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Bis aufs Blut -  Eli Cranor

Bis aufs Blut (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
Atrium Verlag AG Zürich
978-3-03792-229-3 (ISBN)
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»Ein Schmelztiegel voll schlechter Entscheidungen und schrecklicher Folgen.« The New York Times Book Review In einem Trailer Park irgendwo in den Ozarks wächst Billy Lowe mit einer drogenabhängigen Mutter und einem gewalttätigen Stiefvater auf. Seine Wut und seinen Schmerz trägt Billy auf das Football Feld, wo sie ihn zu einem sehr guten, aber unberechenbaren Spieler machen. Schon bald verliert Billy beim Training die Kontrolle. Als dann auch noch sein Stiefvater tot aufgefunden wird, nimmt eine unaufhaltsame Verkettung von Ereignissen ihren Anfang, die geprägt ist von Gewalt, Vorurteilen und Hoffnungslosigkeit.

Eli Cranor ist Autor und Kolumnist. Bevor er zum Schreiben kam, war er Footballspieler in der Profi-Liga und später Trainer eines Highschool-Teams. Sein erstes Buch Bis aufs Blut gewann den Edgar Award als bestes Debüt. Ozark Dogs ist sein zweiter Roman. Beide Bücher wurden von der Kritik sehr gefeiert. Cranor lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Arkansas.

Eli Cranor ist Autor und Kolumnist. Bevor er zum Schreiben kam, war er Footballspieler in der Profi-Liga und später Trainer eines Highschool-Teams. Sein erstes Buch Bis aufs Blut gewann den Edgar Award als bestes Debüt. Ozark Dogs ist sein zweiter Roman. Beide Bücher wurden von der Kritik sehr gefeiert. Cranor lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Arkansas.

1


Kann immer noch fühlen, wie es in meinem Nacken brennt. Als Coach mich heute Morgen abgeholt hat, hab ich gesagt, ich hab mir beim Training was aufgeschürft, stimmt aber nicht. War ’ne Zigarette, besser gesagt: So sieht das aus, wenn dir einer ’ne brennende Kippe im Nacken ausdrückt. Hab Ihn nur angeguckt, als Er das gemacht hat. Sollte nicht mitkriegen, wie das wehtut. Nee, nee. Hab mir ein Loch in die Wange gebissen, das Blut runtergeschluckt und Ihn einfach nur angeguckt. Hab den ganzen Tag Blut geschmeckt.

Im Unterricht bei Ms. Miller hab ich Blut geschmeckt. Bin in Mathe aufgewacht und hab Blut geschmeckt. Beim Lunch hab ich meine Milch getrunken und immer noch Blut geschmeckt. Aber jetzt ist achte Stunde, Football. Coach hat die Jungs schon links und rechts von der 50-Yard-Linie aufgestellt, ein Kreis dazwischen, Platz zum Losrennen und Tackeln, Platz für Schmerz.

Das find ich beim Training am besten.

Ich steh hier hinten und guck den anderen Jungs zu. Die Polster knallen aneinander, klingt wie Bleche, die im Sturm flattern.

»Wer will als Nächster?«, brüllt Bull. Bull ist nicht der Chefcoach. Bull trainiert die Defense. Der ist echt ein harter Knochen.

Ich steck mir die Zunge ins Loch in der Wange, fühl nach der Stelle im Nacken und geh in den Kreis. Coach gibt mir den Ball und grinst. Der weiß genau, wie stark ich bin. Bin ja auch in der Zwölften. Die haben mir diesen Zehntklässler als Linebacker vor die Nase gestellt. Der mit dem reichen Daddy, der immer alles zahlt.

Coach pfeift an.

Seh Ihn vor mir, wie Er grinst, als Er mir die brennende Kippe in den Nacken drückt, wie Er grinst, als Er den Kleinen draußen in den Zwinger steckt. Halte den Ball ganz fest, ducke mich und renn auf den Zehntklässler zu, den mach ich jetzt fertig.

Seh Blitze, als wir gegeneinanderknallen, es donnert auf dem Feld. Der Linebacker landet Hinterkopf voran auf dem Boden, die Arme ausgestreckt wie Jesus am Kreuz. Mach ’nen großen Schritt und renn über ihn rüber.

Die anderen Jungs jubeln.

Coach pfeift, und schon steht der Linebacker wieder auf, als wär nichts gewesen, als wär ich das nicht gewesen. Schüttelt den Kopf, lacht und steht einfach wieder auf. Hat der keinen Respekt?

Hat der keinen Respekt vor mir?

Noch mal das Ganze. Ramm ihn diesmal frontal mit dem Helm. Duck mich tiefer, Kopf auf Kopf. Es kracht – kein Donner, kein Blitz und kein verdammtes Blech. So klingt das, wenn mein Herz zerreißt, wenn die Gewalt rauskommt.

Coach pfeift, wie wenn gerade einer ertrinkt. Der Zehntklässler schreit, weil der keine Ahnung hat, was gerade passiert. Der Typ ist ein Poser. Hat keine Ahnung, was Schmerz ist. Hat keine Ahnung von nichts. Wette, seine Momma hat dem heute Morgen Milch und Kekse hingestellt. Ich will dem in die Wange beißen, aber da ist das Gesichtsgitter, der Mundschutz. Seh nur rot, dann schwarz – eine Kippe, ein Hundezwinger.

 

Nach dem Training sitz ich vorm Büro vom Schulleiter, und Coach ruft mich rein. Der Schulleiter ist ein Riesentyp, aber weich an Stellen, wo er früher hart war. Sieht aus wie ein Footballcoach, schwarzer Schnauzer und so. Coach nicht, der kommt aus Kalifornien, und so sieht er auch aus. Glattes Haar mit Scheitel. Und dünn. Viel zu dünn.

»Bill«, sagt Coach. »Was war das da draußen?«

Bill hieß mein Vater. Keiner nennt mich Bill, außer Coach und mein Bruder Ricky.

»Ist dir klar, in was für einer Scheiße du steckst?«, sagt der Schulleiter. Der flucht extra, damit ich mich wie zu Hause fühl. »Der Junge, den du ausgeknockt hast? Sein Vater will die ganze Schule verklagen.«

Ich spür, wie sich mein Kiefer anspannt, wenn das ginge, würd ich die Zähne so doll zusammenbeißen, dass ich mir ins Zahnfleisch beiß.

»Du hörst schon, dass wir mit dir reden, Junge?«, sagt der Schulleiter.

Ich heb eine Augenbraue, ganz langsam.

»Mein Gott noch mal«, sagt der Schulleiter. »Weißt du, was ich eigentlich tun müsste? Eigentlich müsste ich jetzt Sheriff Timmons anrufen. Wie findest du das? Dich festnehmen lassen wegen Körperverletzung.«

Ich nicke. Merke gleich, wenn einer Bullshit labert.

Dann sagt Coach: »Aber das wird er nicht tun.«

Der Schulleiter grunzt.

»Hör zu, Bill«, sagt Coach. »Ich werde dich beim Spiel morgen Abend auf die Bank setzen. Schulleiter Bradshaw hält das für das Beste. Okay?«

Ich hör, was Coach sagt, aber die Wörter wollen nicht in meinen Kopf. In meinen Ohren pfeift es. Die Stelle in meinem Nacken brennt.

»Dann rufen Sie lieber die Bullen«, sag ich.

Der Schulleiter lacht. Coach nicht.

»Wir haben uns bereits für die Play-offs qualifiziert«, sagt Coach. »Nächste Woche stehst du wieder auf dem Platz, und dann nehmen wir das eigentliche Ziel ins Visier – die State Championship.«

»Und die Senior Night?«, sag ich.

Coach atmet tief durch die Nase ein. Er hat keine Ahnung, was das für meine Momma bedeutet, wenn sie bei der Senior Night über das Feld laufen darf. Für mich auch. Wenn sie meinen Namen rufen und den von meiner Momma und alle in Denton die Kuhglocken läuten, aufstehen und jubeln. Kann sich meine Momma gar nicht vorstellen. Und jetzt wollen die mir und meiner Momma das wegnehmen?

Coach guckt den Schulleiter an, aber der guckt schon woanders hin, auf seinen Computer. »Bill«, sagt Coach, »ich finde das nur fair. Mehr kann ich nicht für dich tun.«

Ich nicke und warte darauf, dass der Schulleiter was sagt oder wenigstens vom Computer hochguckt, damit er merkt, was er mir gerade weggenommen hat, tut er aber nicht. Was auch immer da auf dem Bildschirm ist, ist wichtiger als Billy Lowe. Bevor er sich noch mal umdrehen kann, bin ich aus der Tür, renne los, mit Blut im Mund.

 

»Nee, oder?«, sagt Momma.

Der Kleine baumelt an ihrem Arm wie ein Affe. Winzige Finger, weiß an den Knöcheln, klammern sich an ihrem Hemd fest, als ob er weiß, wie es sich anfühlt, fallen gelassen zu werden. Und da wundert sich Coach, warum mich nie einer austrickst?

»Senior Night? Und Coach Powers setzt dich auf die Bank? Warum, Billy? Was hast du angestellt?«

»Nichts.«

»Lüg mich nicht an.«

»Ganz normales Training. Bin in einen reingeknallt, richtig heftig. Zweimal hintereinander.«

»Beim Footballtraining?«

»Klar.«

»Kann ja wohl nicht angehen«, sagt Momma.

Dann kommt Er rein. Stinkt nach Bierschweiß und Hintern.

Momma hat das Handy am Ohr.

»Wen ruft sie an?«, sagt Er zu mir.

Ich starr Ihn nur an. Sage nichts.

»Junge.«

»Den Coach.«

Er will nach dem Handy greifen. Momma wendet sich mit einem Ruck ab. Der Kleine hält sich fest.

»Ich ruf den Coach an«, sagt Momma. »Hat Billy aus dem Team geworfen.«

»Er hat mich nicht rausgeworfen. Nur …«

»Nee, komm«, sagt Er, packt Momma am Hemd, will ihr das Handy wegnehmen. »Lass die Scheiße.«

»Ja, hallo? Coach Powers?« Momma redet, aber das ist nicht ihre Stimme. Das ist die Stimme, die sie benutzt, wenn sie mit den Wasserwerken, der Highschool, den Lehrern und dem Coach redet. Klingt ganz vornehm und langsam. Klingt gar nicht nach ihr. »Hier spricht Billys Momma.«

Der Mann, der in unserem Trailer wohnt, aber nicht mein Vater ist, geht auf und ab. Hat eine Flasche NyQuil in der Hand. Der trinkt die meiste Zeit diesen Erkältungssaft und spart sich Seinen Whiskey auf. Nimmt einen Schluck und wischt sich den Mund mit dem Ärmel ab.

»Billy erzählt gerade, dass er nicht spielen darf? Senior Night?« Momma hört auf, den Kleinen zu schaukeln. Guckt mich an. »Austin Murphy hat eine Gehirnerschütterung? War fünf Minuten lang bewusstlos?«

Er lacht. »Scheiße, ja. Das ist mein Junge.«

»In Ordnung«, sagt Momma. »Ich verstehe, Coach.«

Sie hat das Handy noch am Ohr, als Er es ihr wegnimmt. »Billy ist die einzige Chance, die Sie haben. Hören Sie? Entweder Sie lassen ihn spielen, oder wir melden ihn drüben in Taggard an. Wie finden Sie das?« Er nimmt noch einen Schluck NyQuil. Merkt nicht mal, wie dumm Er ist. So spät in der Saison kann man nicht mehr die Schule wechseln. »Ja. Ganz genau, Coach. Wir sehen uns beim Spiel, und wenn Billy nicht spielt – spielt Billy bald gar nicht mehr.« Er drückt dreimal den Daumen auf das Display und wirft das Handy in Mommas Richtung. Sie versucht, auszuweichen. Der Kleine hält sich fest, eine Kante vom Handy trifft ihn in den Rücken, ein trauriges, hohles Geräusch.

Der Kleine sieht aus, als muss er gleich weinen, tut er aber nicht.

 

Hab den Mund gehalten, als ich am nächsten Morgen raus bin aus dem Trailer. Hab nichts zu Ihm gesagt, als ich los bin. Musste ich auch nicht. Die Flasche NyQuil war leer. In Shady Grove war auch alles leer.

Jetzt fängt das Spiel an, und Coach lässt mich trotzdem durch den Tunnel laufen und durch das Papier, das die Cheerleader den ganzen Tag lang angemalt haben. Hat sogar gesagt, dass ich bei der Senior Night in der Halbzeit aufs Spielfeld laufen darf. Hab ich Momma aber noch nicht erzählt. Garantiert würde Er auch aufs Spielfeld laufen wollen, als wäre Er mein Daddy, aber nur über meine Leiche. Ich bleibe hinten. Die Marching Band macht Trara, aber nicht für mich. Früher haben die extra laut gespielt und unser Kampflied gesungen, wenn Billy Lowe über die Goal Line gelaufen ist.

Der Zehntklässler-Linebacker ist auch da. Im Rollstuhl, mein Gott, einem verfickten Rollstuhl. Mit seinen Beinen ist doch gar nichts. Trägt außerdem eine Sonnenbrille. Ich stelle mich hinter den Rollstuhl, steh einfach nur da, während...

Erscheint lt. Verlag 17.4.2024
Übersetzer Cornelius Hartz
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Billy Lowe • Edgar Allan Poe Award • Football • Gewalt • Hoffnungslosigkeit • Noir • Ozarks • Trailer-Park • Trent Powers • Wut
ISBN-10 3-03792-229-X / 303792229X
ISBN-13 978-3-03792-229-3 / 9783037922293
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