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Sprung ins Leere (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
540 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60749-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sprung ins Leere -  Heinrich Steinfest
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Das Leben als Sprung ins Leere, die Kunst als Täuschung und Zufluchtsort Klara Ingold arbeitet im Kunsthistorischen Museum in Wien. Sie ist beseelt von einer tiefen Liebe zu den Gemälden. Deshalb interessiert sie sich anders als ihre Mutter auch für die künstlerische Hinterlassenschaft ihrer ungeliebten Großmutter Helga, die die Familie 1957 ohne ein Wort verließ - und deren Werke jetzt in einer Lagerhalle wieder entdeckt werden. Darunter findet sich eine Fotografie, die einen vagen Hinweis liefert, wohin sie gegangen sein könnte. Klara Ingolds emotionale Spurensuche führt nach Japan, zu einem Gemälde mit dem Titel »Die blinde Köchin«, das vielleicht ihre Großmutter zeigt. »Heinrich Steinfest erzählt lustvoll, klug, mitreißend.« SZ

Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren. Albury, Wien, Stuttgart - das sind die Lebensstationen des erklärten Nesthockers und preisgekrönten Autors, welcher den einarmigen Detektiv Cheng erfand. Er wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis. Bereits zweimal wurde Heinrich Steinfest für den Deutschen Buchpreis nominiert: 2006 mit »Ein dickes Fell«; 2014 stand er mit »Der Allesforscher« auf der Shortlist. 2016 erhielt er den Bayerischen Buchpreis für »Das Leben und Sterben der Flugzeuge«, 2018 wurde »Die Büglerin« für den Österreichischen Buchpreis nominiert.

Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren. Albury, Wien, Stuttgart – das sind die Lebensstationen des erklärten Nesthockers und preisgekrönten Autors, welcher den einarmigen Detektiv Cheng erfand. Er wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis. Bereits zweimal wurde Heinrich Steinfest für den Deutschen Buchpreis nominiert: 2006 mit »Ein dickes Fell«; 2014 stand er mit »Der Allesforscher« auf der Shortlist. 2016 erhielt er den Bayerischen Buchpreis für »Das Leben und Sterben der Flugzeuge«, 2018 wurde »Die Büglerin« für den Österreichischen Buchpreis nominiert.

1


Ein Mann springt in die Leere.

Eine Frau springt ins Leere.

Die Frau allerdings drei Jahre vor dem Mann.

Bloß, dass der Sprung des Mannes zu einem der ikonischen Kunstwerke einer ganzen Epoche führte.

Und die Frau?

Es geht hier gar nicht darum, dass der Sprung der Frau schlichtweg aufgrund ihres Geschlechts verschwiegen oder verdrängt wurde und also die Kunstwelt praktisch drei Jahre darauf gewartet hatte, bis endlich auch ein Mann auf die Idee kam, in die Leere beziehungsweise ins Leere zu springen. Nein, es schien einfach Pech gewesen zu sein. Vielleicht aber hatte die Frau auch gar nicht vorgehabt, mit diesem speziellen Sprung berühmt zu werden, so wie der Mann mit seinem Sprung dann berühmt wurde. Das war schwer zu sagen.

Klara Ingold konnte es im Moment nicht beurteilen. Sie war auf dieses Foto gestoßen, als sie nach München gefahren war, um die Sachen zu begutachten, die ihre Großmutter bei ihrem Verschwinden vor achtundsechzig Jahren zurückgelassen hatte. Ein paar Malereien, einige Zeichnungen und Aquarelle, diverse Fotos und Fotomontagen, ein paar kleine Objekte aus Papier und Stoff, dazu Habseligkeiten und einen Haufen Bücher. Das alles zusammengedrängt im hintersten Winkel des Lagerbereichs einer Münchner Gerüstbaufirma. Eine Firma, die nach sechseinhalb Jahrzehnten auf diesen hinter Planen versteckten Nachlass jener Frau gestoßen war, die anscheinend im Nachbarhaus ihr Atelier gehabt hatte. Wie auch immer ihre Sachen in dieses Lager geraten waren.

Denn das konnte der Gerüstbauer, der dieses Geschäft vor zwanzig Jahren von seinem Vater übernommen hatte, nicht sagen. Es gab schlichtweg keine Unterlagen dazu. Allerdings war es ihm nicht nur gelungen, den Namen der ehemaligen Besitzerin all der Gegenstände zu eruieren, Helga Blume, sondern auch deren Nachfahrin ausfindig zu machen. Blumes Tochter, die in Wien lebende Britta Ingold, die sich jedoch vollkommen desinteressiert an den Sachen ihrer Mutter zeigte. Eine Mutter, die verschwunden war, als sie selbst, Britta, noch keine zwei Jahre alt gewesen und in der Folge zunächst bei ihrem Vater, dann aber bald bei ihren Großeltern väterlicherseits aufgewachsen war. Später hatte sie das Allgäu verlassen und war von Kempten nach Wien gegangen, der Heimat ihrer so gut wie nie gesehenen Mutter. Wo sie studierte und viele Jahre ein ziemlich wildes Leben führte – die späten Siebziger und die frühen Achtzigerjahre –, zudem fest entschlossen war, eines ganz sicher nicht zu tun, nämlich ein Kind in die Welt zu setzen, so wie sie selbst in die Welt gesetzt und dann von ihrer Mutter verlassen worden war. Eine Mutter, die sie bewusst nie erlebt hatte. Ihr Fehlen, ihre Abwesenheit aber sehr wohl. Was auch immer aus dieser Frau geworden war, die heute vierundneunzig Jahre alt wäre, allerdings bereits vor langer Zeit für tot erklärt worden war.

Britta hatte versprochen, kein Kind in die Welt zu setzen. Tat sie dann aber doch, nachdem sie einen Herrn Ingold geheiratet hatte, wobei sie genau genommen auch nie hatte heiraten wollen. Aber manches geschieht gegen jegliche Überzeugung, manches geschieht mit der Wucht einer Erfindung, die zwar nicht von einem selbst stammt, deren Auswirkungen man aber trotzdem zu spüren bekommt. Britta heiratete Herrn Ingold, einen nicht mehr ganz jungen Unternehmer, und bekam, als sie dann selbst nicht mehr ganz jung war, eine Tochter: Klara. Das war 1994.

Einmal sagte Britta, es sei völlig absurd und unnötig gewesen, so spät noch Mutter zu werden, nachdem sie genau das doch so lange unterbunden hatte. Dennoch müsse sie zugeben, dass es letztlich das Beste gewesen war, was ihr in ihrem blödsinnigen Leben zugestoßen sei. Die Mutterschaft sei dummer Kitsch. Aber sie sei diesem Kitsch vollkommen verfallen.

Wozu ihre Tochter Klara, eine nun einunddreißigjährige Frau, meinte, für sie sei es ein Segen gewesen, dass ihre Mutter so ganz und gar dem Kitsch der Mutterschaft erlegen war. Das habe ihr selbst nämlich zu einer durchaus glücklichen Kindheit verholfen. Zu einer Einzelkindschaft, in der sich Mutter und Tochter als Gefährtinnen und nicht als Konkurrentinnen gegenüberstanden. Wozu auch, so hart das klingen mochte, der frühe Tod des Herrn Ingold beitrug, der nur wenige Jahre nach Klaras Geburt sich in eine noch wesentlich jüngere Frau verliebte, mit dieser jungen Frau in den Urlaub fuhr und aus diesem Urlaub nicht wieder lebend zurückkehrte. Er war da schon einiges über sechzig gewesen und hätte etwas mehr Rücksicht auf sein angegriffenes Herz nehmen sollen, anstatt auf Teufel komm raus einen Gewaltmarsch durch die Tiroler Bergwelt zu absolvieren. Der Teufel kam auch wirklich heraus, sprang gewissermaßen aus Herrn Ingolds Herzen.

Es war nicht so, dass Klara sagen konnte, ihr sei der Vater nicht abgegangen. Nicht speziell dieser eine kaum gesehene, sondern ganz grundsätzlich einer, während die Liebhaber ihrer Mutter immer nur etwas Ephemeres an sich gehabt hatten, so schnell, wie sie kamen und gingen. Viel wichtiger war das innige Verhältnis zur Mutter gewesen, die zwar die Wildheit ihrer frühen Jahre nicht völlig aufgegeben hatte, aber in Bezug auf das Kind stets etwas geboten hatte, was man schlicht als Präsenz bezeichnen könnte. Sie war einfach da gewesen. Präsenz allein macht es natürlich nicht aus, ist aber eine gute Basis. Auch dann, wenn die Kinder ihre Ruhe haben wollen und es sinnvollerweise um eine zurückhaltende Präsenz geht, da zu sein und doch nicht da zu sein.

Der entscheidende Beitrag des verstorbenen Herrn Ingold war sicherlich gewesen, seiner Frau ein mittelgroßes Unternehmen hinterlassen zu haben. »Irgendwas mit Metall«, pflegte Britta kokett zu sagen, wenn man sie nach der Art der Firma fragte. Die Geschäftsleitung hatte sie einem alten, nie erhörten Verehrer übertragen, während sie selbst nur an den diversen Gewinnausschüttungen interessiert war.

Sie sagte einmal, es sei völlig ungerecht, dass sie, anstatt an einer Supermarktkasse zu stehen oder alten Leuten den Hintern auszuwischen oder sich wenigstens mit Gewalt in eine Spitzenposition gekämpft zu haben, einfach nur die Hand aufhalte. Das sei im Grunde unwürdig, aber sie sei nicht bereit, dieses Unwürdige ausgleichen zu wollen, indem sie den Spott auf die Spitze treibe und irgendeinem Wohltätigkeitsverein vorstehe oder junge Künstler vor dem Verhungern bewahre. Stattdessen ein wildes Leben, aber auch eine kitschige Mutterschaft.

Und Verdrängung. Zu dieser bekannte sie sich in einer ähnlichen Weise wie zur Unwürdigkeit ihres aus purem und nicht einmal selbst verwaltetem Erbe resultierenden Privilegs. Sie wollte rein gar nichts über das Zeug erfahren, das da achtundsechzig Jahre nach dem Verschwinden ihrer Mutter im Lager eines Münchner Gerüstbauers aufgetaucht war. Sie verspüre keinerlei Bedürfnis, sagte sie, zu erfahren, wer ihre Mutter überhaupt gewesen war.

»Von mir aus«, sagte sie, »können die das Ganze zur Müllverbrennung bringen.«

Nun war es aber ganz sicher nicht die Aufgabe der Münchner Firma, auch noch die Entsorgung dieses Nachlasses zu übernehmen, der da jahrzehntelang unbezahlt in einer vergessenen Ecke des Betriebsgeländes gelagert worden war.

Doch ohnehin war es so, dass Brittas Tochter Klara die Dinge völlig anders sah. Für sie war es ein Geschenk, diese Möglichkeit, etwas über ihre unbekannte Großmutter zu erfahren, noch dazu – wie sich jetzt herausstellte, weil zuvor nie darüber gesprochen worden war –, dass es sich bei ihr um eine Künstlerin gehandelt hatte.

Aus diesem Grund war Klara nach München gereist, hatte sich in einem kleinen Hotel nahe dem Viktualienmarkt für einige Tage einquartiert und damit begonnen, in der einst dunklen, nun von mehreren aufgestellten Leuchten erhellten Ecke der weitläufigen, tief in das Gebäudeinnere vorstoßenden Anlage aus Lagerräumen den Nachlass ihrer Großmutter zu sichten. Zu sortieren und für den Transport nach Wien vorzubereiten.

Der Besitzer der Gerüstfirma erklärte ihr, dass dieser Bereich des Areals in den späten Sechzigerjahren, als sein Großvater das Unternehmen führte, verschlossen und seither nur im Zuge irgendwelcher Inspektionen betreten worden sei, ohne dass man unter all dem hier abgelegten Schrott die mit Planen zugedeckten Kunstwerke der Helga Blume entdeckt habe. Was eben jetzt erst geschah, nachdem er selbst und seine Mitarbeiter begonnen hatten, in...

Erscheint lt. Verlag 29.2.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • Deutsche Romane • Fotografie • Fotokunst • Japan • Kunst • Liebe • Malerei • Reisen • Roman • Verschwinden • Wien • Wolf Haas • Wuppertal
ISBN-10 3-492-60749-7 / 3492607497
ISBN-13 978-3-492-60749-0 / 9783492607490
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