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Die Frau in Rot (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Atlantik Verlag
978-3-455-01743-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Frau in Rot -  Giulia Conti
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Das idyllische Turin, die FIAT-Dynastie und ein mysteriöser Mord am Ufer des Po Turin im Frühjahr: der Po führt nach einem schneereichen Winter viel Wasser, die Temperaturen steigen und die Stadt erwacht zu neuem Leben. Camilla di Salvo, eine junge Psychologin mit gutgehender Praxis, freut sich auf einen wunderschönen Sommer. Als aber die Leiche einer Frau im roten Kleid am Ufer des Po gefunden wird, die als die stadtbekannte Ehefrau eines FIAT-Funktionärs identifiziert wird, geht ein Beben durch die Stadt und Camilla wird unfreiwillig zur Ermittlerin.  Ihr untrügliches Gespür für die Abgründe im Menschen ziehen die Psychologin immer tiefer hinein in ein Netz aus Intrigen, dessen Fäden vom FIAT-Konzern aus gesponnen werden und sie auf eine brandgefährliche Spur leiten.

Giulia Conti ist das Pseudonym einer deutschen Journalistin und Reisebuchautorin. Sie hat viele Jahre in Frankfurt am Main gelebt und gearbeitet. Ihre zweite Heimat ist seit zwanzig Jahren ein kleines Dorf am Lago d'Orta in Norditalien. Mit ihrem ersten Roman Lago Mortale gelang ihr auf Anhieb ein erfolgreicher Krimireihenauftakt.

Giulia Conti ist das Pseudonym einer deutschen Journalistin und Reisebuchautorin. Sie hat viele Jahre in Frankfurt am Main gelebt und gearbeitet. Ihre zweite Heimat ist seit zwanzig Jahren ein kleines Dorf am Lago d'Orta in Norditalien. Mit ihrem ersten Roman Lago Mortale gelang ihr auf Anhieb ein erfolgreicher Krimireihenauftakt.

Cover
Titelseite
Prolog
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Nachbemerkung der Autorin
Über Giulia Conti
Impressum

1


»Wollen Sie zu mir?«

»Sind Sie Dottoressa di Salvo?«, kam es zurück.

Ich schaute in bernsteinfarbene Augen, die mich erwartungsvoll ansahen und zu einer vollkommen durchnässten jungen Frau gehörten, die vor mir auf der Treppe saß. Aus ihrem blonden Pagenkopf tropfte es wie aus einem undichten Wasserhahn, und unter ihr hatte sich schon eine kleine Lache gebildet. Seit einer Woche schüttete es in diesen Märztagen wie aus Eimern. Ein Hundewetter, das auch mich an diesem Morgen auf dem Weg in meine Praxis in der Turiner Altstadt, dem Quadrilatero Romano, trotz Regenschirms noch erwischt hatte. Aber das war kein Vergleich zu dem triefenden jungen Mädchen, das dort auf den Stufen kauerte, fröstelnd und verloren.

Ich nickte. »Ja, warum?«

»Ich habe auf Sie gewartet.«

Das passte mir gar nicht. Dafür hatte ich keine Zeit. Ich war spät dran und wollte möglichst schnell in mein Sprechzimmer, denn in gut zwanzig Minuten würde meine erste Patientin kommen. Eigentlich konnte ich der ungebetenen Besucherin nur einen Gesprächstermin zu einem anderen Zeitpunkt anbieten oder sie an die Ambulanz des psychoanalytischen Instituts verweisen, denn unangemeldet konnte ich keine Patienten annehmen. Stopp, Camilla, meldete sich aber eine innere Stimme, du lieferst gerade kein Glanzstück deines Einfühlungsvermögens! Natürlich würde ich meinen Unmut beiseiteschieben und sehen, was ich für sie tun konnte. Ohnehin bin ich zuweilen großzügig im Umgang mit den strengen Regeln meiner Zunft und höre im Zweifelsfall auf mein Gefühl. Erst später kam mir die Erkenntnis, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, die junge Frau wegzuschicken. Dann wäre mir einiges erspart geblieben.

»Wenn Sie gekommen sind, weil Sie eine Therapeutin suchen«, sagte ich, und als sie nickte, fuhr ich eilig fort, um angesichts meines ohnehin zu großen Patientenstamms gar nicht erst falsche Erwartungen bei ihr zu wecken, »dann muss ich Sie enttäuschen.« Setzte jedoch versöhnlich hinzu: »Aber kommen Sie einen Moment mit herein. Dann können Sie sich abtrocknen, und ich gebe Ihnen ein paar Adressen von Therapeuten, an die Sie sich wenden können, um einen Termin für ein Erstgespräch zu vereinbaren. Natürlich nur, wenn Sie das wollen.«

Im Flur bedeutete ich ihr zu warten und holte ein Handtuch aus meinem kleinen Badezimmer. »Nehmen Sie das und geben Sie mir Ihre Jacke. Die hänge ich kurz über die Heizung, wenn Sie einverstanden sind.« Ich wartete ihre Antwort nicht ab und griff zu einem Bügel. »Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte ich noch.

»Alba.«

»Und wie weiter?«

»De Magris, Alba de Magris.«

Der Name sagte mir etwas. Wo hatte ich ihn nur schon einmal gehört? Es fiel mir nicht ein, und es war mir eigentlich auch egal, denn es galt jetzt, keine Zeit zu verschwenden. Ich machte der jungen Frau mit dem schönen Namen Alba ein Zeichen, und sie folgte mir in mein Sprechzimmer. Der große Raum ist mit seinen zwei hohen Fenstern zur Straße licht und eher nüchtern eingerichtet, aber dennoch behaglich. Als ich die Praxis übernommen habe, hatte ich ein klares Bild vor Augen: Weder zu klinisch noch zu persönlich sollte sie sein, und meine Patienten sollten sich im Sprechzimmer wohlfühlen, ohne dass es zu viel von mir verriet. Das ist mir, wie ich finde, auch ganz gut gelungen. Neben der unverzichtbaren Couch stehen auf dem alten Dielenboden zwei Ledersessel und mein Schreibtisch, ein antikes Schmuckstück aus Kirschholz, das ich an einem Sonntag vor ein paar Jahren auf dem Gran Balon, dem monatlich stattfindenden Antiquitätenmarkt von Turin, entdeckt habe. An die Wände habe ich nicht die üblichen Blumenkunstdrucke gehängt, wie man sie vorzugsweise in Krankenzimmern findet, da sie angeblich die Stimmung der Patienten aufhellen, sondern poetische Schwarz-Weiß-Fotografien von Pietro Donzelli, die er in den Nachkriegsjahren in der Po-Ebene aufgenommen hat und die die Schönheit der noch weitgehend unberührten Landschaft und das karge Leben der Menschen zeigen. Ein Italien zwischen Tradition und dem Aufbruch in die Moderne. Außerdem hängt dort eine bunte Karikatur, die Sigmund Freud mit einer dicken Zigarre in der Hand darstellt und die mir mein guter Freund Ennio zum Einstieg geschenkt hat. »Der ist ja sozusagen dein Staatspräsident, und den hängt man sich doch an die Wand, oder?«, hatte er schmunzelnd dazu bemerkt.

 

Meine Besucherin steuerte auf die mit dunkelrotem Samt bezogene Couch zu, während ich schon an meinem Schreibtisch saß.

»Nein«, stoppte ich sie und deutete auf den Sessel, der unter einem der beiden Fenster steht, während ich in einer Schublade hastig nach ein paar Unterlagen suchte. Der Regen prasselte währenddessen weiter gegen die Scheiben, und draußen am Himmel ballten sich die Wolken so tiefschwarz, dass es trotz der großen Fenster ganz düster im Raum wurde und ich das Licht anmachen musste.

Dem schlechten Wetter war auch meine Verspätung an diesem Donnerstagmorgen geschuldet, denn ich war auf dem Weg zu meiner Praxis beim Überqueren der Via Po ausgerutscht und umgeknickt. Der Knöchel hatte so wehgetan, dass ich mich einen Moment unter den Arkaden hinsetzen musste, bis der Schmerz langsam nachließ. Dadurch hatte ich einige Minuten verloren. Ein Grund mehr, die Begegnung mit der jungen Frau möglichst kurz und formell halten.

Aber kaum, dass sie saß, kamen ihr die Tränen, und sie schien mit dem Weinen gar nicht mehr aufhören zu können. Ich beobachtete sie schweigend, reichte ihr ein Taschentuch. Davon habe ich immer einen großen Vorrat griffbereit, denn dass Patienten im Verlauf der Sitzung in Tränen ausbrechen, kommt nicht selten vor.

Sie putzte sich etwas umständlich die Nase, und ich sah ihr schweigend dabei zu. Während sie weiter leise vor sich hin weinte, bündelte ich meine spontanen Eindrücke. Die allererste Begegnung mit potenziellen Patienten ist stets besonders aufschlussreich, nicht nur, was sie, sondern auch was mich selbst angeht, mein Verhalten, meine Gefühle und meine Reaktionen. Von Anfang an habe ich mir angewöhnt, meine ersten Wahrnehmungen unmittelbar nach den Terminen zu notieren, in den zehn Minuten Pause, die mir jeweils zwischen zwei Patienten bleiben. Wir sind Zaungäste, so hat eine ältere Kollegin einmal unsere Haltung gegenüber den Patienten beschrieben. Wir beobachten sie, hören uns ihre Geschichten an und versuchen, darin die unbewussten Vorstellungen, Bedürfnisse, Ängste und emotionalen Muster zu erkennen. Wir sind ein Gegenüber, das Abstand hält und doch mitfühlt.

Auch bei Alba de Magris schaute ich genau hin, obwohl ich entschlossen war, sie nicht als Patientin aufzunehmen. Als Erstes war mir ihre Kleidung ins Auge gefallen. Ein heller, glockig fallender Rock, darüber ein gut geschnittener blauer Blazer und edle weiße Sneaker, das sah fast wie eine Internatsuniform aus, jedenfalls ziemlich brav und nach einem wohlhabenden Elternhaus. Sie weinte immer noch, mit dem zerknüllten Taschentuch in der Hand, und so wie sie auf dem Sessel saß, steif und weit vorne, wirkte sie auf mich sehr unsicher. Aber da war noch etwas anderes. Etwas, das mich eigenartig berührte. Ich hätte nicht sagen können, was es war, hatte höchstens eine vage Ahnung, dass es nicht zu ihrer verlorenen Ausstrahlung passte. Wer war diese junge Frau? Was war mit ihr? Versteckte sich hinter ihrer Schüchternheit eine unvermutete Kraft? Immerhin hatte sie den Mut gehabt, einfach in meine Praxis zu platzen. Vorsicht, Camilla, bremste ich mich, urteile bloß nicht vorschnell! Ich konzentrierte mich wieder auf meine Beobachtungen. Wie alt mochte sie sein? Maximal zwanzig, schätzte ich. Vielleicht war sie keine Schülerin und lebte auch nicht mehr bei ihren Eltern. Das Auffälligste an ihr war zweifellos ihre große und eigenwillig gekrümmte Nase, an der mein Blick hängenblieb. Wahrscheinlich fiel sie mir auch deshalb besonders auf, weil Albas nasse Haare am Kopf anhafteten und ihr Gesicht dadurch ganz offen lag. War sie mit dieser Nase zur Welt gekommen oder war da erst später etwas passiert? Ein Unfall? Oder hatte gar jemand zugeschlagen? Natürlich konnte es auch eine harmlosere Erklärung geben, vielleicht war die auffällige Nase das Ergebnis einer missglückten Korrektur? Jedenfalls stand sie ihr gut, verlieh ihrem sonst eher unscheinbaren Gesicht mit seinen schmalen Zügen und hellen Augen etwas Faszinierendes.

 

Endlich hörte sie auf zu weinen. Ich hatte die ganze Zeit geschwiegen, sah sie auch weiter nur an, und sie blieb ebenfalls stumm. Mein Knöchel schmerzte noch, was ich zu ignorieren versuchte, aber jetzt griff ich doch unter den Schreibtisch, um diskret die angeschwollene Fessel zu massieren. Alba hielt das Infoblatt, das ich ihr schon gegeben hatte, noch in der Hand, hatte aber bisher keinen Blick darauf geworfen. Dann hob sie mit einem Mal abrupt den Kopf und sagte leise: »Darf ist Sie etwas fragen?«

Ich nickte.

»Sie haben doch bestimmt von der Frau in Rot gehört?«

Ich nickte erneut, wurde schlagartig neugierig und vergaß meinen Vorsatz, mich nicht auf ein Gespräch mit ihr einzulassen. Stattdessen fragte ich mich gespannt, was nun kommen würde.

»Das ist meine Mutter.«

Im selben Moment wusste ich, woher ich ihren Namen kannte, und sofort war alles da, die ganze Geschichte. »Das tut mir sehr leid«, sagte ich, und es war keine Floskel. Als wäre es gestern gewesen, hatte ich die alten Schlagzeilen wieder vor Augen: Tote Frau am Po-Ufer gefunden hatte La Stampa in fetten Lettern getitelt und kurz darauf gefragt: Die Frau in Rot: grausam ermordet? Die Mutter des jungen Mädchens war...

Erscheint lt. Verlag 4.6.2024
Reihe/Serie Camilla di Salvo ermittelt
Camilla di Salvo ermittelt
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amateurdetektiv • Auto • Detektiv • Ermittlerin • Ermittlung • Fiat • Giulia Conti • Intrigen • Krimiautorin • Mord • Mord Regionalkrimi • Piemont • Polizeiarbeit • Privatdetektiv • Psychologin • Serienkrimi • Thriller • Turin • weibliche Ermittler
ISBN-10 3-455-01743-6 / 3455017436
ISBN-13 978-3-455-01743-4 / 9783455017434
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