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Jerry Cotton 3495 (eBook)

Geschwisterbande

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6556-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jerry Cotton 3495 - Jerry Cotton
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Selbst FBI Agents brauchten manchmal eine Auszeit. Und die genehmigte sich unser Kollege Steve Dillaggio in einer angesagten Bar im East Village. Hier holte ihn das organisierte Verbrechen von New York ein. Nancy Denozo, die Tochter eines ermordeten Mafiabosses, wurde vor der Bar entführt. Steve vermutete sofort einen neuen Krieg im Gangland des Big Apple. Als wir noch in derselben Nacht mit den Ermittlungen begannen, stießen wir erst einmal auf eine Mauer des Schweigens. Und es gab keinen Hinweis auf eine Erpressung. Wir mussten einige dicke Bretter durchbohren, bevor wir begriffen, was in der Familie Denozo wirklich vor sich ging - und warum. Doch dann war es fast zu spät ...

Geschwisterbande

»Sag mal, kannst du auch woanders hinschauen?«, fragte die junge Frau und nippte an ihrem Drink. »Zum Beispiel zu mir?«

»Sorry«, sagte Steve Dillaggio und drehte den Kopf, den er kurz abgewandt hatte, zu seiner Begleiterin. Sie trug den Namen Sheila. Er hatte sie vor zwei Tagen bei einem anderen Barbesuch kennengelernt. Steve lächelte. »Ich weiß, ich habe seit über zwei Stunden Dienstschluss, aber ...«

Sein Blick wanderte durch das Publikum in der Tompkins Bar im Herzen von Manhattan. Und er blieb erneut an der jungen schwarzhaarigen Frau hängen, die sich auf der anderen Seite mit einem jungen Mann unterhielt.

»Stimmt, du hast gesagt, du bist bei der Polizei, oder so was?« Jetzt lächelte sie zurück.

»Ja«, sagte er abwesend. »Oder so was Ähnliches ...«

Bei neuen Bekanntschaften erwähnte er nicht gerne, dass er ein sogenannter G-man war, ein FBI Agent, noch dazu ein ziemlich hoher. Steve Dillaggio war immerhin Special Agent in Charge und leitete das New Yorker Field Office.

Steve war nicht unbedingt ein Frauenheld, aber er wusste, dass seine blonde Mähne und seine athletische Figur gut beim anderen Geschlecht ankamen. Und sie boten einen interessanten Kontrast zu seinem italienischen Namen, was meistens gleich für ein bisschen Gesprächsstoff als Einstieg sorgte.

»Interessiere ich dich vielleicht doch nicht?«, fragte Sheila, die jetzt wieder bemerkt hatte, wie er den Blick unwillkürlich abwandte.

Steve konnte nicht anders, als zu der anderen Frau zu schauen, die noch in das Gespräch mit dem Mann vertieft war. Steve schätzte ihn auf Anfang dreißig. Das einzige Besondere war ein Tattoo auf seinem rechten Handrücken.

Die Schwarzhaarige war niemand anders als Nancy Denozo, Mitglied einer einflussreichen New Yorker Mafiafamilie.

Das war der Grund, warum Steve dieses eigenartige Kribbeln spürte. Er hatte das Foto dieser Frau und der anderen Mitglieder ihrer Familie etliche Male in Fahndungsakten gesehen, die sich nie gegen die Familie selbst gerichtet hatten, sondern gegen Kriminelle aus deren Umfeld. Wer zur Familie gehörte, war meistens fein raus. Die besten Anwälte Amerikas sorgten immer wieder dafür, dass sie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen konnten.

»Hallo, ich rede mit dir«, sagte Sheila und hielt ihr leeres Glas hoch. »Kriege ich noch was?«

Mittlerweile hatte sie auch mitbekommen, welche Frau es war, die Steve ins Auge gefasst hatte.

»Klar, Steve«, sagte sie mit einem Gurren in der Stimme, das in dem Gemurmel der Bar und der leisen Jazzmusik, die aus den Lautsprechern drang, kaum noch zu hören war. »Die ist fast zehn Jahre jünger als ich. Dafür habe ich viel mehr Erfahrung ...«

Sie neigte Steve ihren Kopf zu. Er konnte ihr Parfüm riechen, und normalerweise hätte ihn das auch sofort angetörnt.

»Du kannst dir aussuchen, was heute noch auf dem Programm steht«, fuhr sie fort. »Wir müssen nicht in der Bar bleiben, weißt du?«

Nancy Denozo hatte ihr Gespräch unterbrochen. Sie holte ein Handy aus der Handtasche. Der Mann, mit dem sie gesprochen hatte, sah ihr geduldig beim Telefonieren zu.

Steve war sich sicher, dass Nancy Denozo selbst keine Verbrecherin war. Die Frauen in den Mafiafamilien hatten oft Rollen im Hintergrund, außer sie übernahmen, was manchmal vorkam, nach dem Tod ihrer Männer selbst die Führung. Dann waren sie meist schon älter.

Nancy Denozo war gerade mal Anfang zwanzig.

Wer Steve Dillaggio interessierte, war ihr Begleiter. Er war überzeugt, dass er ihn nie zuvor gesehen hatte, weder persönlich noch auf irgendwelchen Fahndungsfotos. Wenn Nancy Denozo mit ihm Kontakt hatte, konnte das ein wichtiger Mann in dem Clan sein.

Steve tastete nach seinem Telefon. Er wollte heimlich ein Foto von ihm machen.

Während er damit beschäftigt war, stieg Sheila von ihrem Barhocker. Auf ihrer Stirn erschien eine Zornesfalte.

»Ich sehe, ich bin hier überflüssig«, sagte sie. »Schade, Steve. Ich hatte gedacht, du wärst anders. Da habe ich mich wohl geirrt. Die Männer sind alle gleich.«

»Sorry, Sheila, aber ...« Er kam nicht dazu, noch etwas zu sagen. Die Frau, mit der er eigentlich den Abend und vielleicht sogar die Nacht hatte verbringen wollen, bahnte sich einen Weg Richtung Ausgang.

Der Barkeeper sah angestrengt weg. Einige Männer in der Bar warfen Steve mitleidige Blicke zu. Für ein, zwei Sekunden war er hin- und hergerissen, Sheila zu folgen oder weiter Nancy Denozo und den Mann im Auge zu behalten.

Etwas sagte ihm, dass es keinen Zweck hatte, hinter Sheila her zu laufen. Er würde sie morgen anrufen und ihr alles erklären. Leider würde er dabei genauer offenlegen müssen, was er beruflich machte.

Er hatte sein Smartphone hervorgeholt und wollte es gerade unauffällig in Position bringen. Die junge Frau beendete ihr Gespräch und steckte das Telefon weg. Sie sprach kurz mit ihrem Begleiter, der sich dabei so positionierte, dass Steve ein, zwei Fotos machen konnte.

Dann drehte sich Nancy Denozo um und ging wie gerade eben Sheila zum Ausgang.

Wieder war Steve im Zwiespalt. Weiter den Begleiter im Auge behalten oder die junge Mafiaprinzessin, die vielleicht nichts anderes tat, als nach Hause zu fahren?

Er beschloss, mit hinauszugehen.

Die Tompkins Bar war ziemlich voll. Es verging fast eine halbe Minute, bis Steve draußen war. Schräg gegenüber befand sich der Tompkins Square Park, eine kleine quadratische grüne Insel mitten im East Village.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis er im Licht der Straßenbeleuchtung Nancy Denozos schmale Gestalt entdeckte. Sie ging Richtung East River, der etwa vierhundert Yards entfernt war. Wenn sie ein Taxi nehmen wollte, wäre sie in die andere Richtung gegangen. Rüber zur Bowery, zum Beispiel, auf der wesentlich mehr Verkehr herrschte als hier.

Die junge Frau blieb stehen und sah sich um.

Im nächsten Moment fuhr ein dunkler Wagen heran. Steve hatte sofort den Eindruck, das Fahrzeug hätte in einer Seitenstraße gewartet. Der Wagen war ein Lieferwagen, allerdings ohne jede Beschriftung.

Das war wieder so ein Detail, das seinen inneren Alarm auslöste.

Steve lief los. Nancy Denozo war etwa hundert Yards entfernt. Er hatte erst ein paar Schritte zurückgelegt, da öffnete sich mit einem schleifenden Geräusch die Seitentür des Wagens. Zwei Hände erschienen, und im nächsten Moment war die junge Frau in dem Fahrzeug verschwunden.

Steve schaffte es gerade noch, sein Handy wieder herauszuholen und Fotos zu machen, auf denen hoffentlich das Kennzeichen zu sehen sein würde.

Der Wagen fuhr los, bevor die Seitentür wieder geschlossen war, und bog um die nächste Ecke, wo sich sein Motorengeräusch in der Ferne verlor.

Der Tag war ziemlich lang gewesen. Phil und ich hatten Ermittlungen im Norden des Staats New York durchgeführt und waren erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder im Big Apple angekommen.

Als ich schlafen gegangen war, hatte ich mich auf ein paar Stunden Ruhe gefreut. Das Handy, das auf einmal neben meinem Bett klingelte, holte mich aus dem Tiefschlaf.

Das Display zeigte, dass es gerade mal ein Uhr war. Unter der Zeitangabe stand in großen Lettern der Name des Anrufers. Es war Steve Dillaggio.

Wenn er mitten in der Nacht anrief, musste etwas Besonderes passiert sein. Sofort war ich hellwach.

Sekunden später wusste ich, worum es sich handelte.

»Eine Entführung, Jerry«, sagte er. »Reiner Zufall, dass ich das alles gesehen habe. Hier an der Tompkins Bar. Die Entführte ist Nancy Denozo.«

»Und ich dachte, du liegst mit dieser ... im Bett. Wie hieß sie noch?«

»Sie heißt Sheila«, sagte Steve. »Das ist eine andere Geschichte. Ich brauche euch hier, Jerry. Wenn wir Pech haben ...«

Er brauchte gar nicht weiterzusprechen. Die Entführung eines Mitglieds einer Mafiafamilie war wie jede Entführung ein Verbrechen. In diesem Fall kam hinzu, dass es dabei um Feindschaften zwischen den Familien gehen konnte. Was nichts anderes hieß, als dass wir es mit einem Krieg im Gangland zu tun haben konnten.

Ich erklärte ihm, dass ich praktisch schon unterwegs war. Er kündigte an, meinen Partner Phil ebenfalls telefonisch zu wecken, damit er in den nächsten Minuten an der üblichen Ecke auf mich wartete.

»Steve hat ziemlich aufgeregt geklungen«, sagte Phil, nachdem er mich begrüßt hatte und in den Wagen stieg.

»Kein Wunder«, meinte ich. »Mister High und Steve sind die Chefs unserer Taskforce gegen das organisierte Verbrechen, und wenn ich das richtig sehe, haben wir schon eine ganze Weile keinen nennenswerten Erfolg auf diesem Gebiet gehabt. Kein Wunder, dass Steve auch in seiner Freizeit genau die Augen aufhält, um mitzubekommen, was da in New York los ist.«

»Wir hatten doch schon oft den Fall, dass sich junge Frauen aus den Mafiafamilien schon mal für eine gewisse Zeit lossagen und einfach frei wie andere junge Frauen das Leben in New York genießen wollen«, sagte Phil. »Manche Clanchefs versuchen, das zu verhindern, indem sie sie einfach einsperren. Auch das...

Erscheint lt. Verlag 8.6.2024
Reihe/Serie Jerry Cotton
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-7517-6556-5 / 3751765565
ISBN-13 978-3-7517-6556-5 / 9783751765565
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