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Die Hand des Todes (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller - Ein neuer Fall für Tempe Brennan

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31753-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Hand des Todes -  Kathy Reichs
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Eine Reihe bizarrer Mordfälle führt die forensische Anthropologin Tempe Brennan auf die karibischen Turks- und Caicos-Inseln. Stehen die grausam verstümmelten Leichen junger amerikanischer Touristen in Zusammenhang mit Bandenkriminalität? Je tiefer Tempe recherchiert, desto beunruhigendere Dimensionen nimmt der Fall an. Und plötzlich findet sie sich im Mittelpunkt einer Verschwörung wieder, die viele Hunderte Menschenleben kosten könnte ...

Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensics Anthropology zertifizierte forensischen Anthropolog*innen und unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie »BONES - Die Knochenjägerin« wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.

1


SAMSTAG, 29. JUNI

Das Monster raste unangekündigt heran, ein fettes schwarzes Raubtier, das den ahnungslosen Sommerabend verschlang. Unbarmherzig. Feuer atmend. Fest entschlossen, alles in seinem Weg zu zerstören.

Ich kauerte in seinem Weg.

Ich würde sterben.

Dröhnen.

Krachen.

Donner toste. Blitze zerrissen den Himmel und zuckten auf einen schwankenden Horizont zu, tauchten schmale Himmelsschneisen in kränkliches Gelbgrün.

Dröhnen.

Krachen.

Wieder und wieder.

Die Luft roch nach Ozon, wütendem Wasser, Öl und Schlamm.

Ich hockte geduckt auf dem Deck eines Boston Whaler, der Wind riss an meiner Jacke und meinen Haaren, Regen prasselte mir auf die hochgezogenen Schultern und den Rücken. Mit all meiner Kraft klammerte ich mich an einen Stahlpfosten und hoffte inständig, nicht über Bord geschleudert oder vom Blitz geröstet zu werden.

Das Boot gehörte Ryans Kumpel, Xavier Rabeau, den ich nicht sonderlich mochte. Ryan war im Heck. Rabeau gut geschützt im Steuerhaus. Natürlich war er das.

Rabeaus etwa zwanzigjährige Begleitung, eine Blondine, Antoinette Damico, lag zusammengerollt neben mir. Noch nicht ganz hysterisch, aber kurz davor.

Wir schlingerten und stampften inmitten eines tosenden St. Lawrence dahin. Der Außenbordmotor war tot, überwältigt vom unaufhörlichen Hämmern der Wellen auf dem Strom.

Später sollten Meteorologen fast ehrfürchtig von dem Wetterphänomen sprechen. Sie redeten von Microbursts, also lokalen, sehr kräftigen Fallböen, und Tornados. La microrafale et la tornade. Sie sollten den Sturm Clémence nennen, entweder aus Anerkennung oder weil sie die Ironie ihrer Namenswahl nicht erkannten. In zwei Sprachen erklärten sie, warum an diesem Abend in Montreal das Unmögliche geschehen war.

Die Obduktion lag da natürlich noch in der Zukunft.

In diesem Augenblick konnte ich mich bloß mit aller Kraft festhalten, während mir das Herz in Brust, Ohren und Kehle pochte. Wichtig war lediglich, an Bord zu bleiben. Und am Leben.

Ich hatte nur wenig Ahnung von Booten und noch weniger vom Neustarten eines uralten Evinrude-Außenborders, dessen einhundertfünfzig Pferde alle aus dem Stall geflohen waren. Ich wollte unbedingt helfen, war aber hilflos. Und so kauerte ich zwischen den hinteren Sitzen, hatte die Füße eingestemmt und klammerte mich so fest an den Pfosten, dass meine Knöchel weiß wurden.

Innerlich verfluchte ich Rabeau, der so auf das Einladen von Säcken voller Supermarktsnacks und einer Kühlbox mit geeistem Bier – ausschließlich Bier – fixiert gewesen war, dass er sämtliche Schwimmwesten im Kofferraum seines Autos vergessen hatte. Vollidiot.

Ich verfluchte auch mich selbst, weil ich vergessen hatte, nach Sicherheitswesten zu fragen, bevor ich den Pier verließ. Zu meiner Entschuldigung – nicht seiner, schließlich gehörte ihm das verdammte Boot, und er hätte sich seiner Verantwortung bewusst sein müssen – kann ich sagen, dass die Luft kühl und trocken gewesen war, als wir an Bord gingen, und die leichte Brise so sanft über meine Haut strich wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Unzählige Sterne funkelten in einem makellosen Himmel.

Wir würden einen unglaublichen Blick auf das Feuerwerk bekommen, hatte Ryan gesagt, so aufgeregt, wie es für einen gut fünfzigjährigen Ex-Polizisten kaum angemessen war.

Was soll schon schiefgehen?, hatte Rabeau gefragt.

Alles.

Als ich den Kopf hob, liefen mir Tropfen übers Gesicht, Pfeile aus Wasser trübten meinen Blick und stachen mir in die Wangen. Ohne die Hände vom Pfosten zu nehmen, richtete ich mich ein wenig auf und drehte mich auf den Zehenspitzen um.

Ryan machte sich achtern von mir an dem rebellischen Motor zu schaffen. Auch wenn der Wolkenbruch viele Details verwischte, konnte ich erkennen, dass seine Haare an einigen Stellen platt gedrückt und an anderen vom Wind aufgestellt und verwirbelt waren. Sein langärmeliges T-Shirt klebte ihm am Rücken wie die Haut eines Delfins.

Krachen.

Dröhnen.

Das Boot schlingerte heftig. Die Kühlbox rutschte, torkelte, schoss dann plötzlich hoch und segelte über die Steuerbordreling. Während ich mich wieder auf meinen Hintern setzte, sah ich, wie die leuchtend blaue Box verschwand, ein kantiger Schatten, der auf der schwarzen Brandung tanzte.

Um uns herum versuchten auch andere Boote, ans Ufer zu kommen, und ihre vielfarbigen Lichter blinzelten erratisch durch den Regenschleier. Etwa zwanzig Meter von unserer Backbordseite entfernt wippte wild ein gekenterter Katamaran. Hilflos. Wie ich.

Ich schloss die Augen und wünschte den Passagieren des Katamarans eine sichere Landung. Hoffte, dass ihr Kapitän die Vorschriften beachtet und Schwimmwesten bereitgelegt hatte.

Damico neben mir weinte und kotzte, und auf beeindruckende Art schaffte sie es, beides gleichzeitig zu tun. Sie hatte die erste der Provigo-Plastiktüten, in denen man die Snacks und Getränke an Bord gebracht hatte, weggeworfen und machte sich jetzt daran, die zweite zu füllen. Wenn das Deck hin und wieder scharf die Neigung veränderte, schrie sie auf und verlangte, an Land gebracht zu werden.

Rabeau schwankte mit gespreizten Beinen vor seinem Kapitänssessel und wartete auf Nachricht von achtern. Sooft Ryan etwas rief, versuchte Rabeau es mit der Zündung. Immer und immer wieder die gleiche Abfolge. Immer mit demselben Ergebnis.

Nichts.

Dann waren Quebecer Flüche zu hören.

Hostie!

Tabarnak!

Câlice!

Durch die Kakofonie aus Wind, Wellen und männlicher Verdrossenheit nahmen meine Ohren ein fast unhörbares Geräusch wahr. Ein hohes, moskitoartiges Sirren. Entfernte Sirenen? Eine Tornadowarnung?

Ich schickte ein Bittgebet an jede Wassergottheit, die zuhören mochte. Clíodhna, die keltische Meeresgöttin … Verdammt, wo hatte ich das denn her? Natürlich von meiner Grandma. Himmel, ich verlor offenbar den Verstand.

Der Bug schoss himmelwärts und sackte dann vom hohen Wellenkamm ins Tal.

Rumms!

Aus Damicos Kehle drang ein Geräusch, ein Wimmern voll silbrig-grüner Galle.

Ich streckte den Arm aus und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie ließ die Tüte sinken und drehte sich zu mir um, mit einem Mund wie ein umgedrehtes U, aus dessen Winkeln Sabberfäden hingen. Ein Blitz zuckte und erhellte den Skelettbogen der Jacques-Cartier-Brücke hinter und über ihr.

Mit einem Mal spürte ich selbst ein Rumoren im Bauch. Ich schluckte. Und schwor mir, der Übelkeit nicht nachzugeben.

Nicht zu sterben. Nicht so.

Der Tod ist für uns alle unausweichlich. Hin und wieder denken wir über unser Sterben nach. Stellen uns die Augenblicke vor dem letzten Vorhang vor. Vielleicht weil ich mich beruflich mit gewaltsamen Toden beschäftige, neigen meine Vorstellungen eher zum Dramatischen. Ein tiefer Sturz und gebrochene Knochen. Züngelnde Flammen und beißender Rauch. Zerquetschter Stahl und gesplittertes Glas. Kugeln. Schlingen. Giftpflanzen. Tödliche Bisse. Ich bin von Natur aus nicht morbide. Viel wahrscheinlicher ist, dass die finale Zuspitzung in einer Umgebung aus pingenden Monitoren und aseptisch sauberen Laken stattfinden wird.

Ja, ich gebe es zu. Ich bin jede Möglichkeit meiner persönlichen Schlussszene durchgegangen. Jede bis auf eine.

Die eine, die ich am meisten fürchte.

Ich habe schon unzählige Leichen gesehen, die man mit Händen, Haken und Netzen aus ihren wässrigen Gräbern gefischt hat. Habe viele selbst geborgen. Jedes Mal empfinde ich das Grauen nach, das die Opfer durchlitten haben. Der anfängliche Kampf, um über Wasser zu bleiben, das verzweifelte Schnappen nach Luft. Das befürchtete Untertauchen und das Atemanhalten. Das unausweichliche Nachgeben und das Einatmen von Wasser. Und schließlich der gnädige Bewusstseinsverlust, der Herz- und Atemstillstand, der Tod.

Kein leichter Weg zu sterben.

Zur Information: Ich habe eine robuste Angst vor dem Ertrinken. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, ich fürchte mich nicht vor Flüssen, Seen und Pools. Ganz im Gegenteil. Ich betreibe Bodysurfing und fahre Wasserski. Zum Training schwimme ich Bahnen. Ich habe also keine Angst, ins Wasser zu gehen.

Ich habe Angst, nicht mehr rauszukommen.

Irrational, ich weiß. Aber so ist es.

Warum war ich dann hier, in einem offenen Boot, in Lebensgefahr inmitten der Mütter aller Stürme?

Feuerwerk.

Und Liebe.

Der Sommer hatte sich in diesem Jahr viel Zeit gelassen, um nach Quebec zu kommen.

Der April neckte uns mit warmen Tagen, die am schwarz verkrusteten Schnee nagten. Und dann tat der April, was der April eben so tut. Das launische Quecksilber tauchte ab und überzog Gärten, Einfahrten, Straßen und Bürgersteige mit einer schlammfarbenen Schlotze aus gefrorenem Schmelzwasser.

Der Mai bot unaufhörlichen Regen, und das auf vielfältige Weise. Dunst aus samtigem Nebel. Niesel aus bräsig grauem Himmel. Große, fette Tropfen, die aus tief hängenden Wolken prasselten. Feine Tröpfchen, getrieben von Winden, die verächtlich auf wackelige Carports, Vordächer und Regenschirme herabschauten.

Als dann der erste offizielle Sommertag näher rückte, lächelten endlich auch die Wettergötter. Die Sonne tauchte auf, und die Tagestemperaturen knackten die 20-Grad-Marke. Gerade rechtzeitig.

L’International des Feux Loto-Québec, eine...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2024
Reihe/Serie Die Tempe-Brennan-Romane
Die Tempe-Brennan-Romane
Übersetzer Klaus Berr
Sprache deutsch
Original-Titel The Bone Hacker
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Bones - Die Knochenjägerin • eBooks • Erpressung • Forensikerin • Gefahr • Kanada • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Montreal • Mord • Neuerscheinung • Spiegel-Bestseller-Serie • Thriller • turks- and caicosinseln
ISBN-10 3-641-31753-3 / 3641317533
ISBN-13 978-3-641-31753-9 / 9783641317539
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