Jerry Cotton 3499 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6820-7 (ISBN)
Mitten in der Nacht tauchte im Finanzdistrikt von Manhattan eine verletzte Frau auf, die Hilfe bei einer Streifenwagenbesatzung suchte. Ehe sie sagen konnte, was ihr zugestoßen war, wurde sie aus einem vorbeifahrenden Auto heraus erschossen. Ihre leichte Bekleidung brachte uns vom FBI schnell darauf, dass sie womöglich aus einem Bordell geflüchtet war. Und bald fanden wir heraus, dass tatsächlich arglose Frauen aus Rumänien nach New York gelockt und hier sofort von Menschenhändlern entführt wurden. Einer unserer Kollegen war den Tätern wohl auf die Spur gekommen, wurde jedoch während eines Videocalls mit dem Field Office ermordet. Während wir fieberhaft weiterermittelten, kreuzte eine kämpferische Unbekannte unseren Weg - die Veteranin!
Wir und die Veteranin
»Pass auf!«, rief Officer Sheila Clarke.
Im selben Moment trat ihr Kollege Tom Dempsey auf die Bremse. »Was war das?«
Sie waren in Downtown Manhattan unterwegs. Es schüttete wie aus Kübeln, und dazu war es spät in der Nacht. Hinter den schwer arbeitenden Scheibenwischern verzerrte sich das Gemisch aus Lichtreklamen und Straßenbeleuchtung zu einer schmierigen bunten Masse.
»Ich glaube, da ist uns jemand vors Auto gelaufen«, sagte Officer Clarke. »Ich steige aus und sehe nach.«
Im selben Moment tauchte an der Beifahrerseite des Streifenwagens ein Gesicht auf.
Es war eine stark geschminkte Frau. Der Regen hatte ihrem Make-up stark zugesetzt. Sie klopfte an die Scheibe und rief etwas. Es war durch das Glas und wegen des unablässigen Regenprasselns schwer zu verstehen. Doch Officer Clarke wusste, was sie sagte.
»Hilfe! Bitte! Hilfe!«
Clarke öffnete die Beifahrertür. Die Frau war völlig durchnässt. Ihr schulterlanges dunkles Haar hing wie ein Fetzen an ihr herab. Und jetzt sah Clarke, dass die Frau nur leicht bekleidet war. Sie trug ein Nichts von einem Slip, außerdem einen fast durchsichtigen BH und darüber ein Negligé. An den Füßen hatte sie High Heels.
»Ich kümmere mich um sie«, sagte Sheila Clarke zu ihrem Kollegen und stieg aus.
Die Frau wirkte wie ein gejagtes Tier.
Clarke legte den Arm um die nasse Schulter der Frau. Sie befanden sich in einer Seitenstraße der Wall Street, dem berühmten Finanzdistrikt von New York. Um diese Zeit herrschte hier kaum Verkehr. In der Gegend reihte sich ein Bankhaus an das andere. Manche hatten am Fuß der Häuserfronten Arkadengänge. In einen davon schob Officer Clarke die vor Kälte zitternde Frau, um sie vor dem Regen zu schützen.
»Hol eine Decke aus dem Wagen!«, rief sie Tom Dempsey zu, der gerade ausgestiegen war. »Was ist Ihnen passiert?«, fragte sie die Frau.
Die schüttelte nur den Kopf und sah sich ängstlich um. Immer wieder sagte sie etwas, das Officer Clarke nicht verstand, was sich jedoch wie eine seltsam betonte Version des Worts Polizei anhörte.
»Sprechen Sie kein Englisch?«, fragte sie. »Was dann? Spanisch? Russisch? Woher kommen Sie? Europa?«
Die Frau nickte und sagte ein anderes Wort.
»Rumänien«, sagte Clarkes Kollege, der herangekommen war und die Decke, die sie immer im Kofferraum des Streifenwagens für solche Fälle bereithielten, in der Hand hatte. Er wollte sie der Frau umlegen, aber sie zuckte zurück. Offenbar hatte sie Angst davor, dass ihr ein Mann zu nahe kam.
»Sie hat Rumänien gesagt«, erklärte Dempsey.
»Keine Angst«, sagte Officer Clarke. »Jetzt sind wir da.«
»Ich rufe Enni an«, sagte Dempsey.
Enni war ein anderer Streifenpolizist, der heute Nacht Dienst hatte. Er hieß eigentlich Enescu und hatte rumänische Vorfahren. Er beherrschte die Sprache ganz gut und würde ihnen sicher weiterhelfen können.
Während Dempsey sein Diensthandy hervorzog, um den Kollegen anzurufen, überlegte Sheila Clarke, woher die Frau wohl kam. Sie sah aus wie eine Prostituierte. Oder wie eine Frau, die in einem Stripklub arbeitete. Doch solche Etablissements gab es nicht im Finanzdistrikt. Abgesehen davon war Prostitution verboten.
»Enni ist dran«, sagte Dempsey und hielt Clarke das Telefon hin.
Die Frau schien es zu beruhigen, jemanden zu hören, der ihre Sprache sprach. Sie nahm das Handy, hielt es sich ans Ohr und unterhielt sich kurz mit dem Kollegen.
Nach etwa einer Minute gab sie Clarke das Telefon.
»Was hat sie gesagt, Enni?«, fragte sie.
»Sie ist völlig verstört«, antwortete Enescu. »Am besten, ihr bringt sie aufs Revier. Ich kann auch hinkommen und sie dort weiter befragen.«
»Gibt es in der Nähe irgendeinen illegalen Laden, aus dem sie geflüchtet sein könnte?«
»Ich konnte nur ganz wenig aus ihr rauskriegen. Tut mir leid. Sie sagte mir, sie sei aus Rumänien gekommen, weil sie in New York arbeiten wollte. Doch sie wurde gleich nach der Ankunft entführt. Und dann habe man sie zu bestimmten Dingen gezwungen.«
Die Frau klammerte sich an die Decke und zitterte immer noch. Dabei sah sie zu Boden.
»Alles klar, Enni«, sagte Sheila Clarke. »Wir nehmen sie mit und melden uns.«
Sie war professionell genug, um emotionalen Abstand zu der Frau zu behalten. Trotzdem ging ihr das Schicksal nahe, das sich bereits in diesen wenigen Worten angedeutet hatte. Fälle von Zwangsprostitution gab es in New York immer wieder.
»Mach schon mal den Wagen auf«, sagte sie zu ihrem Kollegen. »Ich glaube, sie hat es nicht gerne, wenn du in ihrer Nähe bist. Haben wir etwas zum Anziehen für sie?«
»Nicht im Kofferraum«, sagte Dempsey. »Aber auf dem Revier finden wir sicher was.« Er setzte sich in Bewegung, trat aus dem Vordach der Arkaden in den prasselnden Regen hinaus und rannte auf die Fahrerseite des Streifenwagens.
»Kommen Sie«, sagte Clarke zu der Frau und wollte wieder ihren Arm um sie legen, um sie sanft zum Auto zu führen. »Kommen Sie, wir bringen Sie in Sicherheit.«
Sie spürte Abwehr. Die Frau wollte sich nicht von der Stelle bewegen. Plötzlich hob sie den Kopf und schien auf irgendetwas zu lauschen.
Durch den rauschenden Regen näherte sich ein Fahrzeug. Eine Sekunde später sah sie es. Es war ein dunkler Wagen, der sich langsam näherte. Die breiten Reifen drückten das Wasser weg, das sich in Lachen auf der Straße gesammelt hatte.
Der Wagen machte der unbekannten Frau offensichtlich Angst.
Und nicht nur Angst.
Es war die schiere Panik.
Sheila Clarke versuchte, sie festzuhalten, sie riss sich los und rannte den Arkadengang entlang. Neben ihr bewegte sich der dunkle Wagen, der auf einmal abbremste. Inzwischen war die Frau fast fünfzig Yards entfernt. Ihre High Heels waren ihr nicht hinderlich.
Officer Clarke war so verblüfft, dass sie ein paar Sekunden brauchte, bevor sie die Verfolgung aufnahm.
Die Frau stoppte. Offenbar war sie jetzt doch auf einem der Stöckelschuhe umgeknickt. Sie wäre fast gefallen und wollte sich aufrappeln.
Da knallte ein Schuss. Und noch einer. Der Querschläger heulte in dem Arkadengang.
Der Motor des Wagens röhrte auf. Als Officer Clarke den Kopf hob, verschwand das Fahrzeug in der gläsernen Regenwand.
Die unbekannte Frau lag vor ihr auf dem Boden, die Decke neben sich.
Als Clarke bei ihr war, erkannte sie, dass jede Hilfe zu spät kam.
Als mich der Wecker aus dem wohlverdienten Schlaf holte, hörte ich, wie der Regen gegen die Scheiben meines Apartments klatschte.
Unsere Arbeitstage beim FBI waren schon anstrengend genug. Wenn schlechtes Wetter dazukam, machte es das nicht besser. Vor allem, wenn wir Außeneinsätze hatten.
Während ich frühstückte, hörte ich nebenher ein bisschen Radio New York Live. Das war einer der Sender, der mir morgens ein bisschen gute Laune bescherte. Leider erfuhr ich hier auch, dass der Regen erst am Nachmittag nachlassen würde. Frühestens. Und jetzt war es erst kurz nach sechs. Diesmal funktionierte das mit der guten Laune leider nicht.
»Eigentlich hasse ich ja Innendienst«, sagte auch mein Partner Phil, den ich eine halbe Stunde später an der gewohnten Ecke abholte. »Aber heute hoffe ich, dass wir nicht groß rausmüssen.«
Umständlich versuchte er, seinen nassen hellgrünen Regenschirm in meinem Jaguar unterzubringen, was ziemlich schwierig war, denn meine Raubkatze war nun mal ein Zweisitzer.
Ich informierte Phil darüber, was der Wetterbericht gemeldet hatte.
»Wenn der mal recht hat«, brummte mein Partner, kramte ein Papiertaschentuch hervor und wischte sich die nassen Hände ab. Während ich mich in den dichten Verkehr einfädelte, nahm er das Tablet und ging die Meldungen der Nacht durch.
Es dauerte keine fünf Minuten, da stieß er auf einen Fall im Finanzdistrikt. Es ging um eine erschossene Frau. Er las mir die Berichte vor, die die beiden beteiligten Officers und das später hinzugezogene Crime Scene Unit geschrieben hatten. Ich musste sowieso an einer Ampel halten. So konnte ich sie mir auch ansehen. Dazu die Fotos der Frau, die durchnässt auf dem Boden lag, mit einer Schusswunde am Kopf.
»Ich müsste mich schwer wundern, wenn die Sache nicht an uns übergeben wird«, sagte ich. Die Ampel sprang auf Grün. Ich fuhr weiter.
»Glaubst du, dass der Mob dahintersteckt?«, fragte Phil.
»Schwer zu sagen«, erwiderte ich.
Der Regen machte die Autofahrer offenbar aggressiv. Wir rollten an zwei Unfällen an Kreuzungen vorbei. Es handelte sich nur um Blechschäden, die trotzdem für zusätzliche Staus sorgten. Als wir endlich im dreiundzwanzigsten Stock des Jacob K. Javits Federal Building aus der Aufzugskabine stiegen, waren wir fast zwanzig Minuten zu spät.
Phil hatte seinen Schirm aus dem Wagen mitgebracht. Mittlerweile war das Ding etwas trockener. Er hängte ihn an den Garderobenhaken neben der Tür. Erst jetzt fiel mir auf, dass der Stoff giftgrün leuchtete.
»Kannst du das...
Erscheint lt. Verlag | 6.7.2024 |
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Reihe/Serie | Jerry Cotton |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-6820-3 / 3751768203 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6820-7 / 9783751768207 |
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Größe: 898 KB
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