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Die Brücke (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
416 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-30352-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Brücke - Taylor Adams
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Alle deine Straßen enden hier
Vor drei Monaten fuhr Cambry siebzig Meilen zu einer abgelegenen Brücke und stürzte sich in den Tod. Das behauptet zumindest der Polizist, der sie gefunden hat. Cambrys Zwillingsschwester Lena hat da ihre Zweifel. Was verschweigt der Beamte? Soll es tatsächlich nur Zufall sein, dass er Cambry noch kurz vor ihrem Tod angehalten hat? Mit dem Auto ihrer toten Schwester macht sich Lena auf den Weg zur Brücke, um die Wahrheit herauszufinden. Die Reise wird für sie zum Kampf um ihr eigenes Überleben.

Taylor Adams ist Filmregisseur und Autor. Sein Thriller »No Exit« war international ein großer Erfolg und wurde 2022 verfilmt. Adams lebt im Bundesstaat Washington.

KAPITEL 2
Cambrys Geschichte


Ich schwöre bei Gott, denkt Cambry, heute ist kein guter Tag zum Sterben.

Eine Eule bei Tageslicht zu sehen, ist ein böses Omen. Sie kann sich nicht erinnern, wann sie das zum ersten Mal gehört hat.

Das Tier hockt zwischen den Zweigen wie ein brauner Gartenzwerg. Ein großer Uhu mit fedrigen Ohren, dessen Umriss sich wie der eines Teufels vor dem blauen Himmel abzeichnet. Die Ohren sind sehr schwierig zu malen, man übertreibt es leicht. Sie benutzt Tusche, keinen Bleistift, und hat es schon verpfuscht – der arme Kerl sieht aus wie Batman. Am liebsten würde sie die Seite ausreißen und von vorn anfangen.

Wenn du noch nicht der Vorbote meines Todes warst, denkt sie, dann bist du es spätestens jetzt.

Unten auf dem Campingplatz ist es ruhig.

Oder es war ruhig – bis vor dreißig Sekunden, als dieses Pärchen im Ford Explorer ankam. Jetzt hört sie das Knittergeräusch von Nylon, das Ratschen von Reißverschlüssen, das Öffnen und Schließen von Autotüren, murmelnde Stimmen. Sie versucht, sich auf ihre Zeichnung zu konzentrieren. Der Uhu legt den Kopf zur Seite, ist wahrscheinlich genauso angewidert.

Das Paar streitet sich. Von Cambrys Standort aus, fünfzig Meter bergauf, sind die Worte nicht zu verstehen, aber sie hört, dass schnell gesprochen wird. Worte, die lauter und leiser werden, zischelndes Flüstern, Unterbrechungen, Widerspruch. Eine Konfliktsonate. Sie kennt jede Note davon.

Der Mann zieht eine Kühlbox aus dem Explorer und lässt sie absichtlich laut auf den Boden fallen.

Cambry schiebt die Zunge aus dem Mund, wenn sie zeichnet – eine Angewohnheit, seit sie fünf ist –, und schattiert nun die Umrisse des Uhus mit seinen Batman-Ohren. Manchmal kann man eine Zeichnung noch retten. Mit Kreuzschraffur schafft sie es, dass die übertrieben großen Ohren gewollt wirken. Ihr Modell hat das Interesse an dem streitenden Paar verloren und seine gelben Augen wieder auf sie gerichtet. Seine wachsame Art wirkt einschüchternd.

Die Heckklappe des Explorers wird zugeschlagen. Das Pärchen geht zu seinem Zeltplatz. Ihre Stimmen werden von den Bäumen gedämpft.

Jetzt erinnert sie sich wieder – an den Museumsbesuch in der achten Klasse, als ein Kurator den Schülern erklärte, dass die amerikanischen Ureinwohner Eulen als Überbringer von Todesbotschaften angesehen haben. Als Wächter über das Leben nach dem Tod, die bei Tageslicht losziehen, um die Seelen der bald Sterbenden zu finden. Und diese Eule hier schaut sie die ganze Zeit auf eine merkwürdig wachsame Weise mit seinen Brillenaugen an.

Wieder Stille. Das Paar ist verschwunden.

Endlich.

Cambry klappt ihr Skizzenbuch zusammen und eilt hastig, aber leise nach unten zur Straße. Neben dem Explorer angekommen, nimmt sie ihren Rucksack ab, holt einen Benzinkanister heraus und schraubt den Tankdeckel des Autos ab, damit sie den Plastikschlauch hineinschieben kann.

Die Eule schaut ihr dabei zu.

Als wir noch klein waren, habe ich Cambry immer versprochen, ich würde mal ein Buch über ihre Abenteuer schreiben. Dies hier – was ihr jetzt lest – ist nicht das, was ich dabei im Sinn hatte.

Natürlich nicht.

Aber es hat etwas Kathartisches, die Geschichte meiner Schwester zu erzählen. Die genauen Umstände ihrer letzten Stunden zu rekonstruieren, fühlt sich an, als würde man eine Million zerbrochene Knochen wieder zusammensetzen. Jedes Wort tut weh, aber meine Eltern sollen erfahren, was an diesem 6. Juni wirklich mit ihrer Tochter geschehen ist. Ich will ehrlich sein: Ich habe mir die Freiheit genommen, bestimmte Details zu erfinden, denn niemand kann die Gedanken einer toten Frau kennen.

Aber wer wäre besser dazu geeignet, sich genau diese Gedanken vorzustellen, als ihre Zwillingsschwester?

Bevor wir fortfahren, noch ein spezieller Hinweis für Cambry: Hier ist dein Buch, Schwester. Hat lange gedauert. Es tut mir sehr, sehr leid, dass es fünfzehn Jahre zu spät kommt.

Und dass du am Ende stirbst.

Cambrys Skizzenbücher enthalten die gezeichnete Geschichte ihrer letzten neun Monate.

September in Oregon. Durch die Betonschluchten von Portland zu den immergrünen Wäldern um den Crater Lake. Dann Medford, mit selbst gebrautem Bier und Couchsurfing bei einem Freund ihres Freunds Blake – ein lockerer Typ, der ihr ein paar von seinen starken Halluzinogenen spendierte, die er in einem Schuhkarton gezogen hatte. In den darauffolgenden drei Stunden fielen haarige Vogelspinnen auf sie herab wie Fallschirmspringer. Irgendwann hatte sie keine Angst mehr vor ihnen, sondern schob sie einfach nur beiseite.

Oktober in Kalifornien. Über den Highway 101 durch Eureka bis zum Glass Beach. Die Bewohner von Fort Bragg warfen jahrzehntelang ihren Müll ins Meer und erzeugten auf diese Weise das weltweit größte Vorkommen von Meerglas. Blaue und grüne Scherben glänzten feucht zwischen den dunklen Steinen. Mit Bleistift und Tusche konnte man das nicht gut festhalten. Sie nahm eine Handvoll davon mit und bewahrte sie im Handschuhfach auf.

Den November verbrachte sie an nebligen Küsten, mit feuchten Hafenanlagen und Brücken. Die größte davon: Golden Gate.

Dezember und Januar in New Mexico, Arizona, Texas. Zwischen ihr und Blake war noch alles in Ordnung, das Geld reichte noch eine Weile. Sie spielten Frisbee in einer apokalyptisch wirkenden ausgebleichten Wüste namens White Sands. Blasse Dünen, zwanzig Meter hoch. Eines Nachts, unter den Sternen, fragte Blake sie, was sie tun wolle, wenn sie diese große Pilgerreise beendet hätten und wieder zurück in Seattle wären.

Ihre Antwort: Mich umbringen.

Er lachte nervös.

Februar und März in Louisiana, Georgia, Florida. Sie zeichnete weiße Herrenhäuser mit langen Zufahrten, Lichterketten in Bäumen und schuppige Alligatorenköpfe. Sie stritt sich jetzt häufiger mit Blake, ihre Konflikte brachen rasch und heftig aus wie Orkane. In der Nähe von Fort Myers knallten Hagelkörner auf die Windschutzscheibe des Corolla wie Maschinengewehrfeuer. Die Stimmung ging den Bach runter. In der Werkstatt erklärte Blake ihr genervt, er würde zur Tankstelle gehen und sich Zigaretten holen. Sie wartete eine halbe Stunde, dann ging sie ihm nach – und im Supermarkt erklärte ihr der Verkäufer, ein Mann, der wie Blake aussah, hätte einen Freund getroffen und sei mit ihm davongefahren. Er nahm viertausend Dollar und die kleine Pistole Kaliber .25 mit. Cambry hatte jetzt noch siebzehn Dollar in ihrer Umhängetasche und der Corolla eine frisch reparierte Windschutzscheibe.

Sie machte weiter.

Warum nicht?

Sie würde auch ohne ihn nach Seattle zurückfinden. Die einjährige Reise war ihre Idee gewesen, nicht die von Blake. Sie würde zurückfahren – falls sie das überhaupt wollte –, wenn es Zeit dafür war.

April in Virginia, und dann durch die tiefgrünen Ozark Mountains, im modrigen Rauch verrosteter Papiermühlen und Fabriken, dann nach Norden bis Dakota. Sie machte immer mehr Zeichnungen, weil Blake nun nicht mehr wie ein ungeduldiges Kind neben ihr saß und ihr den Stift aus der Hand nahm. Ohne ihn brauchte sie den Wohnwagen nicht mehr, also verkaufte sie ihn. Die Meilenanzeige des Corolla stieg rasant an. Sie übernahm langweilige Jobs, um Geld zu verdienen. Sie mochte nicht stehlen, tat es aber gelegentlich. Zumeist Nahrungsmittel.

Im Juni dann Montana.

Ihr letztes Skizzenbuch ist fast voll. Von Magma Springs schafft man es mit ein oder zwei Tankfüllungen bis Seattle. Ihr altes Leben lockt sie an, außerdem vermisst sie die Bequemlichkeiten von früher. Fließendes Wasser. Strom aus der Steckdose. Ihre Zahnschmerzen werden seit einem Monat immer schlimmer. Es blutet beim Zähneputzen.

Aber sie wird es heute noch bis Coeur d’Alene schaffen, rechnet sie sich aus. Wenn sie sofort losfährt.

Auf dem Fußweg vom Dog’s Head Campingplatz zurück zu ihrem Wagen geht sie zuerst den offiziellen Pfad entlang, biegt dann aber ab und schlägt sich durch den dichten Wald. Ihr Rucksack ist schwer wegen des Kanisters, in dem das Benzin schwappt. Sie möchte niemandem begegnen.

Die Temperatur ist jetzt am Abend erträglicher. Die Sonne geht orangefarben hinter den Kiefern unter, der Himmel ist tiefrot. Keine streitenden Stimmen mehr – nur das Zirpen der Grillen und das knisternde trockene Gras unter ihren Schuhsohlen. Sie liebt die Ruhe und den Duft nach Tannennadeln und Beeren. Sie hat die letzte Etappe ihres Marsches erreicht, ist nur noch fünf Minuten vom Highway entfernt, als sie die Rauchschwaden bemerkt.

Mein Auto brennt, denkt sie.

Ihr Verstand ist seit einiger Zeit in Unordnung geraten. Seit Florida ist sie ihren Ängsten ausgeliefert – ihren Furien, wie es die Psychologin nannte. Eine Eule bedeutet den nahen Tod. Zahnschmerzen kündigen Krebs an. Rauch bedeutet, dass ihr Corolla in Flammen steht.

Der Rauch, so stellt sich heraus, hat seinen Ursprung nicht weit von ihrem Pfad entfernt. Er steigt in mehreren dicken schmutzigen Säulen vor den weißen Gipfeln der Rocky Mountains auf. Sie ist neugierig, bleibt stehen und späht durch die Äste.

Brennendes Gras vielleicht?

Eine Viertelmeile bergab erkennt sie etwas: ein nacktes Betonfundament, so weiß wie verblichene Knochen. Ein Gebäude, das nie fertiggestellt und von Unkraut überwuchert wurde. Ein Trailer und ein verrosteter Truck. Ein ausgetrockneter Brunnen. Aufgestapelte Baumstämme und Schotterhaufen. Frisch aufgewühltes Erdreich.

Die Rauchsäulen stammen von vier Feuern. Sie...

Erscheint lt. Verlag 14.8.2024
Übersetzer Robert Brack
Sprache deutsch
Original-Titel Hairpin Bridge
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • eBooks • Neuerscheinung • neuerscheinung thriller 2024 • Polizei • Schwestern • Selbstmord • starke Nerven • taylor adams, no mercy • Taylor Admas, No Exit • Thriller • tödliche Geheimisse • Überlebenskampf • Zwillingsschwester
ISBN-10 3-641-30352-4 / 3641303524
ISBN-13 978-3-641-30352-5 / 9783641303525
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