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Tödliche Strömung (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60586-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tödliche Strömung -  Anne-M. Keßel
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Das ungleiche Ermittlerinnenduo Nora und Connie in Höchstform!  Nach Ermittlungen im Alleingang wurde die Dänin Connie Steenberg aufs Abstellgleis geschoben: Sie darf nur noch Cold Cases bearbeiten. Da entdeckt Connie zwei ungeklärte Mordfälle an der deutsch-dänischen Grenze: Die Opfer waren nackt und mit Runen-Schnittwunden verstümmelt. Ein tödlicher Ritus? Schon damals fiel der Verdacht auf die Neuheiden-Gemeinschaft, die in der Region ansässig ist. Connie bittet ihre deutsche Kollegin Nora Boysen, verdeckt zu ermitteln. Als dann eine dritte Tote mit ähnlichen Verletzungen aufgefunden wird, ist klar: Der Täter ist noch unter ihnen ... »Fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite.« SR3 über Anne-M. Keßels Debüt »Gefährliche Gischt«.

Anne-M. Keßel arbeitet als Drehbuchautorin. 2018 war sie für den Thriller »Nackt. Das Netz vergisst nie« für den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie »Bestes Buch« nominiert. Der Krimi »Gefährliche Gischt« ist ihr Romandebüt.

Anne-M. Keßel arbeitet als Drehbuchautorin. 2018 war sie für den Thriller »Nackt. Das Netz vergisst nie« für den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie »Bestes Buch« nominiert. Der Krimi »Gefährliche Gischt« ist ihr Romandebüt.

2


Gegenwart


»Oh«, raunte der junge Polizist, der mit seiner unreinen Haut und der um seinen langen, dürren Körper schlotternden Uniform wie ein verkleideter Teenager aussah. Mit einer Mischung aus Faszination und Ekel betrachtete er die nackte Leiche, über die der Strahl seiner Taschenlampe wanderte.

»Das ist ein Fall für die Kollegen von der Kriminalpolizei, oder?«

Er schaute fragend zu seiner Kollegin hinab, die ihm nur bis zur Brust reichte; eine Frau von Anfang fünfzig, die im Gegensatz zu ihm ihre Uniform vollständig ausfüllte. Sie starrte ebenfalls den entstellten toten Körper an, der bäuchlings über dem Baumstumpf vor ihr lag.

»Hier scheint mir keine natürliche Todesursache vorzuliegen«, erkannte sie scharfsinnig. »Also muss ermittelt werden! Thorsten hat recht: Kriminalpolizei!«

In die Augen des großen Jungen trat ein eigentümlicher Glanz. »Spurensicherung. Kriminaltechnik. Rechtsmedizin«, flüsterte er fasziniert. »Das ganz große Besteck.«

»Aber das habe ich Ihnen doch vorhin schon alles am Telefon gesagt!« Nora war fassungslos. »Das hätten Sie doch alles längst veranlassen können!« Sie konnte ihre Verärgerung über Polizeiobermeisterin Claudia Beck und Polizeimeisteranwärter Thorsten Becker, die ihr im schwachen Schein ihrer Taschenlampen und mit bestialischem – sicherlich der unchristlich frühen Morgenstunde geschuldeten – Mundgeruch gegenüberstanden, beim besten Willen nicht verbergen.

»Also entschuldigen Sie mal bitte!« Beck warf ihr einen strafenden Blick zu. »Sie haben gelallt am Telefon. Gelallt!«

Wie zur Bestätigung des desolaten Telefoneindrucks wanderte ihr Blick an Noras einstmals weißem, nun deutlich verdrecktem Sommerkleid bis zu ihren nackten Füßen hinab. »Ist doch klar, dass wir da nicht sofort die Einsatzleitstelle alarmieren, sondern uns erst einmal selbst ein Bild von der Lage machen.«

»Außerdem ist heute Mittsommernacht«, sprang ihr Becker zur Seite. »Haben Sie eine Ahnung, was wir da für Anrufe bekommen? Nackte Menschen, die im Mondschein tanzen, und solche Sachen. Da ist leider ganz viel Unsinn dabei. Das müssen wir ja erst einmal sondieren.«

Nora holte tief Luft und versuchte, ruhig zu bleiben. »Ja, gut, aber jetzt haben Sie sich ja davon überzeugt, dass es sich hier nicht um einen beschwipsten Telefonstreich handelt. Wollen Sie dann bitte alles Weitere in die Wege leiten?«

Beck und Becker schauten erst sich an, dann die Leiche, dann wieder sich. Doch bevor sie zu einer weiteren Zeitlupen-Reaktion fähig waren, ging Nora schon ungeduldig dazwischen. »Ich schlage vor, Kollege Becker und ich sperren jetzt das Waldgebiet um den Leichnam großräumig ab, und Sie, Kollegin Beck, alarmieren die Leitstelle in Flensburg.« Ihre Stimme vibrierte vor Ungeduld.

Allein die Anfahrt der beiden Kollegen von der nächstgelegenen Polizeistation in Büllum hatte fast dreißig Minuten gedauert. Die Tatort-Spezialisten aus Flensburg würden mindestens eine Stunde brauchen, wenn nicht länger. Und bis erst einmal alle aus den Betten geklingelt und abfahrbereit waren, verging ja auch noch Zeit. Zeit, in der wertvolle Spuren verloren gehen konnten. Zeit, die nur demjenigen nützte, der verantwortlich für diesen schrecklich zerschundenen Leichnam war.

»Was ist das für ein Zeichen?«

Thorsten Becker legte den Kopf schief und kniff konzentriert die Augen zusammen. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe ruhte auf den tiefen Schnitten im Rückenfleisch des Leichnams. »Soll das eine Rune sein?«

»Das hier ist doch das Tönsburger Wäldchen«, schaltete sich Claudia Beck ein. »Wir kriegen immer wieder Beschwerden rein über so eine Heidengruppe, die hier ihren Hokuspokus veranstaltet. Irgendwelche Rituale. Opferzeremonien.« Sie schaute Nora streng an. »Gehören Sie da etwa auch dazu?«

»Das tut nichts zur Sache!« Nora wurde laut. »Wir müssen jetzt endlich mit dem Erstzugriff beginnen! Tatortsicherung. Zeugensuche. Wir haben keine Zeit zu ver…«

»Gehören Sie auch dazu?« Claudia Becks Stimme hatte einen überraschend scharfen Ton angenommen. Wie ein Raubtier seine Beute fixierte sie den kleinen holzgeschnitzten Thorshammer, den Nora an einer dünnen Lederkordel um den Hals trug.

Eilig zog Nora den Kragen ihres Kleides zusammen und bedeckte den Anhänger. »Ja. Also nein! Nicht so richtig. Nur ein bisschen. Ach, das ist kompliziert!«

»Aha. Kann ich mal bitte Ihren Dienstausweis sehen?« Claudia Beck streckte fordernd die Hand aus. »Sie hatten sich vorhin am Telefon ja als Kollegin ausgegeben.« Der Argwohn in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Mit abschätzigem Blick beugte sie sich leicht zu Nora vor und schnupperte. Nora wurde schlagartig bewusst, dass sie mit dem verdreckten Kleid, den nackten Füßen und den zerzausten Haaren wie eine irre Vogelscheuche aussehen musste – und dass sie höchstwahrscheinlich auch von einem leichten Hauch süßlichen Alkohols umweht wurde.

»Meinen Dienstausweis habe ich nicht dabei.« Nora zog verzweifelt den Stoff ihres taschenlosen Sommerkleids auseinander. Innerlich schalt sie sich eine Idiotin. Als sie nach dem schauerlichen Fund so schnell wie möglich zurück zum Festplatz gerannt war, hatte sie nur ihr Handy aus der dort liegenden Jacke gezogen und war sofort wieder zurückgerannt.

Nora stutzte. Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass niemandem ihre Aufgeregtheit aufgefallen war. Die kleine Festgesellschaft war bereits zerstreut gewesen, aber selbst von den wenigen, die noch ums Feuer herumgesessen hatten, hatte sie niemand angesprochen.

Und Mats war auch nicht mehr da gewesen!

Ein Stechen breitete sich in ihrem Magen aus. Vorhin war Nora viel zu aufgeregt gewesen, um das zu realisieren. Aber jetzt, da das Adrenalin langsam abebbte, wurde ihr sein grußloser Abgang bewusst. Wieso war er einfach so abgehauen? Nach ihrem Kuss …

»Also kein Dienstausweis?«, riss Beck sie aus ihren Gedanken. Bevor Nora etwas antworten konnte, vibrierte ihr Handy. Teil mal deinen Standort, stand im Display. Connie!

Dass sie da nicht selbst draufgekommen war. Es hatte ewig gedauert, Beck und Becker in ihrem Streifenwagen durch den kaum befahrbaren Wald bis zum Fundort der Leiche zu lotsen. Die Hälfte der Zeit war sicherlich dafür draufgegangen …

Aber war Connie jetzt schon am Tönsburger Wäldchen angekommen? So früh hatte Nora noch gar nicht mit ihr gerechnet. Zwar hatte sie sofort nach dem Notruf auch Connie über ihren Leichenfund informiert, aber vom dänischen Esbjerg, wo Connie wohnte, bis hinunter zum Grenzwäldchen waren es fast neunzig Kilometer. Nora zog die Brauen hoch. Ein Blick auf die Uhranzeige ihres Handys verriet ihr, dass Connie – deren Fahrstil wahlweise dem eines Rennfahrers oder einer gesengten Sau glich – mit einer neuen Bestzeit hergerast sein musste.

»Gleich kommt eine Kollegin der dänischen Kriminalpolizei, die kann Ihnen meine Identität bestätigen«, sagte Nora, während sie im Handy eilig ihren Standort freigab. »Aber ganz egal, ob Sie mir glauben oder nicht …« Nora hob den Blick vom Display und schaute Beck und Becker herausfordernd an. »Sie sehen doch, dass es hier etwas zu tun gibt, oder?« Sie deutete unmerklich zu dem Leichnam hinüber.

»Ich hol mal das Flatterband«, raunte Becker und bahnte sich seinen Weg durch das Unterholz zum Streifenwagen, der abseits auf einem nur schwer befahrbaren Waldweg stand.

»Und ich informiere Flensburg«, sagte Claudia Beck und walzte ihm eilig hinterher. Die Kegel ihrer Taschenlampen schnitten wie nervöse Laserschwerter durch die Nacht und ließen Nora schließlich im Dunkeln zurück. Der Vollmond hatte sich längst hinter ein Wolkenband verzogen, nur das Display ihres Handys spendete noch ein wenig Licht.

Nora fröstelte. Es war, als würde sich die Kälte des Leichnams in unsichtbaren Ringen ausbreiten und durch ihre Fußsohlen in sie hineinkriechen. Von der lauen...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2024
Reihe/Serie Deutsch-dänische Ermittlungen
Deutsch-dänische Ermittlungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anette Hinrichs • Cold Case • Dänemark • deutsch-dänische Grenze • Die Brücke • Ermittlerinnenduo • Eva Almstädt • Heiden • Küste • Leiche • Neuheidentum • Norddeutschland • Nordsee • Polizei • Regionaler Krimi • Rituale • Ritualmord • Strandkrimi • Undercover-Ermittlerin • Urlaubslektüre • weibliche Ermittlerin
ISBN-10 3-492-60586-9 / 3492605869
ISBN-13 978-3-492-60586-1 / 9783492605861
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