Eisrausch (eBook)
320 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3518-3 (ISBN)
Tödliche Jagd auf Grönland.
Als zwei Arbeiter eines umstrittenen Tagebauprojekts in Grönland ermordet werden, sieht die Polizeichefin von Aarhus die Möglichkeit, ihren eigensinnigen Ermittler John Kaunak loszuwerden. Vorgeblich als neuer Sicherheitschef fliegt er auf die Insel und begreift bald, dass er es nicht mit einem gewöhnlichen Mörder zu tun hat. Im Tagebau wird das begehrte Neodym abgebaut, dem die ganze Welt nachjagt. Niemand will John unterstützen und sich den großen Playern in den Weg stellen. Bis er Aka Høegh trifft, eine junge Einheimische, die ihm die mystische Seite Grönlands zeigt ...
Ein so brisanter wie hochaktueller politischer Thriller vor der spektakulären Kulisse des grönländischen Eises.
Roland Muller ist Texter und Kreativdirektor. Bereits während seines Ethnologie-Studiums in Göttingen und Mainz faszinierten ihn die Arktis und ihre Bewohner. Später startete er in Frankfurt eine Werbekarriere und fand Gelegenheit zu ausgedehnten Reisen an den Polarkreis, nach Dänemark, Kanada und in die USA. Bis heute lässt ihn das 'Arktis-Virus', wie er es nennt, nicht los. Muller ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und mehreren Sibirischen Katzen in Hofheim am Taunus.
KAPITEL 1
John Kaunak hasste Friedhöfe. Zu viele Opfer von Straftaten landeten hier. Den Friedhof oberhalb des Fischereihafens verabscheute er besonders. Er kniff die Augen zusammen und rümpfte die Nase. Spätsommersonne, Flieder und Fisch, diese Kombination vertrug sich nicht. Bei auflandigem Wind wehte eine stete Brise und verbreitete den Gestank von Salzlake und Fischabfällen, der sich jetzt mit dem Duft des blühenden Fliederstrauchs neben der Doppeltür der Aussegnungshalle vermischte und wie eine schwere Wolke über der Menschenmenge hing, die sich vor dem Eingang drängte. Viele der Anwesenden trugen die Ausgehuniform der Aarhuser Polizei, wie auch er selbst. John zupfte an seinem Krawattenknoten.
»Stell dich nicht so an!«, zischte seine Mutter. Gudrun Kaunak stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Seite.
»Du hast mir die Krawatte zu eng gebunden«, gab John zurück.
»Bei einer Beerdigung läuft man nicht so verlottert herum, wie du es sonst immer tust.« Die Flügeltüren der Aussegnungshalle öffneten sich. Gudrun drapierte den Schleier ihres schwarzen Strohhuts vor ihrem Gesicht und schob John vor sich her in Richtung Eingang. Der Vikar führte die Trauergemeinde an, begleitet von Johns Vorgesetzter, der Polizeichefin von Aarhus. Gudrun erkannte sie sofort.
»Das ist Katharina Hagelund, nicht wahr?«
»Ja.« John zögerte. »Vermutlich wird sie eine Rede halten. Sie liebt Reden.«
»Eine eindrucksvolle Frau«, sagte Gudrun. »Ich habe sie leider in all den Jahren nur ein paarmal getroffen. Franklin hat nie viel über sie gesprochen.«
»Er wird seine Gründe gehabt haben.« John zog einige zusammengefaltete Blätter aus der Innentasche seiner Uniform, während sie weiterschritten. Der Vikar nickte ihnen zu, als sie ins Halbdunkel traten.
»Ich hoffe, deine Trauerrede ist angemessen, John. Du hast deinem Vater viel zu verdanken.« Gudrun schlug einen mahnenden Tonfall an. »Du hättest sie mir gestern ruhig vorlesen können.«
John unterdrückte gerade noch die Antwort, die ihm auf der Zunge lag.
Sie nahmen in der ersten Stuhlreihe links des Mittelganges Platz, der mit Blumengebinden geschmückt war. Rechts vor ihnen war der Sarg platziert. Im halbrunden Alkoven dahinter war eine kleine Bühne mit zwei Kerzenständern und einem Rednerpult. John atmete tief durch.
»Mein aufrichtig empfundenes Beileid.« Hagelund setzte sich neben John in die Bank. Gudrun nickte kurz, er schwieg. Dann trat der Vikar ans Rednerpult. Er begrüßte die Trauergemeinde, kondolierte und winkte John zu sich auf die Bühne.
John stand auf und trat vor. Als Sohn des Verstorbenen war es nun an ihm, die passenden Worte zu finden.
»Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Trauernde, liebe Katharina.« Er stockte und ordnete seine Notizen. Dann fuhr er mit fester Stimme fort.
»Franklin Lee Kaunak war ein guter Vater. Bei aller Strenge hatte er stets ein offenes Ohr für seinen einzigen Sohn. Er brachte mir bei, Recht und Unrecht auseinanderzuhalten und für das Gesetz einzutreten. Und auch, wenn es nicht immer leicht war, seinen Ansprüchen zu genügen, hielt er in schwierigen Zeiten stets zu mir. Er hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Franklin Lee Kaunak war ein guter Ehemann. Bei einem Austauschprogramm mit Dänemark lernte er meine Mutter kennen. Als er sie traf, haderte sie mit ihrer Herkunft, aber er sah sie als die, die sie ist: eine bildschöne Frau mit einem eisernen Willen und einem großen Herz. Es war Liebe auf den ersten Blick und bis zum letzten Tag. Franklin Lee Kaunak war ein guter Polizist. Er arbeitete sich bis zum Superintendenten der Royal Canadian Mounted Police hoch, diente bei der V Division Nunavut in Iqaluit, im Norden Kanadas. Zusammen mit seiner Partnerin Katharina Hagelund reformierte er den Polizeibezirk Kopenhagen und machte den Kriminaldienst der Hauptstadt zum erfolgreichsten des ganzen Landes, bevor er hierher nach Aarhus wechselte.
Franklin Lee Kaunak war ein guter Mensch. Vielleicht ein besserer als die meisten von uns, und sein überraschender Tod hinterlässt eine schmerzhafte Lücke. Er wird meiner Mutter fehlen. Er wird mir fehlen. Und er wird uns allen fehlen.«
John nickte dem Vikar zu und eilte zurück zu seinem Platz. Seine Mutter legte ihm eine Hand auf den Unterarm.
»Gut gesprochen, John. Ich weiß ja, wie schwer es dir fällt, Gefühle zu zeigen.«
Hagelund beugte sich zu John hinüber und raunte: »Das war vermutlich die längste Rede, die ich je von Ihnen gehört habe.« Dann erhob sie sich, um im Namen der versammelten Polizeiangehörigen zu sprechen.
Zwei Stunden später war es überstanden. Alle Reden waren gehalten, der Sarg war zur Grabstelle getragen und hinabgelassen worden. Der Vikar sprach die üblichen, wohlgesetzten Worte, und die Trauergemeinde zerstreute sich. Nicht jedoch, ohne sich herzlich von John und Gudrun zu verabschieden. Als sie aus dem Schatten der von Bäumen umgebenen Grabstätte ins Licht der Sommersonne traten, gesellte sich der Vikar zu ihnen.
»Mit Gottes und Ihres Sohnes Beistand werden Sie den schmerzlichen Verlust ihres Gatten bewältigen, liebe Frau Kaunak, da habe ich keinerlei Zweifel. Der Herr hält seine Hand über die, die reiner Seele sind. Und Sie sind schließlich christlich getauft, nicht wahr?« Er lächelte.
Gudrun schoss einen flammenden Blick auf ihn ab.
Der Geistliche wandte sich John zu. Sein Lächeln war wie festgetackert.
»Ihnen, John, möchte ich einen Vers aus dem Lukas-Evangelium mitgeben. Kapitel 22, Vers 43, der da lautet: ›Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn.‹ Ich hoffe, der Herr gibt Ihnen die Kraft, Ihre Last zu tragen.« Dann verabschiedete er sich und wandte sich zum Gehen.
John wischte sich über die Stirn – die Hitze war wirklich unerträglich – und reichte seiner Mutter den Arm. Sie hatten die Bushaltestelle noch nicht erreicht, als die Polizeichefin zu ihnen aufschloss.
»John, könnten Sie morgen um Punkt neun Uhr bei mir im Büro vorbeischauen? Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen«, sagte sie. Bevor er antworten konnte, wandte sie sich an seine Mutter. »Sollten Sie in der kommenden Zeit Beistand suchen, zögern Sie bitte nicht, mich anzurufen. Franklin war mir ein treuer Freund und der beste Partner und Kriminalist, mit dem ich je das Privileg hatte, zusammenarbeiten zu dürfen.« Dann verschwand sie so eilig, als könne ihr die Spätsommersonne nichts abhaben. Diese Frau war ihm ein Rätsel. Was wollte sie bloß von ihm?
In diesem Moment wehte vom Hafen her ein Schwall des typischen Duftgebräus aus Algen, gammeligem Fisch und Salzlake herauf. John rümpfte die Nase und ertrug es wie alles andere an diesem Tag.
Am nächsten Morgen betrat John das Polizeipräsidium von Aarhus in seinem üblichen Outfit: Jeans und darüber ein abgetragenes Tweedjackett. Was würde ihn in Hagelunds Büro erwarten? Die halbe Nacht hatte er sich das Hirn zermartert. Ohne Ergebnis.
Er trat durch die Glastür am Eingang, wies sich aus und steuerte auf den Fahrstuhl zu. Die Büros seiner Abteilung und das Zimmer seiner Chefin lagen im obersten Stockwerk. Auf seinem Weg durch die Gänge grüßte ihn kaum jemand. John quittierte das mit einem Lächeln. Er kannte es nicht anders. Vor Hagelunds Bürotür verharrte er kurz und sah auf die Uhr. Neun Uhr dreizehn. Er trat ein, ohne anzuklopfen.
»Ah, da sind Sie ja. Unpünktlich wie immer«, begrüßte ihn Katharina Hagelund. Sie klappte ihren Laptop zu und lehnte sich zurück. »Lassen Sie die Jalousien herunter und nehmen Sie Platz.«
»Wenn das hier ein Anschiss wird, bleibe ich lieber stehen.« Er rührte sich nicht vom Fleck.
»Seien Sie nicht so renitent, John. Ich will nur mit Ihnen sprechen. Und nun schließen Sie endlich die Jalousien.«
»Also gut, meinetwegen.« John drückte einen Knopf, und die Lamellen des elektrischen Sichtschutzes vor dem Glasfenster zum Gang falteten sich raschelnd übereinander. Sie waren nun vor neugierigen Blicken geschützt. Er setzte sich.
Katharina Hagelund musterte ihn kurz und wandte sich dann wieder der Zigarette zu, die sie sich gerade zu drehen begonnen hatte. Verbotene Freuden – Rauchen im Büro war nicht erlaubt, aber die seit...
Erscheint lt. Verlag | 13.8.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | China • Dänemark • Eis • Eisschild • ewiges eis • Grönland • Inuit • Klimathriller • Klimawandel • Krimi • Mythen • neuerscheinung 2024 • Ökoterroristen • Politthriller • Skandinavien Krimi • Spannung • Tagebau • Thriller • Thriller Politik |
ISBN-10 | 3-8412-3518-2 / 3841235182 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3518-3 / 9783841235183 |
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Größe: 782 KB
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