Harpunentod: Frau Scholles Gespür für Mord (eBook)
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00750-5 (ISBN)
Sophie Tammen ist das Pseudonym der Bestsellerautorin Anne Barns, deren Erfolgsromane (u.a. 'Apfelkuchen am Meer') oft an der deutschen Küste spielen. Auch in ihren Wohlfühlkrimis mit Frau Scholle spürt man die frische Meeresbrise und den Sand unter den Füßen. Wann immer die Autorin eine Auszeit braucht, reist sie nach Amrum. Dort hat sie längere Zeit gewohnt. Dabei hat sie Insel und Menschen ins Herz geschlossen.
Sophie Tammen ist das Pseudonym der Bestsellerautorin Anne Barns, deren Erfolgsromane (u.a. "Apfelkuchen am Meer") oft an der deutschen Küste spielen. Auch in ihren Wohlfühlkrimis mit Frau Scholle spürt man die frische Meeresbrise und den Sand unter den Füßen. Wann immer die Autorin eine Auszeit braucht, reist sie nach Amrum. Dort hat sie längere Zeit gewohnt. Dabei hat sie Insel und Menschen ins Herz geschlossen.
Kapitel 1
So hatte ich mir meinen Urlaub nicht vorgestellt. Mein Mann tourte mit unserem Wohnmobil durch Bayern, und ich stand an Deck einer Fähre. Zwischen Rolf und mir lagen gut tausend Kilometer, die Berge und, wenn ich angekommen war, auch die Nordsee. Ich sah es positiv: Endlich würde ich mal für mich sein! Nur Dolores begleitete mich.
In den letzten Wochen hatte es viel geregnet, aber pünktlich zu unserer Abfahrt war das Wetter besser geworden. Ich hielt mein Gesicht in die wärmende Morgensonne und sah zu der Insel hinüber, auf die wir zusteuerten. Amrum erwartete uns.
«Wir lassen es uns richtig gut gehen.» Ich beugte mich hinunter und strich über Dolores’ lockigen Kopf.
Sie wedelte mit dem Schwanz und sah mich mit ihren schönen braunen Augen unternehmungslustig an.
Zuerst hatte ich es für keine gute Idee gehalten, dass unser Sohn sich einen Hund anschaffte – einen, den er zum Trüffelsuchen ausbilden wollte. Typisch Max! Er hatte große Pläne mit Dolores gehabt. Doch am Ende hatte sich meine Befürchtung bestätigt. Dolores war in Bausch und Bogen durch die Trüffelsuch-Prüfung gefallen.
Kurz darauf trennte mein Sohn sich von seiner Freundin, und er hatte plötzlich keine Zeit und keinen Platz mehr für einen Hund. Die feinen Pilze blieben unter der Erde, Dolores bei mir.
Eine unerwartete Freude, wie ich feststellte. Die regelmäßigen Spaziergänge mit ihr taten mir gut. Außerdem half sie mir bei der Arbeit. Außerhalb des Kommissariats durfte ich mit niemandem über die Entwicklungen der Kriminalfälle sprechen, die ich als Polizeisekretärin bearbeitete. Es brachte aber meine Gedanken in Ordnung, wenn ich sie laut aussprach. Dolores entpuppte sich als gute Zuhörerin.
Wir waren uns ähnlich. Auch ich hatte Locken, war mal blond gewesen und ebenfalls durch eine wichtige Prüfung gerasselt. Es war nun schon über vierzig Jahre her, und trotzdem sah ich die Bilder immer noch deutlich vor Augen: die Stangen, um die ich rennen, und den Turnkasten, über den ich bei der Aufnahmeprüfung an der Polizeischule springen sollte. Warum ich plötzlich einen inneren Widerstand verspürte und einfach davor stehen geblieben war, weiß ich bis heute nicht. An mangelnder Kondition lag es nicht. Genau genommen war ich nicht durchgefallen, ich wollte nur einfach nicht mehr. So wie Dolores, als sie beim Trüffelsuchen störrisch geworden war und sich geweigert hatte weiterzugehen.
«Wir sind das perfekte Paar, Dolores», sagte ich, «wir werden die Zeit am Meer genießen. Jeden einzelnen Tag.»
Die Frau neben mir schaute zu uns herüber. Wahrscheinlich hatte sie mir zugehört und hielt mich für eine schräge alte Schachtel, weil ich mit meiner Hündin sprach. Aber ich irrte mich, denn sie sagte: «Dolores ist ein schöner Name. Meine Hündin hieß Judy, sie ist leider vor zwei Jahren gestorben.» Ihr Blick wurde traurig. Die Erinnerung schien ihr immer noch wehzutun.
«Oh, das tut mir leid.»
«Sie war perfekt, eine wunderhübsche Border-Collie-Dame mit Charme, Witz und Verstand. Wir haben viel zusammen erlebt.»
Das klang für mich eher wie die Beschreibung der besten Freundin. Wahrscheinlich gehörte diese Frau zu denen, die ihre Vierbeiner wie Menschen behandelten. Ich blickte zu Dolores hinunter. Sie fraß gern, schlief viel und liebte Gassigehen. Sie brachte gerne Bälle oder Stöckchen zurück, wenn ich sie warf. Dolores war eine stinknormale Hündin, keine Freundin.
«Darf ich sie streicheln?», fragte die Frau.
«Gerne. Sie ist lammfromm.»
Das war sie wirklich. Sie würde selbst einen Einbrecher schwanzwedelnd begrüßen, wenn er nur freundlich genug mit ihr sprach. Aber sie war mir lieber als eines von diesen kläffenden und zähnefletschenden Tieren, denen wir manchmal im Park beim Spazierengehen begegneten. Mit der Wasserpistole, in die ich auch einen Schuss Wodka füllte, hielt ich uns diese Tölen vom Leib. Wobei ich mich oft zurückhalten musste, nicht «aus Versehen» Herrchen oder Frauchen abzuschießen.
«Hallo, du Liebe.» Die Frau ging vor Dolores in die Hocke. «Eine hübsche Labradoodle-Lady bist du.» Sie sah zu mir auf. «Und ein sanftes Wesen hat sie auch. Kommt der Pudel in ihr durch? Sie sollen sehr schlau sein.»
«Das ist sie», antwortete ich. «Mein Sohn wollte ursprünglich mit ihr Trüffel finden und reich werden. Aber sie hat nicht mitgemacht. Wozu etwas Essbares suchen, wenn sie es dann nicht auffressen darf?»
Wie auf Kommando schlich Dolores los und schnüffelte zwischen den Stuhlreihen. Wohl in der Hoffnung, noch etwas von dem Brötchen samt Matjes zu finden, das die Möwen einer Passagierin gemopst und direkt an Bord zerteilt hatten.
Als ich Dolores rief, kam sie sofort zurück. Sie hörte – meistens – aufs Wort, zumindest bei den wichtigsten Befehlen hatte Max alles richtig gemacht.
In ihrem Maul transportierte Dolores ein dunkles Tuch, das sie uns schwanzwedelnd präsentierte.
«Das gibt es doch nicht», rief meine Zufallsbekanntschaft überrascht. «Das gehört mir. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich es verloren habe.» Sie streckte die Hand aus, und ich staunte nicht schlecht, als Dolores, ohne zu zögern, ihre Beute herausrückte. «Vielleicht hätte Ihr Sohn sie zum Polizeihund ausbilden sollen. Wenn sie unaufgefordert nach Sachen sucht …»
Der Gedanke gefiel mir. «Mit ihr hätten meine Kolleginnen und Kollegen sicher ihren Spaß. Sie würde das Kommissariat ordentlich aufmischen.»
«Sie sind Kommissarin?»
«Sekretärin beim K11 in Wiesbaden. Mordkommission.»
«Wie aufregend!»
Das war es, auch wenn ich keine Ermittlerin geworden war, wovon ich als junges Mädchen immer geträumt hatte. Doch der Blackout vor dem Turnkasten hatte auch sein Gutes gehabt. Im Innendienst bekam ich alles mit, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen. Auch wenn es mir manchmal in den Fingern juckte, nicht nur auf dem Papier nach Verbrechern zu fahnden, war ich rundum zufrieden mit meiner Berufswahl.
Ich musterte die Frau und überlegte, in welchem Business sie wohl tätig war. Oft lag ich richtig, denn ich hatte ein Gespür für Menschen. Ihre Aussprache hatte einen norddeutschen Einschlag mit einer schnodderigen Intonation. Vermutlich Friesisch. Ob sie von Amrum kam? Insulanern sagte man jedoch eine gewisse Wortkargheit nach. Diese Frau war gesprächig und offen, ihr Lächeln echt, ihre Stimme warm. Sicher konnte sie keiner Fliege etwas zuleide tun, sie gehörte zu den Guten, da war ich sicher. Beruflich hatte sie viel mit Menschen zu tun. Ich tippte auf den Gesundheitsbereich oder irgendeine Dienstleistung, und mit meinen Vermutungen lag ich selten falsch.
«Ich bin Friseurin. Mein Geschäft ist in Wittdün», sagte sie da, als hätte sie meine Gedanken erraten. Bei diesen Worten betrachtete sie prüfend meine Haare. Ihre waren rotblond, sie trug sie zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden. «Kommen Sie doch mal vorbei, wenn Sie eine Veränderung wünschen oder Lust auf ein Verwöhnprogramm haben. Ich biete auch Kosmetikbehandlungen an.»
Meinte sie damit meine Frisur, mich oder beides? Seit meinem sechzigsten Geburtstag vor zwei Jahren hatte ich meine Haare nicht mehr gefärbt. Ich schaute zu Dolores hinunter. Ihr Fell glänzte in der Morgensonne, es sah aus wie flüssiger goldener Honig. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass Hunde und ihre Besitzer sich auf Dauer optisch annäherten. In dieser Hinsicht hatten wir beide keinen weiten Weg zurückzulegen, ich musste nur etwas an der Farbe meiner Haare ändern. Meine Alterssträhnen waren weiß, und ich stand dazu. Ich gefiel mir, eine Veränderung brauchte ich nicht. Aber ich wollte es mir gut gehen lassen.
«Das Verwöhnprogramm hört sich gut an. Wann kann ich vorbeikommen?», fragte ich spontan.
Die Frau kramte in ihrer Tasche und reichte mir eine Visitenkarte. «Rufen Sie einfach an. Ich bin Ine.»
«Gaby», sagte ich.
Wir schüttelten die Hände. Ine beugte sich zu Dolores hinunter, und als diese ihr eine Pfote entgegenstreckte, mussten wir lachen. «Es freut mich, auch dich kennenzulernen, Dolores.» Sie sah mich an. «Ein langer Name für einen Hund, rufst du sie immer so?»
«Wenn es brenzlig wird oder sie Mist baut, wird sie zu Dolly», erklärte ich.
Sie lachte, dann sah sie zur Insel, die beständig näher kam. Ich folgte ihrem Blick.
«Es ist immer wieder schön, nach Hause zu kommen. Auch wenn ich nur ein paar Tage weg war.»
Auf mein Bauchgefühl konnte ich mich schon immer verlassen. Sie war Insulanerin oder irgendwann auf die Insel gezogen, wenn sie nicht dort auf die Welt gekommen war, aber das machte keinen Unterschied: Ich hatte richtiggelegen.
«Warst du schon mal auf Amrum?», fragte sie.
Sie duzte mich wie selbstverständlich. Ich mochte ihre unkomplizierte Art.
«Nein, ich bin schon gespannt», antwortete ich.
«Gleich kommen wir steuerbord, also auf der rechten Seite, an den Halligen Gröde und Langeneß vorbei. Dahinter, auf der linken Seite, also Backbord, liegt die Hallig Hooge. Und dann ist auch schon die Silhouette von Amrum mit dem Leuchtturm zu erkennen, unser Wahrzeichen. Oder besser gesagt, eines davon. Es gibt viel zu entdecken auf der Insel. Wo bist du untergekommen?»
«In Norddorf.»
«Gute Wahl. Dann solltest du dir unbedingt ein Stück Friesentorte im Café Schult gönnen. Auch wenn du keinen Kuchen mögen solltest.»
«Wie kann man keinen Kuchen mögen?»
«Stimmt.» Ine kraulte Dolores hinter den Ohren. «Und vergiss nicht, sie immer an die Leine zu nehmen. Vor allem, wenn du in den Dünen spazieren gehst. Sie stehen unter Naturschutz....
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2024 |
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Reihe/Serie | Frau Scholle ermittelt auf Amrum |
Zusatzinfo | Mit 1 s/w Karte |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Amrum • Auszeit • Bücher für den Urlaub • Buch für den Urlaub • Cosy Crime • cosy crime deutsch • cosy krimi deutsch • deutsche Kriminalromane • Deutsche Krimis • Donnerstagsmordclub • Familie • Familiengeheimnisse • Franke Kuhnert • Geheimnis • Geschichte Amrums • Gisa Pauly • Insel • Inselgeschichte • Inselkrimi • Inselroman • Janne Mommsen • Krimi • Krimi Deutschland • Krimi lokal • Kriminalgeschichten • Kriminalliteratur • Krimi Neuerscheinung 2024 • Krimi Nordsee • krimis bücher • Krimis und Thriller • Krimi Thriller • Krischan Koch • Küstenkrimi • last minute geschenke • Mamma Carlotta • Nordseekrimi • Nordsee Krimi • Regionalkrimi • Richard Osman • Romane Krimis • Rote Grütze mit Schuss • Schnappt Scholle • Sommerkrimi • spannende Bücher • Strandkrimi • Strandlektüre • Tanja Janz • Thriller und Krimis deutsch • Urlaubsbuch • Urlaubskrimi • Urlaubskriminalroman • Walfang • wohlfühlen • Wohlfühlkrimi |
ISBN-10 | 3-644-00750-0 / 3644007500 |
ISBN-13 | 978-3-644-00750-5 / 9783644007505 |
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Größe: 8,5 MB
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