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Das einfache Leben. Roman (eBook)

Ein wichtiges, wieder entdecktes Buch von einem der meistgelesenen deutschen Autoren

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
384 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-641-31853-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das einfache Leben. Roman - Ernst Wiechert
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»Wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwätz.« Als Kapitän a. D. Thomas von Orla diesen Psalm aus der Bibel verinnerlicht, ist seine Entscheidung gefallen: Er zieht sich zurück vom städtischen Trubel, wird Fischer an den Masurischen Seen und konzentriert sich ganz auf das Wesentliche: die ihn mit Demut erfüllende Natur, die Überwindung eines Kriegstraumas und die Suche nach seinem Sinn des Lebens. Mit »Das einfache Leben« ist ein sprachmächtiger Roman wiederzuentdecken und mit Ernst Wiechert ein ehemals viel gelesener, aufrechter Literat, der im Dritten Reich schikaniert wurde und ganzen Generationen als moralische Instanz galt.
  • Der deutsche Thoreau!
  • »Das Letzte, was man im Leben gewinnen kann, ist, nichts haben zu wollen.« Ernst Wiechert
  • Einer der meistgelesenen deutschen Autoren. Seine Bücher erreichten Millionenauflagen
  • »Im Vernehmungsprotokoll von dem sogen. Dichter Wiechert gelesen. So ein Stück Dreck will sich gegen den Staat erheben. 3 Monate Konzentrationslager. Dann werde ich ihn mir persönlich kaufen.« Tagebuch Joseph Goebbels
  • »Der Roman kann nicht empfohlen werden.« Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums bei dem Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP
  • Das einfache Leben, 1939 erschienen, wurde ein regelrechter Bestseller. Schon 1942 waren 260.000 Exemplare verkauft. Dabei hatte der Roman nur aufgrund von Missverständnissen erscheinen können, da die ablehnenden Stellungnahmen der NS-Zensurbehörden den Verlag nicht rechtzeitig erreichten
  • »Man feierte den Dichter, dessen Weg in dem masurischen Forsthaus Kleinort, in der Einsamkeit ostpreußischer Wälder begann, als einen der 'wesentlichsten Rufer gegen die drohende Entseelung des Menschengeschlechts'. Man feierte ihn als 'starken und tiefen dichterischen Geist', einen 'Epiker von eminentem Naturgefühl' und 'erlebnishafter dichterischer Darstellung', als einen 'Gottsucher von Ernst und Leidenschaft'. [...] Und erinnerte daran, ein wie großer Trost für viele der Dichter war, der, unter Gestapobewachung stehend, seine Manuskripte im Garten vergraben mußte. [...] Auch jenes Interview wurde erwähnt, in dem er 1947 schwedischen Journalisten gesagt hatte, er habe den Glauben an die Zukunft des deutschen Volkes verloren. [...] In Erinnerungen und Würdigungen, Gedichten und Grüßen bekennen sich hier Dichter und Gelehrte, bekannte und unbekannte Menschen, Jugend und Alter zu Ernst Wiechert. Ricarda Huch, Johannes R. Becher, Hermann Hesse, Otto Flake, Max Picard, Werner Bergengruen, Eduard Spranger, Reinhold Schneider, Hans Carossa und Kasimir Edschmid sind unter ihnen. [...] Sie grüßen in ihm den Menschen und Dichter, sie sind ihm dankbar für das, was sie von ihm empfingen und empfangen.« Der Spiegel v. 24. Mai 1947 zum 60. Geburtstag Wiecherts


Ernst Wiechert, 1887 im ostpreußischen Kleinort geboren, gehörte von Anfang der 1930er-Jahre bis in die 1950er zu den meist gelesenen deutschen Schriftstellern. Er zählt zu den Schriftstellern der Inneren Emigration und geriet ins Visier der Nationalsozialisten: Für zwei Monate war er im KZ Buchenwald inhaftiert. Danach durfte er nur Unpolitisches veröffentlichen, wurde fortwährend von der Gestapo überwacht und erhielt Ausreiseverbot. Seine Manuskripte dieser Zeit konnten großteils erst nach 1945 veröffentlicht werden, teils hatte er sie im Garten vergraben. 1948 übersiedelte er in die Schweiz, wo er 1950 starb.

1

Nicht lange nach dem großen Kriege stand um die Abendzeit eines Vorfrühlingstages ein Mann an einem der Westfenster seines Hauses und hob, in Gedanken verloren, den Blick von einem alten und unansehnlichen Buch, das er in den Händen hielt. Der große Abendhimmel, wolkenlos und von fernen Feuern brennend, erfüllte durch das weite Fenster den ganzen Raum mit rötlichem Licht. Die farbigen Einbände in der Bücherwand glühten, die fremdartigen Waffen und Masken in einem seitlichen Schrank schimmerten in einem fast bösen Glanz, und der unter Qualm und Nebel feuernde Kreuzer auf dem einzigen Bilde an der Wand schien, so beglänzt, geradeswegs in den flammenden Abgrund einer Götterdämmerung hineinzustürmen.

Aber das verzauberndste Licht sammelte sich auf der gewölbten Fläche eines riesigen Globus, der auf einem schwarzen Sockel frei vor der Mitte der Bücherreihen stand. Seine Gebirge waren mit braunen Erhebungen angedeutet, seine Ebenen wie Wiesen getönt, von dem Netzwerk der Ströme durchflochten, und seine blauen Meere schimmerten nun purpurn im Abendlicht.

Die Blicke des Mannes, vom Lichte gelöst, wendeten sich dem bestrahlten Abbild der Erdkugel zu, wo die kleinen Inselgruppen wie Perlen im Indischen Ozean schwammen und der Pik von Colombo einen spitzen Schatten über die Flut zu werfen schien. Die Küsten der Meere waren mit einem feinen Glutstrich gegen die Festländer abgesetzt, und jenseits des Himalaja, aus den gelben tibetanischen Ländern, schien schon eine schweigende Dämmerung auf fremde Sternbilder zu warten.

Lange blieb der Mann in dieses Bild versunken, bis es unter grünlichen und grauen Schatten immer matter wurde, die Küsten verschwammen, die Täler sich verdunkelten und es zu einer blassen Scheibe erlosch, einem fernen Gestirne gleich im Raume schwebend.

Nun, in der wachsenden Stille des Abends, hob das Brausen der abseitigen Hauptstadt sich über die Gärten der Vorstädte und stand wie der Ton ferner Brandung, unmerklich steigend und fallend, über der Dämmerung. In den lichtgrün verblassten Himmel ragten die Stämme der Kiefern schwarz und unbewegt, über einer fernen Straße schimmerten weiße Lampen auf, schnell und nacheinander, und wer lange auf dem Meere gelebt hatte, mochte nun bei halb geschlossenen Augen leicht sich einbilden, wieder auf einer Brücke zu stehen oder hinter den Fenstern der Kajüte, das leise Brausen des Schiffes im Ohr, indes die Lichter des Landes sich fern und lautlos verschoben, zurückglitten und erstarben, hinabgetaucht hinter die Krümmung der Erde, und das Unbefahrene vor dem Bug sich nun beherrschend erhob.

Im letzten Licht nahm der Mann noch einmal das Buch vor die Augen, als wollte er sich einer bestimmten Stelle vergewissern, dass sie auch noch da stehe, nicht mitgelöscht von der Dämmerung der Welt. Dann ließ er es sinken und blickte hinaus, die linke Schläfe an den Vorhang des Fensters gelegt. Sein Gesicht über dem dunklen Rock empfing nun das letzte Abendlicht. Schatten sammelten sich unter der Stirn und in den tiefen Falten, die von den Nasenflügeln zum Munde liefen, und so war das Gesicht nun nicht unähnlich einem verkleinerten und verschmälerten Abbilde jener Erde, die vor den Bücherreihen schwebte, deren Täler im Schatten verdunkelten und deren Umrisse sich verloren, sodass nur ein matter Schein an der Stelle des Gegenständlichen blieb.

Später, als die Tür sich plötzlich öffnete und das Licht des Flures fast grausam in den schweigenden Raum hi­neinbrach, ließ der Mann sich Zeit, das Gesicht nach der im Tür­rahmen Stehenden zu wenden, und bevor er sie erblickte, traten zuerst die wenigen nun erhellten Dinge des Raumes in sein Bewusstsein: das Bild des Kreuzers an der Wand, der nun, wie im Licht eines Scheinwerfers, immer noch aus den Panzertürmen seine düsterroten Salven schoss, eine schmale ­Büchersäule, die scharf begrenzte Bahn eines roten Teppichs und eine schmale Kante des Globus, die wie eine Sichel leuchtete.

Dann erst sah er die Frau, die im Abendkleid auf der Schwelle stand und den bloßen Arm nach dem Lichtschalter ausstreckte.

»Lass das!«, sagte er scharf.

Sie hielt in der Bewegung inne, ohne den Arm sinken zu lassen, und auch wenn sie nicht im Licht gestanden hätte, würde er gewusst haben, dass sie lächelte, nicht ohne Spott aber auch nicht ohne Schonung.

»Träumt man wieder?«, fragte sie.

»›Man‹ hat gelesen«, erwiderte er, trat an den Schreibtisch und legte das geöffnete Buch sorgfältig auf die leere Platte. »In einem Psalm, in dem man seit der Konfirmation nicht mehr gelesen hatte, und dort hat man den Vers gefunden: ›Wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz‹. Darüber hat man nachgedacht.«

»Helden und Denker«, sagte sie mit ihrer tiefen Stimme, »das ist uns nun übrig geblieben aus dem Kriege …«

Es habe Zeitalter gegeben, meinte der Mann, die auf einen solchen Besitz sehr stolz gewesen seien.

Ja, aber eben Zeitalter … nun jedoch, nach diesen furchtbaren Jahren, wolle man weder kämpfen noch denken, sondern eben leben, nichts als leben.

Auch die Tiere wollten das, und zwar das allein.

Ja, das sei eben das Schöne und Gesunde an ihnen. Sie läsen weder Psalmen noch starrten sie in die Abenddämmerung.

»Manchmal«, sagte er, indem er auf die beleuchtete Kante des Globus starrte, »verstehe ich nun die ganz einfachen, ganz primitiven Männer, die ab und zu die Lust ankommt, ihre Frauen zu schlagen …«

Sie lachte, ganz heiter und sorglos, und unter ihrer Hand brach nun doch ohne Warnung das weiße Licht aus der Kuppel unter der Decke heraus. »Das muss ich sehen«, sagte sie, »den Mann, den diese Lust eben angekommen ist.«

»Ich habe nicht von mir gesprochen«, erwiderte er und sah sie über den Raum hinweg finster an. Ihre Gestalt war schmäler geworden in diesen dumpfen Jahren, ihre Züge schärfer, ihre Augen glänzender. Nur ihr Kindermund war der gleiche geblieben, trotz der leuchtenden Farbe, die sie nun auftrug, klein, mit wehmütig geneigten Winkeln, und niemals wusste er, ob sie im Zorn oder im Weinen erbeben würden.

Seine Gedanken gingen zurück zu der Zeit ihrer ersten Liebe, und er begriff, wie viel der Krieg ihnen allen geraubt hatte. »Geh nun«, sagte er freundlich, »es führt ja doch zu nichts …«

Ihre Hand mit den funkelnden Ringen strich an den roten Einbänden neben der Tür herunter. »Es sollte ja auch nur dazu führen«, antwortete sie, »dass du dich rechtzeitig umziehst. Sie kommen in einer halben Stunde, und du weißt, dass auch der Admiral zugesagt hat. Es könnte vielleicht doch nicht ohne Wichtigkeit für dich sein … er hat sehr viel Einfluss.«

Nun ging er doch quer durch den Raum bis zur Schwelle und löschte das Licht. Dann fasste er sie sanft bei den Armen, drehte sie um und schob sie in den Flur. Ihre kühle Haut war ihm fast so fremd wie die einer Toten. »Setze deinen Nelson auf meinen Globus«, sagte er, »und dann kniet vor ihm nieder und betet ihn an, ihn und seine Einflüsse. Mich aber ekelt vor allen diesen Gespenstern, verstehst du? Wer das Spiel verloren hat, soll es zugeben, wie ich es zugebe, und nicht behaupten, beteuern und beschwören, dass falsch gespielt worden sei.«

»Ach, Thomas«, sagte sie und lächelte über die Schulter zurück, »was bist du doch für ein unvorstellbarer Narr …«

Er schloss die Tür, aber der Raum war nun nicht mehr derselbe. Eine Straßenlampe warf ihr unruhiges Licht hinein, und der Schatten des Globus lag als ein schwarzer Kreis auf den Bücherwänden. »So ist es«, murmelte er, »eine dunkle Erde, aber sie beleuchten sie mit ihren Eitelkeiten … wer eine Schlacht verloren hat, sollte schweigsam werden, und wir alle haben mehr verloren als eine Schlacht.«

Er lauschte auf das Klirren von Gläsern und Bestecken in einem fernen Raum. Dann trat er vorsichtig in den Flur, nahm Mantel und Hut und öffnete leise die Tür zum Kinderzimmer. Die Schwester saß auf dem Bettrand und versuchte, ein kleines Holzschiff unter der Decke hervorzuziehen. Aber die kleinen Hände des Jungen hielten es am anderen Ende fest.

Beide Gesichter wendeten sich ihm zu, das errötende der Schwester und das zornige des Kindes. Er blieb stehen und betrachtete es schweigend. Ja, es war sein Gesicht. Noch einmal wiederholt aus einer Unsumme von Möglichkeiten. Leise abgewandelt, fester in der Stirn, härter in den Lippen, aber doch wiederholt. Sein Gesicht und nicht das andere. Die Zukunft, das einzig aus dem Kriege Gerettete.

»Was ist, Joachim?«, fragte er, noch immer ernst.

Die Schwester öffnete die Lippen, aber schon hatte eine kleine, braune, zerschrammte Hand sich über sie gelegt. »Schwester Beate sagt«, rief die helle Stimme, »dass man mit einem Kriegsschiff nicht schlafen geht, und ich habe gesagt, dass der Sohn eines Kapitäns mit zwanzig Kriegsschiffen schlafen gehen kann. Sag ihr, dass das recht ist, Vater!«

Thomas trat ans Bett und griff nach dem plumpen Spielzeug. Die feindlichen Hände ließen gehorsam los, und er hob es vor die Augen wie vorher das alte Buch. »Der Sohn eines Kapitäns kann in einem Kriegsschiff schlafen, Joachim, oder auch unter einem Kriegsschiff, aber mit einem Kriegsschiff schlafen, glaube ich, nur kleine Mädchen, die es...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • achtsamkeit buch • der totenwald • eBooks • Eskapismus • Exilliteratur • Gruppe 47 • Innere Emigration • Innerer Frieden • Konzentrationslager Buchenwald • Leben in den Wäldern • Masuren • masuren buch • masurische schriftsteller • nachhaltigkeit buch • nachkrigsliteratur • nationalsozialismus. • Neuerscheinung • rede an die deutsche jugend • Thoreau • Walden
ISBN-10 3-641-31853-X / 364131853X
ISBN-13 978-3-641-31853-6 / 9783641318536
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