Jerry Cotton Sonder-Edition 218 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5203-9 (ISBN)
Im UN-Gebäude trafen sich zwei Staatsmänner aus Mittelamerika. Sie wollten einen seit Langem schwelenden Konflikt im friedlichen Gespräch beilegen. Aber eine gefährliche Terrororganisation versuchte um jeden Preis, das Treffen auf blutige Weise zu sprengen. Eine undurchsichtige schöne Frau stand zwischen den Fronten. Sie sollte mir den kalten Kuss des Verrats schenken ...
I
Ich starrte in den Doppellauf der Schrotflinte, der sich nur Inches vor meinen Augen befand. Ich sah dahinter das grinsende Gesicht des Halbbluts, diese bernsteingelben, irrlichternden Augen, und ich wusste, dass ich nur noch Sekunden zu leben hatte.
»Lass die Kanone fallen, Fed!«, stieß Enrique Tomás leiernd hervor. Auf seiner niedrigen Stirn stand dichter Schweiß. Seine großen Zähne glänzten im Licht der knisternden Flammen, die sich mit gieriger Hast durch die Büroflucht fraßen.
Mein 38er schepperte über den betonharten Boden und blieb neben einem Schirmständer liegen. Fern und unerreichbar. Ich war dem Wahnsinnigen ausgeliefert. Er hatte mich erwischt, als ich aus der Deckung in den Vorraum gehechtet war.
Tomás ließ die schwere Waffe einige Inch sinken, presste sie mir gegen den Hals und brüllte gleichzeitig: »Wenn einer deiner Kollegen was versucht, drücke ich ab. Und wenn ich abdrücke, Mann, ist es aus mit dir!«
Ich atmete gepresst aus.
»Sag's deinen Freunden!«, kläffte das Halbblut. »Sag's Ihnen, G-man!«
Ich wagte kaum zu atmen. Meine Nasenflügel bebten. Die Nerven des Killers lagen blank. Es fehlte nur ein Tick und er würde durchgehen wie ein in Panik geratener Gaul. Ich hoffte nur, dass die Kollegen begriffen, was mit ihm los war. Dass er sich wie eine gestellte Ratte in diesem brennenden Haus vorkam und, wenn der Funke das Pulverfass erreichte, unberechenbar handeln würde.
»Okay«, sagte ich, »alles in Ordnung, Enrique. Niemand wird dir was tun. Niemand«, wiederholte ich und versuchte den zitternden Blick des Mannes festzuhalten, der vor wenigen Minuten in rasendem Amoklauf zwei unschuldige Menschen umgebracht hatte.
Er hatte sich in der Nacht voll Stoff gepumpt. Das verschnittene Heroin walzte ihn förmlich nieder. Morgens wachte er mit einem fürchterlichen Affen auf und wollte sich eine frische Nadel setzen. Doch er hatte vergessen, dass er keinen Schuss mehr besaß. Der Affe machte ihn fertig, prügelte den letzten Rest seines Verstands aus ihm heraus und ließ ihn halb wahnsinnig werden.
Brüllend zertrümmerte er sein Apartment. Dabei entdeckte er zwischen den Bruchstücken des Kleiderschranks die Flinte und die Schrotpatronen. Er stürzte sich auf die Waffe, lud sie und rannte, wild um sich schießend, nach draußen, wo er den Streifenpolizisten McGrady, der gerade seinen Rundgang begonnen hatte, niederschoss.
McGrady schleppte sich bis zum Drugstore an der Ecke und konnte noch einen Spruch an seine Dienststelle absetzen. Dann brach er bewusstlos zusammen. Noch ehe die ersten Cops eintrafen, hielt Tomás einen Wagen an, bedrohte die Frau am Steuer mit der Flinte und zwang sie, ihn zum Bronx Park zu fahren. Er hoffte, dort einen Dealer zu finden, dem er den heiß begehrten Stoff abnehmen konnte.
Er fand keinen Dealer. Dafür fand die Polizei ihn. Der Affe in seinem Kopf blähte sich mehr und mehr auf. Tomás schoss auf die Streifenwagen und flüchtete in das schmalbrüstige Bürohaus. In der dritten Etage verschanzte er sich. Zwei Angestellte stellten sich ihm in den Weg. Das war mutig, aber verhängnisvoll. Denn der Amokläufer schoss sie nieder.
Erst eine halbe Stunde nach dem Anruf des Polizisten McGrady wurde das FBI benachrichtigt. Phil und ich klemmten uns in den Jaguar und jagten zur Bronx.
Der Killer hatte die Büroflucht angezündet und sich hinter den Aktenschränken verbarrikadiert.
»Niemand wird mir was tun«, wiederholte der Verbrecher jetzt. »Aber ich werde dich abschießen, wenn du nur zuckst. Hast du verstanden?«
»Klar, ich habe verstanden. Du hast ja die Flinte, Enrique. Und so eine Flinte ist was Fürchterliches«, sagte ich schleppend. Mein einziges Ziel war, ihn am Sprechen zu halten. Wer spricht, schießt nicht.
Er grinste. Er brauchte Stoff. Der Schweiß auf seinem Gesicht verdichtete sich. Ich betete darum, dass keiner der Polizisten einen Fehler beging. Ich hoffte auf Phil, der sich links von mir in eine Nische presste und auf seine Gelegenheit wartete.
»Ich will hier raus«, sagte mein Gegner. »Ich hab 'ne Menge zu tun. Und du musst deinen Freunden begreiflich machen, dass ich hier raus will, Fed!«
»Du hast eine Geisel«, sagte ich heiser. »Mich hast du, Enrique. Du brauchst nichts zu befürchten. Du kannst alles tun, was du vorhast.«
Der 38er lag unerreichbar an der Wand.
Tomás leckte sich über die aufgesprungenen Lippen. Er blickte nach rechts, wo sich Phil befand. Dann starrte er mich an. »Okay, G-man, du setzt dich jetzt in Bewegung. Du marschierst auf die Treppe zu. Langsam und ohne falsche Bewegung. Wenn du einen Trick versuchst, gehst du drauf.«
Die Hitze der Flammen, die aus den Räumen quoll, wurde unerträglich. Sie nahm uns den Atem. Wir mussten raus aus dem Gebäude. Sonst würden wir geschmort werden.
Ich nickte.
»Okay, ich gehe jetzt los«, sagte ich und drehte mich vorsichtig um. Ein übles Gefühl stieg aus der Magengegend in mir auf, als ich den Stahl der Waffe an meinem Hinterkopf spürte.
Tomás kicherte wie ein Irrer.
»Habe noch was Wichtiges vor«, grölte er plötzlich vergnügt. »Bin ein wichtiger Mann, der es euch Scheißern schon zeigen wird.«
Ich entdeckte Phil. Ich sah sein schweißglänzendes Gesicht. Kaum merklich schüttelte ich den Kopf. Seine Ausgangsstellung für einen Überraschungsangriff war zu schlecht.
Phil verstand.
Ich erreichte die Treppe.
Tomás schob sich an mir vorbei. Plötzlich war er vor mir. Ein geschickter Schachzug. Denn nun konnte er mich gegenüber Phil und den City Cops als Schild benutzen.
Er grinste breit. »Niemand legt mich rein, G-man. Niemand! Wir werden gleich einen hübschen, feinen Bullenwagen nehmen und ein wenig spazieren fahren. Hab verdammt keine Lust, eine lausige Kugel in den Bauch zu kriegen. Hab Freunde, die auf mich warten, die genau wissen, wie gut ich bin.«
»Du bist verdammt clever«, schmeichelte ich ihm. »Du hast die Kiste geschickt aufgetan. Du wirst es schaffen.«
Der Affe hatte ihn für einen Augenblick aus dem Griff gelassen. Er war guter Dinge. Mit der Flinte schubste er mich die Treppe hinunter.
Ich wartete auf meine Gelegenheit. Und ich hoffte, dass er mir sagen würde, was er noch zu erledigen gedachte. Immer wieder hatte er von dem »wichtigen Ding« gesprochen, für das er gebraucht werde. Es konnte sich nur um ein Verbrechen handeln, das war eindeutig.
»Willst du eine Bank hochnehmen?«, fragte ich so ruhig wie möglich.
Tomás starrte nach unten in den Treppengang. Er schüttelte den Kopf.
»Ich bin kein Gangster«, knurrte er. »Ich bin Revolutionär.«
»Und du wirst heute die Regierung in Washington stürzen, wie?« Meine Stimme war frei von Spott. Sie klang ganz ernst. So ernst, wie er genommen sein wollte.
Tomás kicherte. »Dazu reicht es noch nicht. Aber ...«
Er wandte den Blick von mir, weil von unten ein Geräusch aufklang. Ich sah sofort die Gelegenheit, tauchte unter den Läufen seiner Flinte weg, sprang auf ihn zu und knallte ihm von unten die Handkante gegen die Kehle.
Der Mann schrie auf. Seine Hände umkrallten die Waffe. Er zog durch.
Donnernd entluden sich die Läufe.
Ich kam hoch. Er starrte mich in plötzlicher Panik an, weil er begriff, dass er sich verschossen hatte. Er riss die Flinte hoch und versuchte, mir den Stahl über den Schädel zu ziehen. Ich wich nach links aus und wuchtete gleichzeitig das linke Bein gegen seine Brust.
Tomás prallte gegen die Wand.
Von oben jagte Phil auf uns zu.
Ich rappelte mich auf, nahm mit der Rechten Maß und knallte sie dem Killer gegen die Schläfe.
Tomás knallte mit dem Schädel gegen die Treppenhauswand, stieß einen schrillen Schrei aus und brach wie ein nasser Sack zusammen.
Ich atmete befreit auf und suchte nach einem Taschentuch, um mir die aufgerissenen Knöchel abzuwischen. Phil ließ die Handschellen um die Gelenke des Gangsters klicken. Von unten wurden Schritte laut. Polizei und Feuerwehr rannten auf uns zu.
Ich lehnte mich gegen die Wand und blickte auf den überwältigten Gangster hinab. Seine Worte, er sei ein Revolutionär, gingen mir nicht aus dem Kopf.
»Wir sollten seine Wohnung, falls sie sich feststellen lässt, untersuchen«, schlug ich vor.
Phil sah mich fragend an.
Ich hob die Schultern. »Er faselte immer was von dickem Ding und Revolution. Möglich, dass er zu einer dieser kleinen Organisationen gehört, die in letzter Zeit wieder von sich reden machen.«
Phil nickte. Er durchsuchte die Taschen des Bewusstlosen und fand tatsächlich eine Brieftasche. Auf dem Führerschein war die Adresse vermerkt, die Jefferson Street in der Bronx. Eine üble Gegend, in die man sich ohne Begleitschutz selbst am Tag nicht hineinwagen konnte.
Wir überließen die weitere Arbeit unseren Kollegen und machten uns auf die Socken.
Eine halbe Stunde später erreichten wir das Haus. Es glich eher einer Ruine als einem bewohnbaren Gebäude. Die Tür des Apartments war nur angelehnt. Im Inneren...
Erscheint lt. Verlag | 16.9.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-5203-X / 375175203X |
ISBN-13 | 978-3-7517-5203-9 / 9783751752039 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 777 KB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich