Mörderische Delikatessen (eBook)
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01862-4 (ISBN)
Sabine Steck ist in Deutschland geboren und hatte als Unternehmerin zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen, bevor sie entschied, ihrer Leidenschaft zu folgen und sich hauptberuflich dem Schreiben zu widmen. Heute ist sie Autorin und lebt in Norditalien, wo sie in ihrem Schreibretreat einen Rückzugsort für andere Autor:innen schafft, die sie berät und unterstützt. In ihre Krimis um Emma Ferrari lässt sie ihre Liebe zu ihrer Wahlheimat und zur italienischen Kulinarik einfließen - die unter Umständen auch in einem Örtchen in Bayern zu finden ist.
Sabine Steck ist in Deutschland geboren und hatte als Unternehmerin zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen, bevor sie entschied, ihrer Leidenschaft zu folgen und sich hauptberuflich dem Schreiben zu widmen. Heute ist sie Autorin und lebt in Norditalien, wo sie in ihrem Schreibretreat einen Rückzugsort für andere Autor:innen schafft, die sie berät und unterstützt. In ihre Krimis um Emma Ferrari lässt sie ihre Liebe zu ihrer Wahlheimat und zur italienischen Kulinarik einfließen – die unter Umständen auch in einem Örtchen in Bayern zu finden ist.
1. Kapitel
«Hört euch das an!»
Emma ließ vor Schreck einen Karton voller Taralli fallen, der krachend auf dem Boden landete, als ihre Freundin Helene zur Tür hereinstürmte und dabei triumphierend die Tageszeitung schwenkte.
«Dio mio, Leni!», schnaufte sie. «Wenn das eine Flasche Olivenöl gewesen wäre!»
«Dir auch einen schönen Nachmittag, Helene!» Emmas Freundin Anna, die hinter der Käsetheke stand, warf der jungen Frau einen tadelnden Blick zu, den diese aber geflissentlich ignorierte.
«Du bist auf Seite zwei im Lokalteil, Emma. Das ist echt ’n Ding! Hör mal: Himmelsricht und seine größten Sehenswürdigkeiten!»
«Wirklich? Lass sehen!»
Emma stieg eilig von der Trittleiter, die sie benutzt hatte, um das Knabbergebäck ins Regal zu räumen, ließ den Karton Taralli auf dem Boden liegen und griff nach der Zeitung. Noch auf dem Weg zu einem der beiden Stehtische nahe der Fensterfront, an denen sie ihren Kunden gelegentlich kleine Leckereien servierte, schlug sie das Blatt auf und sah neugierig hinein. Auch Anna, die gerade an der Kühltheke die Unordnung des lebhaften Vormittagsgeschäfts beseitigte, ließ den Käse für einen Moment Käse sein und gesellte sich zu Emma.
«Das kleine Fleckchen Himmelsricht hat zwei große Attraktionen: die mittelalterliche Burgruine und den Laden von Tante Emma …» Emma ließ die Zeitung sinken und verdrehte kopfschüttelnd die Augen. «Non ci credo … ich kann nicht glauben, dass die tatsächlich Tante Emma geschrieben haben!»
«So heißt das bei uns nun mal.» Helene grinste. «Du solltest dich nach all den Jahren allmählich daran gewöhnt haben.»
«Ja, ich weiß schon, dass es Tante-Emma-Laden heißt», murrte sie. «Aber …»
«… jeder denkt sofort an heile Welt und will dort einkaufen», unterbrach Helene sie und legte ihr einen Arm um die Schultern. «Außerdem hat es einfach so was Schnuckeliges, finde ich. Das ist toll!»
«Mag sein, aber das klingt steinalt, und ich bin doch nicht die Tante von diesem Knaben da!» Emma beugte sich über den Artikel. «Benedikt heißt er, das hatte ich schon wieder vergessen.»
Benedikt Kramer, der junge Reporter, der vor wenigen Tagen im Dorf gewesen war, um für einen Artikel über die Region zu recherchieren, hatte schon während seines kurzen Aufenthalts nicht mit seiner Begeisterung für Emmas kleinen Feinkostladen hinterm Berg gehalten und den Begriff da bereits mehrmals benutzt, weil er es so passend fand, dass sie tatsächlich Emma hieß. Trotzdem hatte sie insgeheim gehofft, er würde in seinem Artikel darauf verzichten.
«Jung genug wäre er gewesen, um dein Neffe zu sein», neckte Anna.
Helene lachte. «Den hätte ich ja auch gern kennengelernt. Vielleicht wär er mein Typ gewesen. Wie sah er denn aus? War er Single?»
«Ich habe ihn nicht gefragt.» Schulterzuckend beugte sich Emma wieder über die Zeitung und las weiter. «Nicht nur Tagestouristen und Urlauber, sondern auch die Bewohner der näheren und weiteren Umgebung zieht es besonders aus zwei Gründen in den kleinen Ort Himmelsricht: Zum einen lockt die gut erhaltene Ruine der mittelalterlichen Burganlage mit vielseitigen Wanderwegen und einem fantastischen Blick hinaus in die Donauebene zu ausgedehnten Spaziergängen. Bei klarer Sicht kann man in der Ferne sogar die Alpengipfel erkennen. Zum anderen ist da der zauberhafte Tante-Emma-Laden der attraktiven Italienerin Emma Ferrari. Wer bei diesem Namen nur an rote Autos denkt, verpasst das Beste: italienische Leckereien vom Feinsten …»
«Das hat er geschrieben?», unterbrach Anna und grinste bis über beide Ohren. «Attraktive Italienerin und rote Autos … ich fasse es nicht.»
«Infatti. Tatsächlich, das hat er.» Emma war schon lange daran gewöhnt, mit ihrem für Italien reichlich gewöhnlichen Namen in Deutschland erst einmal mit vielen Pferdestärken in Verbindung gebracht zu werden. Das jetzt in der Zeitung zu lesen, fand sie trotzdem etwas befremdlich. Als hätte Italien außer Rennautos nichts weiter zu bieten! «Das kann wirklich nur einem Mann einfallen», murmelte sie.
«Ach komm, das ist doch halb so wild», verteidigte Helene den Reporter. «Jetzt lies lieber weiter.»
«Die Spezialitäten aus vielen Regionen des Stiefels sind von herausragender Qualität und rechtfertigen die Tatsache, dass der Ruf von Emma Ferrari weit über die Landkreisgrenzen hinausreicht. Betritt man ihr fabelhaftes kleines Lädchen, findet man sich in einer sinnlich-betörenden Welt der Düfte und Aromen wieder, die auf die nächste Reise in den Süden einstimmen. Rechter Hand erwarten den Eintretenden die Leckereien in fester Form als Gebäck in den verschiedensten Variationen, links in flüssiger als eine schier unendliche Auswahl edelster Spirituosen, und dazwischen breitet sich ein Paradies verführerischer Käsesorten aus …»
Wieder ließ Emma die Zeitung sinken und blickte von Helene zu Anna. Es war unübersehbar, dass sich beide das Lachen verbeißen mussten.
«Sinnlich-betörend? ’tschuldigung», prustete Helene schließlich heraus. «Ich glaub, es war ganz gut, dass ich nicht da war. Wenn der so geschwollen daherredet, wie er schreibt, bleib ich lieber Single!»
Emma sah sich um. Obwohl der Artikel nicht unbedingt ausgefeilt raffiniert war, traf er ins Schwarze. Für sie war ihr Lädchen tatsächlich ein sinnliches Kleinod.
Es fing schon draußen vor der Tür an. Der obere Teil des Hauses war weiß gestrichen und hatte hellgraue Holzfenster und dunkelblaue Läden. In der Mitte der Vorderseite prangte ein geräumiger Balkon mit gedrechseltem Holzgeländer, ebenfalls in Blau.
Im Erdgeschoss zogen zwei große Schaufenster die Blicke der Kundschaft an, und die in ihrer Mitte liegende Tür lud sie geradezu in den Laden ein. Die geschnitzte Fassadenverkleidung war aus demselben Holz gefertigt wie der Balkon darüber und auch im gleichen Meerblau gestrichen. Diese Bauweise hatte Emma von Anfang an begeistert und sofort an einen wolkigen Sommerhimmel über dem Meer erinnert.
Besonders originell hatte sie allerdings die Markise gefunden, die an heißen Tagen ihre Auslagen vor zu viel Sonne schützte: Sie zeigte das typisch bayerische Rautenmuster und bildete so einen witzigen Kontrast zu ihren italienischen Produkten.
Eine niedrige Stufe führte zur Tür, die ein melodisches Bimmeln hören ließ, wenn man sie öffnete. Die altmodische Klingel hatte Emma von der Vorbesitzerin des Ladens übernommen und liebte sie heiß und innig, denn der Klang gab ihr stets ein Gefühl von Geborgenheit und Nachhausekommen. Und er sorgte dafür, dass niemand unbemerkt hereinkam und unnötig lang auf Bedienung warten musste, wenn sie oder Anna gerade im Lagerraum beschäftigt waren.
Hatte man Stufe, Tür und Klingel hinter sich und betrat den Laden, so sah man sich bereits der gut bestückten Kühltheke gegenüber. Eine Vielzahl leckerer Käsesorten, eingelegte Oliven mit verschiedenen Aromen wie Chili, Knoblauch oder Kräutern sowie gefüllte Peperoni verlockten zum Kosten. Ein paar wenige, aber ausgesuchte Wurstwaren wie Salami mit und ohne Knoblauch, luftgetrockneter Schinken und Mortadella rundeten diesen lukullischen ersten Eindruck ab. Sowohl Emma als auch Anna achteten stets darauf, dass die Köstlichkeiten immer frisch waren und einladend präsentiert wurden.
Wer sich hier sattgesehen hatte, konnte die Aufmerksamkeit auf die Holzregale richten, die rechts und links die Wände bedeckten sowie um die beiden tragenden Säulen im Inneren des Lädchens herumliefen. Auch sie stammten von der scheidenden Vorbesitzerin. Sie waren beste Handarbeit aus Massivholz und hatten mit den Jahren eine dunkle Farbe angenommen. An den tragenden Elementen hatte sich der Schreiner mit kleinen Schnitzereien verewigt, die Emma bis auf den heutigen Tag nicht entschlüsseln konnte. Vom Tannenzapfen bis hin zum Olivenzweig war jede Deutung möglich, und Helene hatte schon einmal scherzhaft angeregt, sie könnten ein Gewinnspiel daraus machen und der kreativsten Deutung einen Feinkostkorb in Aussicht stellen.
Gleich zu Beginn, als Emma den Laden übernommen hatte, war von ihrem Steuerberater der Vorschlag gekommen, die schweren, wuchtigen Regale gegen leichtere auszutauschen, in denen mehr Ware Platz fand, doch Emma hatte die Idee abgelehnt. Lieber brachte sie ein paar Flaschen Wein weniger unter, als auf diese stimmungsvollen Relikte einer anderen Zeit zu verzichten.
Diese beherbergten links von der Eingangstür die alkoholischen Leckereien wie sonnengelben Limoncello und nussbraunen Nocino. Daneben standen goldfarbene, im Eichenfass gereifte Grappas oder tiefdunkle Kräuterliköre. Daneben fand sich Olivenöl für unterschiedliche Ansprüche und Vorlieben: hellgrünes vom Gardasee und leichtes, beinahe ins Gelbe changierendes aus den venetischen Hügeln sowie gehaltvollere, fast grasgrüne Varianten aus der Toskana und Süditalien. Dazu gab es eine Reihe ausgesucht feiner Essigspezialitäten und ein paar besondere und lang gereifte Balsamicosorten. Die Regalfächer darunter quollen über von in Öl oder Salzlake eingelegtem Gemüse, scharfen oder milden Nudelsoßen und verschiedenen Pestos in bunten Gläschen, in denen nicht nur Basilikum, sondern auch getrocknete Tomaten, Pistazien und Mandeln Verwendung gefunden hatten.
Erntefrisches Gemüse und sonnengereifte Tomaten vom Biohof in der Nähe drapierte Emma in geflochtenen Körben vor den Regalen. Um dem liebevoll geführten Hofladen keine Konkurrenz zu machen, hielt sie das Angebot aber bewusst reduziert und...
Erscheint lt. Verlag | 1.7.2024 |
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Reihe/Serie | Eine Italienerin ermittelt in Bayern |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Alimentari • Bayern • Cosy Crime • Delikatessen • Donau • Dorf • Dorfbewohner • Emma Ferrari • Familiengeheimnis • Feinkostgeschäft • gemütlicher Krimi • Italien • italienische Ermittlerin • kleiner Ort • Krimi • Küche • Kulinarik • Lädchenkrimi • Liebevoller Krimi • Mord |
ISBN-10 | 3-644-01862-6 / 3644018626 |
ISBN-13 | 978-3-644-01862-4 / 9783644018624 |
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