Mord im Antiquitätenladen (eBook)
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01928-7 (ISBN)
Das Leben könnte so schön sein - ein See, eine Angel, ein friedlicher Morgen - doch stattdessen erlebt Antiquitätenhändler Siggi den Schock seines Lebens. Jemand ist in sein Geschäft eingebrochen und hat ihm etwas hinterlassen: eine Leiche. Tot sitzt der Mann im Sessel und starrt ihn an. Siggi flüchtet und wählt sofort die 110. Sicher hat der Mann sich nicht selbst zum Sterben dort hingesetzt, jemand muss gewaltsam nachgeholfen haben. Doch als die Polizei endlich eintrifft und den Laden durchsucht, ist der Tote spurlos verschwunden. Keine Leiche, kein Tatort, keine Ermittlungen. Aber Siggi weiß doch, was er gesehen und gefühlt hat - der Mann war sogar noch warm! Wie kann eine Leiche einfach verschwinden? Ist er vielleicht das nächste Opfer? Siggi ist kurz davor, durchzudrehen, wäre da nicht Doro, seine neue Putzhilfe, die sich gerade an diesem Morgen bei ihm vorstellt. Immerhin sie glaubt ihm. Wenn die Polizei nichts tut, dann müssen die beiden eben selbst ermitteln.
Waldi Lehnertz, geboren 1967 in Prüm, ist – wie die beliebte Sendung Bares für Rares, in der er seit der ersten Folge als Händler mitwirkt – längst Kult geworden. Mit seinem Startgebot von "Achtzisch Euro" erwarb er sich den Spitznamen 80-Euro-Waldi. Wenn er nicht für die Sendung vor der Kamera steht, betreibt der gelernte Pferdewirt einen Antiquitätengeschäft in der Eifel. Hier empfängt er Busladungen von Fans und unterhält die Gäste im Antikcafé mit Anekdoten aus seinem Leben als Antiquitätenhändler. Die eine oder andere könnte ihn zu diesem Krimi inspiriert haben. Wenn er noch Zeit hat, angelt er oder malt seine eigenen Kunstwerke.
Miriam Rademacher, Jahrgang 1973, wuchs auf einem kleinen Barockschloss im Emsland auf. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Osnabrück, wo sie an ihren Büchern arbeitet und Tanz unterrichtet. Sie hat zahlreiche Fantasy-Romane, Krimis und Kinderbücher in verschiedenen Verlagen veröffentlicht.
2
Eine Viertelstunde später wartete Siggi noch immer draußen vor der Tür seines Antiquitätenladens auf die Polizei. Seine Knie wären längst eingeknickt, hätte er sich nicht auf die rote Gartenbank gesetzt, mitten in die Gruppe Gartenzwerge, die mit ebenso leeren Blicken in die Welt starrten wie die Leiche. Siggi widerstand der Versuchung, sie einen nach dem anderen von der Bank zu schubsen, und wünschte sich sehnlichst einen Kaffee oder etwas Stärkeres herbei. Ihm war flau in der Magengegend. Sowohl das Handy in seiner rechten als auch der Baseballschläger in der anderen Hand hörten einfach nicht auf zu zittern.
Seine Erleichterung war grenzenlos, als sich über die zu dieser frühen Stunde wenig befahrene Landstraße endlich ein Streifenwagen näherte.
Zwei Uniformierte sprangen heraus, kaum dass der Wagen den Parkplatz erreicht hatte. Einen der beiden kannte Siggi nur zu gut. Es war der doppelte Gunnar, den er in der Schule nie hatte abschreiben lassen, was dieser ihm bis heute nachzutragen schien. Dabei hatte er seinen damaligen Banknachbarn nur vor Schlimmerem bewahrt, denn Siggis Rechtschreibung war schon immer katastrophal gewesen, und das hatte sich bis heute nicht geändert.
Gunnar Bartels war zwar nicht doppelt vorhanden, aber er schielte so stark, dass er glauben musste, in einer Welt voller Zwillinge zu leben – da waren sich Kurt und Siggi einig. Natürlich trug er eine Brille, die den Sehfehler korrigieren sollte, doch die hatte nur den Effekt, dass jeder, der ihm gegenüberstand, meinte, sich in seinem toten Winkel zu befinden.
Gunnar baute sich nun vor dem zitternden Antiquitätenhändler auf und schaute demonstrativ an seinem rechten Ohr vorbei. Rasch warf Siggi einen Blick über die eigene Schulter, um sich zu vergewissern, dass es dort nichts zu sehen gab.
«Ich hab mich noch nie so sehr gefreut, die Polizei hier zu haben», begrüßte er Gunnar erleichtert.
«Leg den Prügel weg», donnerte dieser und deutete auf den Baseballschläger. «Was ist bloß in dich gefahren, Siggi? Die Zentrale erzählt mir über Funk, du hättest einen Einbrecher erschlagen.»
Augenblicklich ließ Siggi den Baseballschläger vor sich auf die Pflastersteine fallen. «So ein Quatsch! Der Mann war schon tot, als ich heimkam, ich schwöre es.»
Gunnar wechselte einen Blick mit seinem jüngeren Kollegen, bevor er erwiderte: «Wo ist der Tote?»
«Oben im ersten Stock, im hintersten Zimmer», stieß Siggi hervor. «Der Kerl sitzt in meinem Kultsessel.»
Gunnar brummte etwas Unverständliches, trat zur Ladentür und stieß sie so weit auf wie möglich. Als Siggi Anstalten machte, ihm zu folgen, bedeutete der zweite Polizist ihm wortlos, sitzen zu bleiben. Wenige Sekunden später schepperte es im Haus.
«Das war die große Vase auf der Anrichte», erklärte Siggi dem angespannt wirkenden Uniformierten, der ihn nicht aus den Augen ließ. «Bis Gunnar oben angekommen ist, wird sich eine Schneise der Verwüstung durch mein Geschäft ziehen, bitte lassen Sie uns ihn begleiten. Vielleicht können wir das ein oder andere Stück auffangen.»
Doch der junge Polizist reagierte nicht. Mit unbewegter Miene starrte er auf Siggi herab, als ob er einen Schwerverbrecher vor sich hätte. Sekunden später gab es einen dumpfen Knall, und Gunnars Fluchen verriet, dass erneut Inventar zu Bruch gegangen war.
Als der Polizeihauptmeister endlich wieder draußen auf dem Hof erschien, war Siggi mit den Nerven am Ende, während im Gesicht des schweigsamen Kollegen die ganze Zeit über noch nicht einmal ein Muskel gezuckt hatte.
«Siggi», begann Gunnar, stemmte die Hände in die nicht vorhandene Taille und sah hinauf in den langsam aufklarenden Himmel. «Willst du uns eigentlich verarschen?»
«Das würde mir im Traum nicht einfallen», entgegnete er. «Aber nur mal so nebenbei gefragt: Hast du eigentlich eine Haftpflichtversicherung?»
Der Blick seines ehemaligen Schulkameraden senkte sich auf ihn herab, und für einen kostbaren Augenblick wähnte sich Siggi direkt in seinem Fokus. «Da oben sitzt niemand, weder tot noch lebendig. Dein blöder Kultsessel, dieses grelle Plastikmonster, thront unübersehbar mitten im Raum – und er ist leer.»
«Der Tote ist weg?», wiederholte Siggi verblüfft und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es waren noch fast zwei Stunden bis zur Ladenöffnung, und zumindest ein Teil seines Problems hatte sich offenbar ganz von selbst verflüchtigt. Doch was war mit dem Mörder?
«Der oder die Täter könnten noch im Haus sein», beharrte er und suchte vergeblich Gunnars Blick.
«Siggi, da oben gibt es kein Blut, keine Anzeichen für einen Kampf, einfach gar nichts.» Gunnars Stimme wurde lauter. «Kannst du mir jetzt bitte erklären, was der ganze Blödsinn hier zu bedeuten hat?»
Entrüstet deutete Siggi auf den stummen Lautsprecher über der Tür. «Jemand hat das Kabel meiner Alarmanlage gekappt, meine Haustür aufgebrochen und mir einen Toten in die Verkaufsräume gesetzt, und da sprichst du von Blödsinn?» Den mahnenden Blick des schweigsamen Kollegen ignorierend, erhob er sich von der Gartenbank und baute sich vor Gunnar auf. Einen kurzen Moment lang genoss Siggi das Gefühl, auf dessen schütteren Scheitel herabzublicken, doch die Freude währte nur kurz. Gunnar schien plötzlich ein Licht aufzugehen, und von einer Sekunde zu anderen strahlte er so viel Überlegenheit aus, dass Siggi verunsichert einen Schritt zurücktrat.
«So ist das also. Ich habe dich durchschaut, mein Lieber.» Der doppelte Gunnar deutete auf die Holzspäne am Boden. «Ein paar übermütige Jungen stemmen deine Tür auf und schneiden ein Kabel durch, da fühlst du dich natürlich gleich persönlich angegriffen. Und weil die Kollegen vom Notruf einen Einbruch in deinem Trödelladen …»
«Antiquitäten», verbesserte Siggi und konnte einen beleidigten Unterton in seiner Stimme nicht vermeiden.
«… nicht übermäßig spannend fanden, hast du kurzerhand noch eine Leiche hinzuerfunden. Weißt du, was du bist, Siggi?»
«Ein gesetzestreuer Bürger, der nur seine Pflicht getan hat?», schlug er vor.
Gunnar verschlug es kurz die Sprache. Dann fuhr er aufgebracht fort: «Du bist ein Blödmann! Und das hat Folgen! Du kannst von Glück sagen, dass nicht die Kriminalpolizei vor deiner Tür steht, sondern nur der gute Gunnar, der es vielleicht bei einer Verwarnung und einer kleinen Geldstrafe wegen missbräuchlicher Verwendung des Notrufs bewenden lässt. Dafür kann man nämlich auch in den Bau gehen, Herr Malich!»
Siggi holte tief Luft. Gunnars Unterstellungen waren völlig aus der Luft gegriffen. Gern hätte er ihm gesagt, was für ein nachtragendes kleines Würstchen er war und dass es die Leiche wirklich gegeben hatte. Doch in Anbetracht der aufgeladenen Situation fiel ihm nur eines ein.
«Du liegst vollkommen falsch.»
Mit dieser kurzen und prägnanten Aussage handelte er sich sogar einen anerkennenden Blick von Gunnars schweigsamem Begleiter ein. Gunnar selbst hob eine Augenbraue und wartete. Als er begriff, dass Siggi mit seinen Ausführungen bereits am Ende angekommen war, packte er ihn unsanft am Arm.
«Komm mit, ich will dir zeigen, was es da oben zu sehen gibt», schnaufte der Polizist. Siggi ließ sich bereitwillig in seinen eigenen Laden hineinziehen. Der stumme Kollege folgte ihnen.
Nacheinander stiegen sie über die Scherben der großen Vase hinweg und die Treppe hinauf, dann näherten sie sich dem Raum am Ende des Flurs. Siggi begannen erneut die Knie zu zittern. Was, wenn Gunnar einfach zu sehr schielte, um das richtige Zimmer zu finden? Was, wenn der Polizist am falschen Ort gesucht hatte und der Tote noch immer mit weit geöffneten Augen im Sessel saß, bereit, ihn erneut anzustarren? Am liebsten hätte Siggi kehrtgemacht. Doch Gunnar zerrte ihn unerbittlich weiter, und so fand er sich zum zweiten Mal an diesem Morgen vor dem grellorangen Kultsessel wieder, der tatsächlich leer war.
Ungläubig trat der Antiquitätenhändler näher, warf einen Blick hinter das Möbelstück und suchte mit Blicken den Raum ab. Doch das einzig Auffällige war das Knirschen von Scherben unter seinen Sohlen. Vorwurfsvoll schaute er Gunnar an.
«Tut mir leid um den Tonklumpen», meinte der Polizist und schob das zerstörte Kunstwerk mit der Schuhspitze beiseite. «Ich muss wohl irgendwie mit dem Ellenbogen dagegengestoßen sein.»
«Walther Zander, circa 1990», klärte Siggi ihn auf. «Vierkantvase mit schwarzer Salzglasur. Im Freifeuerofen gebrannt! Das war ein Einzelstück.»
«Und jetzt sind es viele kleine Stücke, das ist doch gut», behauptete Gunnar ohne eine Spur von Schuldbewusstsein. «Aber sieh mal selbst, mein Lieber: Deinem Sessel geht es hervorragend. Der Platz darauf ist noch immer frei. Frei von einem Hintern, frei von Blut, das sich hier wohl befinden müsste, wenn jemand eines gewaltsamen Todes gestorben wäre. Hier gibt es weit und breit nichts Beunruhigendes zu entdecken.»
Der Polizist vollführte eine Drehung um die eigene Achse, was aufgrund der beengten Verhältnisse in dem kleinen Raum voller Exponate Siggis Puls gleich wieder hochschnellen ließ. Wie durch ein Wunder wurde dieses Mal nichts beschädigt.
«Vielleicht starb der Tote ja auf eine besonders saubere Art», schlug Siggi vor und inspizierte den Sessel genauer. Das orangefarbene, futuristisch wirkende Sitzmöbel, das vom Erfinder für den Garten gedacht war und sich zusammenklappen ließ, bis es nur noch wie eine überdimensionale Puderdose aussah, schien tadellos. Nichts deutete darauf hin, dass hier kurz zuvor ein toter Mann gesessen hatte. Nicht einmal ein Tropfen Körperflüssigkeit...
Erscheint lt. Verlag | 1.5.2024 |
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Co-Autor | Miriam Rademacher |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 80 Euro Waldi • Amateurermittler • Antikhändler • Antikladen • Antiquitäten • Antiquitätenhändler • Antiquitäten-Krimi • Antiquitätenladen • Bares für Rares • Bares-für-Rares-Krimi • Cosy Crime • Cosy Krimi • cosy krimi deutsch • deutsche Kriminalromane • Deutsche Krimis und Thriller • Donnerstagsmordclub • Eifel Krimi • Eifel-Krimi • Eifel-Waldi • Hobbyermittler • Horst Lichter • humorvolle Krimis • Krimi • Krimi Deutschland • Krimi Humor • krimi lustig • Kriminalgeschichten • Kriminalliteratur • Kriminalroman • krimi-neuerscheinung • Krimi Neuerscheinungen 2024 • krimis bücher • Krimis und Thriller • Krimi Thriller • Kunstexperte • Kunsthandel • Kunsthändler • lustige krimis bücher • Miriam Rademacher • Mrs Potts Mordclub • neuerscheinung 2024 • Raritäten-Krimi • Romane Krimis • spannende Bücher • Spannung • Thriller und Krimis deutsch • Trödelladen • Trödel-Show • Waldis Eifel Antik • Walter Lehnertz |
ISBN-10 | 3-644-01928-2 / 3644019282 |
ISBN-13 | 978-3-644-01928-7 / 9783644019287 |
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