Just Another Missing Person - Findest du sie, wirst du alles verlieren (eBook)
448 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60670-7 (ISBN)
Gillian McAllister schreibt schon, solange sie denken kann. Sie studierte Anglistik, bevor sie als Anwältin arbeitete und in jeder freien Minute, oft auch auf dem Arbeitsweg, an ihren Romanen schrieb. Heute arbeitet sie hauptberuflich als Autorin und lebt in Worcestershire in der Nähe von Birmingham. All ihre Thriller wurden in Großbritannien zu Sunday Times-Bestsellern, ihre Bücher wurden bereits in über zehn Sprachen übersetzt. Gillian McAllister ist die Gründerin und Co-Moderatorin des beliebten britischen Podcasts »Honest Authors«. »Going Back« ist das erste Buch der Autorin, das auf Deutsch erscheint.
Gillian McAllister schreibt schon, solange sie denken kann. Sie studierte Anglistik, bevor sie als Anwältin arbeitete und in jeder freien Minute, oft auch auf dem Arbeitsweg, an ihren Romanen schrieb. Heute arbeitet sie hauptberuflich als Autorin und lebt in Worcestershire in der Nähe von Birmingham. All ihre Thriller wurden in Großbritannien zu Sunday Times-Bestsellern, ihre Bücher wurden bereits in über zehn Sprachen übersetzt. Gillian McAllister ist die Gründerin und Co-Moderatorin des beliebten britischen Podcasts »Honest Authors«. »Going Back« ist das erste Buch der Autorin, das auf Deutsch erscheint.
1. Kapitel
Julia
Julia versucht, sich darüber klar zu werden, ob der Mann am übernächsten Tisch jemand ist, den sie schon einmal verhaftet hat. Er hat sich einen Karamell-Käsekuchen bestellt, ist mit Frau und zwei Kindern hier, und sie ist sich ziemlich sicher, dass sie ihn einmal wegen Mordes festgenommen hat. Das Licht ist dämmrig; sie kann es einfach nicht genau sagen.
Sie gibt sich alle Mühe, ihren Mann und ihre Tochter nichts merken zu lassen, hält den Blick auf die Speisekarte gesenkt.
»Nando’s ist in letzter Zeit ja irgendwie voll cringe, stimmt’s?«, stellt Genevieve fest, und Julia lächelt ihr freches einziges Kind an.
»Inwiefern?«, will Art entrüstet wissen. Art, benannt nach Art Garfunkel, ihr Ehemann. Ein Englischlehrer, ein Pedant, ein Zauderer, der letzte Mensch, der in SMS noch Semikolons verwendet. Und bis vor Kurzem Julias große Liebe.
Am Tisch des Vielleicht-Mörders wird der Käsekuchen serviert. Julia beobachtet ihn, als er aufschaut. Er hat zwei Handys, beide liegen mit dem Display nach unten vor ihm auf dem Tisch. Das untrügliche Merkmal eines Kriminellen. Sie ist sich ziemlich sicher, dass er es ist. Irgendetwas an seiner Stirn …
»Ach, einfach … du weißt schon. Allein schon die Werbung und so, ich meine, hör bloß auf«, antwortet Genevieve und nimmt eine Speisekarte zur Hand. Sie trägt ein schwarzes Neckholder-Shirt, in Jeans mit hohem Bund gesteckt. Große goldene Kreolen. Sie sieht toll aus, aber es wäre ihr auch egal, wenn es nicht so wäre. Das ist typisch Genevieve: Sie tut, was sie, verdammt noch mal, will. Manchmal freut es Julia, eine so starke Frau großgezogen zu haben. Manchmal freut sie das nicht ganz so sehr.
Es ist sieben Uhr abends, und Julia kann nicht recht glauben, dass sie hier ist. Dass nichts dazwischengekommen ist, dass sie es geschafft hat.
»Die machen gutes Hühnchen«, erwidert Art milde, vielleicht auch ein wenig gekränkt. Das Restaurant hat er ausgesucht.
Der Käsekuchen ist schon fast aufgegessen. John. Julia glaubt, dass er John heißt. Wieder schaut sie rasch zu ihm hinüber und zieht ihr Handy hervor. »John Mord Portishead« tippt sie bei Google ein. Sie ist sicher, dass er noch nicht wieder draußen sein sollte. Eine Messerstecherei im Stadtzentrum, eine brutale Attacke. Lebenslänglich hat er bekommen, und so lange ist das noch nicht her.
Die Google-Suche ist nicht begrenzt genug, es gibt zu viele Ergebnisse. Gerade, als sie erwägt, etwas anderes einzugeben, klingelt das Handy. Es ist das Revier.
»DCI Day«, sagt der Mann in der Zentrale der Polizei in Julias Privathandy – das, das sie immer benutzt –, und da geht das Herz in ihrer Brust in den vorhersehbaren Sinkflug. »Gefährdete vermisste Person, ist gerade reingekommen«, meldet er, und es landet direkt vor ihren Füßen.
Julia seufzt. Kein Hühnchen, kein Herumalbern mehr mit Genevieve. Bloß Arbeit. So ist der Job eben. So ist der Job eben, sagt sie sich noch einmal. Nach zwanzig Jahren bei der Polizei ist das zu ihrem Mantra geworden.
Nachdem sie sich die Einzelheiten angehört hat, starrt sie auf die Tischplatte. Eine vermisste Zweiundzwanzigjährige. Keine psychischen Erkrankungen bekannt. Wurde gestern zum letzten Mal gesehen, auf Aufnahmen einer Überwachungskamera. Die Mitbewohner haben die Polizei verständigt, als sie nicht nach Hause gekommen ist. Das sind die Fakten.
Doch hinter den Fakten steht noch etwas anderes, dessen ist sie gewiss. Etwas anderes. Etwas, das sie noch nicht benennen kann. Das sagt ihr ein ganz tiefer Detective-Instinkt. Sie schaudert in dem düsteren Restaurant.
»Ich muss aufs Revier«, verkündet sie, gerade als das Essen kommt. Dampfende Maiskolben, Kartoffelbrei, Hühnchen … Sehnsüchtig betrachtet sie die Teller.
Als sie aufsteht, sieht sie rasch zu dem Vielleicht-Mörder links von ihnen hinüber. »Falls ihr zufällig mitkriegt, wie der wegfährt«, sagt sie leise zu Art und Genevieve, »könnt ihr euch das Kennzeichen merken?«
Julia war immer zu weich, um Polizistin zu sein. Das denkt sie, als sie ins Revier eilt und eigentlich gleich ihr Team auf den neuesten Stand bringen will, jedoch stehen bleibt, um einen ihrer Informanten zu mustern. Es ist Price, den Julia immer schon zu gern hatte. Er sitzt auf einer der Bänke, und seine Züge sind in einem Ausdruck der Verblüffung stecken geblieben, als hätte jemand eine Sekunde lang das Universum angehalten.
Julia will ihn schon fragen, was er hier macht. Sie kann nicht anders, sie ist durchdrungen davon, egal, was sie noch alles auf dem Zettel hat. Wenn man Julia schneidet, blutet sie Interesse für die, die ihr wichtig sind, und das sind alle und jeder.
Price hat die Beine an den Knöcheln überkreuzt und einen Arm über die metallene Rückenlehne gelegt. Anscheinend fühlt er sich hier wie zu Hause, aber Julia weiß, dass er Angst hat. Natürlich hat er Angst: Er handelt mit Informationen – der gefährlichsten Ware, die es gibt.
Er hat rotbraunes Haar, das er so stark gelt, dass das Rot zu unauffälligem Braun wird. Sommersprossen. Haut, die leicht verbrennt und leicht errötet. Price ist Schotte, ursprünglich aus Glasgow, und hat den Akzent nie abgelegt, obwohl er vor zwanzig Jahren hierhergezogen ist, mit siebzehn.
»Was haben Sie denn ausgefressen?«, erkundigt sich Julia und bleibt in der leeren Eingangshalle vor ihm stehen. Es riecht nach Industriereinigungsmittel und dem abgestandenen Essen, das sie den Angeklagten bringen. Da ist oft Fleisch drin, das man aus irgendeinem Grund nicht kühl zu lagern braucht und dessen Verfallsdatum erst in etlichen Jahren erreicht ist.
Die meisten Lampen sind aus. Julia findet das Revier um diese Zeit immer unfassbar romantisch, als wäre es ein Museum außerhalb der Besuchszeiten, zu dem nur sie Zutritt hat. Ein Standbild aus einem Film, in dem sie herumstreifen darf, nur sie allein.
»So dies und das«, antwortet Price. Er ist klug, denkt strategisch; sicher sagt er es ihr aus einem bestimmten Grund nicht.
»Will heißen?«, fragt sie. Price wird so gut wie nie verhört; er liefert nur ihr Informationen. Er ist flink, gerissen und auch witzig, aber nie in Haft. Fast alles, was Julia mit ihm zu tun gehabt hat, hat in der Welt dort draußen stattgefunden.
Der Sergeant vom Dienst kommt mit einem Becher Revierkaffee. Julias Blick fällt kurz darauf. »Sie haben sich also nur selbst einen gemacht?«, bemerkt sie. Der Sergeant beachtet sie nicht.
Wieder sieht sie Price an und geht dann seufzend nach hinten zur Küche. Dort brüht sie einen Tee auf, drei Stück Zucker, jede Menge Milch – auch, um das Zeug abzukühlen, damit es weniger riskant ist. Dampfend heißer Tee ist in Polizeigewahrsam nicht erlaubt, weil er eine Waffe ist. Der Becher wärmt ihre Finger. Sie ist versucht, ihn selbst zu leeren, hat den ganzen Tag nur einmal etwas getrunken, im Nando’s, doch sie tut es nicht. Sie hat zu viel zu tun. Sie muss herausfinden, was bei Price abgeht. Sie will sich über den Mörder im Restaurant schlaumachen. Und dann noch die Hauptsache: Es sieht so aus, als müsse sie eine Vermisste finden.
Price streckt schon die Hand aus, als sie mit dem Becher zurückkommt. »Ooh, Miss«, sagt er entzückt zu ihr und nippt daran. »Und auch noch mit Zucker. Ich schulde Ihnen einen Tipp. Wie viel sind zehn Prozent von gar nichts?« Er lacht bellend auf. Er ist bissig, aber eins ist sicher: Wenn ihre Rollen vertauscht wären, würde er ihr auch Tee holen.
Sie lächelt und weicht dem Blick des Sergeants vom Dienst aus. Lieber von einem Kollegen für zu vertrauensselig gehalten werden, als nachts wach liegen und über Price nachdenken, und darüber, ob er an diesem Tag, in dieser Woche schon etwas Heißes zu trinken gehabt hat. Nichts kann Julia besser, als mitten in der Nacht zwanghaft über etwas nachgrübeln. Und mitten am Tag übrigens auch.
...
Erscheint lt. Verlag | 28.3.2024 |
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Übersetzer | Marie-Luise Bezzenberger |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Domestic Noir • Erpressung • Korruption • Moral • Mutter-Tochter-Beziehung • Psychologischer Spannungsroman • Psychologischer Thriller • Sunday-Times-Bestsellerautorin • Thriller für Frauen • Thriller neuerscheinung 2024 • Thriller über Eltern • Thriller über Familie • Thriller über Mutter • Vermisste Mädchen • vermisste Menschen • Vermisstenfall • Vermisstenthriller • Vermisste Personen • Weiblicher Thriller • Zwickmühle |
ISBN-10 | 3-492-60670-9 / 3492606709 |
ISBN-13 | 978-3-492-60670-7 / 9783492606707 |
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