Ein blitzsauberer Mord (eBook)
368 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30157-6 (ISBN)
Als Tilly Blich sich den Traum einer eigenen Reinigungsfirma erfüllt, ahnt sie noch nicht, welche Herausforderungen ihr bevorstehen. Die Räumlichkeiten von »Plitz & Blank« entpuppen sich als heruntergekommene Kaschemme im skurrilen Städtchen Untertannbach. Statt als Chefin zu delegieren, muss Tilly wieder selbst den Wischmopp schwingen und stößt bei ihrem ersten großen Auftrag prompt auf die Leiche des ortsansässigen Architekten. Leider hat sie zuvor bereits den Tatort in einen lupenreinen Zustand versetzt - und wird damit sofort zur Hauptverdächtigen des inkompetenten Kriminalhauptkommissars Stubs. Da hilft nur eins: selbst ermitteln. Bewaffnet mit Essigreiniger und unterstützt von Kommissarin Sarah Kraft, dem Abiturienten Leon und Kuchengöttin Gerdy kommt Tilly dem Mörder immer näher. Und gerät dabei selbst in größte Gefahr ...
Andreas Suchanek (*1982) verfasste bereits in Jugendjahren seine ersten Geschichten und Romane. Nach dem Studium der Informatik begann er damit, seine Geschichten hauptberuflich zu veröffentlichen. Seinen bisher größten Erfolg hatte Suchanek mit der Urban-Fantasy-Reihe »Das Erbe der Macht«, die mit dem Deutschen Phantastik Preis und dem LovelyBooks Leserpreis ausgezeichnet wurde. Er ist für seine gemeinen Twists bekannt.Mit Nica Stevens verbindet ihn eine enge jahrelange Freundschaft. Als Autorenduo Stevens & Suchanek schreiben sie rasante Thriller.
1. KAPITEL
Ein Tag zuvor
Tillys gute Laune hielt an, bis sie den Wagen vor ihrer neuen Firma parkte.
Der Weg hierher war ein einziger Freudentaumel gewesen. Zuerst hatte sie ihrem Chef in Köln die Putzhandschuhe auf den Tisch geknallt und danach die Kündigung. Nichts mehr mit Nachtschichten, flexiblen Einsätzen in sozialen Brennpunkt-Ämtern oder Gehaltskürzungen. Das jahrelange Sparen hatte sich gelohnt.
Vor wenigen Tagen hatte Tilly die Anzeige entdeckt.
Reinigungsfirma
in idyllischer Lage zu verkaufen.
Umfangreicher Kundenstamm und
engagierte Mitarbeiter inklusive.
Sie hatte kurz mit der Sekretärin telefoniert, die auch alle bisherigen Steuerunterlagen an sie geschickt hatte. Sah solide aus. Und weil Tilly es auf der einen Seite mit einem nervenden Ex und auf der anderen mit einem Chef, der sie zur Weißglut trieb, zu tun hatte, beschloss sie ihr gesamtes Erspartes in die neue Firma zu stecken. Ihre Firma.
Nach der Kündigung sprang sie in ihr Auto und düste, begleitet vom summenden Geräusch des Elektroantriebs, in Richtung Untertannberg. Eine Fahrt, die sie direkt ins Schwabenland führte.
Nun hielt sie vor der Fassade eines ziemlich heruntergekommenen Gebäudes, das nach außen wie ein Geschäft aus den Sechzigern aussah. Also eines, das in den Sechzigern geschlossen worden war. Auf der verdreckten Scheibe stand in großen Lettern Plitz & Blank.
Womöglich war es doch keine so gute Idee, ihrem alten Chef stolz die Bilder der eigenen Firma zu schicken.
Sie schluckte und stieg aus.
»Frau Blich?« Das Geräusch von Stöckelschuhen erklang. »Frau Tilly Blich?«
Vor ihr stand eine schlanke Dame in den frühen Fünfzigern. Sie trug einen eleganten Bleistiftrock, eine helle Bluse in modernem Schnitt, und die Haare waren eindeutig frisch gefärbt. Eine dezente Note Chanel No 5 umgab sie.
»Ich fürchte schon«, sagte Tilly stockend. »Und Sie sind dann wohl …«
»Pelz. Dorothea Pelz. Ich habe meinen Mädchennamen wieder angenommen.« Sie verzichtete darauf, Tillys ausgestreckte Hand zu ergreifen, als sei diese ein Bakterienherd, den Reinigungskräfte eben so mit sich herumtrugen. »Wir haben telefoniert.«
Erst jetzt realisierte Tilly, dass Frau Pelz eindeutig nicht die Sekretärin war. »Sind Sie die Vorbesitzerin?«
»Gott bewahre, nein.« Frau Pelz lachte in einer Mischung aus Unglauben und dezentem Entsetzen. »Ich und eine Reinigungsfirma, das ginge gar nicht. Am Ende müsste ich noch hier wohnen in dieser«, ein Räuspern folgte, »wunderschönen Stadt. Wollen wir uns Ihr neues Reich ansehen?«
Frau Pelz wartete nicht auf eine Antwort. Sie kramte einen rostigen Schlüssel heraus, friemelte ihn in das Schloss und drehte ihn herum. Mit einem Schritt nach vorn wollte sie die Tür aufschieben, die jedoch ruckelnd über den Boden schabte, was dafür sorgte, dass Frau Pelz dagegen stieß. Grimmig runzelte sie die Stirn und stemmte das Hindernis mit der Schulter auf. »War doch gar nicht so schwer.« Sie keuchte.
Tilly fühlte sich in einen Albtraum versetzt. Die hochmoderne Reinigungsfirma aus ihrer Vorstellung entpuppte sich als Drecksloch, das von innen noch schlimmer aussah als von außen. Eine dicke Staubschicht lag über einer Theke, die sich vorne durch den Raum zog. Fast wirkte es, als sei dies die ehemalige Redaktion einer Zeitung. Oder die Geschäftsräume einer sehr alten Bank. Es roch muffig. Der filzbelegte Boden war vermutlich tatsächlich ein Bakterienherd. Mit Mutationsgefahr.
»Schön«, krächzte Tilly.
»Man muss hier natürlich ein wenig saubermachen«, sagte Dorothea Pelz in verschwörerischem Ton. »Aber dafür sind Sie ja perfekt geeignet.«
Vorsichtig tapste Tilly weiter in den Raum. »Und die hochmodernen Reinigungsgeräte?«
Frau Pelz ging zu einer schmalen Tür und öffnete diese. Dahinter standen ein Rollwagen, Wischmopp und Zerstäuber. »Da gibt es ja nicht viele Innovationen, ist immer noch alles top in Schuss.«
»Sieht genauso aus, wie in meiner alten Firma«, sagte Tilly tonlos.
»Ach, das freut mich aber. Da fühlen Sie sich bestimmt direkt heimisch.«
Worauf sie lieber nichts erwiderte.
In der Mitte des Raumes standen zwei Schreibtische, die aneinandergestellt worden waren. Einer davon wirkte bedrohlich schief. Auf beiden ragten klobige Monitore hervor, am Boden daneben standen uralte Computergehäuse.
»Ich bin froh, dass ich das alles los bin«, sagte Frau Pelz.
»Ach, wirklich?«
»Aber ja. Mein Mann war Tim Plitz, müssen Sie wissen, deshalb das Wortspiel im Namen.«
»Dieser Einfallsreichtum ist schon … aber so richtig«, sagte Tilly.
»Nicht wahr? Zumindest das konnte er. Bis er abgehauen ist. Von einem Tag auf den anderen. Hat mich mit nur ein paar Zeilen sitzen lassen.« Das Gesicht von Frau Pelz verdüsterte sich, als hätten sich jäh Gewitterwolken vor ihr sonniges Gemüt geschoben. »Also habe ich einfach damit angefangen, alles zu verkaufen.« Die Gewitterwolken zogen weiter und machten einem triumphierenden Funkeln Platz. »Ihre neue Wohnung hat auch ihm gehört. Und der Wagen der Firma steht im Hinterhof. Alles inklusive, Sie müssen sich um nichts Sorgen machen.«
Wenigstens die Wohnung konnte nur besser werden.
Tilly sah im Dämmerlicht der hereinfallenden Sonne die Staubpartikel tanzen. Instinktiv fuhr sie mit dem Finger über die Tischplatte. Staub. Diese Räumlichkeiten waren ein wahrer Traum für jeden Reinlichkeitsfetischisten.
»Und die engagierten Mitarbeiter?«, fragte sie mit einem letzten Rest ersterbender Hoffnung.
»Leon!«, brüllte Frau Pelz so überraschend, dass Tilly zusammenzuckte.
Hinter einer der Türen rumorte es, die Klinke wurde heruntergedrückt. Ein Jugendlicher betrat den Raum. Das braune wuschelige Haar stand perfekt durchgestylt von seinem Kopf ab, die Augen funkelten frech. Er trug ein modisches Hemd, Jeans und Sneaker. Eindeutig alles neu, ein rundum gepflegtes Auftreten. Gehobenes Elternhaus also.
»Hi«, sagte er.
Ebenso eindeutig der für Jugendliche typische, gering ausgeprägte Wortschatz.
»Du solltest doch vor dem Eintreffen von Frau Blich sauber machen.« Die ehemalige Frau Plitz stemmte die Hände in die Hüften. »Du weißt, was dir blüht, wenn du hier nicht alles gibst.«
Leon machte eine ausladende Handbewegung. »Wie wär’s mit abreißen und neu aufbauen, das ginge schneller. Hier zu putzen ist doch sinnlos.«
»So, jetzt hast du es geschafft, das erzähle ich deinen Eltern.«
»Von mir aus.« Hände wurden trotzig in Hosentaschen geschoben.
»Sind dir Sozialstunden lieber?«, fragte Frau Pelz, sichtlich zufrieden, dass ihr diese Drohung eingefallen war.
»Da bin ich noch nicht sicher«, entgegnete Leon, nachdem er sich erneut umgesehen hatte.
»Also das ist doch …« Ex-Plitz wandte sich wieder Tilly zu. »Hören Sie gar nicht hin. Der Leon hat in seinem jugendlichen Leichtsinn das Auto des Vaters ein wenig …«
»Schrottreif gefahren«, bemerkte der junge Mann trocken.
»… ramponiert, wollte ich sagen. Deshalb haben wir abgesprochen, dass er Ihnen ab sofort als Mitarbeiter zur Verfügung steht, Frau Blich. Immer nach der Schule und in den Freistunden. Er ist neunzehn Jahre alt und damit volljährig.«
»Das nennt man auch erwachsen«, sagte Leon trocken.
»Vorlaut ist er manchmal, aber das ignorieren Sie irgendwann. Er ist jetzt hier und hilft. Quasi freiwillig. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
»Quasi freiwillig, um keine Sozialstunden machen zu müssen«, wiederholte Tilly ungläubig.
Frau Pelz tätschelte ihre Schulter. »Ich wusste, wir verstehen uns. Langsam müsste ich dann auch weiter. Das ist jetzt Ihr neues Reich. Oh, ich habe Ihnen noch ein Geschenk mitgebracht. Leon?«
»Steht hinten«, sagte er.
»Würdest du es netterweise holen?« Die »Bitte« kam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und erinnerte an das Zischen einer Schlange.
»Okay.« Er trottete davon.
Tilly schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass es sich um eine Flasche Sekt oder gleich Champagner handelte. Sie musste ihren Frust irgendwie dämpfen.
Leon kehrte zurück. In seiner Hand hielt er ein längliches Paket, das vom Boden bis zu seinen Schultern reichte. »Überraschung«, sagte er trocken.
»Ein Wischmopp.« Tilly blinzelte.
Frau Pelz quietschte geradezu vor Freude. »Jetzt haben Sie zwei.«
»Wirklich, zwei Ganze.«
»Ach, gibt es auch halbe?« Frau Pelz blinzelte verblüfft. »Auf jeden Fall haben Sie jetzt einen funkelnagelneuen für sich und einen für Leon. Viel Spaß damit.« Sie wandte sich der Tür zu.
Es hatte was von einer Flucht, die Tilly nur zu gerne selbst angetreten hätte. »Stopp! Was ist denn mit meiner Wohnung?«
»Der Ludwig trifft sie dort.« Frau Pelz linste auf ihre Uhr. »In einer Stunde. Er hat auch die Schlüssel. Und du zeigst Frau Blich bitte den Wagen, Leon. Ich muss zurück, die Fahrt nach Stuttgart dauert ein Weilchen. Mein Chauffeur wartet schon.«
Und weg war sie.
Stille setzte ein.
»Du bist also sozusagen ein Sträfling«, sagte Tilly.
»Jupp.« Leon nickte.
»Warum ging es denn mit dem Auto gegen die Wand?«, fragte sie. »Betrunken oder unfähig?«
Verdutzt starrte ihr neuer Mitarbeiter sie an. In seine Augen stahl sich ein amüsiertes Funkeln. »Weder noch. Ein Kumpel saß auf dem Beifahrersitz. Hat mich...
Erscheint lt. Verlag | 1.5.2024 |
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Reihe/Serie | Ein Fall für Tilly Blich | Ein Fall für Tilly Blich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2024 • Amateurdetektivin • besondere Ermittlerin • Cosy Crime • Cosy Krimi • David Safier • eBooks • Gisa Pauly • Heimatkrimi • Humor • Kleinstadt • Krimi • Krimi deutsche Autoren • Krimi humorvoll • krimi lustig • Kriminalromane • Krimis • lustig • lustige • Mario Giordano • Miss Merkel • Mord • Mrs Potts Mordclub • Neuerscheinung • Putzfrau • Richard Osman • Thorogood • Thriller • Twists • Wohlfühlkrimi |
ISBN-10 | 3-641-30157-2 / 3641301572 |
ISBN-13 | 978-3-641-30157-6 / 9783641301576 |
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