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Der blaue Salamander (eBook)

Spiegel-Bestseller
Der Capri-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
336 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61481-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der blaue Salamander -  Luca Ventura
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Als Inselpolizist Rizzi an einem sonnigen Morgen die ersten Pfirsiche in seinen Gärten hoch über dem Meer pflückt, ahnt er nicht, was in der Nacht geschehen ist. Modedesignerin Rosalinda wurde ermordet, ihre Leiche soeben im Beichtstuhl der Kirche entdeckt. Nicht nur im Dorf, auch in der Villa von Signora de Lulla herrscht Aufregung. Rosalinda war hier oft zu Besuch, zuletzt hat sie noch die kostbare Handtasche aus Salamanderleder besichtigt. Warum nur musste sie sterben?

Luca Ventura ist ein Pseudonym. Der Autor lebt am Golf von Neapel, wo er derzeit am nächsten Fall der Capri-Serie um den Inselpolizisten Enrico Rizzi und dessen norditalienische Kollegin Antonia Cirillo schreibt.

Als Rizzi die schwere Kirchentür hinter sich zuzog, umfingen ihn in der Dunkelheit kühle Luft und eine Ruhe, die nach dem Trubel draußen, der Hitze und dem gleißenden Licht wohltuend war. Er nahm seine Sonnenbrille ab und sah, wie durch die Fenster oben in der Kuppel das Tageslicht ins Hauptschiff fiel. Der blumengeschmückte Hauptaltar war bedeckt von einer purpurfarbenen Decke mit goldenen Fransen, dahinter thronte die Orgel. Es war totenstill, abgesehen vom Quietschen, das Rizzis Schuhsohlen auf dem glatten Marmorboden verursachten.

Der Beichtstuhl stand an der Nordseite, zwischen zwei Nebenaltären, halb verdeckt von Säulen und einem Tischchen für die Gesangbücher. Die zotteligen Vorhänge waren zugezogen, links und rechts lugten darunter die Holzbänkchen der Kabinen hervor, auf denen man während der Beichte niederzuknien hatte. Das Törchen zum Teil des Pfarrers war halb geöffnet. Man musste schon nähertreten und dabei in einem bestimmten Winkel in den Beichtstuhl hineinschauen, um die Turnschuhe zu sehen, die in einem sauberen Weiß strahlten. Rizzi öffnete entschlossen das Törchen – und prallte zurück.

Zu sagen, dass die Leiche dort saß, traf es nicht, vielmehr war sie dort abgelegt worden wie ein Gegenstand, den man hatte beiseiteschaffen wollen. Der Kopf mit dem kurzgeschorenen Haar war zur Seite gefallen, und die blauen Augen, die Rizzi mit leerem Blick anschauten, quollen ein wenig hervor. Rizzi kannte sie. Es waren die Augen von Rosalinda Fervidi, die normalerweise blitzten – meistens übermütig, manchmal wütend und immer sehr lebendig.

An Rosalindas Hals war eine rötliche Spur zu erkennen, die an den Rändern ins Violettfarbene überging. Jemand musste sie voller Hass gewürgt haben, mit einer Kraft, die man sich kaum vorstellen konnte.

Als hätte er einen Schlag in die Kniekehlen bekommen, sank Rizzi erschüttert nieder und nahm betroffen seine Mütze ab.

In diesem Moment erhob sich vor dem Altar eine schwere Gestalt vom Boden. Es folgte ein Ächzen. Der Stoff seiner Soutane schwang hin und her, während Padre Ivano sich näherte und im Gehen das Kreuz schlug.

Rizzi stand auf. »Padre«, begann er und kämpf‌te mit den Tränen, während der Pfarrer ihm seine Hand aufs Haupt legte, was die Sache für Rizzi nicht leichter machte. »Was ist hier passiert?«

Der Pfarrer starrte seltsam entrückt in die toten Augen von Rosalinda. »Sie muss dort schon während der Morgenandacht gelegen haben«, sagte er in einem Ton, wie Rizzi ihn von Padre Ivano normalerweise gar nicht kannte. Er klang ehrlich erschüttert und seltsam menschlich. »Als ich die Morgenandacht hielt«, wiederholte er ungläubig, »muss sie dort schon gelegen haben.«

»Wann haben Sie sie entdeckt, Padre?«

Padre Ivano kratzte sich am kahlen Kopf und rückte das altmodische Brillengestell auf seiner spitzen Nase zurecht. »Ich war in der Sakristei, als ich Salvatores Schreie gehört habe«, sagte er. »Wie am Spieß hat er geschrien.«

Hinter ihnen war die Kirchentür zu hören, und für wenige Sekunden brandeten laute Stimmen von draußen ins Innere der Kirche. Dann klappte die Tür zu, und es wurde wieder still.

Im prächtigen Portal mit den goldenen Ornamenten erschien Rizzis Kollegin Antonia Cirillo und kam in schnellen Schritten näher. »Buongiorno«, grüßte sie – und blieb abrupt stehen, als sie die Leiche im Beichtstuhl sah.

»Rosalinda Fervidi«, erklärte Rizzi und fügte hinzu: »Sie ist die Enkelin von Dino Fervidi aus der Via Lo Capo, drüben aus Moneta.«

Cirillo trat vor, nahm ihre Mütze ab, und die dunkelblonden Haare fielen ihr auf die Schulter. Sie beugte sich zu der Toten hinab, schien sie mit ihrem Blick zu scannen, ohne sie dabei zu berühren. »Sie wurde erwürgt«, stellte Cirillo fest. »Oder stranguliert. Sieht nach einem breiten Kabel aus.«

Padre Ivano murmelte ein Gebet und bekreuzigte sich, und auch Rizzi schlug reflexartig das Kreuz.

»Ist die Mordkommission benachrichtigt?«, fragte Cirillo und zückte ihr Telefon, als Rizzi verneinte. Sie entfernte sich, um mit gedämpf‌ter Stimme Teresa Villa am Polizeiposten zu beauf‌tragen, die Kriminalpolizei in Neapel zu informieren.

»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Hochwürden«, wandte Rizzi sich an Padre Ivano, »haben also nicht Sie Rosalinda gefunden, sondern Salvatore.«

Padre Ivano berichtete, er sei sofort aus der Sakristei herbeigeeilt, als er Salvatore so hatte schreien hören, und beim Anblick der toten Rosalinda habe er, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, den Polizeiposten angerufen. Padre Ivano faltete die Hände. »Dein Kollege, Matteo Savio, war zum Glück sofort hier. Er hat die Leute aus der Kirche gescheucht und das Portal geschlossen. Ich habe eine Weile gebraucht, um mich zu sammeln, und mich dann zum Altar begeben, um für Rosalinda zu beten.«

»Ich schlage vor, wir holen Salvatore jetzt herein. Ich habe ihn gesehen, er wartet draußen«, sagte Cirillo, während sie ihr Telefon in der Brusttasche ihrer Uniformbluse verschwinden ließ, und schaute Padre Ivano herausfordernd an – ein Blick, den der Pfarrer nicht gewohnt war und irritiert quittierte.

»Ich kümmere mich darum«, sagte Rizzi.

Während er zwischen den Bänken hindurch zum Ausgang ging, hörte er, wie Cirillo den Padre mit gezielten Fragen ins Kreuzverhör nahm, und hatte dabei kein gutes Gefühl. Auch wenn es unprofessionell war, als Polizist so zu denken, war Padre Ivano für Rizzi doch irgendwie unantastbar und eigentlich immer mit Samthandschuhen anzufassen.

Als er die Kirchentür öffnete, trat draußen unter der versammelten Menge eine gespenstische Ruhe ein. Die Leute hatten von dem Vorfall in der Kirche gehört, waren herbeigeeilt und standen nun hier, um zu erfahren, ob es wirklich wahr war: Rosalinda – tot? Ermordet? Wer hatte es getan? Im Türspalt stehend, zog Rizzi die Aufmerksamkeit der Leute auf sich und schaute in die fragenden und bestürzten Gesichter, als erwarteten sie von ihm eine Ansage. Er kümmerte sich nicht darum, setzte im gleißenden Licht seine Sonnenbrille auf und sah, wie Agente Tiziano Gatti, von der Piazzetta kommend, die Stufen hinaufsprang und sich einen Weg durch die Menge bahnte, um das Polizeiteam zu verstärken.

Salvatore kauerte in seiner leuchtenden Straßenkehrer-Weste vor der Kirche am Boden. Das Haar hing ihm wirr ins unrasierte, tränenüberströmte Gesicht. Agente Savio stand bei ihm, aber auch Blumenhändler Giuseppe Ruf‌f‌ini und Marco Sasso, Besitzer diverser Lebensmittelgeschäfte und des Feinkostladens um die Ecke. Die drei Männer schirmten Salvatore, so gut es ging, gegen die Leute ab, von denen nun einzelne wieder aufgeregt zu murmeln begannen. Edoardo Caruso, der pensionierte Finanzbeamte, rief: »Erri! Was geht hier vor? Stimmt es, was Salvatore sagt, oder hat er Halluzinationen?«

Rizzi antwortete nicht, sondern hob nur die Hand, winkte Salvatore heran und sagte: »Komm zu mir.«

Der Straßenkehrer rappelte sich hoch und gehorchte mit gesenktem Kopf, obwohl seine Beine ihm fast den Dienst versagten und er wohl umgefallen wäre, wenn Giuseppe Ruf‌f‌ini und Marco Sasso nicht zur Stelle gewesen wären, um ihn zu stützen.

»Keine Sorge.« Rizzi legte Salvatore einen Arm um die Schultern und schob ihn durchs Portal in die Kirche hinein, schloss sogleich die Tür zu und sagte in die Stille: »Wir brauchen nur ein paar Informationen von dir.«

Salvatore stand da, steif wie ein Brett, mit weit aufgerissenen Augen, als würde er gleich mit dem Leibhaftigen konfrontiert werden, und Rizzi fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee war, den Mann hier, am Ort des Verbrechens und im Angesicht der Toten, zu vernehmen, statt ihn später in Ruhe auf ein Gläschen in seinem Zuhause, der kleinen Kammer an der Via Madre Seraf‌ina, aufzusuchen. Dass Salvatore sich halb um den Verstand gesoffen hatte, war kein Geheimnis und das Ergebnis einer langen Kette von freudlosen Ereignissen in einem freudlosen Leben.

»Kommen Sie.« Cirillo winkte Salvatore mit derselben Handbewegung heran, mit der sie am Engpass in der Via Marina Grande den Verkehr zu regeln pflegte.

Rizzi ging einen halben Schritt hinter Salvatore, während Padre Ivano wieder das Kreuz zu schlagen begann.

»Keine Angst«, sagte Cirillo.

Salvatore blieb stehen, hielt zum Beichtstuhl einen Sicherheitsabstand von mehreren Metern und starrte unverwandt auf Rosalinda, von der in diesem Winkel nicht viel mehr als die weißen Turnschuhe zu sehen waren.

»Bitte erzählen Sie«, begann Cirillo. »Was haben Sie hier heute Morgen gesehen?«

Fragend schaute Salvatore zu Rizzi, der ihm aufmunternd zunickte. Dann öffnete er den Mund, zeigte die wenigen Zähne, die ihm noch geblieben waren – und schloss ihn wieder.

»Was hast du in der Kirche gemacht, Salvatore«, fragte Rizzi, »hier hinten beim Beichtstuhl? Ich nehme an, du wolltest nicht beichten. Oder doch? Sprich mit uns, Salvatore.«

»Ich habe draußen gefegt«, brach es aus dem Straßenkehrer heraus. »Nur gefegt«, wiederholte er und stammelte: »Das ist die Wahrheit, Erri, nichts als die Wahrheit. Bitte, ihr müsst mir glauben.«

Rizzi legte Salvatore eine Hand auf die bebende Schulter. »Und dann?«, fragte er. »Hast du dich ausgeruht, stimmt’s?«

Salvatore nickte und äugte schuldbewusst zu Padre Ivano hinüber.

»Bist rein in die Kirche, hast dich hingesetzt und wolltest ein kleines Schläfchen machen. Richtig?«, fragte Rizzi.

Salvatore nickte wieder, breitete hilf‌los die Arme aus, zeigte verzweifelt in Richtung...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2024
Reihe/Serie Der Capri-Krimi
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Boutique • Capri • Capri-Krimi • Cosy Crime • Eidechse • Enrico Rizzi und Antonia Cirillo • Fälschung • Gemüsegarten • Golf von Neapel • Handtaschen • Italianità • Italien • Italienische Küche • Lederindustrie • Marken • Meer • Mode • Modedesignerin • Neapel • Sommer
ISBN-10 3-257-61481-0 / 3257614810
ISBN-13 978-3-257-61481-7 / 9783257614817
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