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Dunkler Abgrund (eBook)

Thriller | Wenn die Täterin zum Opfer wird - der norwegische Pageturner
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3145-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dunkler Abgrund -  Ruth Lillegraven
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Du kannst deiner Vergangenheit nicht entkommen Clara Lofthus wird kurz nach dem Tod ihres Ehemannes zur neuen Justizministerin Norwegens ernannt. Ein anspruchsvoller Job - besonders für eine alleinerziehende Mutter. Doch plötzlich erhält sie Drohbriefe: Jemand weiß, was sie getan hat. Aber Clara lässt sich nicht einschüchtern und verzichtet auf Polizeischutz. Das bereut sie bitter, als sie nach einem langen Arbeitstag ihr Haus leer vorfindet: Ihre Zwillingssöhne Andreas und Nikolai wurden entführt! Die sonst so starke Clara verliert den Boden unter den Füßen. Verzweifelt begibt sie sich auf die Suche nach ihren geliebten Kindern und wird dabei von ihrer düsteren Vergangenheit gnadenlos eingeholt. Sie muss feststellen: Die Wahrheit kann ein tiefer, dunkler Abgrund sein ... »Ein wahrer Pageturner« Hardanger Folkeblad »Eine Wucht! Dieser Thriller überzeugt mit seiner fesselnden, kraftvollen Prosa.«Dagens Næringsliv »Die klaren Sätze und präzisen Beschreibungen von Mensch und Natur sind eines Dichters würdig. Grandios!« Stavanger Aftenblad Lesen Sie auch: Ruth Lillegraven - Tiefer Fjord (Erster Teil der Clara-Trilogie)

Ruth Lillegraven wurde 1978 in Hardanger geboren und lebt heute in Bærum. 2005 debütierte sie mit einer Gedichtsammlung. Seitdem veröffentlichte sie Lyrik, Kinderbücher, ein Theaterstück und Romane. Ihre Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem erhielt sie den Brage-Preis und den Nynorsk Literaturpreis.

Ruth Lillegraven wurde 1978 in Hardanger geboren und lebt heute in Bærum. 2005 debütierte sie mit einer Gedichtsammlung. Seitdem veröffentlichte sie Lyrik, Kinderbücher, ein Theaterstück und Romane. Ihre Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem erhielt sie den Brage-Preis und den Nynorsk Literaturpreis.

2 – Leif


Heute wird meine Tochter Justizministerin von Norwegen, denke ich beim Aufwachen.

Ich schwinge die Beine über die Bettkante, schiebe mich mit den Händen zum Rand und versuche, die morgendliche Steifheit in Knochen und Knien zu überwinden. Wenn ich erst eine Weile auf bin, geht es in der Regel besser.

Irgendwann bin ich auf den Beinen, drehe mich um, ziehe das Laken glatt und schüttele die Decke, so gut es geht, auf. Ich freue mich immer, wenn ich mich abends im kalten Schlafzimmer in ein gemachtes Bett legen kann. Wie ich mich freue, wenn ich morgens nach unten in die Küche komme, Kaffee aufsetze und mir die erste Tasse des Tages gönne.

Ich schmiere mir zwei Scheiben Brot, eine mit Gouda und die andere mit Marmelade, gieße mir Kaffee ein und fülle den Rest in die alte Thermoskanne, die schon meine Mutter benutzt hatte.

Draußen gehe ich zuerst zu den Hühnern. Sie gackern wild durcheinander, während ich mit den Pellets in den Stall komme. Ich bücke mich. Ein Ei. Zwei. Drei. Sie liegen warm in meiner Hand, als ich mich aus dem Hühnerstall schleiche und sie in der Küche auf die Arbeitsplatte lege. Danach gehe ich in den Schafstall. Es riecht nach Wolle, Schafpisse und warmen Tieren. Auch die Schafe blöken wild durcheinander. Alles ist wie immer und doch ganz neu.

Nachdem ich den Stall sauber gemacht habe, widme ich mich meinem neuen Projekt. Ich will ganz oben am Waldrand einen neuen Zaun errichten, damit die Schafe dort grasen können, wenn sie im Frühjahr erst ihre Lämmer bekommen haben.

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich allein einen Zaun aufspannen kann. Jetzt habe ich ein neues Patent entwickelt. Zum Einsatz kommen dabei Stahlstäbe, eine Winde und der Traktor.

Es funktioniert so gut, dass ich mich frage, warum ich das nicht schon früher so gemacht habe.

Ich bleibe stehen, den Fuß auf einem Stein, stützte mich auf dem Knie ab und lasse meinen Blick schweifen. Die Laubwälder auf den Hügeln vor mir leuchten orange. Dahinter folgt ein Streifen aus dunklem Nadelwald. Das weiß ich, sehen kann ich das von hier aus nicht. Die Nadelbäume wachsen an einem steilen Hang, der bis unten zur Straße abfällt, aber auch die kann ich von hier aus nicht sehen.

Was ich sehen kann, ist der Fjord. An windstillen, sonnigen Herbsttagen, wie diesem, glänzt die Wasserfläche dort unten wie Metall. Es ist das Licht des Himmels, das dort reflektiert und bis zu mir nach oben geworfen wird.

Auch nach all den Jahren, einem ganzen Leben, überwältigt mich der Anblick.

Hier wohne ich, hier werde ich bleiben, solange noch Leben in mir ist. Einen schöneren Ort gibt es nicht.

Wieder zurück im Haus gieße ich mir noch einen Kaffee ein. Auf dem Tisch vor meinem Stuhl liegt das Buch, das ich zurzeit lese. Fast tausend Seiten über den Zweiten Weltkrieg, aber das Thema interessiert mich. Für gewöhnlich lese ich um diese Zeit für eine halbe Stunde, heute sehe ich stattdessen fern.

Anschließend arbeite ich weiter am Zaun und anderen Dingen, und heute Abend, nach dem Essen, werde ich mir ein Schnäpschen gönnen, mich in den Sessel am Fenster setzen, die Leselampe einschalten, dem Knistern des Ofens lauschen und mich in ein Buch vertiefen, bis meine Augenlider so schwer werden, dass ich nach oben gehen muss.

Ich liebe diese Stunden. Ich liebe mein Leben. Es war so viel Unruhe in mir. So lange. Die Zeit nach dem Libanon war sehr schwer, am schlimmsten aber waren die Wochen direkt nach Lars’  Tod. All diese Jahre, diese Zeiten ohne Ruhe, haben sich übereinandergelegt wie die unterschiedlichen Humusschichten in einem Boden.

In der letzten Zeit geht es mir besser. Vielleicht liegt das am Alter, vielleicht verkrafte ich einfach nicht noch mehr Unruhe.

Ich setze mich vor den Fernseher. Clara hat mich am Abend zuvor angerufen, das tut sie jeden Tag, aber gestern hatte sie etwas Außergewöhnliches zu erzählen.

Es ist wirklich nicht zu glauben. Meine Clara, Tochter eines armen Kleinbauern. Trotz all der Dinge, die uns widerfahren sind, trotz ihrer unbrauchbaren Mutter und des Todes von Lars hat sie es geschafft und soll nun also am Tisch des Königs sitzen.

Auf den Fernsehbildern erkenne ich sie kaum, so geschminkt und gestriegelt, mit Rock und Bluse und hohen Schuhen. Sie sieht wie eine Fremde aus, wie eine Städterin. Zum ersten Mal denke ich, dass sie ihrer Mutter doch ein bisschen ähnlich sieht. Zumindest so, wie Agnes einmal gewesen war. Groß gewachsen, voller Stil und Würde.

Die Stimme im Fernsehen kommentiert, dass die Wahl von Lofthus ebenso überraschend wie erfrischend sei, da sich ihre politische Erfahrung ja auf wenige Monate als Staatssekretärin beschränke. Lofthus wohne seit vielen Jahren in Oslo, stamme aber ursprünglich aus einer kleinen Gemeinde im Vestland. Sie sei erst vor Kurzem unter tragischen Umständen zur Witwe geworden, nachdem ihr Mann in einem Bergsee ertrunken sei, und müsse sich jetzt allein um ihre Zwillinge, zwei Söhne, kümmern. Auch ihr Privatleben unterstreiche, wie überraschend diese Ernennung sei.

Es beginnt zu regnen. Die Ministerpräsidentin und der neue Gesundheitsminister trippeln etwas auf der Stelle, lächeln aber noch immer. Clara steht einfach nur da. Mit geradem Rücken. Die Eltern von Haavard sind da. Und Axel. Ich erkenne sie und bin für einen Moment etwas eifersüchtig. Es wäre schön gewesen, dabei zu sein.

Eine Frau geht auf Clara zu, sie scheint etwas zu rufen und wedelt mit etwas in der Luft herum. Was ist da los? Ein paar Sekunden Pause. Dann geht Clara mit einem gequälten Lächeln zurück zur Ministerpräsidentin. Sie ist einen Kopf größer als ihre Chefin, ja sogar als ihr männlicher Kollege auf der anderen Seite.

Als ich gestern mit ihr telefoniert habe, meinte sie, sie könnte so viel für das Wohl der Kinder tun. Das mag stimmen. Ich frage mich nur, ob dieser Job auch gut für ihre eigenen Kinder ist, für Andreas und Nikolai. Ich hätte ihr das auch gesagt, wenn sie mich gefragt hätte, aber das hat sie nicht. Vermutlich ist es beides, gut und verrückt. Ich weiß nicht, ob mir das Leuchten in ihren Augen gefällt. Das führt nur selten zu guten Nachrichten. Ich hebe die Fernbedienung an, schalte den Fernseher aus und stehe auf.

Im Coop kommen gleich mehrere zu mir, um mir zu gratulieren.

»Du musst wahnsinnig stolz sein«, sagt die Frau an der Kasse.

Ich nicke nur, bevor ich zurück zum Wagen gehe.

Es ist seltsam, aber ich mag die Strecke, die aus dem Zentrum am Fjord entlangführt. Die schmale, kurvige Straße mit der steilen Felswand auf der linken Seite. Im Sommer und Herbst gibt es hier manchmal Steinschlag und im Winter Eisbruch. Rechter Hand liegt der Fjord. Er ist hier sehr tief. Dann öffnet sich plötzlich die Landschaft, und man kann weit blicken. Berge, Fjord, Himmel. In dieser Zeit des Jahres bringen die orange leuchtenden Laubbäume den ganzen Hang zum Glühen. Verantwortlich dafür war eine außergewöhnlich frühe Frostnacht, sie hat all die Farben gebracht.

Ein paar Kilometer weiter muss ich dann nach links abbiegen und den Weg nach oben auf den Gebirgssattel nehmen, auf dem ich wohne. Auf dem Weg dorthin komme ich am Storagjælet vorbei, dem Ort, an dem Clara und ihr Stiefvater vor vielen Jahren vom Weg abgekommen sind. Ich bin mit der Stelle vertraut. Seit dreißig Jahren fahre ich daran vorbei, wenn ich zum Einkaufen oder aus anderen Gründen ins Zentrum muss. Es bedrückt mich nicht.

Magne ist damals umgekommen. Clara hat überlebt, sie hat es gegen alle Logik aus eigener Kraft geschafft, sich aus dem Auto zu befreien und nach oben zu schwimmen.

Eigentlich verspüre ich immer, wenn ich hier vorbeifahre, so etwas wie Dankbarkeit. Wäre Clara damals etwas zugestoßen, ich glaube, ich hätte das nicht überlebt. Sie war alles, was ich noch hatte.

Im Spätsommer haben Taucher Magnes Wagen gefunden, er lag in 180 Meter Tiefe. Trotzdem war ich weder auf das Auto noch auf das Unbehagen vorbereitet, das der Anblick bei mir geweckt hat. Vielleicht hatte ich geglaubt, das Auto hätte sich aufgelöst und wäre verschwunden, obwohl ich ja weiß, dass es so etwas nicht gibt.

Schon aus einiger Entfernung sehe ich die Menschenmenge am Rastplatz unweit vom Storagjælet. Nach dem Unfall ist der Fels teilweise weggesprengt worden, sodass die Kurve nicht mehr so scharf ist. Nichts ist mehr wie früher, wobei natürlich noch immer auf der einen Seite der Fels und auf der anderen, weit unten, der Fjord liegt.

Ich halte an, steige zögernd aus und gehe zu den anderen. Frank Birger, alle nennen ihn nur Beaf, hebt die Hand. Er kommt auf mich zu. Am liebsten wäre ich direkt wieder zurück zu meinem Wagen gegangen und nach Hause gefahren.

»Tag«, sagt er und legt mir die Hand auf die Schulter. »Ich war sicher, du wärst in die Hauptstadt gefahren, um deine Tochter zu feiern?«

Beaf wiegt sicher 130 Kilo. Seine Hose hängt tief auf seinem Arsch. Er sieht ungepflegt aus, wie einer dieser riesigen Plastiktrolle vor den Touristenläden. Die fettigen Haare stehen in alle Richtungen ab. Die meiste Zeit hockt er vor der Imbissbude und stopft XXL-Burger und Pommes in sich hinein. Nach all den Stunden dort und den vielen Jahren als Taxifahrer für die...

Erscheint lt. Verlag 27.6.2024
Übersetzer Günther Frauenlob
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Drohbrief • Entführung • Ermittlungen • Fjorde • Geheimnis • Gerechtigkeit • Justiz • Karriere • Kinder • Kindheit • Mord • Mutter • Norwegen • Norwegisch • Notwehr • Opfer • Oslo • Pageturner • Psycho • Rache • Scandi-Crime • Skandinavien • Suche • Täterin • Thriller • Trauma • Verbrechen • Verrat
ISBN-10 3-8437-3145-4 / 3843731454
ISBN-13 978-3-8437-3145-4 / 9783843731454
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