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Schärentod (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
592 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-31442-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schärentod - Lina Areklew
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Ein Grab in den Schären und ein düsteres Geheimnis ...
An einem Sommertag wird auf der malerischen schwedischen Insel Ulvön eine grausige Entdeckung gemacht. In einer stillgelegten Erzgrube stoßen zwei jugendliche Geocacher auf eine skelettierte menschliche Hand. Der Fund ruft Kommissarin Sofia Hjortén aus der Elternzeit in den Dienst zurück. Handelt es sich womöglich um die Überreste einer jungen Frau, die vor vielen Jahren ihren gewalttätigen Ehemann verlassen wollte? Sie war nie auf dem Festland angekommen und galt seitdem als vermisst. Bald darauf geschieht ein Mord, der mit dem damaligen Vermisstenfall verbunden scheint, und Sofia muss gefährlich tief in die dunkle Vergangenheit einer Ulvöner Familie und der Insel eintauchen ...

Lina Areklew, geboren 1979 in Stockholm, wuchs an der schwedischen Höga Kusten auf und kennt die Küstenregion, die als Schauplatz ihrer Krimireihe um die Kommissarin Sofia Hjortén dient, wie ihre Westentasche. Sie lebt auf einem kleinen Bauernhof in Örnsköldsvik und in Stockholm.

3.


Kaj stand am Köpmanholms-Kai bereit, als die M/F Ulvön anlegte. An seiner Seite stand Mette, in einen schreiend rosa Hosenanzug und eine geblümte Odd-Molly-Strickjacke gekleidet. Die hintere Beifahrertür ihres weißen Lexus’ stand bereits offen, als solle Astrid direkt auf den Rücksitz geladen und davongefahren werden.

Sofia saß auf dem Achterdeck, ihre Tochter auf dem Schoß. Bei dem Gedanken, sie Kaj und Mette für eine Kennenlernzeit zu übergeben – wie Mette es ausgedrückt hatte – zog sich ihr Magen zusammen. Nach der fürchterlichen Geburt, bei der sowohl Astrid als auch Sofia beinahe ums Leben gekommen waren, mochte sie das Kind nicht aus den Augen lassen. Der Einzige, dem sie ohne Weiteres erlaubte, sich um Astrid zu kümmern, war Tord. War sie mit ihrer Tochter allein, hatte sie die Kleine nur manchmal, wenn sie vor Müdigkeit völlig fertig gewesen war, in das Gitterbett gelegt. Doch es hatte immer damit geendet, dass sie ihre Tochter trotz aller Einwände der Hebamme wieder zu sich ins Bett geholt hatte.

Ihr tat alles weh bei dem Gedanken, sich von Astrid trennen zu müssen. Doch in Tränen auszubrechen und sich zu weigern, das Kind zu übergeben, war schließlich auch keine Lösung. Also, Schluss jetzt. Es ging doch nur um ein paar Tage. Am Montag nach der Arbeit würde sie Astrid wieder mit nach Hause nehmen, und Kaj und Mette würden in ihre Wohnung in Stockholm zurückkehren und erst am folgenden Donnerstag wiederkommen. Sie hatten abgesprochen, so anzufangen, und wenn Astrid etwas größer war, wochenweise zu wechseln. Kaj, der als Profiler arbeitete, war in den Teilruhestand gegangen, und Mette hatte für das kommende Jahr sämtliche Schauspielengagements abgelehnt. Sofia würde bis zum nächsten Jahr, wenn Astrid in die Krippe kam, in Teilzeit arbeiten.

Eine optimale Übereinkunft – auf dem Papier. Doch jetzt gerade fühlte sich der Plan einfach nur fürchterlich an. Wäre sie überhaupt auf die Idee gekommen, wieder zu arbeiten, wenn sie gewusst hätte, wie es sich anfühlen würde, Astrid wegzugeben? Beschämt musste sie einsehen, dass die Antwort Ja lautete. Polizistin zu sein, war für sie eine Berufung. Etwas, das sie brauchte, um als Mensch funktionieren zu können. Es gab ihr innere Ruhe und ein Gefühl von Kontrolle, das ihr die meiste Zeit ihrer Kindheit und Jugend gefehlt hatte.

Astrid bewegte sich in ihrem Arm. Sie drehte ihre Tochter zu sich und schaute in ihre dunklen Augen. Würde sie es verstehen und sich bei Kaj und Mette sicher und geborgen fühlen? Die beiden waren viele Male draußen auf der Insel gewesen, hatten Astrid jedoch nie über Nacht gehabt. Und wegen des Virus, der die Welt fest im Griff hatte, war es deutlich seltener gewesen und nicht wie ursprünglich geplant jedes zweite Wochenende. Wofür Sofia insgeheim dankbar war. Die erzwungene Einsamkeit, die Corona für viele bedeutet hatte, war für sie ein Segen gewesen. Niemand hatte erwartet, dass sie mit einem Neugeborenen im Land herumreisen würde, nur weil der Vater zufällig in einer anderen Stadt wohnte. Meist kamen Kaj und Mette zu ihr nach Ulvön und blieben den Tag über. Übernachten durften sie nicht, doch sie erlaubte ihnen, in der Dreizimmerwohnung an der Viktoriaesplanade zu wohnen, wenn sie in Örnsköldsvik waren. Das Arrangement hatte eine Reihe skeptischer Blicke zur Folge gehabt, doch sie kümmerte sich nicht darum, was andere dachten.

Anfangs war die Atmosphäre steif gewesen, und niemand hatte gewusst, wie sich verhalten. Doch bald hatte Mette das Kommando übernommen, Astrid verhätschelt und mit ihr gespielt, als sei sie eine Puppe. Und sie hatte immer Kleider dabei. Hässliche, rüschige rosa Kreationen, die sie Astrid unbedingt anziehen wollte, sobald sie zur Tür hereingekommen war. Da half es auch nichts zu sagen, dass das Kind frisch gewickelt und angezogen war. Sofia fragte sich, wie Astrid aussehen würde, wenn sie zurückkam.

Sie hängte sich die Wickeltasche um und gab Tord, der mit dem Kapitän sprach, ein Zeichen, dass sie an Land gehen würde. Sobald sie die Füße auf festen Boden setzte, war Kaj bei ihr und streckte seine Hände nach Astrid aus.

»Komm zu Papa, mein süßer, kleiner Spatz!«

Astrid sah ihn skeptisch an und kroch enger in Sofias Arme hinein.

»Vielleicht kannst du einen Moment warten«, begann Sofia, doch Kaj nahm Astrid und hob sie entschieden zu sich herüber.

»Kinder brauchen Klarheit und nicht so viel Gepimpel«, antwortete er und hob Astrid über seinen Kopf. »Oder, mein kleines Herzchen?«

Sofia stand wie versteinert und erwartete, dass ihre Tochter anfangen würde, laut zu brüllen, doch zu ihrem Erstaunen huschte der Kleinen ein Lächeln über das Gesicht. Kaj streichelte ihr über die dunklen Locken und nickte Sofia zu.

»Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut gehen. Wir werden in die Stadt hinunterspazieren und ein Eis essen, dann schauen wir einen Zeichentrickfilm und haben es einfach nett miteinander.«

Sie wollte gleich sowohl gegen den Film als auch gegen das Eis protestieren, doch Mette kam ihr zuvor.

»Also Kaj, dir ist doch wohl klar, dass ein sechs Monate altes Baby nicht Eis essen und Fernsehen schauen soll?«

Doch Kaj hörte nicht zu. Er war schon ganz auf Astrid fixiert und ging, ohne zu antworten, zum Auto, um seine Tochter im Kindersitz festzuschnallen.

»Habt ihr milchfreien Brei gekauft?« Sofia eilte hinter Kaj her. »Manchmal verträgt sie den besser als den normalen. Wenn sie nicht schlafen kann, hilft es, ihr das Wolfslied von Ronja Räubertochter vorzusingen. Du weißt, das hier …« Sie begann, das Lied zu summen, aber Kaj war ganz damit beschäftigt, die Schnalle von Astrids Sicherheitsgurt zu schließen. Mette kam und legte ihr die Hand auf den Arm.

»Mach dir keine Sorgen, Sofia, es klappt schon alles. Ich verstehe, dass es für dich nicht einfach ist.«

Das tust du überhaupt nicht, du frigide, kinderlose Kuh, wollte Sofia ihr ins Gesicht schreien, doch stattdessen lächelte sie steif.

»Es ist nur, weil es das erste Mal ist, dass …«

Mette nahm sie in den Arm und hielt sie kräftig und lange fest, als wäre das etwas ganz Normales. Widerwillig umarmte Sofia sie zurück und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Sich vor Kaj und Mette hinzustellen und zu heulen, war das Letzte, was sie tun wollte.

Kaj war endlich fertig mit dem Anschnallgurt.

»Du rufst an, wenn etwas ist, ja?«, fragte sie.

Kaj drehte sich zu ihr.

»Glaubst du nicht, dass wir das schaffen?«

Doch, das glaubte sie. Kaj war ein vollkommen fähiger Mensch, und sie vertraute seinem Urteil blind, auch wenn die Vaterschaft ihn erstaunlich albern hatte werden lassen. Was Mette betraf, hatte sie nicht den geringsten Zweifel, dass sie es mit Astrid nur gut meinte. Astrid war wie eine eigene Tochter für sie, und Mette würde sie wenn nötig mit Leib und Leben verteidigen.

»Wir rufen jeden Abend an, damit ihr euch Gute Nacht sagen könnt«, sagte Mette und schaute Sofia mitleidig an. »Und du fängst doch am Montag sicher nicht vor neun Uhr an zu arbeiten, oder?«

Sofia nickte.

»Komm vorher vorbei, dann könnt ihr ein bisschen kuscheln. Wir sorgen für das Frühstück.«

In dieser Sekunde liebte sie Mette. Obwohl die Familienkonstellation mehr als unkonventionell war, hatte es zwischen ihr und der Ehefrau ihres Ex-Freundes nie irgendwelche Eifersucht gegeben. Kaj und Mette hatten die Übereinkunft einer offenen Ehe, und solange beide anständig damit umgingen, war es ihnen selbst überlassen, was sie nebenher noch veranstalteten. Mette war durch ihren Beruf als Schauspielerin im Lauf der Jahre vielen Männern und Frauen begegnet, ohne dass es ihre Beziehung beeinträchtigt hätte. Sofias Schwangerschaft jedoch hatte ihnen einen ziemlichen Schlag versetzt, obwohl Sofias und Kajs Verhältnis zu dem Zeitpunkt bereits vorbei gewesen war. Sofia hatte Kaj deutlich gemacht, dass sie überhaupt nichts von ihm erwartete, doch er hatte unverrückbar darauf bestanden, ein präsenter Vater zu sein – und so war es dann auch. Genau zur ersten Ultraschalluntersuchung hatten Mette und er durch intensive Paartherapie wieder zueinandergefunden, und Mette, die keine eigenen Kinder hatte, war mit ganzem Herzen in ihrer Rolle als Stiefmutter aufgegangen.

Sofia wandte sich um, als sie das metallische Kratzen der Laufplanke auf dem Kai hörte. Mit verkniffener Miene kam Tord auf sie zu. Er nickte Kaj zu, während er ein Snus-Päckchen zurechtdrückte und unter die Oberlippe schob. Kaj erwiderte das Kopfnicken in derselben höflichen, doch reservierten Art. Tord hatte Kaj nie gemocht, und das Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Seit Astrids Geburt knirschte es noch deutlicher zwischen ihnen. Sofia wusste sehr wohl, weshalb. Tord war nicht dumm. Und auch wenn er nichts gesagt hatte, war ihr klar, dass er Bescheid wusste.

»Tord!« Andere hatten sich wegen der Ansteckungsgefahr angewöhnt, sich mit den Ellenbogen zu begrüßen, doch Mette umschlang den Alten stattdessen mit einer viel zu langen Umarmung. Unangenehm berührt schaute Tord über Mettes Schulter zu Sofia.

»Wie schön, dich wiederzusehen. Und ich muss dir wirklich danken für das, was du für Sofia und unsere kleine Astrid getan hast.«

Tord schob den Snus unter der Lippe wieder zurecht und nickte.

»Jo.« Der kurze norrländische Laut von zwischen den Zähnen eingesogener Luft musste als Antwort genügen.

Mette schien es nicht übel zu nehmen. Sie strahlte über das ganze Gesicht und hing noch immer an Tord, obwohl die Umarmung vorbei war. Unterschiedlicher als Mette Severin...

Erscheint lt. Verlag 22.5.2024
Reihe/Serie Ein Fall für Sofia Hjortén
Ein Fall für Sofia Hjortén
Übersetzer Angela Beuerle
Sprache deutsch
Original-Titel Av skam
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • av skam • eBooks • Geocaching • Häusliche Gewalt • Johanna Mo • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Leichenfund • Mord • Neuerscheinung • Schweden • Skandinavien • Spannung • Ulvön • Viveca Sten
ISBN-10 3-641-31442-9 / 3641314429
ISBN-13 978-3-641-31442-2 / 9783641314422
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