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Die Toten von Veere. Ein Zeeland-Krimi (eBook)

Kriminalroman | Spannender Kriminalroman um ein mittelalterliches Städtchen auf der Halbinsel Zeeland

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
576 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0660-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Toten von Veere. Ein Zeeland-Krimi - Maarten Vermeer
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Malerische Kleinstadt - oder Schauplatz eines ungeheuren Verbrechens?
Ein Vermisstenfall in Zeeland, das gehört eigentlich nicht in den Zuständigkeitsbereich von Liv de Vries, Hoofdinspecteur der Landespolizei. Trotzdem folgt sie der Bitte ihres Vorgesetzten, der sie mit der Ermittlung in Veere nach einem missglückten Einsatz aus der Schusslinie nehmen will. Doch das Verschwinden des Kochs Rob van Loon ist weit mehr als ein Vermisstenfall. Er führt Liv zurück in die Vergangenheit - zu Esmée, einem Mädchen mit surinamischen Wurzeln, das vor vielen Jahren ebenfalls spurlos in Veere verschwand. Was hat Rob van Loon damit zu tun? Und warum ist plötzlich die rechte Szene an seinem Auffinden interessiert? Wo Menschen für gewöhnlich auf die Schönheit von Zeeland treffen - das Meer, kilometerlange Strände, beeindruckende Gebäude und eine bewegte Geschichte - stößt Liv de Vries auf unbequeme Wahrheiten, die auch sie ganz persönlich vor ein ernstes Problem stellen.



Maarten Vermeer ist das Pseudonym eines deutschen Schriftstellers, der bereits zahlreiche Krimi- und Sachbuchbestseller veröffentlicht hat. Er ist in den Niederlanden aufgewachsen und hat dort studiert. Später arbeitete er als Journalist und betreute als Verlagslektor Kriminalromane und Thriller, bevor er sich als Schriftsteller selbstständig machte. Privat führen ihn Familienurlaube immer wieder in seine zweite Heimat, die Niederlande, insbesondere nach Zeeland, wo er den Tag gerne mit einem Buch am Strand verbringt.

1


Rotterdam, heute

Der Einsatz drohte zu scheitern, noch bevor er begonnen hatte.

Liv de Vries, Hoofdinspecteur des Dienst Landelijke Recherche, der Landeskriminalpolizei, steuerte ihren schwarzen Renault Mégane durch die Straßen des Rotterdamer Viertels Delfshaven. Die Stadt erwachte gerade erst zum Leben. Links und rechts brannte vereinzelt Licht in den Fenstern der Häuserzeilen aus rotem Backstein. Nur wenige Leute waren auf der Straße unterwegs, der einzige Umstand, der Liv an diesem Tag bislang in die Karten spielte.

Nach vielen Jahren wieder in Delfshaven zu sein, rief unweigerlich Erinnerungen wach. Hier, in diesem Viertel, das im Schatten des Euromasts lag, hatte sie einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend verbracht. Unter anderen Umständen wäre sie vielleicht an dem Haus vorbeigefahren, das sie mit ihren Eltern und den Großeltern bewohnt hatte, um zu sehen, was daraus geworden war. Doch dafür hatte sie keine Zeit.

Liv stoppte den Wagen an der Polizeiabsperrung, die einen halben Kilometer von ihrem eigentlichen Ziel entfernt lag. Man hatte den Einsatzort weiträumig abgeriegelt. Zwei Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht versperrten den Weg. Die uniformierten Kollegen waren mit schusssicheren Westen und Maschinenpistolen ausgestattet.

Einer der Männer trat an ihren Wagen heran. Liv ließ das Fenster herunter und zeigte ihren Dienstausweis. Der Dienst Landelijke Recherche befasste sich auf nationaler Ebene unter anderem mit organisierter Kriminalität, Terrorismus und Cyberverbrechen.

Der Streifenbeamte hob das Absperrband an und ließ sie passieren. Liv fuhr weiter.

Die Straßen waren menschenleer. Am Himmel über den Hausdächern zeigte sich das erste Morgenlicht. Hinter den Fenstern erkannte Liv hier und da die Gesichter von Menschen, die versuchten, einen Blick auf die Geschehnisse zu erhaschen. Man hatte die Anwohner, deren Wohnungen hinter der Absperrung lagen, aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Die Evakuierung des gesamten Viertels wäre in der kurzen Zeit nicht möglich und wenig sinnvoll gewesen. Solange sich die Leute nicht im Freien aufhielten, waren sie in sicherer Distanz.

Liv bog in eine Seitenstraße ab und parkte den Renault hinter dem Einsatzwagen des Sonderkommandos. Ein Kranken- und ein Notarztwagen standen ebenfalls dort. Bevor sie ausstieg, griff sie nach dem Plastikbecher, der in der Halterung am Armaturenbrett steckte, und führte ihn an die Lippen. Der Kaffee war kalt geworden. Sie hatte die Fahrt von Amsterdam hierher in unter einer Stunde bewältigt und dabei vielleicht zwei Schluck getrunken. Die ganze Zeit über hatte sie über Handy mit dem Polizeiführer in Kontakt gestanden, der den Einsatz koordinierte. Der Mann hatte sie auf dem Laufenden gehalten und das Vorgehen mit ihr abgesprochen, wobei sich die Lage rasch zu ihren Ungunsten entwickelt hatte.

Liv stieg aus und ging an den Männern des Sonderkommandos vorüber, die neben schusssicheren Westen noch mit Helmen und Sturmhauben ausgestattet waren. Sie warteten auf weitere Befehle.

Als Angehörige der Landespolizei arbeitete Liv in aller Regel mit den zuständigen Polizeistellen vor Ort zusammen. Dieser Einsatz lag in Händen der Rotterdamer Kollegen, und Liv machte ihnen keinen Vorwurf, dass die Lage derart verfahren war. Es hatte alles damit angefangen, dass der Hinweis mitten in der Nacht eingegangen war. Eigentlich hätte ein Einsatz dieser Art sorgfältiger Vorbereitung bedurft, doch dazu hatten sie keine Zeit, schnelles Handeln war erforderlich. Deshalb hatte Liv den Zugriff auch befohlen, als sie sich noch auf der Autobahn befunden hatte. Üblicherweise erteilte sie keine solchen Weisungen, bevor sie sich vor Ort einen Eindruck der Lage verschafft hatte.

Liv fand den Polizeiführer in einem Hauseingang neben dem Ausrüstungswagen, aus dem ein Mann des Sonderkommandos gerade eine Ramme hervorholte. Vor ihm auf einem Treppenabsatz hockte eine Frau. Sie trug Turnschuhe, Jeans, einen schwarzen Pullover und ein Kopftuch in derselben Farbe.

Der Polizeiführer hatte Liv bemerkt und drehte sich zu ihr herum. »Hoofdinspecteur de Vries?«

»Richtig, meneer Bos«, antwortete Liv. »Wir haben miteinander gesprochen.«

»Wir haben mit der Evakuierung der angrenzenden Häuser begonnen.«

»Gut.« Anders als in den weiter entfernten Straßen bestand hier eine direkte Gefahr für die Anwohner. Liv ging ein paar Schritte weiter und spähte um die Ecke in die nächste Straße, wo sich ihr Einsatzziel befand. Die Polizei führte in aller Stille die Bewohner aus den Eingängen der umliegenden Häuser. Einige von ihnen trugen noch Schlafanzüge und Nachthemden.

»Wo bringen Sie die Leute hin?«, fragte Liv über die Schulter.

»Ein paar Straßen weiter ist ein Platz. Dort sind sie erst mal sicher«, antwortete Bos.

»Ist sie das?« Liv deutete mit einem Nicken auf die Frau, die auf den Stufen saß.

»Ja. Ihr Name ist Raja. Sie kam aus dem Haus gerannt, kaum dass wir einen Fuß in die Straße gesetzt hatten.«

»Darf ich?«

»Nur zu.«

Liv ging zu der Frau hinüber und kniete sich vor sie. »Wie geht es Ihnen, Raja?«

Raja hielt den Kopf gesenkt, sodass Liv ihr Gesicht unter dem Kopftuch nur zum Teil sehen konnte. »Ich … weiß nicht, was in ihn gefahren ist …«

»Wir sind hier, um zu helfen. Wir wollen nicht, dass Ihrem Mann etwas zustößt. Erzählen Sie mir einfach, was geschehen ist.«

Raja hob den Kopf, und Liv sah die Tränen in ihren braunen Augen. »Als ich aufgewacht bin, lag Kamal nicht neben mir im Bett … Ich ging ins Wohnzimmer rüber. Er saß auf dem Sofa und hielt ein Feuerzeug und eine Gasflasche in der Hand. Er meinte, dass die Polizei unten auf der Straße wäre und er uns in die Luft jagt, wenn sie uns holen kommen.«

Liv blickte zu Bos auf, der die Angaben der Frau mit einem knappen Nicken bestätigte.

»Und was taten Sie dann?«

»Ich bekam Angst und wollte weg. Kamal hat versucht, mich aufzuhalten. Aber ich hab mich gewehrt und bin raus auf die Straße …«

»Raja, hören Sie mir gut zu«, sagte Liv. »Gibt es eine Möglichkeit, mit Ihrem Mann in Kontakt zu treten? Haben Sie ein Telefon in der Wohnung oder haben Sie seine Handynummer?«

Die Frau zögerte kurz, griff in die Hosentasche und zog ein Smartphone heraus. »Hier.«

Liv bat Raja, die Nummer ihres Mannes zu wählen. Raja nickte, entsperrte das Handy, startete den Anruf und reichte Liv das Telefon. Es klingelte mehrere Male, aber niemand nahm ab. Liv beendete den Anruf und gab Raja das Handy zurück.

Sie stand auf, um sich mit Bos zu beraten. Nach einem Blick auf Raja gingen sie ein paar Schritte zur Seite, bis sie außer Hörweite waren.

»Wissen wir, wie sich die Lage in der Wohnung aktuell darstellt?«

»Nein. Die Vorhänge sind zugezogen. Visuellen Kontakt über Kameras herzustellen, erscheint mir zu riskant. Sobald er jemanden von uns bemerkt …«

Bos brauchte den Satz nicht zu beenden, Liv wusste, was er meinte. Üblicherweise hätte man versucht, die Wohnung mittels Endoskopkameras zu überprüfen, die man durch Schlitze, Türöffnungen oder Bohrungen in die Räume einführte. Doch so leise das Einsatzkommando dabei auch vorgehen mochte, Bos hatte recht: Kamal hatte buchstäblich den Finger am Zünder. Die kleinste Verunsicherung konnte dazu führen, dass er durchdrehte.

»Was ist mit Bauplänen und Grundrissen?«

Bos schüttelte den Kopf. »Negativ. Wir haben auf dem Amt nachgefragt, aber bis die mit etwas rüberrücken, ist die Sache gelaufen. Und der Hauseigentümer … Na ja, Sie wissen ja, wie das hier ist.«

Liv kannte die Verhältnisse in Delfshaven. Es war einer der Stadtteile mit der höchsten Zahl von Allochthonen in den ganzen Niederlanden. Als Kind hatte sie gemeinsam mit ihren Eltern und Großeltern erlebt, wie sich die ehemalige Arbeitergegend in ein Viertel verwandelt hatte, in dem die Einheimischen irgendwann in der Minderheit waren. Die offiziellen Gesetze hatten allenfalls noch auf dem Papier Bestand gehabt. Man machte die Regeln auf den Straßen. Daran hatte sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil, es war eher schlimmer geworden. Bevor man jemanden zur Kooperation mit der Polizei überredete, konnte man sein Glück besser mit einem Flug zum Mond versuchen.

»Das bedeutet, wir gehen blind rein«, stellte Liv fest.

»So ist es. Alles, was wir wissen, ist, dass dort oben ein Verrückter auf seinem Sofa sitzt und nur darauf wartet, sich ins Paradies zu sprengen.«

Liv schaute hinüber zu dem rot verklinkerten Gebäudekomplex, der von einem Ende der Straße zum anderen reichte. In Delfshaven sprachen sich die Dinge schnell herum. Die Häuser hatten Augen und Ohren, nichts geschah hier unbemerkt, niemand, vor allem niemand Fremdes oder gar die Polizei, tat einen Schritt, ohne dass es jenen Leuten, die das Sagen hatten, zu Ohren kam. Insofern war es kaum verwunderlich, dass Kamal vom anrückenden Einsatzkommando Wind bekommen hatte, noch bevor die Kollegen einen Fuß auf seine Türschwelle gesetzt hatten.

Liv war dieses Problem bewusst gewesen. Trotzdem hatte sie den Zugriff angeordnet, ansonsten wäre Kamal über alle Berge gewesen.

Abu Kamal al-Din.

Er gehörte zu jenen, die ihnen üblicherweise durchs Netz schlüpften. Einer der kleinen Spinner, die sich unbemerkt radikalisierten, ihre Informationen aus dem Internet bezogen und ihre Waffen und Bomben mit Bordmitteln aus dem nächsten Drogerie- oder Baumarkt...

Erscheint lt. Verlag 23.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte bücher krimi thriller • Historische Fakten • historischer Krimi • Kriminalroman • Niederlande • Niederlande Krimi • Polizei • Polizeiarbeit • Rassismus • Veere • Vermisst • Wahrheit • Walcherens • weibliche Ermitlerin • Zeeland
ISBN-10 3-7499-0660-2 / 3749906602
ISBN-13 978-3-7499-0660-4 / 9783749906604
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