Jerry Cotton Sonder-Edition 225 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5770-6 (ISBN)
Die Sondereinheit, die den Gangsterboss Frank Moreno zur Strecke bringen sollte, bestand aus Phil Decker, mir und dem Detective Lieutenant Ted Hogan. Wir arbeiteten bis zum Umfallen und scheuten keine Gefahr. Und dennoch scheiterten wir, Moreno war übermächtig. Da schied Ted Hogan unvermittelt aus dem Polizeidienst aus und kam über Nacht in den Besitz von Millionenwerten. Jetzt hatten wir es nicht nur mit Moreno zu tun, sondern auch mit dem viel gefährlicheren Hogan, dem Aufsteiger des Jahres ...
1
Im Verteilerkreis nördlich von Elizabethport, dem neuen Containerhafen in New Jersey, drehte der Fahrer des grünen Dodge Van plötzlich auf.
Die ganze Zeit, seit er seine Fracht im Terminal F, Sektion 9, übernommen hatte, war er gemütlich vor uns her gezockelt. Und jetzt das!
»Die haben was gemerkt«, knirschte Ted Hogan und gab Gas.
»Langsam«, mahnte Phil. »Die wollen wahrscheinlich nur sehen, was sich hinter ihnen tut.«
Hogan nickte und nahm das Gas wieder etwas zurück. Ted Hogan war knapp fünfzig Jahre alt. Davon hatte er zweiundzwanzig als Detective in Manhattan verbracht, meist im Revier Midtown South. Zu diesem Revier gehören der mittlere Broadway, der berüchtigtste Teil der Eighth Avenue und der grellste Abschnitt der 42nd Street.
Wer an dieser Nahtstelle, wo sich Gut und Böse berühren, wo die Grenzen wie nirgendwo sonst verschwimmen, sein halbes Leben verbringt, ohne zu straucheln oder unterzugehen, verfügt über Kenntnisse und Erfahrungen, die unbezahlbar sind für eine Polizeibehörde.
Vor zwei Jahren endlich war er zum Detective Lieutenant befördert und ins Rauschgiftdezernat versetzt worden. Mit den Möglichkeiten seiner neuen Dienststelle und der Autorität seines neuen Dienstgrads war er in der Lage, die Informationen, die seine alten Spitzel ihm nach wie vor zutrugen, ungleich wirkungsvoller auszuwerten als früher. So war es ihm gelungen, zwei undichte Stellen in der Polizeibehörde zu entdecken und ein weiteres Leck einzukreisen.
Und jetzt sollte es gegen Frank Moreno gehen, den Mann, der seit vielen Jahren Manhattan, Brooklyn, Queens und Harlem mit Rauschgift überschwemmte. Seit einiger Zeit schien er über eine unbehelligt sprudelnde Verbindung nach Nahost zu verfügen, über die vergleichsweise billiger Stoff in die Stadt floss.
Weil das erwähnte Loch in der Narcotics Division zwar eingekreist, aber noch nicht gestopft war, hatte der Deputy Commissioner mit dem New Yorker FBI-Chef palavert, und die beiden hatten kurzerhand eine Sondereinheit ins Leben gerufen. Diese Sondereinheit bestand nur aus Ted Hogan, Phil Decker und mir, dem G-man Jerry Cotton.
Das war unser erster gemeinsamer Einsatz. Es war ein später Abend im Sommer. Die Wolkenbänke im Westen hatten rote Ränder, und der Asphalt war noch weich von der Glut des Tages. Alle Mitglieder der Sondereinheit saßen in einem auf alt getrimmten Kleinlaster mit Spezialfahrwerk und einer neuen Cadillac-Maschine.
Außer Frank Moreno und seinen engsten Vertrauten wussten nur wir, was sich in dem Dodge Van befand, der eben den Verteiler verließ. Heroin aus Pakistan, frei New Yorker Hafen, vielleicht dreihunderttausend Dollar wert. Auf den Straßen, Plätzen und Schulhöfen New Yorks würde es am Ende zwei Millionen Dollar einbringen. Zwei Millionen Dollar für den massenweisen Tod auf Raten.
Die Chance, Frank Moreno endlich das Handwerk zu legen, brachte uns alle auf Touren. Nur ein Umstand störte mich ein wenig. Das war die Verbissenheit, mit der Hogan in den Kampf gegen Moreno zog. Dabei konnte ich Ted Hogans Tatendrang durchaus verstehen. Viele Jahre lang hatte er ohnmächtig mit ansehen müssen, welches Elend dieser gewissenlose Verbrecher über die Menschen seiner Stadt brachte. Seine Stadt war auch meine Stadt.
»Zum Teufel, was macht er?«, fluchte Hogan, als der Dodge Van plötzlich in die äußere Spur des Verteilerkreises scherte, dabei zwei andere Fahrzeuge schnitt und abbog. Hogan hämmerte mit dem Handballen aufs Lenkrad. »Wo will er hin, verdammt?«
Denn der Van schlug nicht, wie erwartet, den Weg zum Highwayzubringer ein, der ihn und uns, die Verfolger, auf dem schnellsten Weg nach Manhattan gebracht hätte.
Ungefähr vierzig Pfund Heroin, zu sechzig Prozent rein, rollten zur Newark Bay hinunter.
Hogan behielt die Nerven. Es hatte keinen Zweck, andere Fahrer zu schneiden. Das Hupkonzert hätte die Verfolgten nur darauf aufmerksam gemacht, dass es einen Verfolger gab. Wochenlange Kleinarbeit wäre vergeblich gewesen. Das Heroin in dem Dodge sollte uns näher an Frank Moreno heranbringen.
Hogan nahm das Gas zurück. Als er im rechten Außenspiegel eine Lücke erspähte, blinkte er und riss das Lenkrad herum. Die gut abgestimmte Federung ließ den Wagen das abrupte Manöver willig mitmachen.
»Da vorn ist er«, sagte Phil, der in der Mitte neben Hogan saß. Ich hockte gegen die rechte Tür gequetscht. Mein Knie stieß dauernd gegen das im Fußraum installierte Funkgerät.
Es wurde jetzt schnell dunkel, während der Lieferwagen durch ein heruntergekommenes Wohngebiet rollte. Am Straßenrand spielten ein paar Halbwüchsige Softball. Auf den Stufen vor den Häusern saßen Männer in Unterhemden und tranken Bier aus Dosen.
Der Dodge bog an einer Ampel, die auf Dauerblinken geschaltet war, links ab. Hogan ließ unseren Wagen ein wenig zurückfallen, bevor er ihm folgte.
Wir kamen in offenes Gelände. Einige der alten Straßenzüge, in denen früher Hafenarbeiter mit ihren Familien gewohnt hatten, waren abgerissen worden und hatten modernen Wohnblocks mit großzügigen Parkflächen Platz gemacht.
Die Straße fiel leicht ab, und ich konnte das Wasser der Bucht erkennen, das die graue Dämmerung des Abendhimmels widerspiegelte. Ein Jet im Anflug auf den Newark Airport strich niedrig über die Häuser hinweg.
»Was suchen sie da unten?«, fragte jetzt auch Phil ratlos. »Wollen die etwa mit 'nem Boot nach Manhattan rüber?«
Ich wusste es auch nicht. Der Dodge beschleunigte wieder und hielt auf die Stelle zu, wo sich die Straße gabelte. Die beiden Fahrspuren führten im Bogen zu den alten Lagerschuppen und Docks hinunter, deren lange dunkle Dächer bis zum Gabelpunkt hinaufreichten.
»Aufpassen!«, sagte ich.
Der Dodge verschwand in der rechten Schleife.
Ich hatte jedoch nicht den Wagen gemeint, sondern die Jugendlichen, die plötzlich zwischen den Hecken auftauchten. Anschließend lieferten sich die Angehörigen rivalisierender Straßenbanden eine Schlacht, denn immer mehr Jungen und Mädchen brachen durch das Gestrüpp.
Und dann flogen Steine.
Einige Halbwüchsige sprangen auf die Straße, ohne auf unseren herankommenden Kleinlaster zu achten. Ich sah, wie ein magerer Junge von einem Stein an der Stirn getroffen wurde. Sein Knie knickte ein. Er fing sich und taumelte über die Straße.
Ted Hogan knirschte laut mit den Zähnen. Er schlug auf die Hupe. Doch die Jugendlichen kümmerten sich nicht um die Warnung. Und Ted Hogan hielt drauf.
»Aus dem Weg, ihr Bastarde!«, brüllte er.
»Hogan!«, schrie ich.
Ich kam nicht an ihn heran. Phil warf sich herum, stieß Hogan mit der Schulter an und fiel ihm ins Steuer.
Der Wagen scherte nach links, haarscharf an dem immer noch benommen herumtorkelnden Jungen vorbei, dem jetzt das Blut über die Stirn lief. Ein Stein knallte gegen den metallenen Aufbau. Es dröhnte wie nach einem Granattreffer.
Hogan klammerte sich am Lenkrad fest. Verbissen versuchte er, es herumzureißen, während sein Fuß auf dem Gaspedal blieb.
Als Phil seinen Fuß endlich auf die Bremse brachte, war es zu spät.
Der kleine Laster schlitterte breitseits auf die Begrenzung der Straße zu. Eine niedrige Leitplanke schützte die Fahrer in der Kurve vor einem Sturz auf die Dächer der Lagerschuppen.
Ein harter Ruck ging durch den Wagen, als er mit der Breitseite gegen die Leitplanke knallte. Die Planke sprang aus ihrer Verschraubung, und der Laster geriet über die Kante.
Ich stieß die Tür auf, während sich der Laster langsam zur Seite neigte. Nicht die schräge Böschung und das flache Schuppendach fünfundvierzig Fuß unter mir ließen mich nach Luft schnappen. Der Laster würde irgendwo auf dem Geröllhang hängen bleiben.
Weit links kam der Dodge Van mit aufgeblendeten Scheinwerfern aus der Kehre. Die Lichtkegel strichen über den rissigen Beton und hielten genau auf den kleinen Helikopter zu, der vorn an der Kaimauer stand. Vor dem grauen Wasser war er fast nur an seinen rhythmisch zuckenden Positionslichtern und der schwirrenden Scheibe der Rotorblätter auszumachen.
O verdammt, schoss es durch meinen Kopf. Vierzig Pfund Heroin. Millionenfacher, stückweiser Tod für die Straßen meiner Stadt. Sie durften einfach nicht hinübergelangen!
Ich sprang aus dem Fahrerhaus, landete auf der Böschung und rutschte inmitten einer Gerölllawine abwärts. Ich verlangsamte die Fahrt, indem ich mich an den Ästen der dürren Sträucher festhielt, die überall aus den Felsspalten ragten.
Die hintere Schuppenwand kam bis auf zwölf Fuß an das untere, dort senkrecht abfallende Stück der Böschung heran.
Ich drehte mich, spannte meine Muskeln und stieß mich ab.
Ich landete auf dem Schuppendach. Das Holz unter der spröde gewordenen Teerpappe knackte, hielt meinen Aufprall jedoch aus. Ich rappelte mich wieder auf und lief über das Dach nach vorn.
Der Dodge war jetzt nur noch hundertfünfzig bis zweihundert Yards vom Helikopter entfernt. Ich würde es nicht schaffen, vom Dach zu springen...
Erscheint lt. Verlag | 23.12.2023 |
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Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-5770-8 / 3751757708 |
ISBN-13 | 978-3-7517-5770-6 / 9783751757706 |
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