Ein mysteriöser Gast (eBook)
320 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46173-0 (ISBN)
Nita Prose ist die Autorin des Kriminalromans 'The Maid', der sich weltweit über 1 Million Mal verkauft hat und in über vierzig Ländern veröffentlicht wurde. 'The maid' war ein New York Times-Bestseller, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und war Finalist des Edgar Awards für den besten Roman. Auch in Deutschland hat das ungewöhnliche Zimmermädchen Molly seine Leserschaft begeistert. 'Ein mysteriöser Gast' ist der zweite Fall für Molly Gray. Nita Prose lebt in Toronto, Kanada. www.nitaprose.com
Nita Prose ist die Autorin des Kriminalromans "The Maid", der sich weltweit über 1 Million Mal verkauft hat und in über vierzig Ländern veröffentlicht wurde. "The maid" war ein New York Times-Bestseller, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und war Finalist des Edgar Awards für den besten Roman. Auch in Deutschland hat das ungewöhnliche Zimmermädchen Molly seine Leserschaft begeistert. "Ein mysteriöser Gast" ist der zweite Fall für Molly Gray. Nita Prose lebt in Toronto, Kanada. www.nitaprose.com
Kapitel 1
Meine geliebte Großmutter alias Gran arbeitete ihr gesamtes Leben als Dienstmädchen, und ich bin in ihre Fußstapfen getreten. Das ist nur eine Redewendung. Ich konnte gar nicht im Wortsinn in ihre Fußstapfen treten, weil sie keine hinterlässt, nicht mehr. Sie ist vor über vier Jahren – da war ich fünfundzwanzig Jahre (ergo ein Vierteljahrhundert) alt – gestorben, und bereits davor fand ihre Zeit als Fußgängerin ein jähes Ende, als sie zu meiner großen Bestürzung krank wurde.
Die Sache ist die: Sie ist tot. Fort, doch nicht vergessen, niemals vergessen. Heute gehe ich mit meinen Füßen meinen sprichwörtlichen eigenen Weg, und dennoch schulde ich meiner lieben verstorbenen Gran tiefen Dank, denn sie war es, die mich zu der gemacht hat, die ich bin.
Gran hat mir alles beigebracht, was ich weiß, zum Beispiel wie man Silber poliert, in Büchern und Menschen liest und eine anständige Tasse Tee kocht. Ich habe es Gran zu verdanken, dass ich vorangekommen bin in meiner Laufbahn als Zimmermädchen im Regency Grand Hotel, einem Fünf-Sterne-Boutiquehotel, das sich seiner kultivierten Eleganz und zeitgemäßen Etikette rühmt. Glauben Sie mir, ich habe ganz unten angefangen und mich bis zu dieser erhabenen Position hochgearbeitet. Wie jedes Zimmermädchen, das jemals durch die blitzende Drehtür des Regency Grand getreten ist, wurde ich zunächst angelernt. Wenn Sie jetzt jedoch näher treten und einen Blick auf mein – ordnungsgemäß über dem Herzen befestigtes – Namensschildchen werfen, werden Sie in großen Blockbuchstaben lesen:
was mein Name ist, und darunter in zarter Serifenschrift:
Chefzimmermädchen
Lassen Sie mich Ihnen sagen: Es ist keine geringe Leistung, in der Hierarchie eines Fünf-Sterne-Boutiquehotels aufzusteigen. Aber ich kann voller Stolz vermelden, dass ich diese hohe Position jetzt schon seit dreieinhalb Jahren innehabe, was beweist, dass ich keine windige Person bin, sondern, wie Mr Snow, der Geschäftsführer des Hotels, neulich bei einer Mitarbeiterversammlung über mich sagte: »Molly ist eine Mitarbeiterin, die sich eine dankbare Grundhaltung bewahrt.«
Es ist mir immer schwergefallen, die wahre Bedeutung hinter den Worten der Menschen zu verstehen, aber ich bin viel besser darin geworden, in ihnen zu lesen, und deshalb weiß ich auch, was Sie jetzt denken. Sie denken, ich verrichtete eine niedere Arbeit und hätte eine Position inne, für die ich mich schämen müsste, anstatt stolz darauf zu sein. Es liegt mir fern, Ihnen vorzuschreiben, was Sie denken sollen, aber mbMn (will heißen, meiner bescheidenen Meinung nach) liegen Sie total daneben.
Verzeihung. Das klang jetzt ein bisschen schroff. Als Gran noch lebte, hat sie mich immer in Fragen des richtigen Tons beraten und mir geholfen, wenn ich womöglich Anstoß erregt hatte. Aber passen Sie auf: Gran ist tot, und trotzdem habe ich noch ihre Stimme im Ohr. Ist es nicht faszinierend, wie jemand nach seinem Tod noch genauso präsent sein kann wie davor? Darüber denke ich neuerdings häufig nach.
Behandele andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.
Wir sind alle gleich, aber auf unterschiedliche Weise.
Am Ende wird alles gut. Sonst ist es nicht das Ende.
Gott sei Dank habe ich Grans Stimme noch immer im Ohr, denn heute ist kein guter Tag. Genau genommen ist heute sogar der schlimmste Tag, den ich in den letzten rund vier Jahren erlebt habe, und Grans weise Worte geben mir die Kraft, mich der aktuellen »Situation« zu stellen. Mit »Situation« meine ich nicht die Wörterbuchbedeutung »Umstände« oder »Lage«, sondern verwende das Wort so wie Mr Snow, der damit »ein Problem von monumentalen Ausmaßen mit begrenzten Lösungsmöglichkeiten« meint.
Ich werde nicht beschönigen, was wahrhaftig eine monumentale Katastrophe ist: Heute Vormittag ist in unserem Teesalon ein berühmter Mann unverhofft gestorben. Meine gute Freundin Angela, die Chefbarfrau im Social, unserem Hotel-Pub und -Grill, hat die »Situation« so zusammengefasst: »Molly, da ist ein gewaltiger Haufen Kacke am Dampfen.« Weil ich Angela sehr gernhabe, verzeihe ich ihr diesen gfK (geschliffen formulierten Kraftausdruck). Ich verzeihe ihr auch, dass sie eine ungesunde Begeisterung für True Crime an den Tag legt, was vielleicht erklärt, wieso sie so befremdlich fasziniert davon war, dass hier in unserem Hotel ein VIP, eine sehr bedeutende Persönlichkeit, gestorben ist.
Heute sollte ein besonderer Tag für das Regency Grand sein. Heute ist der Tag, an dem der weltbekannte, preisgekrönte Bestsellerautor J. D. Grimthorpe, Meister des Kriminalromans mit über zwanzig Werken, in unserem kürzlich wiederhergerichteten Teesalon eine große Ankündigung machen wollte.
Alles lief ganz wunderbar an diesem Morgen. Mr Snow hatte mir die Verantwortung für den Tee übertragen, zwar hauptsächlich deshalb, weil er erst noch Personal für die Sonderveranstaltungen im Teesalon einstellen muss, aber ich weiß, dass Gran trotzdem stolz wäre zu sehen, wie mir eine neue berufliche Verantwortung übertragen wird, auch wenn Gran mich natürlich nicht wirklich sehen kann, weil sie ja tot ist.
Ich erschien früh zur Arbeit, bereitete den eleganten neuen Salon sorgfältig für die Veranstaltung vor und deckte für die fünfundfünfzig Personen (plus/minus null), denen VIP-Eintrittskarten zuteilgeworden waren, zum Tee ein. Zu diesen VIPs gehörten auch zahlreiche Angehörige von LAMM – das steht für »Liebhaberinnen anspruchsvoller Mysterien und Morde« –, die schon mehrere Tage vor der Veranstaltung Zimmer im dritten Stock des Hotels reserviert hatten. Seit Wochen kursierten im Hotel Gerüchte und Mutmaßungen: Warum könnte J. D. Grimthorpe, ein zurückgezogen lebender und extrem reservierter Schriftsteller, plötzlich eine öffentliche Ankündigung machen wollen? Wollte er einfach für ein neues Buch werben? Oder würde er verkünden, dass er sein letztes Werk geschrieben hatte?
Wie sich herausgestellt hat, hat er auf jeden Fall sein letztes Buch geschrieben, allerdings glaube ich, dass das für ihn selbst ebenso überraschend kam wie für uns andere, die wir ihn vor siebenundvierzig Minuten auf den in Fischgrätoptik verlegten Fliesen zusammenbrechen sahen.
In den Augenblicken vor seinem Auftritt herrschte gebannte Erwartung unter den VIP-Krimifans, Literaturkritikerinnen und Reportern, und lautes Stimmengewirr sowie das helle Klirren des Silberbestecks erfüllten den Salon, während die Gäste sich Tee nachschenkten und die letzten Sandwichhappen verputzten. Sobald J. D. Grimthorpe jedoch eintrat, senkte sich Stille herab. Der Autor stellte sich ans Pult, eine spindeldürre, aber imposante Gestalt, Stichwortkarten in der Hand. Sämtliche Blicke ruhten auf ihm, während er sich mehrfach räusperte.
»Tee«, sprach er ins Mikrofon und deutete zum Teewagen. Gott sei Dank war ich über seine Vorlieben im Bilde und hatte die Küche angewiesen, einen exakt auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Teewagen vorzubereiten – mit Honig statt Zucker. Mein Lehrmädchen Lily, dem ich die Verantwortung für Mr Grimthorpes sämtliche Teewagen für die Dauer seines Aufenthalts übertragen hatte, trat eilends in Aktion. Mit zitternden Händen schenkte sie dem berühmten Schriftsteller eine Tasse Tee ein und lief damit zur Bühne.
»So geht das nicht«, sagte er, nahm ihr die Tasse aus der Hand, stieg von der Bühne und ging selbst zum Teewagen. Er nahm den silbernen Deckel vom Honigtopf, gab zwei gewaltige Klackse des leuchtend gelben Honigs in seinen Tee und rührte mit dem Honiglöffel um, der, wenn er den Tassenrand streifte, nur ein dumpfes Klappern erzeugte. Lily, die vorgestürzt war, um ihn zu bedienen, wusste nicht, was sie jetzt machen sollte.
Alle im Raum beobachteten, wie Mr Grimthorpe seine Tasse hob, einen großen Schluck trank und seufzte. »Ein verbitterter Mann braucht extra viel Honig«, erklärte er, was den Zuschauern ein gedämpftes Lachen entlockte.
Mr Grimthorpes Reizbarkeit ist schon lange ein Markenzeichen seines Ruhms, und ironischerweise scheinen seine Bücher sich umso besser zu verkaufen, je schlechter er sich benimmt. Wer könnte die berüchtigte Szene vergessen, die vor einigen Jahren auf YouTube viral ging? Ein großer Fan (ein seit Kurzem pensionierter Herzchirurg) wandte sich an den berühmten Autor und sagte: »Ich würde mich gern an einem Roman versuchen. Können Sie mir helfen?«
»Sicher«, erwiderte Mr Grimthorpe. »Gleich nachdem Sie mir Ihr Skalpell geliehen haben. Ich möchte mich an einer Herzoperation versuchen.«
An dieses Video musste ich heute Morgen denken, als Mr Grimthorpe sein Schlangenlächeln aufsetzte und zurück auf die Bühne schlenderte, wo er noch einige Schlucke von seinem gesüßten Tee trank, dann die Tasse vor sich aufs Pult stellte und den Blick auf seine bewundernden Anhänger richtete. Er nahm seine Stichwortkarten, holte mühsam Luft und begann zu sprechen, wobei er ganz leicht schwankte.
»Sicher fragen Sie sich alle, warum ich Sie heute hierhergebeten habe«, sagte er. »Wie Sie wissen, schreibe ich Worte lieber nieder, als sie zu sprechen. Meine Privatsphäre ist seit Langem meine Zuflucht, meine persönliche Geschichte eine Quelle des Rätselns. Aber ich befinde mich in der unangenehmen Lage, Ihnen, meinen Fans und Anhängern, an diesem kritischen...
Erscheint lt. Verlag | 1.7.2024 |
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Reihe/Serie | Regency Grand Hotel |
Übersetzer | Alice Jakubeit |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2. Fall für die Maid • 2. Fall Molly Gray • Asperger-Autist • Autist • Cosy Crime • Cosy Crime Bücher • cosy crime deutsch • cosy crime england • Cosy Krimi • Englischer Krimi • Fabergé • Hotelzimmermädchen ermittelt • humorvolle Krimis • krimi hotel • Krimi Humor • Krimi-Serie • Krimi-Serie England • Krimis mit Detektivinnen • Krimis mit Humor • krimi weibliche ermittler • London • Mord im Hotel • Nita Prose • Prose Maid • Regency Hotel • Sophie Bennett • the Maid • Toter Gast Hotel • toter Schriftsteller • Wohlfühlkrimi • Zimmermädchen • Zimmermädchen Autist • Zimmermädchen ermittelt • Zweiter Fall Zimmermädchen ermittelt |
ISBN-10 | 3-426-46173-0 / 3426461730 |
ISBN-13 | 978-3-426-46173-0 / 9783426461730 |
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