2016


»Das ist doch ein Geschenk. Trotz allem. Ein Geschenk.«

Der Geschäftsführer der Gesundheitskostfirma VitaeBrass AS, Halvor Stenskar, seufzte tief und legte seine Hand auf die ihre. Sie zog ihre Hand zurück, langsam genug, um abweisend, aber nicht direkt unhöflich zu erscheinen.

»Ich meine …«

Er erhob sich und ging zum Fenster. Das verdammte Wetter färbte den Fjord unter dem düsteren Himmel dunkelgrau. Nesoddlandet lag wie ein geducktes Raubtier auf dem anderen Ufer und war unter der tief hängenden Wolkendecke über Oslo gerade noch zu erkennen.

Novemberwetter im Januar.

»Selbstmord ist natürlich eine Tragödie«, sagte er.

Sicher zum fünften Mal seit seinem Eintreffen, wie ihm aufging. Er räusperte sich leise und versuchte einen neuen Anfang.

»Dennoch ist Selbstmord eine bewusst gewählte Handlung. Ich bin sicher, dass er niemandem leichtfällt. Niemandem. Auch Iselin nicht. Aber es ist dennoch ein gewählter Tod.«

Er drehte sich wieder zum Wohnzimmer um. Obwohl die Wohnung in einer unglaublich teuren Gegend auf Tjuvholmen lag, war sie nicht beeindruckend groß. Außerdem gab es hier zu viele Möbel, wodurch sie beengt wirkte. Möbel, allerlei Gegenstände und kräftige Farben, der vollkommene Gegensatz zu dem strengen Minimalismus, den seine Frau so liebte. Ein gigantisches Gemälde über dem Kamin, das einen fliegenden Seeadler zeigte, war das einzige Bild im ganzen Raum. Im Übrigen gab es nur Gegenstände. Aus Ton und Holz. Aus Kupfer und Schmiedeeisen. Und aus Messing. Überall standen Messinggegenstände herum. Das hellgoldene Metall war zwar der Schlüssel zum Erfolg der Firma, aber es musste ja wohl Grenzen geben. Halvor hatte die Leuchter gezählt und war auf vierzehn gekommen, ehe er aufgegeben hatte. Das Zimmer erinnerte ihn an ein Boudoir, mit seinen tiefroten Sofas, zahllosen weichen Kissen und dem Duft einer Räuchermischung, von dem ihm ein wenig schlecht wurde. Aber Boudoir passte ja auch gut, schließlich hatten hier zwei alternde Lesben gelebt.

Andererseits hatte er noch nie einen Fuß in ein Boudoir gesetzt, hatte im Grunde also keine Ahnung.

Er ertappte sich dabei, dass er Maria anstarrte.

Das Sofa, auf dem sie saß, war so niedrig, dass ihre Beine fast auf dem Boden lagen, wenn sie sie ausstreckte. Trotz ihres Alters war sie schlank, gesund und ziemlich durchtrainiert. Sie hielt ein Kissen auf ihren Bauch gepresst, wirkte jedoch weder verweint noch sonderlich erschüttert.

»Am wichtigsten ist es jetzt, die Gemüter zu beruhigen«, sagte er. »Die letzten Wochen waren für uns alle unangenehm. Nicht gerade günstig für die Firma, all dieses …«

Seine Hand bewegte sich unschlüssig durch die Luft, als ob er ein Insekt verscheuchen wollte.

»… Gerede in den Medien.«

Endlich schaute Maria auf. Sie hatten einander niemals nahegestanden, dazu waren sie zu verschieden, und er wurde nicht schlau aus ihr. Für ihn war BrassCure lediglich eine Geschäftsidee. Zwar eine überaus einträgliche, aber er hatte sich niemals versucht gefühlt, auch nur eine einzige der Pillen zu schlucken, die sie so teuer verkauften. Iselin hingegen hatte an dieses Produkt geglaubt. Mit ihrer Darstellung der großartigen Wirkung von BrassCure auf den menschlichen Körper hatte sie ganze Versammlungen von Agenten und Vertretern fesseln können. Einer medizinischen Überprüfung hätten ihre Theorien kaum standgehalten, aber sie hatten für Iselin und noch einige andere den Grundstein zu einem kleinen Vermögen gelegt.

Wo Maria bei all dem stand, war ihm nicht so klar.

Sie hatte Iselin gegenüber immer loyal gewirkt, und einige Male hatte diese Loyalität an Selbstverleugnung gegrenzt. Während Iselin einen Raum durch ihre bloße Anwesenheit dominieren konnte, wurde Maria zur großäugigen Bewunderin, die kaum den Mund aufbrachte, wenn ihre Ehefrau in der Nähe war.

Er hatte Maria gewarnt, ehe sie ihre Geliebte in die Firma aufnahm. Iselin einfach die Hälfte von Marias Anteilen zur Hochzeit zu schenken, ganz ohne Bedingungen, war der pure Wahnsinn. Halvor Stenskar sagte seine Meinung, erst indirekt, dann immer direkter und ungehobelter, aber es half alles nichts. Nur Monate nach ihrer ersten Begegnung waren die beiden Turteltauben registrierte Lebenspartnerinnen. Und heute musste Halvor Stenskar zugeben, dass VitaeBrass erst mit Iselins Eintritt in die Firma wirklich erfolgreich wurde.

Maria war offenbar in Iselin vollkommen aufgegangen. Zu jeder Zeit.

»Das Gerede in den Medien«, wiederholte er, vor allem, um das peinliche Schweigen zu brechen.

»Du behauptest doch immer, jede PR sei gute PR

»Damit meine ich relevante PR

Er betonte »relevant« auf übertriebene Weise.

»Wie Artikel darüber, dass wir mehr versprechen, als wir halten?«, fragte sie. »Dass wir keine wissenschaftlichen Belege dafür hätten, dass BrassCure überhaupt wirkt? Dass die Verbraucherzentrale unsere Werbung immer wieder vernichtend kritisiert hat?«

»Wenn jemand so etwas schreibt, können wir sofort ein Dutzend Patienten aus dem Ärmel schütteln, die das Gegenteil behaupten. Und das Einspruchsrecht, Maria, sollte man nicht so einfach abtun. Das Einspruchsrecht hat uns im Laufe der Jahre eine Menge Gratisreklame beschert. Für VitaeBrass als Firma und für BrassCure als Produkt. Dass Iselin entlarvt wurde als …«

Er wusste nicht so recht, wie er sich ausdrücken sollte. Trotz allem stand er einer frischgebackenen Witwe gegenüber.

»Extremistin«, kam sie ihm zu Hilfe. »So nennen sie das. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass du je behauptet hättest, anderer Meinung zu sein als Iselin.«

»In Gesellschaft, nein! Wir sind uns doch alle einig, dass die Sache mit den Zuwanderern einfach zu weit geht und drastische Maßnahmen ergriffen werden müssen, um zu verhindern, dass …«

Er fuhr sich mit den Fingern durch die dichte graue Mähne. Dann wischte er sich diskret ein paar Schuppen von den Schultern seines Jacketts und setzte sich auf die Armlehne des einen Sessels.

»Gesunde Skepsis angesichts dieser Flut von dysfunktionalen Analphabeten und zukünftigen Sozialhilfebeziehern ist das eine. Etwas ganz anderes sind jedoch diese Predigten, triefend von purem …«

»Rassismus«, schlug sie hilfsbereit vor, als er zögerte.

Er blinzelte hektisch, entgegnete aber nichts.

»Iselin, oder genauer gesagt Tyrfing, war keine Rassistin im Sinne der Boulevardpresse. Sie war eher eine moderne Nationalistin. Sie wollte unser Land von seinem multikulturellen Joch befreien. Rassismus baut darauf auf, dass die einen den anderen unterlegen sind. Iselin wollte keine Rangordnung der Rassen aufstellen. Sie war der Meinung, dass unsere Ethnizität, Eigenart und Kultur zu wichtig sind, um sie weiter der Infiltrierung durch den Islam auszusetzen. Dem hast du bisher immer zugestimmt.«

»Nein. In diesem verdammten Blog hat sie ganz andere Dinge geschrieben als jene, die sie zu gesellschaftlichen Anlässen gesagt hat.«

»Aber du hast nie Einwände gegen ihre Äußerungen gehabt. Ich auch nicht, aber das kommt daher, dass ich mich eigentlich kaum für Politik interessiere.«

»Du interessierst dich kaum dafür?«

Er starrte sie ungläubig an.

»Du fischst dir Iselin aus dem Nichts heraus«, sagte er viel zu laut. »Du hast alles finanziert …«

Er begann, mit den Händen in der Luft zu fuchteln, als würde er von einem ganzen Insektenschwarm angegriffen.

»… ihre Aktivität als Bloggerin, meine ich. Du hast diesen Kreuzzug ermöglicht. Du hast ihr die Hälfte deiner Anteile überschrieben, und du hast …«

»Du scheinst zu vergessen, dass die Firma in den zehn Monaten, seit Iselin in die Geschäftsführung eingetreten ist, ihren Umsatz verdoppelt hat. Außerdem hätte Iselin auch ohne mich Tyrfing sein können. Ein Blog kostet zwei Kronen fünfzig. Aber vergiss es. Ich habe keinen Nerv für solche Diskussionen.«

Maria Kvam erhob sich. Schwerfälliger als sonst, so kam es ihm jedenfalls vor. Als trüge sie eine kaum erträgliche Last. Der hitzige, fast aggressive Blick war verschwunden. Vielleicht war das ihre Art zu trauern.

»Es ist trotz allem ein Geschenk«, sagte Halvor Stenskar und hob sein Hinterteil von der weichen Armlehne. »Wie gesagt. Bei allem Respekt, Maria, aber wenn es schon so schlimm kommen musste, dass Iselin dermaßen vernichtet und aller Ehre beraubt wird, ist es trotz allem das Beste für …«

Er zögerte, gerade so lange, dass sie ihn mit einem Lächeln bedenken konnte, das er noch nie gesehen hatte.

»Für die Firma«, beendete sie seinen Satz. »Dass sich der Sturm um Iselin gelegt hat, ist gut für die Firma. Und das ist natürlich das Wichtigste. Das Allerwichtigste.«

»Deine Firma«, korrigierte er. »Vor allem jetzt. Jetzt, nachdem das passiert ist, meine ich …«

Seine Hand schweifte ziellos durch den Raum, als ob Iselins Selbstmord sich irgendwo zwischen Samtkissen und Krimskrams versteckte.

»Meine«, sie nickte. »Jetzt gehört sie beinahe nur mir.«

Jetzt weinte sie. Ganz still und fast unmerklich, nur die laufenden Tränen machten Halvor klar, dass es höchste Zeit war zu gehen.

 

Henrik Holme hatte starke Zweifel, ob er es überhaupt wagen könnte, Hanne aufzusuchen. Der Abschied am Vortag war so abrupt und gebieterisch gewesen wie immer, und streng genommen hatte er ja keinen neuen Fall unter dem Arm.

Im Grunde war es überhaupt kein Fall.

Die Unterlagen in dem abgegriffenen blauen Ordner...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2024
Reihe/Serie Hanne-Wilhelmsen-Reihe
Übersetzer Gabriele Haefs
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Cold Case • Habgier • Hanne Wilhelmsen • Norwegen • Rache • Rechtsradikalismus • Scandicrime • Skandinavien • Unrecht • Vergeltung • weibliche Ermittlerin
ISBN-10 3-03792-219-2 / 3037922192
ISBN-13 978-3-03792-219-4 / 9783037922194
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