Adelaide Peel: Rheuma, Mord und Rauhaardackel (eBook)
400 Seiten
Piper Spannungsvoll (Verlag)
978-3-377-90014-2 (ISBN)
Katja Hemkentokrax/ Katie Kento wurde 1993 in NRW geboren und schreibt seit ihrem neunten Lebensjahr fantasievolle Geschichten, vor allem für junge Leser*innen. Nach ihrem Bachelor in Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Literatur und Medien schloss sie kürzlich ihren Master in Integrated Media ab und arbeitete anschließend in einem Hamburger Verlagshaus. Inzwischen lebt und schreibt die Autorin in Oldenburg.
Katja Hemkentokrax/ Katie Kento wurde 1993 in NRW geboren und schreibt seit ihrem neunten Lebensjahr fantasievolle Geschichten, vor allem für junge Leser*innen. Nach ihrem Bachelor in Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Literatur und Medien schloss sie kürzlich ihren Master in Integrated Media ab und arbeitete anschließend in einem Hamburger Verlagshaus. Inzwischen lebt und schreibt die Autorin in Oldenburg.
Kapitel 1
»Willkommen in Three Willows. Ich freue mich, Sie hier begrüßen zu dürfen.«
Schleimer. Adelaide presste die Lippen aufeinander.
»Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Anreise, Miss Peel?«
Sie ignorierte das fragende Lächeln und starrte an ihrem Gegenüber vorbei.
Im Spiegel über dem Kaminsims sah sie eine winzige Frau, die in dem lächerlich großen Polstersessel fast verschwand. Ein knautschiges Gesicht. Furchen, nein Schluchten, die sich vom Mund zum Kinn gruben. Wässrige Augen hinter fingerdicken Brillengläsern. Weißes Haar, das unter einem verbeulten Fedora-Hut hervorwuchs wie Gestrüpp. Ein in sich zusammengeschrumpfter Körper – zerknittert und faltig –, an dem Bluse und Hose schlaff herunterhingen. Konnte das wirklich sie selbst sein? Wann war sie zu einer schlecht angezogenen Rosine mutiert?
Der Mann hinter dem Schreibtisch räusperte sich und verlagerte sein Gewicht. »Mein Name ist Reginald Ward. Ich bin der Leiter dieser Einrichtung«, erklärte er mit öliger Stimme. »Meine Mutter hat das Seniorenzentrum vor fünfundsechzig Jahren gegründet. Seitdem ist es im Familienbesitz.«
Adelaide hatte nur ein Brummen als Antwort übrig. Sie drückte die atmende Handtasche auf ihrem Schoß etwas fester an sich.
»Sie werden übrigens das Zimmer neben …«
»Ich kenne meine Rechte.«
Ward verstummte.
Adelaide hob das Kinn. Die meisten Menschen waren irritiert, wenn sie ihre raue Stimme zum ersten Mal hörten. Das gefiel ihr.
»Pardon, Miss Peel?« Er nestelte an seinen Manschettenknöpfen herum. Das Seidenhemd sah teuer aus, aber die Ärmel waren zu lang. Maßgeschneidert für jemand anderen. Wahrscheinlich aus einem Second-Hand-Geschäft.
»Meine Rechte!«, blaffte sie und senkte die Stimme, als ihre Handtasche zusammenzuckte. »Ich habe nichts verbrochen. Also darf man mich nicht einsperren.«
»Aber wir … wir sperren Sie doch nicht ein, Miss Peel!«
Heuchler, dachte Adelaide, und nach kurzem Überlegen sagte sie es auch: »Heuchler.«
Der Mittfünfziger strich über seinen Schnauzbart, so als wollte er sich die Empörung vom Gesicht wischen. Die ärgerliche Röte auf seinen Wangen entging Adelaide nicht.
»Wir bieten Ihnen hier die wunderbare Möglichkeit, mit Menschen in Ihrem Alter zusammenzuleben. Es gibt gemeinsame Aktivitäten. Bingospiele, den Lesezirkel und den Sonntagskaffee, Filmabende mit Zuckerwatte und …«
»Glauben Sie, ich will meine Zeit mit Zuckerwatte und alten Knackern verschwenden?«
Ward fuhr sich mit den Fingern durch das tiefschwarze Haar, das ihm schlecht geschnitten und dicht wie ein Helm auf dem Kopf saß. Der Mann hatte nervöse Hände.
Nachdem er einen Blick auf das Blatt Papier vor sich geworfen hatte, setzte er sein joviales Lächeln erneut auf. »Sie haben fast sechs Jahrzehnte lang allein in einem Häuschen auf dem Land gelebt.«
Die Handtasche knurrte.
»Ich war nicht allein. Ich hatte Broderick.« Adelaide sprach laut, um das Knurren zu übertönen und ihren Rauhaardackel zu besänftigen. Er konnte es nicht ertragen, außen vor gelassen zu werden.
»Miss Peel, ein Hund mag ein netter Gesellschafter sein. Aber er ersetzt nicht den Austausch mit anderen Menschen. Er achtet nicht auf Ihre Gesundheit, er sorgt nicht für eine ausgewogene Ernährung.«
Die Handtasche stieß ein kurzes Wuff aus, und Adelaide täuschte einen Hustenanfall vor.
»Da sehen Sie es.« Ward lehnte sich ein Stück zurück und rieb seine Hände mit dem Desinfektionsmittel ein, das auf seinem Schreibtisch stand. »Eine anständige medizinische Versorgung ist für Leute in Ihrem Alter …«
»Ich war seit vierzig Jahren nicht mehr krank.« Was man von Broderick nicht behaupten konnte. Aus der Tasche war ein verschnieftes Winseln zu hören. »Niemand hat das Recht, mir mein Heim wegzunehmen!«, rief Adelaide.
Wenn Ward glaubte, sie würde diese Entführung anstandslos über sich ergehen lassen, dann hatte er sich geschnitten.
»Aber Miss Peel, in diesen Dokumenten steht … Hier steht, dass Sie selbst Ihr Haus bis auf die Grundmauern niedergebrannt haben.«
Stille breitete sich im Büro aus. Nur Brodericks kratziger Atem war zu hören. Wenn er sich zu lange in der Handtasche verkroch, bekam er asthmatische Symptome.
»Ja … Richtig.« Adelaide erinnerte sich. Nicht gern, aber sie besann sich durchaus, wie sie die Fensterrahmen in ihrem Haus unter Strom gesetzt und dabei versehentlich die Vorhänge in Brand gesteckt hatte.
In der Theorie war der Plan genial gewesen. Sie hatte die Isolierung an einigen Kabeln entfernt, sie anschließend um die Fenstergriffe gewickelt, mit den Steckdosen verbunden und voilà: Auf Brodericks Speiseplan stand gerösteter Einbrecher. Nur hatte das Ergebnis leider nicht ganz ihrer Vorstellung entsprochen.
»Es war Notwehr«, erklärte sie zerknirscht. »Soll ich tatenlos herumsitzen, während zwielichtige Gestalten um mein Haus schleichen?«
Ward hob die Augenbrauen. Er glaubte ihr nicht. Genauso wenig wie die Feuerwehr, die Polizei oder ihr beschränkter Großneffe die Geschichte geglaubt hatten.
Zugegeben, Adelaide hatte diese Gestalten nicht direkt gesehen. Oder gehört. Aber hätte sie erst warten sollen, bis es zu spät war? Bis man sie bestahl? Über die Jahrzehnte war immerhin eine der größten Kriminalliteratur-Sammlungen Cornwalls, wenn nicht gar Englands, in ihrem Häuschen herangewachsen. Schmuckausgaben, Erstauflagen, seltene Fehldrucke und handsignierte Schätze befanden sich in ihrem Besitz!
Hatten sich in ihrem Besitz befunden.
Ein Stich zog sich durch Adelaides Brust. Sie stieß ein Räuspern aus, wippte mit den Beinen und schwang sich aus dem Sessel.
»Würden Sie sich nicht verteidigen, wenn es jemand auf Ihren Plunder abgesehen hätte?«
Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen schritt sie durch das Büro. Zumindest tat sie das in ihrer Vorstellung.
In Wahrheit hatte Broderick seit seiner Hüftdysplasie ordentlich zugelegt, sodass sie beide Hände in die Handtasche krallen musste, um ihn nicht fallen zu lassen. Adelaides Beine waren auch einmal länger gewesen. Und das Buttermesser, das in ihrem rechten Schuh steckte, war beim Gehen nicht gerade förderlich.
Mit wackelndem Getrippel und einer gehörigen Schlagseite zog sie durch das Büro und beäugte die Einrichtung. Dunkle Holzmöbel mit durchgesessenen Polstern. Golden gerahmte Bilder einer schwarzhaarigen Frau, bei der es sich wahrscheinlich um die eben erwähnte Mutter handelte. Ein Mantelhalter samt Schirmständer in der hintersten Ecke des Raumes. Ein Aktenschrank mit Vorhängeschloss, daneben eine zweite Tür. Und gegenüber vom Schreibtisch eine alles überschattende Schrankwand, in der Dutzende Modellschiffe in Glasflaschen thronten.
Geschmacklos und verstaubt.
»Was ist hinter der Tür?«, wollte sie wissen.
»Meine Privaträume. Die Heimleitung steht den Bewohnerinnen und Bewohnern von Three Willows rund um die Uhr zur Verfügung«, erklärte Ward in einem Ton, als wäre er auf einer Pressekonferenz. »Ich wohne hier.«
»Mein Beileid.«
Auf dem Kaminsims hinter dem Schreibtisch standen ebenfalls von Glas umschlossene Schiffsmodelle. Adelaide zog sich den Gurt ihrer schlafenden Handtasche über die Schulter, ging auf die Zehenspitzen und tippte gegen die größte der bauchigen Flaschen.
»Man kann mich nicht dafür verurteilen, dass ich mein Eigentum schützen wollte. Was ist, wenn Ihnen einer Ihre Sammlung klauen will, hm?«
»Ich denke nicht, dass sich ein Einbrecher dafür interessieren würde. Dieses Modell ist unter uns gesagt auch nicht sonderlich wertvoll. Ich habe …«
Adelaide klopfte gegen die nächste Flasche. Sie wackelte auf dem Holzsockel, fiel zu Boden und zersprang.
Reginald Ward schoss aus seinem Sessel empor. »Dieses Modell war wertvoll«, keuchte er und deutete auf den Platz gegenüber. »Bitte, Miss Peel, setzen Sie sich wieder.«
Adelaide rührte sich nicht. Sie warf nur einen betont interessierten Blick auf ein weiteres...
Erscheint lt. Verlag | 2.11.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Agatha Christie • Britischer Humor • Cornwall • Cosy Krimi • Cozy Crime • Donnerstagsmordclub • England • ermittelnde Rentnerin • ermittelnde Seniorin • Frauenkrimi • heiterer Krimi • Hobbyermittler • humorvolle Krimis • Krimi mit Hund • Kriminalroman • Krimödie • Lustige Bücher • Miss Marple • Polizist • Rauhaardackel • Regionale Krimis • Seniorenheim |
ISBN-10 | 3-377-90014-4 / 3377900144 |
ISBN-13 | 978-3-377-90014-2 / 9783377900142 |
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