Bitteres Ende (eBook)
368 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491798-6 (ISBN)
Eva Ehley studierte Literaturwissenschaften und Mathematik und arbeitete als Lehrerin. In ihren Texten erzählt sie allerdings von Dingen, über die man in der Schule nichts lernt. Hier werden Neurotiker leicht zu Mördern, während Egoisten unter Umständen ein Helfersyndrom entwickeln. Eva Ehleys Sylt-Krimis sind klassische Whodunnits mit Tendenz zum Psychothriller. Und sie sind nicht nur an der Nordsee Kult. Ehleys Texte wurden vielfach preisgekrönt u.a. mit dem Agatha-Christie-Krimipreis. Die Autorin lebt in Berlin. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
Eva Ehley studierte Literaturwissenschaften und Mathematik und arbeitete als Lehrerin. In ihren Texten erzählt sie allerdings von Dingen, über die man in der Schule nichts lernt. Hier werden Neurotiker leicht zu Mördern, während Egoisten unter Umständen ein Helfersyndrom entwickeln. Eva Ehleys Sylt-Krimis sind klassische Whodunnits mit Tendenz zum Psychothriller. Und sie sind nicht nur an der Nordsee Kult. Ehleys Texte wurden vielfach preisgekrönt u.a. mit dem Agatha-Christie-Krimipreis. Die Autorin lebt in Berlin. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
[...] eine richtig gute Mischung aus spannendem Krimi, viel Sylt-Flair und einem unterhaltsamen Blick hinter die Kulissen des Literatur-Betriebs.
Eine Krimi-Empfehlung
[...] liest sich gut weg, ist spannend und unterhaltsam.
Samstag, 27. September, 18.00 Uhr, Vogelkoje, Kampen
Als Sven Winterberg die wenigen Treppenstufen zu dem Deich hinaufsteigt, der am östlichen Ende der Vogelkoje die Insel vom Wattenmeer trennt, klingt Glockenläuten durch die Luft. Kurz ist der Kommissar irritiert, doch dann erblickt er jenseits des Wattenmeers im Dunst die Silhouette der Keitumer Severinskirche. Es sind ihre Achtzehn-Uhr-Glocken, die durch die Stille hallen. Und wenige Momente später scheint es dem Kommissar, als lieferten die Glocken nicht zufällig die Hintergrundmusik zu dem schaurigen Bild, das sich ihm bietet.
Der Mann liegt lang ausgestreckt auf der Bank, sein Kopf zeigt zur Lister Seite, die Füße ragen in Richtung Kampen über die Kante hinaus. Zwischen den Holzplanken ist Blut auf den Boden gesickert. Viel Blut. Das Opfer ist blutüberströmt, der Hals, der Unterleib, der Brustkorb, sogar die Hüfte und eine Hand sind durch die Messerstiche verletzt. Das Schlimmste ist aber die rechte Augenhöhle, in der ebenfalls ein Messer steckt. Die Brutalität der grässlichen Wunden steht in krassem Gegensatz zu der überaus sorgfältigen Kleidung.
Anzug und Weste sind grau mit einem feinen Nadelstreifen, das Button-down-Hemd hat ein lila Karo, dessen Farbe sowohl in dem seidenen Einstecktuch als auch in den Socken wiederkehrt. Die sehr edel aussehenden Schnürschuhe sind aus sandfarbenem Leder. Die Schuhe und die unteren Hosenbeine sind nass, als sei der Mann kürzlich durch Wasser gewatet. Das Gesicht des Toten scheint merkwürdig friedlich, dabei muss er doch eigentlich mit Entsetzen auf die Messerstiche reagiert haben, überlegt Sven. Und während das Keitumer Glockengeläut immer noch übers Watt hallt, beugt sich der Kommissar vorsichtig zu dem noch warmen Körper hinunter, um sich die Stichwunden und die Messer, die sie verursacht haben, näher anzusehen.
»Wenn ich mich nicht ganz täusche, sind das Küchenmesser.« Als Sven Bastians Stimme sehr dicht an seinem Ohr wahrnimmt, zuckt er zusammen. Er war so konzentriert auf den Anblick des Toten, dass er die Schritte des Kollegen überhört haben muss. »Die Griffe haben alle die gleiche Form, dieser handschmeichlerische, aus einem Stück gegossene Edelstahl, der direkt in die Schneiden übergeht.«
»Und die Messer sind unterschiedlich groß, das spricht auch für ein Set«, gibt Sven zurück.
Bastian, der dicht neben ihm steht, deutet auf die Brust des Toten. »Guck mal hier, das Teil sieht eindeutig nach einem richtig fetten Sushimesser aus. Und das da unten«, er zeigt auf die linke Hüfte des Toten, in der ein sehr viel kleineres Messer steckt, »ist wahrscheinlich ein Spick- oder ein Garniermesser.«
»Woher weißt du das alles?«, erkundigt sich Sven irritiert. »Guckst du etwa Kochsendungen?«
»Wo denkst du hin. Höchstens mal in einer Werbepause. Oder wenn Silja darauf besteht«, antwortet Bastian entrüstet.
Sven unterdrückt ein Lächeln. »Ich gucke Kochsendungen. Sogar ziemlich gern. Das entspannt mich irgendwie. Anja erklärt natürlich, dass sei typisch für einen Mann, der selten kocht.«
Eine tiefe Stimme in ihrem Rücken reißt die beiden Kommissare aus ihrem Dialog. »Ist doch immer wieder interessant, worüber sich Ermittler an Tatorten so unterhalten. Ich habe ja schon viel erlebt, aber die Nummer mit den Kochsendungen ist selbst für mich neu.«
»Ach, hallo, Dr. Bernstein!« Bastian fängt sich als Erster. »Sie sind aber schnell gewesen.«
»Soll ich wieder gehen, damit Sie beide in Ruhe weiter fachsimpeln können?«
Sven bringt ein trockenes Lachen heraus und wendet sich zu dem Rechtsmediziner um. Bernstein trägt wie üblich eine abgewetzte Cordhose und ein Paar seiner geliebten Halbschuhe mit den dicken Kreppsohlen, die vermutlich dafür gesorgt haben, dass beide Kommissare seine Schritte überhört haben. In versöhnlichem Tonfall sagt Sven: »Sie wissen doch, wie das ist. Je grauslicher die Tat, desto schwärzer der Humor.«
»Ich persönlich kann Kochsendungen nicht besonders schwarzhumorig finden«, murmelt Bernstein verstimmt und beugt sich über den Toten.
Eine ganze Weile lang sagt niemand ein Wort. Sven weiß genau, wie sehr der Rechtsmediziner es hasst, wenn man ihm irgendwelche Befunde entlocken will, bevor er selbst so weit ist, sich zu äußern. Und auch Bastian hält sich an die Regeln. Es ist völlig still am Watt, die Kirchturmglocken sind verklungen, nur gelegentliche Schreie der Wasservögel sind zu hören.
Der Rechtsmediziner inspiziert zunächst die Hände des Toten. Besondere Aufmerksamkeit widmet er den wohlmanikürten Fingernägeln. »Gewehrt hat der sich schon mal nicht«, murmelt er und geht anschließend seufzend in die Knie, während er sich mit einer Hand das Kreuz hält. Dann lässt er sich auf alle viere hinab und mustert die Blutlachen unterhalb der Bank aufmerksam. Stöhnend richtet Bernstein sich schließlich wieder auf.
»Dachte ich mir’s doch«, erklärt er befriedigt, um anschließend zu verstummen. Auffordernd blickt er die Kommissare an.
»Und was genau dachten Sie sich?«, erkundigt sich Sven folgsam.
»Der Fundort ist auch der Tatort. Und auch die Reihenfolge der Stiche ist eindeutig. Genau wie ich erwartet habe.«
»Das müssen Sie erklären.« Bastians Stimme ist deutlich ungeduldiger als die seines Kollegen.
»Zuerst wurde in den Hals gestochen«, sagt der Rechtsmediziner mit Missbilligung in der Stimme. »Das sehen Sie schon an der riesigen Blutlache da unten.«
»Okay, ist ja auch logisch, dass ich zuerst eine lebenswichtige Stelle wähle, wenn ich jemanden umbringen will«, antwortet Bastian mürrisch.
»Nicht so schnell«, weist ihn Bernstein zurecht. »Denn schauen Sie mal die Brustwunde an. Die ist keinesfalls als Nächstes dran gewesen. Da hat das Opfer schon viel weniger geblutet. Es muss also Zeit zwischendurch vergangen sein, in der einiges an Blut aus der Halswunde austreten konnte. Vermutlich wurde als Zweites die Hand durchbohrt.«
»Warum die Hand? Es könnte doch auch der Unterleib oder die Hüfte gewesen sein«, wendet Bastian verwundert ein. »Da gibt es auch nicht besonders viel Blut.«
»Meinen Sie das ernst? Die Reihenfolge liegt doch auf der Hand, um auch mal einen dummen Witz zu machen.«
Sven, der spürt, dass die Stimmung kurz vorm Kippen ist, will verhindern, dass Bernstein gar nichts mehr sagt. Also wagt er eine Hypothese. »Vielleicht wurde die Hand gewählt, damit sich das Opfer nicht mehr wehren konnte.«
»Hat es sowieso nicht getan, aus welchen Gründen auch immer. Habe ich das nicht gerade schon erwähnt?« Bernsteins Blick ist abschätzig, sein Schulterzucken drückt deutliche Herablassung aus.
Sven kann sehen, dass Bastian kurz davor ist, die Geduld zu verlieren. Schnell sagt er: »Wir kommen nicht drauf, also erklären Sie es uns doch bitte.«
»Gern.« Bernsteins Blick ist unverhohlen triumphierend. »Augenscheinlich haben wir es hier mit einem bestens alphabetisierten Mörder zu tun.«
»Hä?« Bastian schüttelt ungeduldig den Kopf. »Ich verstehe nur Bahnhof.«
»Das ist doch wohl offensichtlich«, lässt sich Bernstein endlich zu einer Erläuterung herab. »Unser Mörder hat nicht willkürlich irgendwohin gestochen. Im Gegenteil. Er scheint ein Buchstabenfetischist zu sein. Und das H hat es ihm offenbar besonders angetan.«
»Hals, Hand und Hüfte, okay«, überlegt Sven. »Aber was ist mit dem Auge, der Brust und dem, nun ja, dem Penis.« Der Kommissar deutet auf die grässlichste aller Einstichstellen genau zwischen den Beinen des Toten.
»Seien Sie doch nicht so phantasiearm«, tadelt ihn Bernstein prompt. »Wenn Sie Auge, Brust und Penis durch Hirn, Herz und Hoden ersetzen, dann haben Sie die komplette Botschaft.«
Es folgt ein längeres Schweigen, in dem die Kommissare das Gesagte erst einmal verdauen müssen. Schließlich ergreift Bastian noch einmal das Wort. »Okay, ein H-Fetischist. Warum auch nicht? Ist mal was anderes. Aber weshalb leiten Sie daraus eine Reihenfolge der Einstichstellen ab?«
»Ganz einfach. Unser Mörder tötet komplett nach dem Alphabet. Erst sticht er in den Hals, das sehen wir an der ausgedehnten Blutung. Dann in die Hand, währenddessen blutet es aus dem Hals fröhlich weiter. Und als der Mörder danach ins Herz sticht, ist der Druck schon um einiges abgefallen.« Bernstein deutet auf den Boden unterhalb des Brustkorbes des Toten. »Hier ist deutlich weniger Blut zu sehen, als man eigentlich erwarten dürfte.«
»Er könnte auch als Zweites in die Hüfte gestochen haben. Oder in den Unterleib«, wirft Bastian ein.
»Wohl kaum. Erst als Viertes folgt das Hirn, das man durchs Auge ganz gut erreichen kann, wenn man halb schräg nach oben zielt. Danach der Hoden und schließlich die Hüfte.«
»Warum sind Sie sich da so sicher?«
Bernstein verdreht die Augen, als habe er zwei besonders begriffsstutzige Exemplare der Gattung Kriminalkommissar vor sich, und antwortet mit nur mühsam unterdrückter Ungeduld. »Auch die zweiten Buchstaben der Worte sind nach dem Alphabet geordnet. Im Lexikon der Körperteile würden Sie das alles fein säuberlich hintereinander aufgeführt finden, meinen Sie nicht?«
Bastian denkt kurz nach. »Doch, schon«, muss er dann zugeben.
»Kann es sein, dass sich so etwas wie eine Botschaft in den Buchstaben versteckt?«, fragt Sven.
»Finden Sie es raus«, ist die wenig hilfreiche Antwort des Rechtsmediziners.
»Zunächst sollten wir herausfinden, um wen es sich überhaupt handelt. Gekleidet ist er schon mal nicht wie ein durchschnittlicher Badegast. Ich kann nur hoffen, dass wir hier nicht irgendeinen Promi vor...
Erscheint lt. Verlag | 27.3.2024 |
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Reihe/Serie | Winterberg, Blanck und Kreuzer ermitteln | Winterberg, Blanck und Kreuzer ermitteln |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Agatha Christie • Bastian Kreuzer • Buch für den Urlaub • Ferienlektüre • Inselkrimi • Küstenkrimi • Mord im Orientexpress • Ostern • Regio-Krimi • Silja Blanck • Strandlektüre • Sven Winterberg • Sylt-Thriller • Vogelkoje Kampen |
ISBN-10 | 3-10-491798-1 / 3104917981 |
ISBN-13 | 978-3-10-491798-6 / 9783104917986 |
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Größe: 5,2 MB
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