Der Kirschkuchenmord (eBook)
412 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7517-5596-2 (ISBN)
Dass es in Lake Eden wenig Privatsphäre gibt, ist Feinbäckerin Hannah Swensen wohlbekannt. Doch nie hätte sie für möglich gehalten, sich Ratschläge von allen Seiten anhören zu müssen, seit sie zwei Heiratsanträge gleichzeitig erhalten hat. Ein Glück, dass der Ort eines Tages zum Filmset einer Hollywood-Produktion wird: Die neue Sensation zieht sämtliche Bewohner in ihren magischen Bann, und Hannahs Café Cookie Jar wird als Snack-Station das Highlight der Crew. Als es vor laufender Kamera zu Spannungen kommt, beendet ein tödlicher Schuss die Szene. Der Schock sitzt allen noch in den Gliedern, während Hannah schon das richtige Rezept austüftelt, um einen raffinierten Täter zu stellen ...
<p><strong>Joanne Fluke </strong>lebt als freie Autorin in Kalifornien. Ihre Romane sind regelmäßig auf den ersten Plätzen der NEW YORK TIMES-Bestsellerliste zu finden.Die Leser:innen lieben die Geschichten der<strong>QUEEN OF CULINARY MYSTERY</strong>wegen ihrer lebensechten Figuren und der Wohlfühlatmosphäre rund um Hannah Swensens Café in der fiktiven Kleinstadt Lake Eden.</p>
1
Zwei Wochen zuvor
Hannah Swensen gab sich alle Mühe, ihren schlafenden Verstand zu überzeugen, dass das hartnäckige elektronische Piepen zum Soundtrack ihres Traumes gehörte. Ein riesiger Sattelschlepper fuhr rückwärts an die Tür ihrer Backstube heran, um den Berg von Schokoladentropfen auszuliefern, den sie bestellt hatte. Denn sie würde einen Berg von Schoko-Cookies backen, alle für ihren größten Fan, Porky Pig, der mit der Hilfe eines Stimmtrainers endlich sein Stottern überwunden hatte und gerade den Eid auf die Verfassung schwor, als neuer Präsident der Vereinigten Staaten …
Der Traum entschwebte wie die Schleier der Salome, und Hannah knipste stöhnend die Nachttischlampe an. Das konnte sie nur geträumt haben, weil sie bis zwei Uhr früh Zeichentrickfilme geguckt und dabei zwei Schalen Schokoladeneis und eine ganze Tüte Mikrowellenpopcorn vertilgt hatte. Sie schaltete den Wecker aus, warf sofort die Bettdecke zurück und setzte sich auf, um den Drang, sich wieder einzukuscheln, im Keim zu ersticken.
»Komm, Moishe.« Sie stupste den orange-weißen Kater an, der am Fußende ihres Bettes lag. »Tagesanbruch in den Sümpfen, Morgengrauen in der Wüste, Sonnenaufgang in Lake Eden.«
Moishes gelbe Augen wurden sichtbar. Er schaute zum Fenster und in die Dunkelheit dahinter, dann drehte er den Kopf, um sie vorwurfsvoll anzustarren. Die meisten Leute glaubten nicht, dass Katzen die Menschensprache verstanden, aber Hannah war nicht wie die meisten Leute. Vor allem nicht, da Moishe nicht wie die meisten Katzen war. »Entschuldige.« Sein unverwandter Blick bewog sie zu einem Rückzieher. »Eigentlich geht die Sonne bei uns noch nicht auf, aber bald wird sie das tun, und ich muss aufstehen und zur Arbeit fahren.«
Moishe schien ihre Erklärung zu akzeptieren. Er gähnte herzhaft und gab dabei ein kurzes Fiepen von sich, das Hannah liebenswert fand. Dann streckte er sich.
Sie wurde es nie leid, ihrem vormals obdachlosen Kater bei der Morgengymnastik zuzusehen. Er rollte sich auf den Rücken und schaute an die Zimmerdecke. Das rechte Vorderbein streckte er zur Decke und nach kurzer Pause auch das linke, drückte sodann die Hinterpfoten gegen das Fußbrett des Bettes und streckte sich zu einem breiten Ypsilon aus. Sobald sein ganzer Körper straff gedehnt war, begann er zu zittern wie ein Wackelpudding.
Das Katzenzittern hielt mehrere Sekunden lang an, und schließlich drehte er sich auf den Bauch. Diese Haltung nannte Hannah den »Pfannkuchen«, denn dabei war er so flach, wie eine Katze nur sein konnte, die nicht unter eine Dampfwalze geraten war. Alle vier Beine waren bis zum Äußersten gestreckt und Moishes Kinn parallel zu dem abgenutzten Flor der Chenille-Decke, die sie im Lake Edener Secondhandladen gekauft hatte.
Der nächste Teil der Übung war ihr liebster. Moishes Hinterbeine bewegten sich nach vorn, zuerst das linke, dann das rechte, als wollte er einen Riesenschritt machen. Das tat er, bis sein Hinterteil so weit in die Höhe ragte, dass er wie ein Katzentipi aussah. Sobald der Scheitelpunkt erreicht war, seufzte er, schüttelte sich ein bisschen, bewegte die Ohren parallel nach vorn und hinten und sprang mit einem großen Satz auf den Boden, um Hannah in den Flur zu folgen.
»Warte.« Sie zog sich die schaffellgefütterten Mokassins an und hüpfte dabei von einem Fuß auf den anderen. »Du weißt, du kannst den Trockenfutterbehälter nicht selbst öffnen.«
Nach dem kurzen Gang durch den Flur, bei dem Moishe in einem fort an den Zugbändern ihrer Hausschuhe reißen wollte und sie seinen Pfoten auswich, gelangte sie in die Küche. Sie schaltete die Deckenlampen ein und kniff die Augen zusammen, weil das Weiß der Wände für ihre schläfrigen Augen noch zu grell war. Vielleicht war es Zeit, die Wände in einer dunkleren Farbe zu streichen, Schwarz zum Beispiel. Vor allem wenn sie weiterhin nur drei Stunden Schlaf bekam.
Wie viele Nächte zuvor hatte sie auch diese im Wohnzimmer zugebracht, ausgestreckt auf dem Sofa mit einem dreiundzwanzig Pfund schweren Kater auf ihrer Brust, und hatte beim Fernsehen mit einer Entscheidung gerungen, bei der selbst der weise Salomo aufgeschmissen gewesen wäre.
Ein indigniertes »Miau« holte sie zu ihrer unmittelbaren Aufgabe zurück. Sie öffnete den Besenschrank und hob den Behälter heraus, einen runden grauen Eimer mit einem Schraubdeckel, an dem laut Hersteller selbst das hartnäckigste Haustier scheiterte. Hannah hatte ihn im Einkaufscenter erstanden, nachdem Moishe alle bisherigen Sperren überwunden und sich selbst an seinem Futter bedient hatte.
Nicht, dass sie ihm das Futter missgönnte. Vielmehr war das anschließende Fegen und Putzen für sie nicht machbar. Aber nun würde sie nie wieder Futterpellets aufkehren und in den Mülleimer werfen, denn der Verkäufer in der Zoohandlung hatte ihr versichert, dass kein lebendes Wesen ohne opponierbare Daumen den Schraubverschluss aufdrehen könne. Er sei außerdem aus einem Kunstharz gefertigt, dem Zähne und Krallen nichts anhaben könnten und der auch einen Sturz vom Küchenschrank überstünde. Der Behälter sei an einem Tiger im Zoo von Minnesota getestet worden und habe die Prüfung mit Bravour bestanden.
Hannah war völlig klar, dass Moishe physisch nicht fähig war, den Deckel abzuschrauben, trotzdem öffnete sie den Behälter immer so, dass ihr Kater es nicht sah. Es wäre unklug, Moishe zu unterschätzen, der erwiesenermaßen viel findiger war als seine Artgenossen.
»Da hast du«, sagte sie, als sie eine große Portion in seinen Napf schaufelte. »Friss das auf, dann bekommst du mehr.«
Während ihr Mitbewohner vor sich hin knusperte, goss sie sich eine Tasse dampfenden Kaffee ein und sandte ein stilles Danke an den Erfinder der Zeitschaltuhr, die sie an die Maschine angeschlossen hatte. Sie trank einen sengend heißen Schluck und holte sich einen Würfel gefrorenen Kaffee aus dem Tiefkühlfach. Ein gewöhnlicher Eiswürfel würde ihren Kaffee verwässern, und deshalb hielt sie einen Eiswürfelbehälter voll gefrorenem Kaffee im Vorrat. Morgens brauchte sie ihren Wachmacher sehr stark.
Nach einigen großen Schlucken näherte sie sich dem Wachzustand. Also war es Zeit, zu duschen und sich anzuziehen. Das Verlangen nach der zweiten Tasse würde sie zur Eile antreiben, und sie war gerade wach genug, um nicht unter dem heißen Wasserstrahl einzudösen und krebsrot aus der Duschkabine zu kommen.
Ihre roten Locken waren noch handtuchfeucht, als sie elf Minuten später in die Küche zurückkehrte. Sie trug Jeans und das dunkelgrüne Sweatshirt mit gelbem Schriftzug: Schokolade ist Gemüse! Sie wird aus Bohnen gemacht. Sie goss sich gerade die Tasse voll, als das Telefon klingelte.
Sie griff nach dem roten Telefon, das über dem Küchentisch an der Wand hing, hielt aber mitten in der Bewegung inne. »Was, wenn es Mike ist? Oder Norman?«
Moishe fauchte beim zweiten Läuten und miaute dann.
»Du hast recht. Was, wenn sie mir noch einmal beide einen Antrag machen? Und von mir erwarten, dass ich mich zwischen ihnen entscheide? Ich bin dreißig, habe ein eigenes Unternehmen und bin eine vernünftige, erwachsene Frau. Niemand wird mich zu einer Entscheidung drängen, die ich später bereuen könnte … auch nicht meine Mutter.«
Beim letzten Wort legte Moishe die Ohren an und machte einen Buckel wie ein Halloween-Kater. Er konnte Delores Swensen nicht ausstehen. Eine Schublade voll zerrissener Strumpfhosen ihrer Mutter bewies das.
»Keine Sorge, falls sie es ist: Du musst nicht mit ihr sprechen.«
Mit einem tiefen Atemzug nahm sie den Hörer ab und setzte sich. Wenn der Anrufer ihre Mutter war, würde das Gespräch eine Weile dauern, und dabei würden unverblümte Bemerkungen zu ihrem unverheirateten Zustand fallen. Wenn das ihre jüngere Schwester Andrea war, würde es um ihre Nichten Tracey und Bethany gehen und auch einige Minuten in Anspruch nehmen. Wenn es Michelle war, ihre jüngste Schwester, würden sie über das Leben am Macalester College plaudern, und auch das würde die Zeit vor der Arbeit verkürzen.
»Hallo?«, sagte Hannah zur Begrüßung und hoffte inständig, dass es nicht einer der beiden Männer in ihrem Leben war.
»Wieso hat das so lange gedauert? Ich hätte fast wieder aufgelegt. Aber ich wusste, du kannst nicht so früh schon weg sein.«
Der Anrufer war ein Mann, aber keiner der gefürchteten. Sie seufzte erleichtert. Es war ihr Schwager Bill, der einzige andere Frühaufsteher in der Familie. »Hallo, Bill. Noch zu Hause oder schon bei der Arbeit?«
»Ich bin auf dem Revier, und wir haben ein Problem.«
Hannah sah zur Uhr. Es war erst Viertel nach fünf. Bill hatte geregelte Arbeitszeiten, seit er der Sheriff des Winnetka County war. Er war nie vor acht im Büro, außer es gab einen Notfall. »Kann ich irgendwie helfen?«
»Und ob du das kannst. Du bist sogar die Einzige, die den Schlamassel in Ordnung bringen kann!«
»Welchen Schlamassel?« Vor ihrem inneren Auge sah sie ausgeraubte Häuser, gestohlene Autos, verwüstete öffentliche Einrichtungen und Mordopfer, die sich bereits stapelten. Doch wenn das Verbrechen in Lake Eden sprunghaft angestiegen wäre, hätte sie längst davon gehört. Und wieso sollte sie überhaupt als Einzige fähig sein, das Problem zu beheben?
»Den mit Mike. Du hast ihm wirklich übel mitgespielt, Hannah. Eben war er noch supergut drauf und erzählte jedem, du würdest dich für ihn entscheiden, und plötzlich ist er völlig down, weil du ihm garantiert den Laufpass gibst und Norman heiratest.«
Sie überlegte fieberhaft, was sie darauf sagen...
Erscheint lt. Verlag | 27.9.2024 |
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Reihe/Serie | Hannah-Swensen-Krimi | Hannah-Swensen-Krimi |
Übersetzer | Angela Koonen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Amateurermittlerin • Backen • Bäckerin • Backfee • Backrezept • Café • Casting • Cookies • Cosy Crime • Cozy Crime • Film • Hobbyermittlerin • Kriminalroman • Krimis • Kuchen • Kulinarik • Liebe • Minnesota • Rezept • Solidarität • Wohlfühlkrimi |
ISBN-10 | 3-7517-5596-9 / 3751755969 |
ISBN-13 | 978-3-7517-5596-2 / 9783751755962 |
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